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Theater Osnabrück: Protest gegen Massenentlassungen

Ohne Rücksicht auf Verluste

4. Dezember 2020. In einem Offenen Brief an die politisch Verantwortlichen im Osnabrücker Stadtparlament wehrt sich die Vorsitzende des Landesverbands Nord der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, Sabine Nolde, gegen die Nichtverlängerung von 37 Künstler*innen am Theater Osnabrück. Die Nichtverlängerungen hatte der designierte Osnabrücker Intendant Ulrich Mokrusch ausgesprochen, der zur Spielzeit 2021/22 sein Amt antreten wird.

Mokrusch Ulrich Foto ManjaHerrmannUlrich Mokrusch
© Manja Herrmann
In ihrem Offenen Brief an den Oberbürgermeister, den Kulturdezernenten und die Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat fordert Nolde die Rücknahme der "rabiaten Massenentlassungen".

Nolde argumentiert, dass selbst in "normalen Zeiten mit "funktionierendem Arbeitsmarkt" ein derartiger "Kahlschlag" nicht angebracht sei. Umso weniger "in Zeiten von Covid", da der Spielbetrieb ruhe und die betroffenen Künstler*innen, denen tarifvertraglich zwei "Ansehrollen" zustünden, nicht auftreten könnten. Da alle Mitarbeiterinnen jenseits der 30 nicht verlängert wurden, wittert Nolde "Altersdiskriminierung", der die Politiker entgegentreten sollten.

"Der Verlust des Arbeitsplatzes", schreibt Nolde, "bedeutet zurzeit ein Abschieben in die Arbeitslosigkeit mit der Aussicht auf Hartz IV! Rechtsträgern sowie Theaterleitungen sollte ein Handeln mit Augenmaß selbstverständlich sein und ihre hohe persönliche und moralische Verantwortung widerspiegeln." Für die 37 Entlassenen gehe die Ausweglosigkeit an die "Grenze der psychischen Belastbarkeit", von einem "ganz normalen Intendanzwechsel" könne unter diesen Umständen nicht mehr die Rede sein.

(www.buehnengenossenschaft.de / jnm)

 

Anm. Redaktion: In einer ersten Fassung der Meldung hieß es fälschlicherweise, dass alle nicht verlängerten Mitarbeiterinnen über 30 Jahre alt seien. Wir haben die Stelle korrigiert.


Presseschau

"Nichtverlängerungen bei Intendantenwechseln sind ein ganz normaler und üblicher Vorgang – der allerdings immer mal wieder Empörung auslöst. Das ist auch unter Pandemie-Bedingungen nicht verboten – oder wäre von Gewerkschaften oder Politikern zum Schutz von Künstlern auszuhandeln", schreibt Christine Adam in der Neuen Osnabrücker Zeitung (5.12.2020) und findet es nachvollziehbar, dass ein neuer Intendant "das Leitungsteam seines Vertrauens und seiner künstlerischen Zielrichtung aussucht oder an die neue Bühne mitnimmt". Von den Osnabrücker Kündigungen seien auch Ensemblemitglieder im Rentenalter betroffen, die nicht in die Arbeitslosigkeit geschickt würden. "Die Zahl von 37 relativiert sich also bei genauem Hinschauen." Die Formulierung "Rabiate Massenentlassung" klinge "da ein wenig reißerisch und irreführend".

