Wir sind nicht gerettet!

von Julischka Eichel

Januar 2021.

Sehr geehrte Frau Monika Grütters, sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Julischka Eichel. Ich bin freischaffende Schauspielerin. Ich habe von 2003 bis 2006 an der Schauspielschule "Ernst Busch" in Berlin studiert und bin dann bis 2013 ans Maxim Gorki Theater (Berlin) als festes Ensemblemitglied gegangen. Dort hatte ich viele Premieren und eine sehr aufregende Zeit. Anschließend war ich ein Jahr freischaffend und arbeitete in Dresden am Staatsschauspiel und am Schauspielhaus Hamburg, um dann für ein Jahr ins Ensemble des Schauspiel Köln zu gehen. Danach war ich vier Jahre am Staatsschauspiel Stuttgart als festes Ensemblemitglied. 2018 beschloss ich, als freischaffende Schauspielerin zu arbeiten und spielte in Bremen, Basel, Leipzig und Berlin (Volksbühne).

JulischkaEichelJoachimGern 53282Julischka Eichel © Joachim Gern

Ich bin praktisch selbständig, aber eben nicht ganz. Als freischaffende Schauspielerin schreibt man keine Rechnungen, denn jedesmal, wenn ich arbeite, ob für Film, Hörfunk, oder Theater, bin ich angestellt mit allem, was dazu gehört. Das ist oft gut, weil man dann angemeldet ist und versichert und man in die Arbeitslosenkasse einzahlt. Allerdings schreibt man eben auch keine Rechnungen und kommt so nicht in die Künstlersozialkasse, die einzige Versicherung, die ungefähr weiß, wie unsere Arbeitsbedingungen und Arbeitsumstände aussehen.

Das zieht Ärger mit dem Arbeitsamt nach sich, das nicht mit der Rentenkasse zusammenarbeitet. Zum Beispiel kennt das Arbeitsamt oft die Vorgaben der Rentenkasse nicht und will mich dann fürs Arbeitslosengeld sperren oder nachzahlen lassen mit der Behauptung, ich würde den Bedingungen der Arbeitsagentur nicht entsprechen. Ich muss ständig erklären, dass ich, obwohl ich vom Theater oft durchversichert werde, was ja eine Vorgabe der Rentenversicherung ist, nur an den Tagen Geld bekomme, an denen ich tatsächlich arbeite, und ansonsten aber dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe und also den Bedingungen der Agentur für Arbeit entspreche.

Das "Nebentätigkeits"-Missverständnis

Ein weiteres Problem ist ein relativ neues Gesetz zur "Nebentätigkeit". Ich persönlich erlebe fast nur Sachbearbeiter*innen, die meine Arbeit fälschlicherweise als Nebentätigkeit bewerten. Für uns gilt ein Urteil vom Sozialgericht Berlin vom 24.5.2013. Darin heißt es: "Es ist verpflichtend, sich für eine sozialversicherungspflichtige Tagesanstellung aus dem Leistungsbezug des Arbeitslosengeldes abzumelden, um neue Anwartschaften zu begründen. Dies gilt selbst dann, wenn es sich bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nur um einen Arbeitstag handelt." Wenn die Vorstellung oder der Drehtag nun als "Nebentätigkeit" dokumentiert wird, darf man nur bis zu 450 Euro behalten, alles andere muss abgegeben werden. Wir sind aber nie nebentätig! Wir arbeiten in unserem Hauptberuf und immer sozialversicherungspflichtig, sind also an diesen Tagen sozusagen festangestellt. Wir melden uns trotzdem ab und an, eben weil wir sonst kein Arbeitslosengeld bekommen (bzw. einen neuen Anspruch erarbeiten können) und wir nur Geld bekommen nach gespielter Vorstellung oder absolviertem Drehtag.

Das ist kompliziert und oft unangenehm. Immer wieder erlebe ich Geringschätzung mir gegenüber und meiner Berufswahl ("Ist doch nicht meine Schuld, dass sie sich so einen scheiß Beruf ausgesucht haben, wo es keine Gesetze für gibt"). Immer wieder erklären, immer wieder anrufen, immer wieder widersprechen und es eigentlich besser wissen und immer wieder das Gefühl, beweisen zu müssen, dass mir die Hilfe – in Form von Rat und Information und vor allem von Geld – zusteht.

Neustart- oder Novemberhilfen: "keine Chance"

Wir sind nirgendwo einzuordnen. Wir sind freischaffend, aber nicht selbständig, weil wir nach sehr alten Definitionen weisungsgebunden sind und keine Rechnungen schreiben dürfen. Man nennt unsere Art von Beschäftigung UNSTÄNDIGE BESCHÄFTIGUNG und sie ist niemals eine NEBENBESCHÄFTIGUNG. Sie haben das alles bestimmt oft gehört, und ich habe es so oft erklärt und bin nun verzweifelt. Die Novemberhilfen, die Dezemberhilfen, die Ersthilfen, die Neustarthilfen, alle gehen an uns vorbei, weil wir nicht selbständig im klassischen Sinne sind, weil wir keine oder wenige Einnahmen an selbständiger Arbeit haben (eben weil wir keine Rechnungen schreiben). Die Steuerberater (ich fragte drei) sagten mir: "keine Chance". Der Rechtsanwalt des Bffs sagte: "Keine Chance ...da wurde (noch) nichts verbessert..."

Ich bin jetzt zu Hause in Süddeutschland, da kommt meine Familie her, und andauernd sprechen mich auf der Straße Nachbarn an, dass "wir Künstler ja jetzt gerettet werden", dass "der Staat uns Künstler ja pampert". Alle haben die Info, dass wir nun "gerettet" sind ... es stimmt aber nicht. Meine ganzen Freunde kommen aus der Branche, und die Freischaffenden unter uns sind fix und fertig. Alle berichten Ähnliches oder Schlimmeres. Es schmerzt mich, dass es so ist, wie es ist. Dass mein Erfahrungswert zum Theaterleben ein so anderer ist, als für so viele Menschen um uns herum. Theatermenschen, freischaffende Menschen arbeiten viel. Sie arbeiten am Wochenende, monatelang ohne Pause, zwischen den Vormittags -und Abendproben wird Text gelernt und werden Kostümproben gemacht (sehr oft ausserhalb der Arbeitszeit), treffen sich Kollegen zum Vorbereiten. Vor und nach den Vorstellungen wird vor- und nachbereitet, und nach Premieren gehen direkt die nächsten Proben los. Ist man freischaffend, ist man zusätzlich ständig auf der Suche nach neuen Arbeiten und Bewerbungsgesprächen mit anderen Theatern.

SchlossRosmersholm 560 Joerg LandsbergJulischka Eichel in "Schloss Rosmersholm" am Theater Bremen (11/2019, Regie: Armin Petras) © Joerg Landsberg

Will man drehen, verhält es sich nicht anders. Hier kommen neben der Netzwerkarbeit, den Bewerbungen und den Castings noch teure, aber essentielle Fotoshootings hinzu, Trainings bei Coaches und und und ... Immer wieder neu anfangen, sich neu orientieren und seinen Platz suchen in einem Ensemble, sei es im Theater oder bei Dreharbeiten. Ich kenne so viel zweifelnde und kämpfende Kolleginnen und Kollegen.

Keine Solidarität von den Theatern

Ich kenne so viele, die niemals ohne triftigen Grund Hilfe vom Staat annehmen würden oder angenommen haben. Wir zahlen ein überall dort, wo man als arbeitender Mensch zu zahlen hat. Wir arbeiten viel, wenn wir dürfen, weil es uns und das alles was angeht, weil es uns Spass macht, wir es gerne tun und wir was zu sagen haben. Das ist mein Erfahrungswert. Ständig bin ich konfrontiert mit Klischees, Unterstellungen und komplettem Unwissen über unseren Arbeitsalltag.

Aber, und das ist noch schlimmer, selbst Behörden und Verwaltungen, die es wissen müssten, haben eben nur gefährliches Halbwissen oder wissen gar nichts – entscheiden aber, ob wir unterstützt werden oder nicht. Das größte Aber ist allerdings: Meine/die Theater verhalten sich nicht öffentlich zu uns Gästen. Im ersten Lockdown gab es mehrere Theater, die nur teilweise die ausgefallenen Vorstellungen zahlen wollten. Genutzt haben ihnen die Gastverträge, die unmöglich sind, die Paragraphen enthalten, die arbeitsrechtlich nicht haltbar, aber gängige Arbeitspraxis sind. Da kein Schauspieler klagt, denn alle fürchten Repressalien und Nachteile, bleibt alles beim alten. Durch die Arbeit des Ensemblenetzwerks, mit dem ich phasenweise täglich zu tun hatte, zahlten "meine" Theater dann doch. Tatsächlich halfen Gespräche. Ich weiß aber von Beispielen, wo es anders ausging.

Bis heute fehlt eine öffentliche Ansprache bzw. überhaupt ein Gespräch mit uns, wie man mit Gästen umgehen will, jetzt und in der Zukunft. Das Theater hat immer schon seine Gäste gebraucht und sich mit ihnen geschmückt. Ich war sehr lange festes Ensemblemitglied und habe immer gerne mit Gästen gearbeitet. Sie sind wichtig, um offen zu bleiben und andere Einflüsse kennen zu lernen. Theater muss beweglich und fremd bleiben, also brauchen wir die Reisenden und die Fremden. Gäste sind, wenn sie am Theater arbeiten, immer, wie ich oben schon sagte, angestellt, kurzfristig, aber angestellt. Wir sind ein Teil des Ensembles. Wir sind Teil des Theaters.

"Coronagagen" und brachliegende Projekte

Durch Corona wurden wir als erste "nicht weiter beschäftigt", weil die Theater es aufgrund unsere Verträge können ("kann das Theater aufgrund höherer Gewalt ..." bzw. "Sollte das Theater aus nicht zu vertretenen Gründen (z.B. Streik oder behördliche Anordnung) während der oben vereinbarten Zeit geschlossen sein, so kann das Theater diesen Vertrag ab sofort auflösen, ohne dass dem Gast deshalb Entschädigungsansprüche zu steht."). Projekte, die in der Zukunft lagen und angedacht waren, wurden nicht mehr weiterbesprochen oder weggeschwiegen.

