Offener Brief fordert diversitätskompetente Intendanzsuche in Köln
Multiperspektivisch
Köln, 22. Dezember 2020. In einem Offenen Brief fordern zahlreiche Kulturschaffende aus Köln, Nordrhein-Westfalen und Deutschland von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die Findungskommission für die neue Intendanz des Schauspiels Köln divers zu besetzen. Zu den Unterzeichner*innen gehören u. a. Autor Max Czollek, die Regisseurinnen Charlotte Sprenger und Pinar Karabulut, Choreografin Gerda König sowie die Dramatiker*innen Konstantin Küspert und Annalena Küspert. Der Vertrag von Intendant Stefan Bachmann endet 2023.
Im Brief heißt es: "Die Repräsentation von nicht-weiß positionierten Menschen, von mixed-abled Menschen, von Frauen*, trans*, inter* und queeren Akteur*innen of Color ist, sowohl in Auswahlgremien wie diesem, als auch in den städtischen Kulturinstitutionen, sehr wichtig. Eine weltoffene und tolerante Stadt wie Köln es ist, sollte seinem Stadttheater eine multiperspektivische Findungskommission mit Diversitätskompetenz bieten."
Bereits im März 2019 hatte es einen Offenen Brief an Henriette Reker gegeben, in dem Kulturschaffende eine transparente und auf zeitgenössische Theaterdiskurse Rücksicht nehmende Intendant*innenfindung für das Schauspiel Köln gefordert hatten. Vorangegangen war die heftig kritisierte Berufung von Carl Philip von Maldeghem, der aber nach heftigem Gegenwind aus der städtischen Kulturszene und Presse schon eine Woche später wieder absagte.
(geka)
Mehr dazu:
Carl Philip von Maldeghem wechselt nicht nach Köln - Meldung vom 1. Februar 2019
Köln hat einen neuen Intendanten für sein Schauspielhaus bestimmt - Kommentar von Andreas Wilink, 24. Januar 2019
Neue Intendanz in Köln: Carl Philip von Maldeghem - Meldung vom 24. Januar 2019
Notlösung ohne Not – Ein Kommentar zum Rücktritt Carl Philip von Maldeghems von Dorothea Marcus vom 1. Februar 2019
"Kompetenz beweist mittlerweile nur der-, die- oder dasjenige, der, die, das mindestens das Zeug zu einer eierlegenden Wollmilchsau mitbringt", kommentiert Bernd Noack den Offenen Brief in der Neuen Zürcher Zeitung (4.1.2021). Lächerlich und sehr bedenklich findet er die Forderungen: "Nur keinen auslassen, bloss niemanden beleidigen, zurücksetzen, ignorieren. Da wird längst nicht mehr mit dem Hirn gedacht, nur noch erfühlt, wo man anecken könnte; nicht mehr geurteilt, nur noch verurteilt, und wer den diversen Diversitäten nicht nahe genug kommt, gehört leider zur Ausschussware – mag er oder sie auf dem Fachgebiet noch so kompetent sein." Der Gipfel sei die Forderung, wonach allein eine "multiperspektivische Findungskommission" mit "Diversitätskompetenz" hier das Sagen haben dürfe. "Wie müsste der Nachweis aussehen, und wie sollte das in der Praxis gehen?" Noack fordert stattdessen, allein das gelten zu lassen, "was der Bewerber oder die Bewerberin bisher schon für das Theater geleistet hat".
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Wer ist das? Und sollen die dann nur Spezialprogramm machen für nicht weiß positionierte? Was ist überhaupt weiß positioniert? Schiller und Shakespeare und der ganze andere alte Mist? Was machen Leute, die darüber doch noch was wissen wollen?
Was machen die, die einfach Theater sehen wollen, das die Welt beschreibt, wie sie wirklich ist?
Ist Theater nur noch ein Interessensclub? Um Kunst, Literatur, Schauspielerei geht’s gar nicht mehr?
Eigentlich tragisch, oder? Oder doch komisch?
„Die Welt beschreiben, wie sie wirklich ist.“
Nun, das war ja schon immer eine Angelegenheit, bei der sich die Menschen einig waren.
Super Brief, hoffentlich findet er Gehör!
Der "Theatergeschmack", der "Kunstgeschmack" wird von einem kleinen, elitären Zirkel durchgesetzt.
