Schlechtes Timing und Nagellack

von Max Florian Kühlem

Oberhausen, 24. November 2020. "Der Lockdown kam für Florian Fiedler zu spät." Dieser auf den ersten Blick skurril wirkende Satz des Oberhausener Kulturdezernenten Apostolos Tsalastras ist ein Teil im Puzzle, das die Tragödie des Theater-Intendanten aus der Ruhrgebietsstadt darstellt. Seit Beginn der Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus nämlich triumphiert Florian Fiedler mit guten Produktionen und Konzepten. Auch intern scheint die Stimmung am Haus nach personellen Veränderungen besser. Dass sein Vertrag mit dem Ende der Spielzeit 2021/22 ausläuft, ist und bleibt jedoch besiegelt. Warum hat es nicht geklappt mit ihm und Oberhausen?

Absurdes Theater?

Das Theater Oberhausen ermöglichte seinem Publikum schon Ende April wieder Begegnungen mit echten Schauspielern in der analogen Welt: Paulina Neukampfs Hörspaziergänge nach Elfriede Jelineks "Prinzessinnendramen" ernteten ein ähnlich euphorisches Kritikerecho wie kurz darauf die digitale Mini-Serie "Die Pest". Cornelia Fiedler nannte es in der Süddeutschen Zeitung "charakteristisch, dass Oberhausen sich als erstes Theater wieder in die Stadt hinaus wagt". Die Intendanz Florian Fiedlers stehe für den engen Kontakt zur Stadtbevölkerung. Dass sein Vertrag nun nicht verlängert wurde, "rückt die Kulturpolitik selbst in die Nähe absurden Theaters".

Fiedler Florian 560 Foto Isabel Machado RiosFlorian Fiedler, Intendant am Theater Oberhausen © Isabel Machado Rios

Auch der 43-jährige Florian Fiedler selbst macht keinen Hehl daraus, dass er seine Nicht-Verlängerung nach zweieinhalb Spielzeiten für einigermaßen absurd hält: "Eigentlich sagt man, dass man im dritten Jahr ankommt." In der Stellenausschreibung, mit der die Stadt Oberhausen eine Nachfolge suche, "stehen genau die Sachen drin, die wir gemacht haben". Von einem "Spielplan mit hohem künstlerischen Anspruch" ist da die Rede, von einem vielfältigen Angebot für Kinder und Jugendliche, kulturellen Kooperationen, der generellen Öffnung für die gesamte Stadtgesellschaft. Erwartet "wird ein hohes Engagement in der kulturellen Bildung und der interkulturellen Arbeit. Eine weitere Diversifizierung im Programm, bei der Publikumsentwicklung und im Team der Mitarbeiter*innen ist ausdrücklich erwünscht".

Flache Hierarchien, gerechte Gehälter

Gerade was die letzten Punkt angeht: Man kann sich kaum eine Intendanz vorstellen, die Öffnungs- und Diversifizierungs-Prozesse klarer in den Fokus nimmt. Fiedler hat sein Ensemble jünger und vielfältiger aufgestellt – übrigens nicht mit einem Hammerschlag, sondern in einer langsamen Entwicklung über die ersten Jahre. Er hat flache Hierarchien und gerechte Gehälter zum Thema gemacht und mit seiner klaren Haltung zur Anti-Rassismusklausel in Theaterverträgen, die er gegen seinen damaligen Verwaltungsleiter befürwortete, für ordentlich Diskussionsstoff in Stadt und Land gesorgt – und für schlechte Stimmung am Haus: Weil er Programme zur Sensibilisierung für die Themen Diversifizierung und strukturellen Rassismus auf den Weg brachte, fühlten sich Mitarbeiter*innen pauschal an den Pranger gestellt.

Ist Florian Fiedlers Intendanz vielleicht ein weiterer Fall der Theater-Kosmopoliten, die auf ein eher provinzielles Umfeld treffen beziehungsweise Spielpläne erstellen, die an den Themen ihrer konkreten Einsatzgebiete vorbeigehen – wie Juliane Kann Anfang Oktober hier diagnostizierte? Einiges spricht dafür: "In bestimmten Bereichen hat man nicht zueinander gefunden", sagt Kulturdezernent Tsalastras. "Da geht es nicht nur um die Politik und Fiedler, auch Teile des Publikums hat er verloren. Die Vorstellungen im großen Haus waren nicht gut besucht."

Dem Stammpublikum vor den Kopf gestoßen?