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Kommentare  
Entlassungen Osnabrück: Vermutlich ...
... wird der neue Intendant diese Entlassungen bereits bei seiner Bewerbung dem Stadtrat und dessen Kommission mitgeteilt haben. Das heißt, die Entlassungen sind von der "Politik", fahrlässig, gewollt. Deshalb machen es ja alle Intendanz-AspirantInnen so... Man behauptet damit, ein eigenes künstlerisches Konzept zu haben. Und die Stadträte glauben das. Deshalb wird dieser Intendant auch die Entlassungen nicht zurücknehmen können. Er hätte dann ja in seiner bekl... Denkweise kein Konzept! Pech für die Künstler!
Entlassungen Osnabrück: Unzuftreffende Verallgemeinerung
Nicht alle „Intendanz-Aspirantinnen“(was immer das sein soll...) machen es so. Es ist mittlerweile leider chick geworden, dass undifferenzierte Intendanten-Bashing zu betreiben: Machtmissbrauch und unsoziales Agieren stehen dabei immer an der Spitze. Die Alltagswahrheit ist eine Andere. Nur mag sie nicht wahrgenommen werden. Leider!
Entlassungen Osnabrück: Sie machen, was sie dürfen...
...darin sind Intendanten nicht besser oder schlechter als Banker, Politiker o.ä. Es sind die Regeln, die schlecht sind. Übrigens habe ich noch kein Theater erlebt, das durch Kahlschlag besser wurde. Bestenfalls anders, aber oft nicht einmal das. Kennt jemand eins? Welche Herausforderung wäre es für den "Neuen", wenn es hieße: "Überzeuge die Künstler*innen, die Du vorfindest von Deinem Konzept!" -dann gehörte Mut dazu, nach Osnabrück zu gehen. Nicht zuletzt: in diesen Städten gehen die Leute der Schauspieler*innen wegen ins Theater, nicht wegen der "Handschriften".
Entlassungen Osnabrück: verhandeln statt empören
Die GDBA ist Tarifpartnerin. Wann nimmt sie eigentlich endlich mal diese Rolle an? Offene Brief schreiben können Interessenvertreterinnen.

Eine Tarifpartnerin setzt sich an den Verhandlungstisch und schafft dieses unsinnige Privileg ab, statt so zu tun als wäre sie "empörte Beobachterin".

Nur durch die Einwilligung der GDBA wurde dieses "Recht" überhaupt möglich.
Entlassungen Osnabrück: warum denn kein Konzept?
Der Intendant entlässt ja nicht pers se aus Bosheit oder Menschenhass, warum wird das denn als so abwegig in Frage gestellt, dass er wirklich ein eigenes künstlerisches Konzept hat?
Wurde hier ja schon an anderer Stelle diskutiert: die Positionen werden ja nicht gestrichen, sondern neu besetzt. 37 andere Menschen erhalten Arbeit.
Entlassungen Osnabrück: Bitte um Korrektur
Liebes Nachtkritik-Team,
ich bitte um Korrektur folgender Punkte:
- Nicht alle Nichtverlängerten sind über 30, es wurden auch jüngere MitarbeiterInnen nicht verlängert. Es ist jedoch auffällig, und darauf bezog sich Frau Nolde, dass alle Verträge von Schauspielerinnen ü30 und alle Rentnerteilspielzeitverträge nicht verlängert wurden.
- Die Nichtverlängerungen betreffen zwar vor Allem, aber längst nicht ausschließlich die BühnenkünstlerInnen, die Nichtverlängerungen betreffen verschiedene Abteilungen, so auch die Dramaturgie, Leitungspersonal und andere MitarbeiterInnen des Hauses.
Ich bitte Sie, diese Angaben zu korrigieren, damit kein falscher Eindruck entsteht.
Vielen Dank & herzliche Grüße!