Ob diese Elite nun "Die Repräsentation von nicht-weiß positionierten Menschen, von mixed-abled Menschen, von Frauen*, trans*, inter* und queeren Akteur*innen of Color" umfasst, ändert an der Abgehobenheit des ganzen Betriebes nix.
Klassistische Kategorien zählen nicht.
Leider wird durch die Akademisierung der Kunst und Kultur weiter an einem Graben geschaufelt, der unsere Gesellschaft schon lange zerreisst. Da hilft die Forderung nach Diversität nur wenig, solange dieser Begriff nicht erweitert wird.
Dieser Que(e)rdenker-Brief ist so überflüssig wie eine Fernreise zu Weihnachten 2020.
Ob diese Elite nun "Die Repräsentation von nicht-weiß positionierten Menschen, von mixed-abled Menschen, von Frauen*, trans*, inter* und queeren Akteur*innen of Color" umfasst, ändert an der Abgehobenheit des ganzen Betriebes nix."«
Das schreibt Georg. Und er irrt in einem Punkt: Das ändert an der Abgehobenheit nicht nur nix, es zementiert sie sogar. Solche Briefe sind für eine Mehrheit (die von den Autor*innen vermutlich als stumpf und reaktionär angesehen wird) unlesbar: Wer weiß denn bitte was Frauen* und inter* Akteurinnenen sind. Hier spricht eine Avantgarde, die den Kontakt zu ihrer Umwelt verloren hat. Sie ist so weit voraus, dass der verachtete »Normalmensch« sie gar nicht mehr sehen kann. Und das Schlimmste dabei ist: Diese Art von Borniertheit, die so tut, als würde sie den Dialog suchen, kapselt sich so ein, dass der Dialog gerade nicht stattfindet. Stattdessen: Konfrontation der diversen Intelligenz mit den Doofen. Leute, so geht's nicht!
Alle müssen vorkommen dürfen und die meisten haben den größten Platz. Wie soll es anders funktionieren? Wenn den wenigen aller Platz gehört, wird er wohl vernichtet.
Wenn die Theater endgültig geschlossen sein werden, hört das Herz des Lebens auf zu schlagen. Dann wird Ruhe einkehren, auch auf Nachtkritik, denn dann gibt es nichts mehr, was wir kritisieren können....
Zu den anderen Diskussionsteilnehmern:
Wer nicht erkennen kann oder will, dass Theater in Deutschland traditionell von Weißen für Weiße gemacht worden ist und dadurch ein Ausschluss herrschte, dem ich kann ich auch nicht helfen.
Es geht um Teilhabe. Es geht um Repräsentation. Nicht mehr und nicht weniger. Danach bitte nur Kunst.
Wir kennen das Argument der Kompetenz im Zusammenhang mit der Diskussionen um die Frauenquote( ich sage nur Andi Scheuer). Natürlich sollte es egal sein, welches Geschlecht, welche Herkunft, welche Hautfarbe etc. jmd hat. So zu tun, als gäbe es diese Art der Blindheit gegenüber diesen Kriterien ist aus meiner Sicht schlichtweg naiv.
Allein die Tatsache, dass seit Jahren immer die gleichen Leute in diesen Gremien sitzen, sollte aufhorchen lassen.
Lieber Kollege, liebe Kollegin,
ein wenig nachzudenken, lohnt immer. Dankeschön für Ihren Beitrag.
Ihr eifriges Kommentieren ob der Intendant*innenwechsel bewegt mich dann doch langsam zu der Frage: warum schielen Sie so offensichtlich nach einer neuen Position? Ich frage öffentlich, weil Sie ja auch so offentlich demonstrieren, dass Sie weg wollen.
(...)
(Anm. Redaktion: Eine übergriffige Wendung wurde aus diesem Kommentar entfernt.)
Einer Minderheit anzugehören, gibt dir noch keine Erlaubnis, Stuss zu erfinden und ihn deinen Mitmenschen aufzuzwingen."
Danke für dieses hervorragende Antibeispiel zu Beginn der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrise aller Zeiten. Weiter so!!! hahahaha
(Anm. Red. Das Zitat entstammt einem Interview mit dem amerikanischen Philosophen Peter Boghossian, in der NZZ, 2019: https://www.nzz.ch/feuilleton/us-universitaeten-und-opferdiskurs-interview-mit-peter-boghossian-ld.1519028?fbclid=IwAR2Hh48DC0fXcbg4GS8Jlpopp6KbmdRrg31qeU4wLlKeedgrlk_ShfmIgMo)
Wozu sind Schauspieler da?