Fiedler sagt, seine Auslastungszahlen lägen nur geringfügig unter denen des Vorgängers Peter Carp in Vergleichszeiträumen. Die Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, die vor Ort berichtet, schreibt allerdings: "Die Auslastung sank im zweiten Halbjahr 2019 auf 53 Prozent. In der Spielzeit 2015/2016 unter Intendant Peter Carp lag sie im zweiten Halbjahr 2015 bei 73 Prozent. Der Zuschuss für das Theater der Stadt betrug 2015/16 rund 8,3 Millionen Euro – und liegt in dieser Spielzeit bei 9,1 Millionen Euro." Damit vergleichen sie allerdings Zahlen vom Beginn von Carps achter Spielzeit mit denen aus Fiedlers dritter.

SaveMe4 560 Karl Bernd Karwasz uSpäter Durchschlag: "Save Me" im März 2020 © Karl Bernd Karwasz

Fiedler ist sich sicher, dass es einfach mehr Zeit und Ruhe gebraucht hätte, um Intendanz und Stadt einander anzunähern, altes und neues Publikum im Haus am Ebertplatz zusammenzubringen. Aber er ahnt auch, dass er mit einer bestimmten Gruppe vielleicht auch nach Jahren nicht zusammengefunden hätte: "Als ich in der ersten Kulturausschusssitzung mit Nagellack und ohne Anzug aufgetreten bin, haben einige Politiker die innere Nicht-Verlängerung wahrscheinlich schon beschlossen."

Eine Gruppe, die mit seinem Stil nicht warm geworden ist, kann man klar benennen: die CDU-Fraktion im Rat. "Florian Fiedler ist angetreten mit dem Motto 'Ich erziehe mir mein Oberhausener Theaterpublikum'", sagt der kulturpolitische Sprecher der Oberhausener CDU Klaus-Dieter Broß. "Er hat damit dem Stammpublikum vor den Kopf gestoßen und bis auf einen internen Zirkel von Freunden es aber nicht geschafft, Neugier zu wecken und neue Menschen ins Theater zu locken."

"Was uns als Stadt weiterbringt"

Trotzdem – und deshalb stimmt die These vom gescheiterten Theater-Kosmopoliten nicht ganz – bestätigen SPD- wie CDU-Politiker, dass die generelle Ausrichtung von Fiedlers Programm und der Umbau der Personalstruktur richtig waren. Man will in Oberhausen kein Theater, das nur noch auf Unterhaltung setzt, etwa auf mehr Familienstücke oder Musicals, weil der Musical-Veranstalter Stage Entertainment sich auch aus dieser Ruhrgebietsstadt zurückgezogen hat. Man will kosmopolitisch sein: "Das Ziel ist ein Spagat: Mit guter Kunst viele Leute reinholen", sagt Apostolos Tsalastras. "Wir sollten den Anspruch haben, mit Steuergeldern das zu finanzieren, was uns als Stadt weiterbringt."

keloglan eulenspiegel 560 KatrinRibbe uErfolgreiches Familienstück: "Keloğlan Eulenspiegel" © Katrin Ribbe

Florian Fiedlers Problem war also vor allem eins des Timings und der Kommunikation: In der Rassismus-Debatte nahm er mit seinem Haus eine Vorreiterrolle ein. Heute wäre sie vielleicht weniger hitzig geführt worden, weil die Gesellschaft einen Schritt weiter ist – und weil das Haus eine neue Verwaltungsleiterin und zwei 360-Grad-Agentinnen hat, sich die Atmosphäre also auch nach innen verändert hat. Und Reihen wie "D.ramadan" oder ein Familienstück wie "Keloğlan Eulenspiegel" sind gute und gewünschte Konzepte. Doch das Publikum, auf das sie zielen, und das gern mit "migrantische Community" benannt wird, ist nicht – oder zumindest nicht ausreichend – gekommen.

Dass Fiedler die Zeit, die solche Veränderungsprozesse brauchen, nicht bekommen hat, hat allerdings nicht nur mit schlechter Kommunikation, Nagellack und einem fehlendem Anzug zu tun, sondern auch mit den an Stadttheatern üblichen, zu knapp bemessenen Zeiträumen für eine Theater-Intendanz. "Nach zweieinhalb Jahren muss man eine Entscheidung fällen, weil man die Nachfolgeregelung ja nicht aus dem Hut zaubern kann", sagt der Oberhausen Kulturdezernent, der noch in diesem Jahr die oder den nächsten Intendant*in benennen will.