Es gab plötzlich "Coronagagen", die unter dem lagen, was Kollegen und ich sonst verdienen. Das kam im Theater und auch beim Dreh vor (nur einmal erlebte ich, dass mir wegen erschwerten Arbeitsbedingungen eine höhere Gage gezahlt wurde). Mir wurde nicht erklärt, warum die Gagen plötzlich niedriger waren, für die gleiche Arbeit. Alles war plötzlich so "verschmiert". Ich hatte mehrmals das Gefühl, dass ich froh sein sollte, überhaupt als Gast arbeiten zu dürfen (was man ist). Also tat man mir einen Gefallen? Oder gehörte ich doch wieder zum festen Kern und also dazu? Und sollte mich mit verantwortlich fühlen und mit anpacken, um die Krise gemeinsam zu überstehen? Wir sparen gemeinsam! Aber war ich nicht gerade eben ohne Theater und gehörte nirgendwo hin und brauchte tatsächlich das Geld, weil es mir bis zum Hals steht? Auf meine Frage, ob man die "Coronagagen" auch bei anderen angesetzt hatte, wie zum Beispiel bei Regie oder Intendanz, gab es keine Antwort.

Ich habe mich an mehreren Theatern beworben. Als Gast. Als Feste. Ich habe von den meisten keine Antwort bekommen. Mit denen, die ich gut kenne, habe ich gesprochen, sie sehen keine Chance, so wie die Lage ist. Die Theater sagen uns Gästen ab, weil es finanzielle Einbußen geben wird, nicht, weil sie uns nicht wollen. Man will sparen. In der Wirkung ist es aber so, als gäbe es uns nicht mehr, und bald wird das vielleicht auch Realität sein. Das kann nicht sein und ist nicht wahr.

Es geht um unsere Existenz

Ich bitte Sie uns nicht zu vergessen in dieser Pandemie. Damit es uns noch gibt, wenn es uns wieder geben "darf". Ich möchte spielen. Ich möchte arbeiten. Ich möchte eine Chance haben, meiner Arbeit nachgehen zu können. Unverschuldet sind wir in diese Lage gekommen. Wir wollen niemanden brauchen, nur einfach arbeiten. Solange wir das nicht können, weil wir unsere Kranken und Alten schützen – das ist ganz selbstverständlich –, brauchen wir Ihre Hilfe. Ihre Hilfe, um unsere Existenz zu erhalten, aber auch als Zeichen, dass wir Teil dieser Gesellschaft sind.

Ich weiß, dieses Schreiben ist vielleicht etwas zu lang, aber das muss es sein, weil es von Vielfalt und Komplexität zeugt und die Situation kompliziert ist. Mir liegt so sehr am Herzen, dass Sie und auch die Gesellschaft verstehen, also auch unsere eigenen Leute: Hier geht es um finanzielle Unterstützung, die uns tatsächlich erreicht , das heißt es müssen dringend die Voraussetzungen und Bedingungen der Hilfspakete angepasst werden. Hier geht es um die Suche nach Klarheit und Anerkennung unseres Status, sowie die Gleichbehandlung und Kenntnisnahme dieser Berufsgruppe "freischaffende Schauspieler*in" in Behörden, Verwaltungen und der Gesellschaft. Hier geht es um Kommunikation und Gespräche innerhalb des Theaters über Zugehörigkeit und Verantwortung. Hier geht es um Wissen, denn wir werden vergessen, weil man es nicht besser weiß.

Und während ich das an Sie schreibe, erreichen mich zwei Schreiben, das eine von der Investitionsbank Berlin und das andere von der Agentur für Arbeit. Beide wollen Beweise meiner Lage und fordern eine Rückzahlung. Beide zu Unrecht, aber eine Forderung bekommt gesetzlich Recht, weil ich nicht selbständig bin. Es muss anders werden.

Ich grüße Sie herzlichst

Julischka Eichel

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Kommentare  
Brief Julischka Eichel: auf den Punkt
AUF DEN PUNKT GEBRACHT....
Brief Julischka Eichel: da wird man wütend...
Hallo,
als aussenstehender kann man leider immer nur erahnen mit welchen ganzen Sorgen Ihr in Eurer Branche zu kämpfen habt derzeit.
Eure Ängste, Euren Aufwand, daher sind solche Texte wirklich wichtig und gar nicht zu lang.
Mich hat er sehr stark berührt und ich werde Ihn weiter teilen und wünsche allen Betroffenen viel Kraft.
Mit freundlichen Grüßen
Maik Grieser
Brief Julischka Eichel: Danke
Danke Julischka für diesen wichtigen Brief. Er ist auf den Punkt.
Brief Julischka Eichel: dringend nötig
Wenn ich das lese, kommt mir die Galle hoch. Auch, weil ich vieles aus eigener Erfahrung kenne. Dringend nötig, dass wir uns um uns selber kümmern!
Brief Julischka Eichel: in einem Boot
Eine erschütternde Bestandsaufnahme. Als "freie" Theatermacher in der (bayerischen) Provinz mit fester Spielstätte und Mini-Budget spielen wir normalerweise 100 Vorstellungen im Jahr (Auflage des Freistaat Bayern). Dieses Jahr mussten 64 Vorstellungen abgesagt werden. 34 dieser Vorstellungen lagen in der Zeit des ersten lockdown. Da wurde uns unter Androhung des Streichens der Fördermittel verboten, Ausfallhonorare zu zahlen. Unser Standardvertrag sah vor, dass wir nur gespielte Vorstellungen honorieren. Bei Absage 24 Stunden vorher wird die Gage nicht gezahlt.

Wir hatten zwar nicht damit gerechnet, dass im November wieder Spielverbot erteilt wird, aber wir hatten die Verträge für ein Stück dann so abgefasst, dass auch ausgefallene Vorstellungen honoriert werden. Am 6. November sollte die Premiere sein, die Probenarbeit war komplett abgeschlossen, die Ausstattung premierenreif.

Es hätte uns in der Seele weh getan, hätten wir Regisseur und Akteure nicht honorieren können. Wir bibbern jetzt aber, was noch alles passiert, bis wir (für ein Drittel der normalen Besucherzahl) wieder öffnen dürfen. Haben die Kommunen und das Land in den nächsten Jahren so viel in der Kasse, dass die Fördermittel weiter gezahlt werden können? Wenn nicht, müssen wir schließen, und alle Investitionen in mittlerer sechsstelliger Höhe sind futsch. Das wäre das zweite Mal in unserer gut 25jährigen Selbständigkeit, nachdem beim ersten Mal unser Haus abgerissen wurde zugunsten rentablerer Nutzung - ohne irgendeine Entschädigung und nur marginaler Stützung beim Ausbau einer neue Spielstätte.

Du siehst: Unsere Situationen sind total unterschiedlich. Aber ansonsten, bei Berufsauffassung und Lebensziel sitzen wir in einem Boot, welches leider ganz schön leck geschlagen ist.

Und dabei müssen wir uns Dasselbe vorhalten lassen wie Du: Macht doch mal was Sinnvolles!

Wir können uns kaum was Sinnvolleres vorstellen als Theater zu machen.

Dir (und uns allen) TOI TOI TOI.
Brief Julischka Eichel: Theaterpyramide
Ein realistischer Bericht, Julischka, wenn er auch im Endeffekt viel zu mild mit dem Betrieb umgeht. Aber ich verstehe, dass das in Ihrer fragilen Position von Nachteil wäre.

Ein paar Beispiele dafür, wie es Menschen am anderen Ende der Theaterpyramide ergeht.
Ich habe Intendanten und namhafte Regisseure getroffen, die:

- eine Wohnung in der Münchner Innenstadt (ihrem neuen Arbeitsmittelpunkt) bezogen, während sie ihr Loft im Hamburger Hafen behielten;
- die Gründstücke in der Toskana hatten mit Olivenhainen, die sie von jungen SchauspielerInnen unentgeltlich abernten ließen, was diese taten, weil sie um die Gunst des einflussreichen Theatermachers buhlten
- die Grundstücke natürlich nicht nur in der Toskana, sondern auch in der Uckermark, auf Mallorca oder in der Provence besaßen
- die mich in ihre Garage geführt und mir ihren Aston Martin (!) gezeigt haben
- die generell im Verborgenen Luxusartikeln zugeneigt waren, z. B. Segelschiffen oder edlen Weinen über 1000 Euro, die sie auf Auktionen ersteigerten und in aufwändig restaurierten Weinkellern im österreichischen Weinviertel stolz präsentierten

All das zu 100% finanziert vom Geld der SteuerzahlerInnen.

Von all den "großen Männern" ganz zu schweigen, die junge Kostümbildnerinnen frisch von der Hochschule vor versammelter Truppe wegen einer Nichtigkeit in einer Weise heruntergemacht haben, dass diese in Tränen ausbrachen, ohne dass eine/r der Anwesenden ihnen beisprang. Wobei das vielleicht noch besser war, als beim Nachhauseweg vom Regisseur abgepasst zu werden und gerade noch atemlos die Wohnungstüre hinter sich zuschlagen zu können, bevor es zu einem jener an Theatern meiner Erfahrung nach völlig üblichen Vorfälle kommt, für die dann nominell die Anlaufstelle "Themis" zuständig ist.

Ich persönlich glaube nicht, dass der feudale und hoffnungslos verbeamtete Neandertaler-Betrieb "Stadttheater" wirklich reformierbar ist.
Gerade deshalb wünsche ich Ihnen und Ihren LeidensgenossInnen viel Kraft.