Werden die überhaupt noch gebraucht? Können die sich nicht mehr in Rollen versetzen?
Schwarze müssen Schwarze spielen
Weiße müssen Weiße spielen
Chinesen nur Chinesen
Kranke nur Kranke
SS-Männer dürfen nur noch von SS-Männern dargestellt werden (zumindest aber doch von Rechtsradikalen)
Was soll das?
abhängen.
Es geht einzig und alleine darum, die Menschen auch auf den Theatern zu zeigen, die es eben die Gesellschaft ausmachen. Und warum sollen die immer gleichen (weißen) Gesichter, die immer gleichen (weißen) Geschichten für das immer gleiche (weiße) Publikum spielen. Zumal dieses "weiße" Publikum immer weniger wird.
Die Theater werden nach wie vor, eher von einem Bürgerlichen, mehrheitlich weißen Publikum besucht, das aus demographischen Gründen immer älter wird.
Eigentlich alle Theater haben seit 1968 immer wieder von Neuem versucht ein Jüngeres, weniger bürgerliches Publikum in die Theater zu locken, aber es scheint als müssten die Menschen erst älter und bürgerlicher werden um dann wirklich ins Theater zu gehen.
Und jetzt bitte keine Gorki, Volksbühnen Beispiele. Dass sich in einer Millionenstadt auch ein junges, diverses Publikum für zwei, drei Theater finden lässt, ist nur logisch, aber leider nicht die Regel.
Und nun doch noch zur Intendanz. Der offene Brief ist als Erwartung formuliert. Die Richtung der erhofften Entscheidung also vorgegeben. Es wird Druck aufgebaut. Offenbar traut man den Entscheidern (Findungskommission) wenig Kompetenz zu. Augenhöhe? Sehe ich hier nicht. Ein ungebetener Ratschlag. Wer mag das schon. Sowas sollte anders geregelt werden. In Köln. In Köln. Kölscher Klüngel, Rheinische Lösung. Gibt es das nicht mehr? Vielleicht bald auch kein Kölsch mehr? Es darf daran erinnert werden, dass für Entscheidungen (es wird Kritik geben- egal wie es ausgeht) auch die Verantwortung übernommen werden muss. Das wird schwer genug sein. Nur haben die die Schreiber des offenen Briefes nicht.
Ich bin Schauspieler und Teil des Ensembles am Schauspiel Köln. Außerdem habe ich den Brief unterzeichnet. Die meisten Menschen, die diesen Brief unterschrieben haben, sowie auch die Initiatoren dieses Vorstoßes an die kölner Kulturpolitik kommen vom Fach. Das kann man offensichtlich von Ihnen nicht behaupten. Uns Unterzeichnenden ist klar, dass fachliche Kompetenz der Grundstein für eine gelingende Intendanz ist. So klar, dass wir es gar nicht mehr erwähnen müssen. Dass wir Sie damit in Ihrem verstaubten Denken nicht mitgenommen haben, ist durchaus Absicht. Denn die Findung einer zeitgemäßen Intendanz soll nicht von weißen alten Männern durchgeführt werden. Sondern von Menschen, die die Themen, die wir seit tausenden von Jahren im Theater verhandeln, nicht nur intellektuell nachvollziehen können, sondern auch aktiv in ihr Leben miteinbeziehen. Denn ein Verständnis für unsere diverse Welt, die wir im Theater abbilden, gehört zu den wichtigsten Kompetenzen, die eine Intendanz mitzubringen hat! Unser Wunsch nach einer gerechten Welt soll nicht länger nur in verstaubten Textbüchern rumliegen, sondern durch tatkräftige Hände umgesetzt werden. Dazu dient dieser Brief und mein Kommentar als Anregung.
Und es tut mir leid, dass Sie die "unsäglichen gendergerechten Verbiegungen einer Sprache" nur mehr mit einem "Fremdwörterbuch in der Hand" verstehen können, aber die Welt und die Sprache ändern sich. Wenn Sie als Journalist da nicht mitkommen möchten, dann können Sie nur darauf warten, auszusterben.
Mit sehr erbosten Grüßen
Elias Reichert
Homo Faber, go Home.ist nett da für dich.
Bestes!
Marlene.