 

MaxFlorianKuehlem kleinMax Florian Kühlem, geboren 1979 in Bergneustadt, studierte Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Soziologie und Politikwissenschaft in Bochum. Er ist schwerpunktmäßig in NRW als freier Kulturjournalist, Autor und Songwriter aktiv.
Er schreibt unter anderem für die taz, Rheinische Post, das Magazin Rolling Stone und nachtkritik.de.

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Kommentare  
Oberhausen: Versagen der Kulturpolitik
Schade, dass Florian Fiedler gehen muss. Fiedler hat ganzheitlich und in allen Bereichen an einem Theater der Zukunft gebaut. Das ist ein Vollversagen der Kulturpolitik.
Ich hoffe, dass er bald woanders mit seinen wunderbaren Ideen weitermachen kann.
Oberhausen: Vergleichszeiträume
Lieber Herr Kühlem,
So zitieren Fiedler mit Zahlen aus Vergleichszeiträumen. Da es ja vermutlich belastbare Zahlen nur aus den ersten zwei Jahre seiner Intendanz gibt (in der dritten war ja schon corona) vergleicht Fiedler vermutlich seine zwei ersten Jahre mit denen von Carp. Haben sie dazu keine Zahlen bekommen? Denn Sie vergleichen irgendeine Saison (15/16), als Carp schon seit vielen Jahren im Amt war. Das ist grade im Sinne der Ausrichtung und des Schlusswortes Ihres Artikels leider irreführend und ein gutes Beispiel für die manipulative Wirkung von scheinbar so objektiven Zahlen.
Oberhausen: prototypisch
Es ist in der Tat fast schon von zynischer Bitternis, dass das Team vom Theater Oberhausen, das rasch und sachlich und "vernünftig" auf die Pandemie reagiert hat und mit Aussenbespielungen die kulturelle Teilhabe geschützt und hochgehalten hat (kurz: ohne zu jammern seinen Job gemacht hat) - nun nicht belohnt wird mit Verlängerung - und andere (=die meisten) Theater nun einen Schuldbürger-Zorn (mit)-anfachen mit zornigen und pathetischen Briefen an die Behörden und die eigene Systemrelevanz betonen - die Tatbeweise dieser Relevanz aber schuldig bleiben. Hier müsste die Oberhausener Kulturpolitik ein kleines Breaving erhalten, dass "ihr" Theater das einzig richtige gemacht hat - kann gut sein, dass die Dynamik der Krise zu gross, für dass diese Politik das nicht verstehen können. Man muss es dieser Politik erklären - und die Branche sollte nun dem Team von Oberhausen Rückendeckung geben. Ich schlage vor, dass Oberhausen der Idee von Thomas Ostermeier Support gibt, dass nun ein klug reduzierter Betrieb installiert wird - und schöne und grosse Sommerspiele geplant werden - und wiederum Thomas Ostermeier und andere das Oberhausener Team loben für ihre Strategie. So entstehen andere, frischere Formen von Solidarität als jene pathosgeschwängerte, die vom deutschen Bühnenverein ausgeht.
Oberhausen: Gut erst seit Corona?
Die Behauptung des Kulturbeigeordneten Apostolos Tsalastras, Corona sei zu spät gekommen, ist absurd. Apostolos Tsalastras weiß ganz genau, dass der Druck der CDU so groß war, Herrn Fiedler endlich los zu werden, dass daran auch das beeindruckende Programm des Theaters während des Lockdowns nichts geändert hätte. Nur kurz zur Erinnerung: noch vor dem Lockdown und vor allem auch vor dem Beschluss gab es im Theater eine Premiere (Peer Gynt), die vielfach ausverkauft war und hier beim Oberhausener Publikum sehr gut ankam, es gab bereits in der ersten Spiel Zeit eine Auszeichnung für die beste Inszenierung in ganz NRW, es gab bemerkenswert viele Einladungen zu wichtige Festivals und das Team um Herrn Fiedler hat so viele Fördergelder an dieses Haus geholt, wie wohl kaum jemand vorher. Unser Kultur Beigeordneter weiß das alles, und ich schätze, er hätte selber Herrn Fiedler und sein Team auch lieber gerne verlängert. Nun muss er sich irgendwelche verdrehten Formulierungen ausdenken, um diese idiotische Entscheidung irgendwie plausibel wirken zu lassen.