Herzlich,
Peter Truschner
truschner.fotolot@perlentaucher.de
Brief Julischka Eichel: Zeit, dass sich etwas ändert
Als ich das letzte Mal frei gearbeitet habe, war ich auch entsetzt wie wenig das Arbeitsamt wusste, nimmerhin hatte ich letztlich mit meiner direkten Betreuerin doch noch Glück (sie wusste wenigstens was die ZAV - damals noch ZBF - ist und ich durfte mich bei einzelnen Tagen telefonisch an- und abmelden), umso geschockter war ich, als ich vor ein paar Jahren noch mal mit dem Amt in Kontakt stand... da ging es zwar nur um drohende Arbeitslosigkeit und ich wurde einerseits mit viel Unwissenheit konfrontiert, aber andererseits auch mit enormen Druck (permanente Einladungen zu Gesprächen während das alte Engagement aber noch lief UND natürlich zu Probenzeiten), Androhung von Sanktionen (obwohl ich zu dem Zeitpunkt ja noch nicht mal irgendwas bekam oder bekommen wollte) - ich war heilfroh durch ein neues Engagement erstmal von weiteren Kontakten zu dieser Behörde verschont zu bleiben, aber wir wissen alle das wir jederzeit wieder in diese Lage kommen können und das viele KollegInnen in dieser Lage sind. Zeit, dass sich da was ändert - man dort zumindest weiß wie die Arbeitsrealität aussieht und die Rechte gestärkt werden. Warum muss nicht jedes Amt mindestens einen Berater haben der mit der ZAV in Austausch steht...zB?
Brief Julischka Eichel: gleiche Erfahrung
Danke für diese wahren Worte. Ich habe diese Erfahrungen auch gemacht.
Jana Schulz
Brief Julischka Eichel: Lebensstil von wem?
Lieber Herr Truschner, wie hoch schätzen sie den jährlichen monetären Bedarf eines Menschen mit dem Lebensstil, den sie oben beschreiben? 15.000 Euro netto im Monat oder mehr? Da kommt man ja fast auf ein brutto Jahresgehalt von 300.000 Euro! Kennen Sie im Theater auch nur eine einzige Person, die das verdient? Wenn nicht, können wir dann ihren Beitrag unter Fake News abheften?
Brief Julischka Eichel: googeln hilft
#9 Lieber "König v. Deutschland",
nein, können Sie leider nicht.
In einem Artikel im Kölner Stadtanzeiger vom 10.12.2015 heißt es:
"(...) Peymann, Intendant des Berliner Ensembles, offenbarte, dass er 200 000 Euro pro Jahr erhalte. Für einen Regisseur der Champions League, so Peymann selbst, sei das billig – vor allem im Vergleich zum Kollegen in Bonn, der 350 000 Euro verdiene. Der gescholtene Generalintendant Klaus Weise entgegnete empört, dass er doch nur 320 000 Euro erhalte. Weise verließ die einstige Bundeshauptstadt 2013, die Bezüge seines Nachfolgers Bernhard Helmich fallen mit 183 000 Euro deutlich geringer aus (...)".

Quelle: https://www.ksta.de/kultur/hoehe-der-bezuege-warum-die-gehaelter-von-intendanten-meist-geheimsache-sind-23283046?cb=1610719488833
Brief Julischka Eichel: Auf den Punkt
Danke, Julischka! Dein Brief ist auf den Punkt. Verständlich, persönlich, berührend. Es geht hier wirklich um Aufklärung, und wir können nur hoffen, daß sich die Staatssekretärin Kultur nachdrücklich mit den zuständigen Ämtern und Behörden auseinandersetzt und für wirkliche Änderungen einsetzt.
Brief Julischka Eichel: plus Regiegehälter
Danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben.
Das sind aber nur die Fixgehälter.
Wenn sie inszenierende IntendantInnen und Haus-RegisseurInnen haben, werden einige davon großen Wert darauf legen, nebenbei an anderen Häusern zu inszenieren und Regiehonorare abzugreifen. Besonders beliebt dabei weil ungleich lukrativer: die Oper, wo man an Top-Häusern das Doppelte bis Dreifache für die Regie einsacken kann.
Auch besonders beliebt: das Burgtheater Wien, wo z.B. Matthias Hartmann sich nicht nur das Intendantengehalt zahlen ließ, sondern auch noch für seine Inszenierungen separate, bestdotierte Regiehonorare kassierte.

Uswusw.
Brief Julischka Eichel: kanns unterschreiben
Danke Julischka für deine Mühe!!
Kann alles genauso unterschreiben.
Brief Julischka Eichel: Versäumnisse
Liebe Julischka Eichel, vielen Dank für diesen Beitrag.
Leider muss man es immer wieder sagen, wir Schauspielerinnen und Schauspieler tragen leider eine grosse Mitschuld an diesen katastrophalen Zuständen, weil wir es viel zu lange versäumt haben, uns zu organisieren. Die Corona Pandemie zeigt diese Versäumnisse jetzt auf und ich habe die Hoffnung, dass wir endlich ein Bewusstsein dafür entwickeln, für eine Verbesserung aktiv werden zu müssen. Mit dem Ensemble Netzwerk gibt es erstmalig eine Organisation, die unsere Interessen vertritt und bereit ist, dafür auch zu kämpfen. Das hört sich pathetisch an, aber wenn wir uns nicht mehrheitlich dafür einsetzen und auch bereit sind, dafür zu kämpfen, wird sich nichts ändern.
Brief Julischka Eichel: falsch zitiert
Weil es nervt, dass es immer falsch zitiert wird: das 320.000 Euro-Gehalt von Weise war die Grundgage, die ungefähr so lag wie die von Helmich, ca 200.000, plus vier Regiegagen. Ist immer noch zu hoch und zynisch im Verhältnis zu den Gagen der Beschäftigten, und es ist sehr dumm von der Stadt Bonn, bei einer Gage von 200.000 nicht einen all in-Vertrag zu machen... aber es ist trotzdem nicht so, dass die die Gage für Helmich reduziert hätten, er inszeniert nur nicht.
Brief Julischka Eichel: nicht Öl ins Feuer
Ich verstehe nicht, warum aus dem Brief von Eichel eine Neiddebatte wird. Das ist doch doof. Nachtkritik sollte da besser moderieren und nicht Öl ins Feuer gießen.
Brief Julischka Eichel: wird hoffentlich gelesen
liebe Julischka, danke danke für diesen grossartigen Brief. Steht alles drin und wird hoffentlich gelesen!
Brief Julischka Eichel: informierte Kreise
Süddeutsche Zeitung, 12.1.2021 unter Berufunf dpa:
"Karlsruhe/Stuttgart (dpa/lsw) - Generalintendant Peter Spuhler wird das Badische Staatstheater in Karlsruhe zwar im Sommer verlassen - welche finanziellen Folgen das für das Land hat, ist aber unklar. Aus Datenschutzgründen wolle man nicht sagen, ob wegen der Auflösung seines Vertrags eine Abfindung gezahlt werde und wie hoch diese ausfallen könnte, sagte am Dienstag eine Sprecherin des Wissenschaftsministeriums. Die "Stuttgarter Zeitung" hatte zuvor den Anspruch Spuhlers auf 1,25 bis 1,4 Millionen Euro taxiert und sich dabei auf "informierte Kreise" bezogen."
Wie hoch das Jahresgehalt war, lässt sich ergoogeln.
Brief Julischka Eichel: Verbündet Euch!
Dieses Gefühl von Unwert, Ausbeutung, willkürliche Benutzung, Missbrauch... Demütigung, Nutzlosigkeit... bis zum Behandelt werden wie Dreck... all das gab es schon zu meiner Theaterzeit. Wie sollen wir denn als System relevant an-/erkannt werden bei so viel Abwertung??!!! In der Antike war der/die SchauspielerIn begehrtes "Subjekt"-(Lust)Objekt des Publimums, der Oberen, der Intellektuellen, der Philosophen... ohne jegliche gesellschaftliche Anerkennung oder Bürgerrechte (Frauen waren davon besonders betroffen!!). Hat sich bis heute in der GrundSubstanz was verändert? Ich denke voll Empörung: STEHT AUF, ALL IHR (nicht nur) BETROFFENEN, WEHRT EUCH, KÄMPFT, SAMMELT WICHTIGES WISSEN, VERBÜNDET EUCH, SEID KLÜGER-WISSENDER-MUTIGER, ENTSAGT DEM OPFERDENKEN/-FÜHLEN UND WERDET ENDLICH AUTONOM. UNSERE FREIHEIT LIEGT IN DER WAHL, DER SELBSTBESTIMMUNG ... UND BEWAHRT DABEI DAS HERZ‼‼DANKE‼‼
Brief Julischka Eichel: Druck der Ministerien
Liebe Julischka Eichel,

Ihre Zeilen sind ungemein wertvoll, um nicht nur die Theater, sondern vor allem auch die Politik zu erreichen. Es gibt Theater wie das, an welchem ich arbeite, die Gastgagen für ausgefallene Vorstellungen ausgezahlt haben und dadurch unter den Druck der ihnen vorgesetzten Ministerien geraten. Wenn ein Ministerium empfiehlt, die Gastgagen einzubehalten, kann sich ein Theater noch dagegen stemmen (immerhin setzen die entsprechenden Leiter*innen dann einiges aufs Spiel, aber das muss sein - Hut ab vor ihnen). Wenn ein Ministerium das allerdings anweist, sind auch dem Theater die Hände gebunden.
Brief Julischka Eichel: Danke! Genau so ist es!
Liebe Julischka , danke für diesen Brief. Ich habe die gleichen Erfahrungen machen müssen und habe gegen das Arbeitsamt 2014 prozessiert aufgrund falscher Nachzahlungsforderungen und habe den Prozess verloren wegen der „Verfügbarkeitsklausel“, da ich an den 2 Tagen an denen ich nicht gespielt habe (in Oberhausen) zurück nach Berlin hätte fahren müssen, da ich in der Zeit in der ich nicht spielte, hätte verfügbar sein müssen in meinem Wohnort. Es war dem Gericht nicht zu erklären, dass das finanziell überhaupt keinen Sinn macht und ich konnte auch nicht klarmachen, dass ich an mehreren Theatern gleichzeitig engagiert bin -im besten Fall- weil ich mit nur einem Gast-Engagement natürlich nicht über die Runden komme. Ich musste Geld nachzahlen, was ich nicht hatte. Bis heute teile ich deine Erfahrungen mit Arbeitsamtmitarbeiter*innen, die keine Ahnung haben, wohin mit uns, in welche Formularszeile. Bis heute kriege ich Briefe vom Arbeitsamt mit Nachzahlungaufforderungen, weil Streamingdienste (wofür ich jeweils eine Abendgage bekam) vom Theater als Kurzarbeit angemeldet wurden für die Dauer der Streamings ( 1 Woche ). Allerdings bekam ich nicht 6 Abendgage, sondern eben nur eine, werde aber beim Arbeitsamt als arbeitend für 1 Woche eingeordnet und wieder wird mir Betrug vorgeworfen. Dazu kamen An-und Abmeldungen, da ja nie klar war, ob Vorstellungen stattfinden oder nicht. Ich habe jeweils immer sofort Bescheid gegeben, wenn sich etwas änderte, aber die Forderungsbriefe waren immer schneller. Die Anreden dieser Schreiben sind ein schreiender Betrugsvorwurf und belasten psychisch so sehr, dass ich mich frage, wie Hartz4-Empfänger*innen das länger als 1 Schreiben ertragen.
Ich habe dann einen längeren Brief geschrieben mit dem Hinweis, dass wir Corona haben und dass ich nichts dafür kann ,dass sich ständig alles ändert und dass sie es doch bitte unterlassen sollen, mich ständig anzuschreiben. Dann bin ich in die Schweiz gezogen. Wahrscheinlich schreien die Schreiben nun im Berliner Briefkasten- ich höre nicht mehr hin. Wahrscheinlich kann ich nie wieder in Deutschland einreisen, es sei denn, es gibt ein neues Gesetz für uns und Ausbildungskurse für Arbeitsamtbeschäftigte.
Dazu kommt noch, dass wir bei jedem Arbeitsgeber Sozialabgaben und Krankenkasse zahlen und ein Recht auf dieses eingezahlte Geld in Form von Arbeitslosengeld haben und auch ein Recht darauf,dass man sich mit unserer Berufsgruppe beschäftigt. Schließlich sind wir nicht nur eine Handvoll Künstler*innen, vor allem in den Grossstädten.