(Anm. Redaktion: Wir haben mit dem Theater Osnabrück Rücksprache gehalten, das alle Angaben bestätigt. Die fehlerhafte Stelle wurde berichtigt. Vielen Dank und freundliche Grüße, Christian Rakow / Redaktion)
Entlassungen Osnabrück: widersprüchlich
Wer einen NV Bühne Vertrag unterschreibt, weiß doch, worauf er/sie sich einlässt. Hallo, GDBA, ändert lieber mal grundsätzlich an den Verträgen. Nichtverlängerungen werden oft auch ausgesprochen, um der Unkündbarkeit entgegenzuwirken. Ein unkündbarer Künstler, ist das nicht ein Widerspruch in sich?
Entlassungen Osnabrück: stetiger Austausch
@5 Eben! 37 neue Künstler*innen erhalten Jobs in Osnabrück. Es wird immer wieder vergessen,dass unkündbare Stellen auf Jahre den Zugang für Andere verbauen würden und dass der stetige Austausch das Theater lebendig hält.
Entlassungen Osnabrück: populistisch
Ich finde das Covid-Argument, das ja auch in den anderen Städten (Eisenach, Schwerin etc.) auf den Tisch kommt, mindestens populistisch, wenn nicht gar perfide. Natürlich ist es Mist, seinen Job zu verlieren, wenn man gehofft hat, mit dem neuen Intendanten (leider nicht mal Generisches Maskulinum) neue künstlerische Höhenflüge zu starten, oder dass die Kinder bis zum Abi nicht die Schule wechseln müssen. Was die aktuelle Situation betrifft, sind es aber die Freien und Absolventinnen, die besonders zu leiden haben. Weder die einen noch die anderen hatten ihre "Vorzeigerollen", die einen wurden aber wenigstens im Rahmen ihres Festengagements bezahlt. Warum sollte das bedeuten, dass die Privilegien einer Festanstellung noch weiter zementiert werden, und die Chancen eine solche zu erhalten, minimiert werden? Klar ist das im Einzelfall tragisch, aber solange keine Stellen eingespart werden, erhalten nun andere die Möglichkeit, für ein paar Jahre "sesshaft" zu werden und ein neues Umfeld aufzubauen. Auch an die sollte gedacht werden.
Entlassungen Osnabrück: Klärungsbedarf
Keine*r der Kommentator*innen, auch in allen ähnlich gelagerten Fällen, erwähnt, dass eine Kündigung aus künstlerischen Gründen äußerst schwierig ist, wenn der/die neue Intendant*in erst einmal in Amt und Würden ist. Der NV Bühne gewährt bei Amtsantritt das Recht, Kündigungen auch ohne Begründung auszusprechen, was oft nötig ist, wenn Künstler*innen auf die Unkündbarkeit zugehen.
So schön die Idee der Unkündbarkeit ist, sie stammt aus einer Zeit, als die Ensembles mehr als doppelt so groß waren und es folglich möglich war, auch ältere Kollegen, die weniger häufig einsetzbar sind, im Ensemble halten zu können. Die jetzige Größe der Ensembles erlaubt solche schönen sozialen Gepflogenheiten im Allgemeinen nicht mehr.
Anstatt also, wie üblich, in den Streit zwischen "Führungskräften" und "Untergebenen" einzusteigen, wäre es doch sinnvoller, den Geldgebern der Theater klarzumachen, dass die Ensembles schlicht und ergreifend zu klein sind.
Dazu müsste man sich allerdings zusammenschließen, und nicht per Automatismus in erlernte Kampfhaltungen verfallen.
Entlassungen Osnabrück: aber andere
#3
Lieber Herr Günther, was heißt "besser" bei einem Wechsel? Der Wechsel nach einem "Kahlschlag" bedeutet andere Gesichter, Stimmen, Körper und meist auch andere Arten von Inszenierungen. Was ist da das objektive Vergleichskriterium?
Ich erinnere mich tatsächlich an einen Wechsel, der das voraufgegangene Niveau hielt und auch übertraf: Als Claus Peymann von Bochum nach Wien ging, nahm er sehr viele aus seinem Ensemble mit, der Nachfolger Frank-Patrick Steckel "übernahm" nur eine Handvoll Schauspielerinnen und Schauspieler (u. a. Wolfgang Feige, die ewige Tana Schanzara). Die ersten Premieren (Nibelungen, Riesen vom Berge) waren dann der Hammer-im Hinblick auf die Regie und das Ensemble. Auch der Wechsel von Wilfried Schulz zu Lars - Ole Walburg in Hannover bedeutete keinen Niveauverlust (seltsames Wort), es war anders und es war richtig gut und wurde immer besser.