Florian Fiedler: Nagellack
Irgendwie ziemlich eitel mit dem Nagellack...
Florian Fiedler: sowas aber auch!
@lotta. ja, unglaublich eitel, wenn ein mann im jahr 2020 mit nagellack auftritt. und dann auch noch ohne anzug. sowas eitles aber auch!
Florian Fiedler: Mangel an Selbstkritik
Naja, sich die eigene Nichtverlängerung mit Nagellack und Anzugslosigkeit zu erklären, zeigt vielleicht genau den Mangel an Selbstdistanz- und kritik, der dann den wahren Grund für die Nichtverlängerung erkennen lässt.
Florian Fiedler: nur ein bisschen eitel
#6: Es ist nicht eitel, dass er‘s trägt. Es ist eitel, dass er‘s in einem Presseinterview erzählt. Auch kein großes Vergehen jetzt, nur eben...ein bisschen eitel.
Oberhausen: nicht eitel
Es ist nicht eitel, sondern folgerichtig, wenn man als Mann betont, dass man sich nicht vielleicht auch deswegen nicht wertgeschätzt fühlt, weil man andere Dress-Codes nutzt als dies "Männer" sonst so nutzen. Vor allem dann nicht, wenn man gute Arbeit abgeliefert hat und das Stellenprofil der Nachfolger genau das beschreibt, was man grad tut. Marthaler wurde 2005 in Zürich nach meiner Beobachtung u.a. auch deswegen gekündigt, weil er dieses martialisch harte Männer-Profil (das heute auch luftig, aber immer noch schneidig daherkommen kann) nicht reproduzieren mochte.
Oberhausen: andere Meinung?
Warum kommt eigentlich niemand aus dem Haus, aus der Technik oder dem Ensemble im Artikel zu Wort? Ist da niemand befragt worden? Und wenn das so ist, warum? Möglicherweise gibt es im Haus und in Teilen der Mitarbeiter*innenschaft eine andere Meinung zum Intendanten und zu seinem Führungsstil als in dieser öffentlichen „Erfolgsgeschichte“....
Oberhausen: Verantwortung
@6 und @9
Wenn man als Intendant 120 MitarbeiterInnen vorsteht und eine Verantwortung diesen MitarbeiterInnen gegenüber trägt, dann kann man sich vielleicht vor einer Kulturausschusssitzung Gedanken machen, wie man da als Vertreter des Theaters und seiner MitarbeiterInnen auftreten möchte. Ein Intendant und sein künstlerisches Team sind Gäste auf Zeit - immer - sie bespielen eine Stadt und ihr Theater mit ihren Ideen. Auf mich wirkt es eher so, als hätte Florian Fiedler sein Ego uns seine Eitelkeit in die Mitte dieser Verhandlung gestellt. Oh ich mach Theater, oh ich bin "anders", das zelebriere ich jetzt vor Stadtoberen, die damit vielleicht nicht klarkommen... yeah "Provokation". Ein Intendant hat auch repräsentieren zu können, sein Haus zu verteidigen und zu positionieren in der Stadt. Das verlangt nun mal danach die konservativere Sprache der Lokalpolitik zu beherrschen.
Oberhausen: Zahlen und Menschen vor Ort
Ich finde es einfach ätzend. Es werden einfach O-Töne der Beteiligten übernommen, ohne Zahlen zu überprüfen oder zu vergleichen. Mitarbeiter werden nicht befragt, die vielleicht auch mal eine andere Position einnehmen könnten, als die „super erfolgreiche Leitung“.
Es gibt hier anscheinend nur Teilbilder die auf diese Seite passen. Theater ist mehr als überregionales Schaufenster Feuilleton. Das sind auch Mitarbeiter und Zuschauer. Einnahmen, Löhne und lokale Akzeptanz.
Bitte lesen Sie zum Beispiel mal die Bühnenstatistik vor und während Fiedler. Da finden sie schnell auch Entlassungsgründe...Pardon.. Nichtverlängerungsgründe.
(...) Das wäre doch mal eine Ergänzung zum Artikel wert. Stellen sie mal ein dialektisches Gesamtbild her.
Und dann könnte sich der geneigte Leser mal ein realistisches Bild vom Theater Oberhausen machen.