Danke für diese ausführlichen Worte, ich hoffe Frau Grütters, die ja eine bekennende Theatergängerin ist, erhört uns. Ansonsten gibt es bald eine Menge Parkwächterinnen und Strafvollzugsbeamte, das ist nämlich das, was man angeboten kriegt als Plan B.
Brief Julischka Eichel: dem Grundgesetz schuldig
Es gibt einen durch keinerlei Recht begründeten falschen Grundkonsens in Deutschland, dass ein Dachdecker, der sechs Wochen lang das Theaterdach neu deckt, selbstredend selbständig sei, und ein Gastschauspieler, der sechs Wochen lang sich in einer Rolle ausgibt, angestellt zu sein hätte, ohne die dazugehörigen Vorteile zu bekommen, dafür aber alle Nachteile. Das gehört genauso vors (Verfassungs) Gericht gebracht wie der einfach nur menschenverachtende NV Bühne, der jegliches Arbeitsrecht selbstherrlich aushebelt, auch da wo er es zu bewahren vorgaukelt. Das sollte und unser Grundgesetz schuldig sein, auch wenn jetzt hochbezahlte Intendanten natürlich gleich jammern werden .
Brief Julischka Eichel: Brief aus Leipzig
Frau Grüters scheint ziemlich viele Briefe die letzten Monate zu bekommen. Hier meiner aus dem April. Es muss sich was ändern. Mit und ohne Corona!


Liebe Frau Grütters,

Gerade lese ich ein Spiegelinterview mit Ihnen über den Wert von Kunst und Kultur. Leider ist es nun so gekommen, dass die Soforthilfen der Bundesregierung in den meisten Fällen nicht bei uns ankommt. Zum einen sind freiberufliche Schauspieler*innen meistens keine Soloselbstständige. Zum Anderen: sollten sie es sein, haben sie oft keinen Anspruch auf die Soforthilfen, da mit diesen nur (die bei uns im juristischen Sinne sehr geringen) Betriebskosten bezuschusst werden. Da wir mit unserem Körper und unserem Geist arbeiten sind unsere meisten Betriebskosten unsere Lebenshaltungskosten. Aber für die gibt es den Zuschuss nicht. Das betrifft auch einen Großteil der Künstler und Künstlerinnen anderer Gewerke.
Ich schrieb Ihnen vor der Abstimmung zum Hilfspaket (Anmerkung: im März) im Bundestag auch zur grundsätzlichen sozialversicherungsrechtlichen Situation im Schauspielbereich. Leider habe ich bisher noch keine Antwort erhalten. Vielleicht war zu viel zu tun. Im Anhang nochmal mein Schreiben von damals, dass immer noch aktuell ist.
Als Mitglied der Deutschen Filmakademie haben wir beide uns schon mal bei einem der Empfänge kurz kennengelernt.
Es gibt einen Podcast der Akademie (Close up. Corona spezial) der nächste Woche kommt, in dem ich mit Susanne Bormann über das Thema spreche. Vielleicht haben Sie ein Ohr oder auch Augen für unser Problem und wir können in einen Austausch kommen, wie man da etwas verbessern könnte. Für jetzt aber auch für später. Herzliche Grüße aus Leipzig

Hier der Brief:

https://out-takes.de/2020/sozialversicherung-grundproblem-eines-berufsstands/
Brief Julischka Eichel: politisches Problem
Warum sollten die hochbezahlten Intendanten jammern, wenn sie Gastschauspieler nicht mehr fest anstellen müssen? Sie würden sich viel Geld, das sie für die Arbeitgeberzulagen ausgeben und viel Verwaltungsaufwand sparen, wenn die Schauspieler nur Rechnungen einreichen. Bitte differenzieren - die Theater und die bösen Intendanten profitieren nicht von dieser arbeitsrechtlichen Schieflage, für die wären auf Rechnung arbeitende Künstler billiger und einfacher. Eigentlich sollen diese Vertragsformen aber die Schauspieler besser absichern und schützen, was in der Praxis des Sozialversicherungssystems nicht funktioniert. Das ist ein politisches Problem, aber sicher nicht zum Vorteil der Intendanten.
Brief Julischka Eichel: Zusammenhalt
Julischka danke, du hast es auf dem Punkt gebracht, ich stehe hinter dein Schreiben und ich kann deine Aussage zur 100% Teilen und bestätigen das es mir und viele meine Bekannten auch so geht die als Gast arbeiten. Die Angst und die Unsicherheit ist sehr groß und auch ich wurde für ausgefallene Vorstellungen in den ersten lockdown NICHT entschädigt. Das Theater hat sich kaum dazu verhalten und bis heute sich nicht weiter dazu geäußert.
Brief Julischka Eichel: Vereinigung gründen
Ich habe für fast alles Verständnis - auch für diese Situation - und ich finde es gut - das hier drübver geschrieben wird. Aber bringt dies etwas - bestimmt nicht - weil die Grundlagen dafür fehlen !! Das heißt - das sich mal alle austauschen sollten - dies mal zusammen fassen - dann eine Vereinigung gründen - die rechtlich auch etwas umsetzen können. Denn wir sind uns alle einig, - so kann esa in der Zukunft nicht weiter gehen - denn rechtliche Grundlagen ermöglichen auch rechtliche Klagen !! Hier sollten alle mal drüber nach denken - denn niemand sollte aus ein Sozialessystem ausgeschlossen werden !! Das rechtsvertreter ein erzählen das Frau - Mann keine Chance hat, - dann sollten sie auch mal sagen - wie man sich Chancen erarbeiten kann, - die rechtlich nicht anzufechten sind !! Denn hier wird mit Menschen auf dem sozialen Sektor gespielt - wo es der Politik egal ist - wie diese Menschen im sozialen Umfeld bestehen können. Es ist immer für mich sehr schade, - das es hier und da Einzelkämpfer-innen gibt - um auf Deffizite aufmerksam zu machen !!