In Osnabrück habe ich in den letzten Jahren einige Inszenierungen gesehen und mich an die Schauspielerinnen und Schauspieler gewöhnt und sie zu schätzen gelernt. Natürlich ist es schlimm, wenn einige arbeitslos werden, aber andere werden einstellt. Und auf die sollten wir uns freuen.
Entlassungen Osnabrück: gut so!
Ich finde es ungeheuerlich, die Not der betroffenen Künstler:innen populistisch zu nennen und frei Arbeitende gegen Mitglieder in „festen“ Engagements auszuspielen. Von Festanstellungen kann bei der Möglichkeit einer jährlich drohenden Nichtverlängerung an öffentlich geförderten Theatern ja wohl ohnehin niemand ernsthaft sprechen. Vielmehr offenbart die aktuelle Situation die Untragbarkeit eines ja nun schon mehrfach als „ganz normal“ beschworenen Vorgangs, der sich in seiner Willkür schon lange nicht mehr mit den in den Spielzeitprogrammen gern hochgehaltenen humanistischen Werten vereinbaren lässt. Gut so, dass Betroffene verschiedener Häuser sich dagegen wehren!
Entlassungen Osnabrück: Strukturwandel
Auseinandersetzung ist gut, auch wenn sie weh tut. Aber lass*t uns alle auf Augenhöhe miteinander bleiben. Zu behaupten, es wäre populistisch, in Corona Zeiten eine andere Regelung für den Intendanzwechsel zu suchen, ist einfach unangebracht. Und der Satz "dass die Kinder bis zum Abi bleiben", ist auch schnell rausgehauen, wenn man selber keine hat. (Verzeihung: Vermutung). Sich als Stadttheaterspielender auf eine völlig neue Stadt einzulassen, etliche Male im Leben, ist anstrengend.Es zerreisst Beziehungen, kostet unglaublich viel Geld und bricht Brücken ab. Es ist nicht nur das "selige Festangestelltsein". Dafür muss man sich entscheiden, dass ist ein knallhartes Commitment. Und wenn man dann wieder auf den Markt kommt, fängt man bei Null an. Man hat kein soziales Netz, keine bezahlbare Wohnung in einer grossen Stadt, keine Gemeinschaft.( Das sind übrigens meine Idealvorstellungen vom frei arbeiten.)Wir dürfen uns jetzt nicht gegeneinander ausspielen lassen.Feste gegen Freie.Die Situation unserer freien Künstler*innen ist beschämend und es muss weitergekämpft werden für Unterstützung und Wandel.Das bedeutet aber nicht, dass Menschen sich nicht mit einem Vertragswerk, das seinen Ursprung im Jahr 1900 hat, beschäftigen dürfen. Immer daran denken: Nur etwa ein Drittel des finanziellen und Personalanteils an einem öffentlich subventionierten Theater nehmen die Solisten und überwiegend künstlerischen Beschäftigten ein. Die, die man immer rausschmeißen kann. Alle anderen Mitarbeitenden eines Theaters haben normale Arbeitnehmer*innenrechte. Das was an den Theatern grade passiert, ist der Versuch, das Schweigen zu brechen, das durch die diametrale Machtstruktur und den prekären Arbeitsmarkt immer stärker wurde. Künstler*innen verstummen oder verschwinden.Im Fall von Corona geht es um Menschlichkeit - die vermisst man richtigerweise in vielen anderen Bereichen auch- und generell darum, eine andere Sicht auf Künstler*innen; festangestellt- oder frei - zu entwickeln. Das Märchen von den Künstlern, die unter Druck besser arbeiten, das Märchen, dass man im Schauspielberuf eben keine Kinder haben kann, das Märchen, dass es eben nicht anders geht. Denn es gibt auch das Märchen, dass das Theater keine Märchenwelt mehr ist, sondern sich nach klaren Geschäftsregeln orientiert, und dass Menschen an Theatern Prämien kassieren, wenn sie sparsam wirtschaften. Warum sonst könnte man älteren Künstlern, die schon etliche Stationen hinter sich haben. Unkündbarkeit nicht ermöglichen. Weil man im Alter nicht mehr so leistungsfähig ist wie mit Mitte 20? Ein Lob auf unkündbare Spieler*innen, die lange sowas wie ein Geländer der Ensembles waren. Menschen, die viel zu erzählen haben, wenn man ihnen zuhört. Aber das ist eine ganz andere Diskussion.
Entlassungen Osnabrück: Solidarität