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Dieser Kommentar wurde um eine Passage gekürzt, die eine Tatsachenbehauptung enthielt, die nicht überprüft werden kann.
Die Redaktion
Oberhausen: imm gleich
@arbeiter
man kann eine Belegschaft in der Stadt nur im Anzug und mit unlackierten Fingernägeln vertreten?

Gerade diese Auffassung sorgt für den immer gleichen Intendantentypen an unseren Theatern. Das hat nur wenig mit Inhalten und Zielsetzungen zu tun.
Oberhausen: Diskurs-Raumschiff
Es geht nicht um lackierte Fingernägel, sondern um Arroganz. Wer wie Fiedler sein eigenes Personal und seine eigene Verwaltung öffentlich unter Rassismus-Verdacht stellt (https://www.deutschlandfunkkultur.de/oberhausener-intendant-ueber-anti-rassismus-klausel-unsere.2156.de.html?dram:article_id=440588), anstatt sein Haus von innen heraus zu verändern, braucht sich nicht zu wundern, wenn er auf Widerstand stößt. Dasselbe gilt für das Publikum, das man eben erst für sich gewinnen muss (was in Oberhausen ganz offensichtlich nicht geschehen ist), um dann gemeinsam (!) Dinge zu verändern. Einfach mit dem Berlin/ Hannoveraner Raumschiff landen und aus allen Diskurs-Rohren feuern hat hier nicht gereicht, um ein Haus erfolgreich zu führen: Da ist die Nicht-Verlängerung leider nur folgerichtig...
Oberhausen: Eier
Das große Haus in Oberhausen hat 450 Plätze, das wird kein Intendant mehr zu einer ordentlichen Auslastung führen, dazu fehlt in Oberhausen, einer Stadt im fortwährenden Niedergang, das bürgerliche Publikum, sei es nun das traditionelle oder das postmaterialistische.

Mal ein Vergleich: Wuppertal hat 360.000 Einwohner, ist Universitätsstadt, und leistet sich ein Schauspiel mit 150 Plätzen.

Oberhausen hat 210.000 Einwohner, keine Hochschule, jede Menge Armut und jede Menge Leute, die null Bock auf Theater haben. Daran werden auch die 2 im Theatermodeberuf arbeitenden "Agenten für interkulturelle Öffnung" nichts ändern.

Der Oberhausener Kulturausschuss müsste die Eier haben sich einzugestehen, dass Oberhausen nur noch auf dem Papier Großstadt ist und die Plätze in der Hauptspielstätte mindestens um die Hälfte reduzieren.

Dann hat auch die nächste Intendantin eine ehrliche Chance auf Erfolg und die Oberhausener Theatergänger rücken näher zusammen (nach Corona versteht sich).

Glück Auf.
Oberhausen: falscher Vergleich
@15 Nun ja, das Schauspiel Wuppertal ist wirklich ein absoluter und auch tragischer Sonderfall, andere Städte machen vor, wie es gehen kann. Zum Beispiel Kassel mit 201000 Einwohner ca. 10000 weniger als Oberhausen - und 517 Plätzen im Schauspielhaus. Dazu kommen dort noch 947 in der benachbarten Oper als Konkurrenz. Oder Göttingen mit ca. halb so vielen Einwohnern und 500 (!) Plätzen im Großen Haus. Das dort nicht die Studierenden die Haupttheatergänger sind, kann man leicht an den verkauften Plätzen im Rahmen des Kulturtickets sehen. Nein, dass es unter Fiedler nicht lief, muss sich das Team bei aller Sympathie in der Sache schon selber auf die Fahnen schreiben...
Oberhausen: Äpfel und Birnen
Kassel ist Mittelpunktstadt einer ganzen Region, dazu wirtschaftlich gesund und mit einer gänzlich anderen Sozialstruktur als Oberhausen.

Oberhausen ist eine der ärmsten Städte in der ärmsten Region Deutschlands, dem Ruhrgebiet und muss dort mit den erfolgreichen Angeboten von Roberto Ciulli in Mülheim (7 km Luftlinie), Von Ulrich Greb in Moers (20 km Luftlinie), den Gastspielen v. Burgtheater, DT Berlin usw. im Theater Duisburg (10 km Luftlinie), dem Schauspiel Essen (20 km Luftlinie) und den netten Revues und Ballettabenden in Gelsenkirchen (20 km Luftlinie) konkurrieren.

An letzterem kann man sich natürlich orientieren, wenn man kaum Akademiker in der eigenen Stadt hat (https://www.iwconsult.de/fileadmin/user_upload/projekte/2019/Staedteranking_2019)/Oberhausen.pdf) und den Gedanken aufgeben will, dass Kevin und Ayşe und all die anderen Mindestlohn-Malocher und Hartz-IV Habenichtse jemals deutsche Sprechtheater Aficionados werden. Dann kann man sich aber auch Fragen, ob man die Kurzfilmtage aus Oberhausen abzieht, denn mehr Raumschiff habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Hipsters of the World uniten sich und kommunizieren null mit ihrem Umfeld aus Leihhaus, Hörgeräteshop, Frauenberatungsstelle, Shisha Bar und SB-Bäcker.