Erich Heeder - Stadtteilkünstler & Strassenmagazin Verkäufer in Hamburg seit April 1994
Brief Julischka Eichel: Versicherung
Wäre es nicht sinnvoller, freien Schauspieler_innen einen besseren Zugang zur Arbeitslosenversicherung zu ermöglichen? Das Schicksal der Solo-Selbständigen an den Bühnen und im freien Bereich ist ja traurig genug. Sie bekommen zwar jetzt staatliche Hilfen in Form von November-/Dezemberhilfen etc., aber schon ab Januar sieht das wieder ganz anders aus. Da kämpft man meines Erachtens zu kurzsichtig! Denn wie Julischka Eichel richtig schreibt, wird es in der nächsten Spielzeit aller Voraussicht nach für Selbständige Künstler_innen auch nicht mehr soviel Platz geben wie bisher. Dann sind Schauspieler_innen vielleicht in ihrer Selbständigkeit anerkannt, aber verdienen trotzdem keinen Cent.
Brief Julischka Eichel: Frage
@27: weil sie nicht selbstständig sein dürfen, können sie nicht die Selbstständigen-Arbeitslosenversicherung abschliessen. Die gibt es nämlich. Warum freie Schauspieler*innen jedoch nicht als Selbstständige gelten dürfen, ist mir überhaupt nicht klar. Das würde ja den Theatern, wie auch den Schauspieler*innen nutzen. Wie lautet denn da die Begründung?
Brief Julischka Eichel: Vielen Dank!
Auf den Punkt gebracht liebe Julischka! Danke für deine wahren, starken Worte.
Mona Kloos
Brief Julischka Eichel: Erfahrungen auf dem Amt
Liebe Julischka,
vielen Dank für deinen Aufruf, danke Nachtkritik für die Verstärkung!
Ich möchte, ähnlich wie Annika Meier, meine Erfahrungen mit der Agentur für Arbeit kurz schildern, weil das deutlich macht, in was für eine dämliche Situation uns die Gesetzgeber*innen gebracht haben.
Ich bin deutscher Staatsbürger und war zwei Jahre fest in Österreich am Theater engagiert. Als ich zurück nach Deutschland kam, um freischaffend beim Film und weiter als Gast am Theater zu arbeiten, hatte ich natürlich nicht sofort nur Arbeit und super viel Geld, also habe ich ALG I beantragt. Da ich innerhalb der EU zwei Jahre versichert angestellt war, habe ich hier Anspruch. Es hat dann insgesamt anderthalb Jahre, die Unterstützung eines befreundeten Juristen, Papierkrieg und nach zwei Absagen und meinem Entschluss endlich aufzugeben, eine Ansage aus der Zentrale in Nürnberg, dass das nicht rechtens sei gebraucht, bis die Berliner Arbeitsagentur mir meinen Anspruch hat gelten lassen. Danach Anwesenheitsterror, sinnlose Vermittlungsversuche, völliges Unuverständnis und Nicht-Verstehen-Wollen seitens vieler Sachbearbeiter*innen oder Kundenbetreuer*innen usw. bis eine Ausnahme.
Es ist ein Riesenproblem, dass andere Mitarbeiter*innen über gestellte Anträge entscheiden, als diejenigen, denen man versucht hat seine Situation zu erklären. Unterlagen gingen verloren, ich musste alles nachprüfen und allem hinterherrennen, aber wenn ich mal eine Frist um 12 Stunden verpasst hatte, wurde mir sofort der Anspruch gestrichen und ich musste von vorn anfangen. Man hat nichts gegen das Amt in der Hand, aber das Amt hat einen in der Hand, diktiert alle Bedingungen, erzeugt Stress, Minderwertigkeitsgefühle, eine drohende Kulisse und verweigert einem vernünftige Kommunikationsabläufe. Hartz IV muss der absolute HORROR sein und gehört abgeschafft, denn bereits ALG I und das System darum ist entwürdigend. Ich habe nach Auslaufen meines Anspruchs (auf Anraten der einen verständig-netten Mitarbeiterin) nicht damit weitergemacht, der Arbeitsagentur Meldung über Arbeit, Arbeitssuche etc. zu machen, was wohl ein Nachteil für die Rente sein kann, weil so riesige Löcher im Lebenslauf sind - er ist versicherungstechnisch ein einziges Loch - wo kein Amt ablesen kann, was man gemacht hat, weil ich mit dieser Insitution nichts mehr zu tun haben möchte. Sie raubt die Energie und macht es mir tatsächlich weniger möglich gut zu arbeiten.
Brief Julischka Eichel: Zugang zur KSK
@27 - nein, sie können sich als Selbständiger nicht freiwillig bei der Bundesagentur für Arbeit versichern lassen. Auch dann nicht, wenn sie in der Künstlersozialkasse versichert sind. Das ist der eine wichtige Punkt. Dass freie Schauspieler_innen nicht in die KSK kommen, weil sie eben sozialversicherungspflichtig sind, ist der andere Punkt. Der Staat argumentiert ja, dass Schauspieler_innen durchaus Zugang zur Arbeitslosenversicherung haben. Sie müssen nur die Kriterien erfüllen, dass sie berechtigt sind, Arbeitslosengeld zu empfangen. Das gilt ja auch für jeden Angestellten. Wenn dieser nicht eine Mindestanzahl von Arbeitstagen geleistet hat, ist er auch nicht berechtigt, Arbeitslosengeld zu bekommen, obwohl er in die Versicherung eingezahlt hat. Man will dadurch natürlich vermeiden, dass jemand beispielsweise nur einen Monat arbeitet, aber 18 Monat Arbeitslosengeld bekommt. Die Forderung muss meines Erachtens also lauten, dass erstens Künstler, die in der KSK versichert sind, Zugang zur Arbeitslosenversicherung bekommen und zweitens der Status der angestellten/freien Schauspieler_innen geklärt wird, damit diesen auch der Zugang zur KSK ermöglicht wird.
Brief Julischka Eichel: Ungehörte Einzelstimmen
Liebe Julischka,

danke für den engagierten Brief !

Kurzum ist mir in all den Jahren meines Theaterschaffens aufgefallen, dass Solidarität und Engagement, im Ensemble, im Verband, in der Gewerkschaft als nicht cool angesehen wird. Das Einzelkämpfertum, die Ellbogen, das Schweigen und leider auch das Klagen ist groß.

> Wenn eine gemeinsame Stimme geschaffen werden soll, die sich für uns einsetzen kann, die immer mehr bewirken kann > dann vereinigt Euch, tretet in die Verbände, in die Gewerkschaft ein und kämpft gemeinsam für Euch!

Dann können den überforderten Menschen der Arbeitsagenturen auch die richtigen Begrifflichkeiten und Paragrafen vorgelegt werden, keine Prozesse müssen alleine geführt werden, Verträge können auch gegen gelesen werden, etc > ihr habt jemanden, der Euch den Rücken stärkt - im beruflichen Anliegen wie auch in der Politik !

Einzelstimmen werden meist nicht gehört, abgetan ...

So wünsche ich uns allen eine bessere Zukunft !

Liebe Grüße Petra Maria
Brief Julischka Eichel: Alles aufschreiben
Lieber Julius Feldmeier, das haben Sie sehr gut beschrieben! Ich kenne viele solcher Beschreibungen. Nicht nur von Theatermenschen oder ehemaligen Angestellten oder Handwerkern oder Auszubildenden, sondern auch von Akademikern. Ich kenne auch solche - gerade Akademiker oder junge Menschen, die sich hervorragend im Umgang mit digitalen Arbeitsmitteln auskennen, die aus diesen entwürdigenden, energieraubenden und willkürlich sanktionierenden ALG/Hartz-System ausgestiegen sind. Um den Preis, keine Krankenversicherung mehr zu haben und Kredite aus ihrer Ausbildungszeit nicht mehr tilgen zu können. Die unterm Radar von jeder Sozialleistung und oft unter einer drohenden Obdachlosigkeit sich versuchen mit ihrem Können ehrbar vereinzelt durchzuschlagen. Das kann man, wenn man im Jahr nicht mehr als 8000,- € durch Arbeit erwirbt. Unterm Radar bleiben...

Das Amt ist so strukturiert, dass es Stress bei den "Kunden" erzeugen MUSS. Der Mitarbeiterwechsel bei den Fall"managern" ist angelegt und kein Zufall. Die MitarbeiterInnen, selbst oft nur befristet angestellt und in letzter Möglichkeit, noch einmal eine bezahlte Erwerbsarbeit bekommen zu haben, leiden ebenfalls unter diesem System, die Burnout-Rate unter ihnen ist extrem hoch.

Das alles lässt sich mit politischem Willen ändern, aber es geht nicht von heute auf morgen und auch nicht, wenn man hofft, dass es Menschen tun, die Leute gut finden, die das mal gegen jedes gute mehrheitliche Argument eingeführt haben.

Eines aber geht sofort bei allen, die sich in Ihrer Situation befinden: Bereiten Sie bitte noch ein weiteres Papier vor, wenn Sie einen Amtstermin haben: Schreiben sie in Reihenfolge alles auf, was Sie an Papieren abgegeben haben und lassen Sie sich das vom Bearbeiter, bei dem sie das abgegeben haben - und sei es die Pforte - gegenzeichnen. Ich habe das einmal gemacht, da musste ich Wohngeld beantragen, weil trotz eigentlich guter Wohnsituation für mich und meine Familie eindfach nichts mehr ging. Die Mitarbeiterin hat Tränen gelacht, weil ihr das so noch nie untergekommen war, dass sie auf einer Liste einem "Kunden" bestätigen musste, dass sie Formular soundso auf vollständige Ausfüllung geprüft und erhalten habe amum soundsoviel Uhr. Und sie hat gesagt, auf die ordentlichen Warte stapel, nach Monaten geordnet, hinter sich auf dem Boden liegend weisend, wenn das jeder so machen würde, würden sie viel mehr Zeit brauchen. Ja, hab ich gesagt. Dann sagen sie das mal schön ihren Vorgesetzten, in der nächsten Beratung, dass das demnächst JEDER so machen wird. Weil diese Art Empfangsbestätigung Blatt für Blatt mit Formular-Nr. eine Rechtsabsicherung ist, die einem von Amts-Seite zusteht. Und dass SIE verantwortlich seien, wenn hier was zeitverzögernd für die Bearbeitung verloren ginge, was oft passiert - oder zumindest behauptet wird, wie ich von vielen Menschen wisse. - Sie hatten damals einen Bearbeitungsnachhang von ganzen 7 Monaten, weil sie so oft krank war, Burnout halt. Ging dann aber doch ganz schön schnell. War auch so schnell nötig. Ich hab es damals allen gesagt, bei denen es vielleicht noch nötiger war und gebe es hiermit noch mehr Leuten weiter, so die Redaktion es für wichtig hält...
Brief Julischka Eichel: Groteske Unsicherheiten
Vieles, sicher nicht alles aber vieles davon trifft auf freie BühnenbildnerInnen,KostümebildnerInnen und Regieführende auch zu.
Verträge werden genauso geschlossen. Mit all diesen Eventualitäten. Die Unsicherheit die davon ausgeht ist nahezu grotesk. Wir dürfen unsere Berufe nur noch sehr eingeschränkt ausüben und stehen manchmal von einem auf den anderen Tag vor der Tür ohne irgendwelche Ansprüche.
Brief Julischka Eichel: freiwillig
@31 so man Anspruch auf ALG1 hat, kann man sich natürlich in der Selbstständigkeit freiwillig weiter versichern.
https://www.arbeitsagentur.de/datei/hinweis-alv_ba013509.pdf
Brief Julischka Eichel: Werkvertrag
#34 Das würde mich interessieren, welches Theater Regie / Ausstattung über zeitlich begrenzte, sozialversicherungspflichtige Verträge anstellt und nicht Werkverträge abschließt? Das gibt es? Weil juristisch sind das eigentlich Freiberufler, vergleichbar Selbständigen.
Brief Julischka Eichel: springender Punkt
@31 - ja, wenn man Anspruch auf ALG1 hat, kann man sich freiwillig versichern, wenn sie selbständig sind, nicht. Das ist der springende Punkt. Entweder ist man selbständig, dann bekommt man aber kein ALG1 oder man ist angestellt und bekommt ALG1, wenn man die Mindestanzahl an Arbeitstagen geleistet hat. Auf beiden Hochzeiten kann man nicht tanzen. Das Problem ist aber, dass freie Schauspieler_innen sich nicht entscheiden können, frei zu sein, weil sie am Theater immer angestellt werden.
Brief Julischka Eichel: Volltreffer
Es ist ein Kreuz.
Brief Julischka Eichel: schöne neue Welt
"...Bis heute fehlt eine öffentliche Ansprache bzw. überhaupt ein Gespräch mit uns, wie man mit Gästen umgehen will, jetzt und in der Zukunft. Das Theater hat immer schon seine Gäste gebraucht und sich mit ihnen geschmückt. Ich war sehr lange festes Ensemblemitglied und habe immer gerne mit Gästen gearbeitet. Sie sind wichtig, um offen zu bleiben und andere Einflüsse kennen zu lernen. Theater muss beweglich und fremd bleiben, also brauchen wir die Reisenden und die Fremden."