Scheinheilig ist diese Empörung der Vorsitzenden... Dann könnte man ja zB auch in Bremerhaven dagegen protestieren, dass der Intendant Künstler mit nach Osnabrück nimmt. Wie kann er diese nur in ein neues Engagement führen? Ach ja, klar, die haben dann ja Arbeit. Da bleibt der Protest aus! Wir sollten uns endlich wirklich solidarisieren mit unseren freiberuflichen Kolleginnen und Kollegen. Jedes Theater sollte sich - gern mit der Coronaargumentation! - verpflichten, in den kommenden drei Spielzeiten mehr Gäste zu engagieren. Ich verzichte gern auf eine Runde! Jeder Intendant, jeder Schauspieldirektor, jeder Oberspielleiter sollte zugunsten der freien Kollegen nur noch 1 Inszenierung pro Jahr machen und die freien Kollegen sichtbar und unverzichtbar zu "brandmarken"! Das wäre Solidarität!
Entlassungen Osnabrück: Haifischbecken
#8: Lieber Stroh-Engel, J.A., u.a.! Nicht jedes gute Argument ist sofort populistisch oder perfide. Perfide ist es, die Notsituation von Menschen zu ignorieren, bzw Freischaffende und Festangestellte gegeneinander ausspielen zu wollen. Und das wiederum dient der Stabilisierung eines Systems, das autokratisch ist, das Machtmissbrauch und Angst begünstigt und in dem diejenigen, die sich auf der Bühne die Seele aus dem Leib spielen, häufig die Letzten in der Nahrungskette sind.
Fest steht doch: Es ist nicht genug für alle da. Insbesondere freischaffende KünstlerInnen sind von der Corona-Krise unendlich hart betroffen und es wäre wünschenswert, dass sie systematisch besser aufgefangen würden und z.B. auch, dass ihre Gagen trotz Vorstellungsausfall bezahlt würden. Doch anstatt in einem solch herablassenden und ignoranten Ton über persönliche Situationen, die Sie vermutlich nicht einschätzen können, zu urteilen, sollten Sie sich vielmehr für eine soziale Theaterstruktur engagieren. Eine Struktur, die nicht einem Haifischbecken gleicht, in der halt mal der Hai, der zur rechten Zeit am rechten Ort war das Futter bekommt und sich alle gegenseitig wegbeißen. Oder wie wäre es, wenn Sie mit Entscheidungsträgern ins Gespräch kämen, um sie über die Arbeit in der Kulturbranche zu informieren und offenzulegen, weshalb sie dringend ausreichender finanzieller Mittel bedarf? Investieren Sie Ihre Energie in den Aufbau einer neuen und besseren Theaterstruktur, anstatt Menschen, die verkrustete Machtstrukturen hinterfragen, Unsolidarität oder Populismus vorzuwerfen. Theater lebt schließlich von Diskurs, von Ensemblearbeit und gemeinsamer kreativer Energie. So let‘s go.
Entlassungen Osnabrück: Ziele 3000
"Der Nicht-Verlängerungsgrund „Intendantenwechsel“ muss abgeschafft werden. Wenn es neuen Trainern in der Fußball-Bundesliga zugemutet werden kann, mit der bestehenden Mannschaft zu arbeiten, dann gilt das wohl auch für neue Intendant*innen. Es ist verständlich, dass Leitende das künstlerische Personal hin und wieder wechseln wollen. Die sozialen Belange der Kolleg*innen müssen dabei jedoch auch berücksichtigt werden. Daher schlagen wir eine Erhöhung der Abfindungen bei Nicht- Verlängerungen wegen Intendantenwechsel auf mindestens eine Jahresgage vor."
Auszug aus den Zielen 3000 des Ensemblenetzwerks
Entlassungen Osnabrück: stetiger Austausch?
Ist es nicht so, dass viele Häuser in diesem Jahr auf Nichtverlängerungen verzichtet haben? Durch Corona war für kein Haus ein "normales" Jahr.
Warum wird bei Intendant*innenwechsel eine Ausnahme gemacht? Denn Fakt ist: Dadurch, dass der sonst übliche Wechsel ausbleibt, haben die nichtverlängerten Schauspieler*innen in Osnabrück kaum Chancen, ein neues Engagement zu finden.
Entlassungen Osnabrück: Unfug
@10
"Keine*r der Kommentator*innen, auch in allen ähnlich gelagerten Fällen, erwähnt, dass eine Kündigung aus künstlerischen Gründen äußerst schwierig ist, wenn der/die neue Intendant*in erst einmal in Amt und Würden ist."