Oder man orientiert sich am Theater Moers (150 Plätze) und dem Theater Mülheim (200 Plätze) was derer Sitzzahl und Langzeitintendanzen angeht (20 bzw. 40! Jahre), hört auf nach 2,5 Jahren nach Nachfolgern zu suchen und gibt der nächsten Intendantin die Chance sich ihr Publikum zu erspielen und auf ehrliche Art mit ihrem Umfeld zu kommunizieren.

Dann erledigt sich das mit den Berlinisch-Hannoveranischen Diskursraumschiffen und "dem überregionalen Schaufenster-Feuilleton" ganz von alleine.

Man muss dafür aber aufhören auf Nachkritik-Charts zu schielen und Großstadt spielen zu wollen und sich mehr dem annähern, was man vielleicht einmal sein kann:

Spannende Provinz.

P.S.: Noch gar nichts zum Programm Fiedlers gesagt: War mehr so lala. Und dass sich der Artikel von Max Florian Kühlem mehr auf der Diskurs-Meta Ebene bewegt zeigt das eigentlich auch sehr schön. Wo dass schauen keinen Spaß macht, muss man interpretieren, interpretieren, interpretieren und in Deutschland ganz wichtig "diskursivieren".

Glück Auf.
Oberhausen: super!
#17 "Ruhri"
Was für ein erfrischender geiler und inhaltlich korrekter Text. Mehr davon!
Oberhausen: Danke!
Danke Ruhri!
Oberhausen: realitätsfernes Bild
Allein schon wenn ich aufzeigen wollte, wie weit die Wahrnehmung vieler Mitarbeitenden von dem Bild, welches von Herrn Fiedlers Intendanz in diesem Artikel gezeichnet wird, abweicht, würde das den Rahmen der Kommentar-Funktion sprengen.
Absolut realitätsnah ist allerdings die Vorstellung dass Herr Fiedler wirklich glaubt, seine Nichtverlängerung habe ihre Ursache in den lackierten Fingernägeln.

Nicht erwähnt wurde hingegen die Tatsache dass die Zusammensetzung seines künstlerischen Leitungs-Teams vom ständigen Weggang der Beteiligten geprägt ist. Meines Erachtens kein gutes Zeichen für die Führungsqualitäten eines Intendanten.


Aber auf den Punkt gebracht hat es schon „Ruhri“ ins seinem Postskriptum:
Das Schauen macht einfach keinen Spaß.
Und das kann sich Oberhausen nicht leisten.
Weder die Stadt, noch das Theater.


In dem Sinne: Glück auf!
Oberhausen: düster
Ich gehe davon aus, dass die Zahlen im Artikel stimmen und habe schon selbst in ganz schwach besuchten Vorstellungen gesessen, obwohl der Eintrittspreis für alle Plätze nur 8€ war und aufwendiges Theater geboten wurde.
Warum kommen zunehmend weniger Leute ins Theater Oberhausen?
Sicher spielen mehrere Faktoren eine Rolle.
Einigen Kommentaren hier ist die Theorie zu entnehmen, dass Oberhausen eigentlich gar kein Theaterpublikum habe, weil zu arm an Geld und Akademikern.
Aha ... Theater ist wohl nur etwas für Akademiker? Ist das nicht eine sehr elitäre Ansicht?
Oberhausen hat übrigens sehr offene tolerante Bewohner und absolut kein niedriges Bildungsniveau. Also diese Argumentation lasse ich nicht gelten.
Meiner Meinung nach - und ich habe mit mehreren Nichtmehrbesuchern geprochen - spielt (bis auf Kinderstücke) eine ausgesprochen düstere Themenauswahl eine große Rolle. Ich rede jetzt nicht von dem Event "Sterben in Oberhausen) als Erinnerung an den Oberhausener Christoph Schlingensief. Sondern von vielen Stücken davor, die sehr düster Richtung Niedergang und moralischem Zerfall interpretiert wurden. Absichtlich provokativ gefragt: Warum dürfen Erwachsene im Theater Oberhausen nicht viel lachen? Schließt künstlerisches Niveau in Stücken für Erwachsene etwa Humor aus?
Geht man wirklich ins Theater, weil man dort düstere Gedanken bekommen möchte?
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