Auch hier: sowas von auf den Punkt und ganz fein ausgedrückt.
Im Oktober letzten Jahres folgende Absage eines mittleren Stadttheaters bekommen:

"Sehr geehrter Herr X,

vielen Dank für Ihre Bewerbung und Ihr Interessse an unserem Haus.
Da wir gerade erst unser Herrenensemble "aufgestockt" haben und voraussichtlich niemand nicht verlängert, haben wir leider gar keine Vakanzen. Im Zuge der Folgen der Pandemie werden wir auch kommende Spielzeit darauf achten, ohne Gäste auszukommen.

Es tut mir leid, Ihnen keine Hoffnungen machen zu können.

Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen"

Zumindest ist das mal entwaffnende Ehrlichkeit.
Hier im Süden könnte ich vielleicht ganz gut beim Winterdienst anfangen. Im Schneepflug kann man dann auch prima die Kinder mitnehmen. Die haben sicher Spass und bewundern mich endlich mal!
Brief Julischka Eichel: ein ganz anderer Ton
„Das Leben ist grausam und schrecklich gemein.“ Das Leben ist grausam und Billie ein Schwein. Also: Warum meldet sich die Autorin dieses Briefes nicht nach einem Jahr ohne Arbeit einfach arbeitslos, damit meine ich Hartz IV, so wie jeder normale Mensch. Einladungen, blöde Briefe, Drangsalierungen? So what! Als großer Künstler und schizophren (das heißt 50 Stimmen im Kopf permanent ertragen zu müssen) beantworte ich gerne die Briefe des Jobcenters und zwar schon seit 16 Jahren. Denn ich weiß, dass die Philosophie das beste Mittel gegen Depressionen ist. „Darf ich nicht auch schön sein, weil ich klug bin?“ Soll ich etwa Panikattacken bekommen, nur weil das Jobcenter meine ach so große Persönlichkeit nicht zu schätzen vermag? Der olle Schopenhauer schreibt in seinen 50 Lebensregeln, dass man getrost auf das Unglück der Anderen schauen möge, auf dass man seinen eigenen Internetzugang zu würdigen versteht. Ein guter Freund von mir ist Doktor der Philosophie und lebte bis kurz vor Weihnachten 2020 auf der Straße. Ich riet ihm, wenigstens den Buchtitel der Katzenberger zu beherzigen: „Sei klug, stell Dich dumm!“ Er telefoniert seitdem jeden Tag mit seiner Mutter, aber wohlgemerkt aus der Schaltzentrale der UNI-Klinik Charité (das ist das Telefon der Station 16 B, der Psychiatrie), weil er kein eigenes Handy mehr besitzt, dass es ihm sehr wohl ergehe bei einem warmen Mittagessen und Einschlafen in schön gereinigten Betten und frischen Handtüchern am Morgen und ein gereinigtes Bad mit großzügiger Dusche, fast besser als im Hotel. Ich hoffe, er lernt daraus, und verweigert nicht das Angekommensein in der Welt mit schlappen 55 Jahren. Ich selber empfange seit 2004 Hartz IV. Na und? Meine Projektliste wird immer länger und ich werde noch zu meinen Lebenszeiten berühmt. Was wünscht man sich mehr im Leben? Man sollte das Leben einfach rückwärts denken, dann beschwingt einen das morbide Alter umso mehr. Also: Vertrauen Sie unsereins, der „Macht des Alters“.
Brief Julischka Eichel: Verträge
Das würde mich interessieren, welches Theater Regie / Ausstattung über zeitlich begrenzte, sozialversicherungspflichtige Verträge anstellt und nicht Werkverträge abschließt? Das gibt es?


Ja natürlich ...auch bei Musikern durchaus üblich..wird oft mit GbR umgangen
Brief Julischka Eichel: für alle reicht es nicht
#40 - Billie Jean
Ich muss gestehen: dieser Text hat was! Billie Jean - ein Doppelwesen. Der Träumer und der Zyniker. Ich mag den Beitrag. Und er beschreibt gut die Situation vieler Kolleginnen und Kollegen (von mir), die Ende der 1990er Jahre von den Theatern ausgespuckt wurden und danach - tja - lahm gelegt wurden...
„Für alle reicht es nicht“, hieß mal eine Plakatserie am Berliner Ensemble vor der Peymann-Zeit.
Brief Julischka Eichel: Aufmunterung
Die Kunst wird leider nur noch gebraucht, für die Aufmunterung des Volkes zur letzten Minute der abendlichen Nachrichten, um die seit einem Jahr täglich bestimmenden Corona-Nachrichten, abzumildern. Unverständlich ist mir in dem Zusammenhang, das der gesamte Profisport, schniefend und schwitzend seinen Beruf ausüben darf, aber die Kindersportvereine nicht. Schwimmen findet bei den Kids inzwischen ja schon online statt, als Trockenübung. Wer bewertet eigentlich die Wertigkeit von Berufen, die noch arbeiten dürfen? Und da ich schon mal dabei bin, von wem lassen sich Merkel & Co jetzt die Haare schneiden? Denn die sehen ja immer frisiert aus. Und das, wo die Frisöre gar nicht arbeiten dürfen.
Julischka Eichel ich habe deinen Beitrag auf Facebook geteilt und wünsche der Kunstbranche, wissende Staatsdiener. Dir alles Gute!
Brief Julischka Eichel: übrigens
#41 GbR ist ganz was anderes, da ist man Teilhaber (übrigens wird das von der KSK anerkannt als selbständig). Ist hier aber nicht Thema ... :-)
Brief Julischka Eichel: mehr Demut
Ich schäme mich ein bisschen für diesen Jammertext. Auch Frau Grütters ist unverschuldet in diese Lage gekommen. Wir alle. Ich finde einige Themen auf jeden Fall wichtig, also Probleme zu benennen, aber ich finde nicht, dass gerade der richtige Zeitpunkt dafür ist. Der Staat fängt uns auf. Ja, wir können nicht so gut arbeiten gerade. Aber viele hatten schon vor Corona immer wieder auch keine Aufträge - unverschuldet, ja, das kann man immer sagen, aber auch, weil wir zu viele sind oder immer wieder auch mal gar nicht gut vielleicht. Ich finde es sehr schwierig, in diesen schweren Zeiten so beleidigt zu sein, weil man nicht vom Staat gepudert wird. Aber ja durchaus Hartz IV beantragen kann!!! Das hab ich auch gemacht und es lief alles sehr professionell und würdevoll ab. Ich finde, dass hier zu viele Dinge vermischt werden. Wir leben im fast reichsten Land der Welt und wenn man sieht, wie andere Menschen leiden, wegen Corona, in Indien oder Bosnien, in Griechenland, ach, an so vielen Orten. Und wir beklagen uns wegen zu viel Papierkram und weil wir nicht arbeiten können! Essen können wir aber und die Heizung anmachen. Ich weiß nicht, es macht mich traurig. Etwas mehr Demut wäre ganz gut, finde ich. Nach Corona können vielleicht in aller Ruhe Arbeitsbedingungen verändert werden, dafür müssen wir aber alle arbeiten und kämpfen, aber doch nicht ausgerechnet jetzt, wo uns doch geholfen wird. Meine Schwester arbeitet auf einer Intensivstation in Sachsen. Meine andere Schwester im Theater. Letztere hat soeben einen Corona-Zuschlag erhalten!! Die andere nichts. Die Schwester aus dem Theater bekommt seit einem Jahr KurzarbeiterInnengeld, das auf 100% aufgestockt wird. Nein, ich glaube nicht, dass SchauspielerInnen gerade Grund haben, sich zu beschweren. Ich kenne auch einige mit sehr reichem Familienhintergrund, die meinen, etwas Besseres verdient zu haben, die aber übrigens ja trotzdem Hartz IV bekommen würden - die sich beklagen und sich aber zu gut sind, um aufs Amt zu gehen. Ach, ich krieg das gerade alles nicht zusammen.
Brief Julischka Eichel: Schauspielergruppe?
@44: Wäre dann nicht eine souveräne Schauspielergruppe wie im Mittelalter die Lösung? Denn als Selbständiger wird man vom Jobcenter in Ruhe gelassen. Man erhält eben Aufstockungsleistungen.
Brief Julischka Eichel: Lösung
Liebe Kollegin, es gibt einen Ausweg aus dem von Ihnen beschriebenen Dilemma, ohne dass die Staatsministerin auf eine Gesetzesänderung drängen muss: Sie können als freischaffende Künstlerin eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit über die KSK versichern lassen, wenn Sie damit mindestens 3900€ im Jahr einnehmen. Das ist nicht viel und sollte mit etwas Unterricht, Workshop o.ä. oder mit der Mitwirkung an einer freien Produktion zu erreichen sein. Ihre eigentliche Tätigkeit als Gastschauspielerin an Staatstheatern und beim Film können Sie dann als Nebentätigkeit ohne Schaden für Ihren Selbständigen-Status weiterführen. Dass Sie dann mit Ihrer Nebentätigkeit vielleicht zehn mal so viel verdienen, wie mit Ihrer Haupttätigkeit, macht nichts, denn es kommt nur auf die Arbeitzeit und nicht auf den Gewinn an. Sie führen Ihre selbständige Tätigkeit in vermindertem Umfang fort während Sie ein Gastengagement annehmen und alles ist gut. Ist Ihr Gastvertrag beendet, melden Sie sich bei der KSK als hauptberuflich selbständig zurück und treten bei nächster Gelegenheit in die Arbeitslosen-Weiterversicherung für Selbständige ein. Diese pausiert dann, wenn Sie Ihr nächstes Gastengagement antreten. So leben Sie zwar weiter nomadisch, aber mit allen Segnungen unseres sozialen Netzes. Angenehmer Nebeneffekt: Die freie Szene und der schauspielerische Nachwuchs profitieren von Ihrem Staatstheater-gestähltem Können.
Brief Julischka Eichel: nicht so einfach
@47
So einfach ist es leider nicht. Erst einmal gibt es in diesen kurzfristigen Beschäftigungen (sei es angestellt oder auch selbstständig) neben der KSK Verdienstgrenzen (nachzulesen auf der KSK Seite)und zweitens ist es als reiner Schauspieler:in sehr schwierig, in den Hauptbereichen auf Rechnung zu arbeiten. Das muss sich ändern. Wir brauchen ein Wahlrecht und gehören als Freiberufler:in in die KSK, und zwar komplett.
Brief Julischka Eichel: sonderbar
In Corona Zeit erfolgt der Ruf nach Solidarität und Gemeinschaft in normalen Zeiten bricht der gnadenlose Konkurrenzkampf karrieretechnisch unter Künstler*innen jeden Damm... was ist da normal?
Brief Julischka Eichel: Wahlrecht
@Peter Schneider: Kann es sein, dass Sie sich irren? Die Zuverdienstgrenzen der KSK gelten für nichtkünstlerische Einkünfte. Diese darf man nur bis zur Höhe der Geringfügigkeitsgrenze (z.Zt. 5400€ pro Jahr) erzielen, weil man ansonsten nicht mehr "schutzwürdig" durch das Künstlersozialversicherungsgesetz ist. Eine Mischkalkulation aus selbständigen und nichtselbständigen künstlerischen Einkünften ist aber kein Problem. Der Teil, der selbständig erzielt wurde, wird über die KSK versichert, der andere über den Arbeitgeber (schreckliches Wort). Aber ich stimme Ihnen zu: Es wäre einfacher, hätten wir ein Wahlrecht.
Brief Julischka Eichel: kein Mitleid
Der Begriff "brotlose Kunst" ist nicht nur eine Floskel, sondern er hat sich tief ins Bewusstsein der Menschen eingegraben. Schon Äsop, der wahrscheinlich im 6. Jahrhundert v. Chr. lebte, hat das Problem mit der Fabel von der Grille und der Ameise thematisiert. Redet euch nicht damit heraus, dass ihr von früh bis spät hart arbeiten müsst, um mit eurer Kunst den Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn ihr keine Freude daran hättet, würdet ihr es nicht machen. Und ihr, die ihr jetzt kein Mitleid habt mit den Künstlern, die kein Einkommen mehr haben und euch damit herausredet, dass ihr hart arbeiten müsst, um eueren Lebensunterhalt zu verdienen mit einer Arbeit, die euch keine Freude macht: Schämt euch. Ihr wusstet es auch schon immer, dass in harten Zeiten die Künstler als Erste leiden, und habt euch oft an ihrer Kunst erfreut und das Unerfreuliche eurer Arbeit dabei vergessen können.
Brief Julischka Eichel: Rettung nicht in Sicht
Liebe Julischka,
auf den Punkt gebracht. Ich höre immer wieder die mal genau eine solche Beschreibung in Gesprächen mit ein paar von Deinen Kollegen. Kannst Du das nicht weiter streuen. Parteibüros, Presse u.s.w.. Leider sieht es ja nicht so aus, als bestünde ein ernsthaftes Interesse, dieses Problem zu lösen. Beeindruckt hat mich der menschliche, warme Ton des Textes, der es erst recht notwendig macht, gehört zu werden.
Und dann ist mir auf einmal deutlich geworden, das aus Lessings erschreckendem Satz: "Die Kust geht nach Brot.", der noch viel furchtbarere Satz: "Die Kust darf nicht nach Brot gehen." geworden ist. Dir und allen, dass es doch noch Rettung gibt.
Brief Julischka Eichel: (nicht) selbständig?
@Michael Günther - Ich denke nicht, dass die KSK diese Unterscheidung zwischen selbstständiger und nicht selbstständiger künsterlischer Arbeit macht. Denn die Definition von Künstler*in besteht für die KSK ja gerade in der freien und nicht weisungsgebundenen Ausübung der Kunst, d.h., Angestellte sind im Sinne der Künstlersozialkasse keine Künstler*innen ... Welcher Kunstbegriff dahinster steckt, inwieweit das Sinn macht und/oder noch zeitgemäß ist, steht auf einem anderen Blatt.