Das ist, Pardon, Unfug. Ich kenne genügend Fälle, in denen dann eben irgendeine künstlerische Unzulänglichkeit erfunden wird. Das genügt schon. Und funktioniert auch. Schließlich finden sich Verwaltungsdirektoren und geschäftsführende Intendanten (Z.B. Mannheim) in Richter-Funktionen an den Bühnenschiedsgerichten. Dessen Instanzen muß man dann auch erst mal überstehen, ehe man sich zum Arbeitsgericht durchgekämpft hat.....
Entlassungen Osnabrück: Wegwerftheater
@5,7,8,9,10,11:
Zum Einen: Informieren Sie sich bitte besser über den Sachverhalt, bevor Sie behaupten, dass mit den Massenentlassungen irgendwelchen etwaigen Unkündbarkeiten vorgebeugt werden sollte. Von elf nichtverlängerten Schauspielenden ist niemand aktuell länger als vier Spielzeiten am Haus. Davon standen vier AnfängerInnen bisher dank Corona noch nicht ein einziges Mal auf der Bühne und vier weitere SchauspielerInnen sind gerade einmal seit zweieinhalb Spielzeiten am Haus. Das Argument, dass hier Schauspielende seit Jahren oder Jahrzehnten auf ihren Plätzen hocken, ist schlicht und einfach unzutreffend. Vielmehr werden Sie, wenn Sie sich die Vitae des Ensembles anschauen, feststellen, dass ein Großteil der KollegInnen in recht kurzen Zyklen umzieht.
Und wer jemals das Glück hatte, einem/r alteingesessenen Kollegen/in in einem Ensemble zu begegnen, weiß, aus welchem Erfahrungsreichtum diese schöpfen. Allein schon, dass sie die schönen, rituellen Gepflogenheiten, die das Theater zu einem besonderen Ort werden lassen, weitergeben (Über welche Schulter beim Toitoitoi spucken - nicht pfeifen - nicht mit dem Mantel über die Bühne gehen usw), ganz zu schweigen von ihrem Wissen, ihren Geschichten, ihren Begegnungen. Und - ich erinnere mich noch an jedeN SchauspielerIn meiner Jugendtage, die ich im Schauspielhaus sah. Es waren meine HeldInnen, ich genoss es, sie in immer wechselnden Rollen zu sehen und freute mich, wenn ich sie im Stadtbild erkannte. Ich bezweifle stark, dass das Bedürfnis der Zuschauenden nach permanentem „Frischfleisch“ derart hoch ist, wie hier teilweise behauptet wird.
Zum Anderen, lieber Herforder, liebe Anderen: Es ist bezeichnend, wie verdinglichend Sie über Schauspielende schreiben. Wie Sie sie ent-individualisieren, indem Sie von „anderen Gesichtern, Stimmen, Körpern“ sprechen. Allein diese Äußerung verdeutlicht, weshalb es in der Theaterstruktur einen grundlegend neuen Denkansatz braucht, der BühnenkünstlerInnen nicht derart auf ihre physische Erscheinung und ihren aktuellen Marktwert - je nachdem, welche Attribute gerade en vogue sind - reduziert, sondern sie als Menschen und Individuen und nicht zuletzt als KÜNSTLER/INNEN respektiert. Schauspielende haben nicht nur Gesichter, Körper und Stimmen - sie haben ein Gehirn, ein Herz, eine Seele. Sie haben Kinder, Freunde und PartnerInnen. Und sie haben in jahrelanger Ausbildung ihr Handwerk erlernt. Sie haben einen Kontext und eine Lebensgeschichte. Und einerseits schmückt man gern mit ihren Bildern sein Haus - aber wenn man sich an diesen Bildern sattgesehen hat, dann sollen sie bitte demütig in der Arbeitslosigkeit oder einer Umschulung verschwinden? Und dann wird mit Kunstfreiheit argumentiert? Ist es nicht vielmehr eine marktwirtschaftliche Orientierung, die sich hier niederschlägt? Und ist die Theaterbranche heutzutage nicht vielleicht weniger ein nachhaltiger, geschichtsträchtiger Musentempel, als - überspitzt gesagt - eine Wegwerf-Industrie geworden?
Entlassungen Osnabrück: Vorschlag
Ernst gemeinter Vorschlag: Nachtkritik.de könnte (unter sachlicher Erfassung der Fakten) eine Liste mit Intendant*innen erstellen, die ihr Amt mit Massenentlassungen antreten. Dann kann später kein Bürgermeister sagen, er hätte nicht gewusst, welche Mentalität er sich da einkauft. Das Hilfe dann zwar noch nicht in diesem Fall, aber in Zukunft. Und gut dokumentierte Fälle der Vergangenheit könnte man dort auch sammeln, soweit objektiv Fakten bekannt sind.
Entlassungen Osnabrück: Frage
Sehr geehrter Herforder,
Ihre Beispiele treffen zu, aber nicht den Kern. Die Lebenswirklichkeit eines Burgtheater-Schauspielers unterscheidet sich von der eines Osnabrücker Schauspielers ungefähr so, wie die des Scheichs von der des Arbeiters auf einer WM-Baustelle in Katar. Wer bedarf des größeren Schutzes?
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