Freilich bin ich selbst kein Schauspieler, sondern mit einer anderen Tätigkeit in der KSK versichert, insofern weiß ich nicht, wie das für Schauspieler*innen in der KSK aussieht und mich würde sehr interessieren, ob das von Ihnen beschriebene Mischmodell denn de facto von Ihnen praktiziert wird oder ob Sie Leute kennen, bei denen es so funktioniert (auch bei höheren Nebeneinkünften)?
Brief Julischka Eichel: Schräglage überall
Liebe Julischka,
Applaus für Ihren Auftritt und ich bin beeindruckt, wie höflich und gefasst Sie hier darstellen, was zum Himmel schreit und stinkt! Was Sie anhand Ihrer Erfahrungen beschreiben (ich kenne diese demütigenden und würdelosen Kämpfe gegen Bürokratiemühlen auch aus anderer Perspektive) sind für mich auch die Ergebnisse einer vollkommenen Entkoppelung der Vorstellbarkeit von der Vielfalt an Lebensentwürfen, wovon unsere Gesetzgeber keine Vorstellung und keinen Bezug haben. Wir werden von PolitikerInnen „vertreten“, die uns eher treten als helfen. Je weiter unten man/frau sich gerade befindet - umso weniger Hilfe bzw. Verständnis oder individuelle Lösungen gibt es. Ich bin insgesamt erschüttert, wie wenig Menschen sich quer durch unsere Gesellschaft Gehör verschaffen, sich - mindestens da wo sie betroffen sind - solidarisieren, sich (gerne ja auch kreativ) helfen, auflehnen gegen Zustände und Schikanen, die seit nunmehr 1 Jahr immer absurder werden und jeglichem gesunden Menschenverstand entbehren und uns eigentlich sehr viel deutlicher, sichtbarer, hörbarer, lesbarer widerstreben müssten. Jedoch werden die Zustände der gesamten Schräglage zur Zeit so offensichtlich, dass es tatsächlich wie ein absurdes Theaterstück anmutet. Die Beiträge hier sind für mein Empfinden teilweise derart passend für genau dieses denken und verhalten, die vieles der Schräglage mittragen (sich weiterhin an den unnützen Paragraphen abarbeiten, vergleichen wer was verdient, dankbar sein und demütig dass wir hier leben dürfen nach dem Motto: schlimmer geht immer), welches uns in solche Situationen bringt. In diesem inzwischen so kaputten Geld-und Macht-System sind ja außerhalb der bürgerlichen Schubladen keine anderen Lebensmodelle vorstellbar bzw. legal lebbar, möglich, oder einzuordnen. Wir, bzw. in dem Fall Sie, werden in Schach und auf Trab gehalten indem das Gefecht mit solch einer absurden Szenerie (wie Sie beschreiben) die ganze Kraft und Energie kostet. Umso mehr steht für mich der Spruch als hohes Gebot unserer Zeit: „Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!“ Gemeinsam geht es immer leichter und das hoffen auf Hilfe einer Ministerin ist so unwahrscheinlich wie ein 6er im Lotto. Dennoch müssen wir es auch da versuchen. Schauen wir uns um und stellen wir uns bitte die Frage, wie können wir uns gegenseitig unterstützen und helfen und dazu beitragen dass sich die Zustände endlich ändern.
Alles Gute von Herzen für Sie und: never give up!
Brief Julischka Eichel: Wahl
Um Veränderungen für uns Theaterschaffende in Deutschland tatsächlich zu erreichen (insbesondere die Arbeitsbedingungen an den Theatern zu verbessern und den NV Bühne zu reformieren), steht im Mai 2021 eine wichtige Wahl an. Es geht um die Wahl der neuen Präsidentin / des neuen Präsidenten der GDBA (Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger) - unsere offizielle Interessenvertretung. Die bisherige Vorsitzende des großartigen und in vielerlei Hinsicht erfolgreichen Ensemble-Netzwerkes Lisa Jopt kandidiert für diese Position in der GDBA. Hier tut sich eine einmalige Chance für uns alle auf. Ergreifen wir sie! Verhelfen wir der tatkräftigen Kollegin Lisa Jopt auf diese wichtige Position. Informationen über das Wahlprozedere gibt es hier... https://ensemble-netzwerk.de/enw/gdba-change/?fbclid=IwAR2qrLO2PymXCbcB9Et-nKtZI1AF3uljd9xJh7bIqoGMPsmL4IvlH3rbEfU
Brief Julischka Eichel: Intendant:innen
Freunde- ich habe grundsätzlich nichts gegen diesen Brief, all den bedingungslosen ZustimmerInnen und den Forderungen einzuwenden... Tatsächlich frage ich mich aber, wieso niemand solche Forderungen öffentlich und schriftlich konkret an die vielen teilweise reichen IntendantInnen stellt? Sind es nicht im ersten Schritt eben sie, die für die unfairen „Paygaps“ und dem im Brief und den hier in den Kommentaren erwähnten Probleme, einhergehendem Rattenschwanz mit sich ziehen? Es ist ja nicht Frau Grütters, die den TheaterintendantInnen vorschreiben wie genau sie die öffentlich gestellten Gelder nutzen und an ihre KünstlerInnen verteilen... es ist auch nicht Grütters, die den IntendantInnen vorschreibt, ihre freischaffenden KünstlerInnen nicht zu versichern (bei Bühnen- & Kostümbildnern sowie RegisseurInnen ist es tatsächlich so...) und ihnen teilweise Gagen anbietet, bei der die Betroffenen gezwungen sind mindestens 4 Arbeiten oder mehr innerhalb von 9Monaten zu machen um davon zu leben...
Daher muss ich sagen: bei aller Richtigkeit undso, muss doch dieses Schreiben eigentlich nicht an die Politik sondern an die „mächtigen“ Leute aus der eigenen Reihe gerichtet werden...
welcher Politiker oder Politikerin mit ansatzweise gutem diplomatischem Geschick soll das ernst nehmen können?
Brief Julischka Eichel: Träger sind der Adressat
Ehrlich gesagt habe ich den Eindruck dass es eben doch AUCH sehr häufig die Träger sind die auf Nichtbezahlung von Gästen drängen, Selbst da sollten natürlich Leitungen für ihre Künstler feste UND freie kämpfen, was sicher nicht jede (ausreichend) tut, aber da es eben auch grundsätzliche Probleme damit gibt wie unsere Verträge und Beschäftigungsverhältnisse gewertet oder verstanden werden, was dringend angegangen werden muss, ist die Politik, meiner Meinung nach, definitiv der richtige Adressat.
Brief Julischka Eichel: Juristische Hilfe
Das ist unglaublich. Ich kann nur sehr empfehlen sich mit den Ämtern nicht selber herumzuschlagen. Lasst das einen Verwaltungs- oder Sozialrechtler erledigen. Je nach Lage. Die Kraft sollte in die kreative Arbeit gehen und nicht im Behördendschungel verpuffen.
Brief Julischka Eichel: Danke!!
Danke, Julischka Eichel für diese klaren und mutigen Worte!
Brief Julischka Eichel: Theater unsolidarisch
Danke Julischka Eichel!!! Du bist großartig! Der Skandal ist nicht nur das mangelnde Auffangprogramm der Politik, das finanzielle Dilemma der freien Mitarbeiter*innen entsteht auch dadurch, dass viele Theater und Festivals ihre freien Mitarbeiter*innen völlig im Stich lassen. Die Medien sollten dringend aufarbeiten wie Häuser, die sich sonst gerne politisch geben, gerade Kurzarbeit vom Staat kassieren, Produktionskosten und Löhne einsparen, währenddessen sie immer noch die vollen regulären Fördersummen kassieren, aber gleichzeitig ihre freien Mitarbeiter*innen nicht bezahlen. Das heißt Theater und Festivals, bzw. ihre Intendant*innen, sanieren und profilieren sich gerade massiv auf Kosten der Kranken und freien Mitarbeiter*innen! Sie machen soviel Profit wie noch nie! Diesen Zynismus muss man sich einmal vorstellen. Jede Leitung eines Hauses oder Festivals, das so handelt, gehört rigoros wegen Veruntreuung von Fördergeldern angezeigt und von Staat, Stadt oder Land entlassen.
Brief Julischka Eichel: Fragen
Ich denke schon dass Sie sich auch schon an die ZAV gewandt haben...
https://zav.arbeitsagentur.de/
und was sagt der Dt.Bühnenverein dazu ?
(Und es stimmt, ich dachte die Gastschauspieler würden auch unterstützt)
Was sagt der BFFS dazu?
https://www.bffs.de/category/buehne/
Alles Gute!
Brief Julischka Eichel: kluge Facetten
Der Brief aber auch alle Kommentare hier treffen jeden wunden Punkt - und spiegeln zugleich prima die äußerst widersprüchliche Lage... ich finde kluge Facetten in fast jedem Beitrag hier; auch wenn sie zT gegensätzlich argumentieren.

Besonders hervorzuheben: #60
- ja, die aktuelle Mehrfach-Finanzierung der Häuser durch Subventionen plus Kurzarbeitsgeld (plus Einsparungen, plus Spendenakquise usw.) ist ein schreiender Skandal und betrifft fast alle Theater im Lande. Die verdienen sich gerade dumm & dämlich durch NICHT-spielen. Aber offenbar können Feuilleton-Schöngeister keinen Taschenrechner bedienen; oder sie möchten kein 'Nestbeschmutzer' sein - Kultur ist halt das persönliche Genußmittel, und Geld HAT man... wer's tatsächlich bezahlt ist egal, und wer aus dem Betrieb (oder aus der Gesellschaft) hinten runterfällt ebenfalls. Zynismus pur.

Dito # 33: Umgang mit Jobcentern bzw. Arbeitsagenturen
Hervorragende Tips, kenne ich aus eigener Erfahrung. NIEMALS Unterlagen, Anträge usw. per Post schicken oder in den Hausbriefkasten des Amtes werfen ! Die verschwinden mirakulöserweise häufig im Nirgendwo. Also IMMER persönlich hingehen (egal wie lästig, demütigend und zeitraubend das ist!), IMMER eine vorbereitete, detaillierte Quittung mitbringen, diese IMMER gegenzeichnen lassen. Das schützt zwar nicht vor Verlusten aber es beweist, was pünktlich eingereicht wurde und erspart daher Sanktionen wegen "nicht-Mitarbeit".
Daß man mit zusammen dieser Quittung stets eigene Kopien aller eingereichten Schriftstücke und Schreiben aufbewahrt versteht sich von selbst.
Bei wichtigen Gesprächen auch mal Begleitung/Zeugen mitnehmen (etliche HartzIV-Hilfs-Initiativen bieten sowas qualifiziert an).
Sobald etwas zu dumm wird, zu eskalieren droht - ruhig und höflich darauf bestehen, sofort nächsthöhere*n Vorgesetzte*n zu sprechen. Nach meiner Erfahrung sind die oft zugänglicher und klüger als Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt. Ad infinitum wiederholen bis man auf den-/diejenige trifft, die was kapiert. Notfalls jedesmal wieder.
Grundsätzlich kann es auch nicht schaden, anwaltlichen Fachbeistand einzuholen - Gewerkschaften (ver.di) bieten ihren Mitgliedern kostenlosen Rechtsschutz in Arbeitsrechts- und Sozialrechtsfragen.
Alternativ: Guten Sozial-Fachanwalt suchen; auch hier helfen HartzIV-Intitativen gerne weiter. Dessen Erstberatung von Amts wegen finanzieren lassen, d.h. Prozeßkostenhilfe ('Armenrecht') beantragen (bitte googlen). Das restliche Fall-Honorar zahlen dann die Ämter, die ihre Prozesse wegen Untätigkeit und Dämlichkeit am laufenden Meter verlieren.

Ich weiß, ich weiß - die Lawine an deprimierenden Formularen, Fotokopien und Fristen wird dadurch ständig größer, aber nur so kann man auch relativ mittellos etwas bewegen. Und Bewegung ist allemal besser als Opfer-Depression. Auf jeden Fall trainiert man Effizienz im Umgang mit Widerständen, oder sogar eine ingrimmige das-wolln-wir-doch-mal-sehen-Heiterkeit...
Brief Julischka Eichel: laut engagieren
(forsetzung des 1. teils)

A propos Opfer:
Ich bin vom Fach und kenne die Probleme, die Julischka Eichel in ihrem Brief beschreibt und die in den vielen Kommentaren ergänzt werden. Und ich bin genauso wütend wie alle hier über die Strukturen in dieser Branche.
ABER:
Im Laufe des letzten Jahres fielen mir immer wieder auch unangenehme Stimmen auf. Da wurde -teils weinerlich, teils arrogant- die eigene, von "den" Politikern bestätigte 'Systemrelevanz der Kultur' beschworen und eingeklagt. Ehrlich ?! Das klang manchmal so wie:
"Meine Mutti hat mir immer gesagt, daß ich was ganz Besonderes bin - und jetzt komme ich in die echte Welt und das ist gar nicht so. Buhuuu!"
Und dieser Sound wurde gerne auch mal gekoppelt mit: Waaas ?! HartzIV beantragen ?! Wie gräßlich, das machen wir nicht mit, das ist unter UNSEREM Niveau; und außerdem kann man davon ja nicht mal anständig leben.

Ich frage mich dann immer, wie tief diese Menschen schlafen - haben sie nichts mitgekriegt von den jahrzehntelangen Protesten gegen HartzIV, von den unzähligen Berichten über dieses Elend ? Habt ihr, haben wir ernsthaft geglaubt, daß ausgerechnet wir außerhalb der sozialen und gesetzlichen Wirklichkeiten stehen ?! Kommt bitte endlich raus aus der Blase, reiht Euch endlich ein zum gemeinsamen Kampf gegen diese Zustände. Oder ist das ebenfalls unter Niveau ?! Dann bitte nicht wundern über den Haß auf "die Eliten", denn genau das sind wir, wenn wir uns so verhalten. Nicht die Extrawurst fordern, sondern das bessere gleiche Recht für ALLE.

Ebenfalls an die Adresse der ganz persönlich vom System Beleidigten:
Rund 20% (!) aller Beschäftigungen in diesem Land sind mittlerweile schon auf die eine oder andere Weise prekär - unterbezahlt, unsichere Verträge oder beides. Auch die haben in Corona-Zeiten alles verloren. Darunter viele 450,-€-Jobber - in Handel, Gastronomie, Hotellerie und übrigens gern auch an Bühnen - die KEIN Kurzarbeitsgeld und auch kein ALG I erhalten. Die stürzen genauso lotrecht in ALG II/HartzIV ab wie wir. Die interessieren offenbar (auch) niemanden in 'der Öffentlichkeit'; man jammert z.B. lieber lang & breit über die Zumutungen eines Home-Office o.ä.

Und zuguterletzt:
Ja, wir müssen uns organisieren. Das ist nun mal der Weg, auf dem es mit langem Atem funktioniert; wie seit mindestens 150 Jahren erprobt & bewiesen. Und da wäre es schlau, das Rad nicht in jeder Generation nochmal neu erfinden zu wollen; das kostet viel Kraft und Zeit und spielt dadurch denen in die Hände, die keinerlei Interesse an einer funktionierenden Gegenmacht haben.
Die notwendigen Organisation(en) gibt's nämlich schon, sie heißen GEWERKSCHAFTEN. In unserem Fall: ver.di. Oder alternativ/nicht-gewerkschaftlich das Ensemble-Netzwerk.

Bitte also nicht nur kluge Analysen schreiben, sondern sich neugierig, tatkräftig & laut engagieren. Es gibt VIEL zu tun & zu verändern.
Wir sehn uns !
Brief Julischka Eichel: Besser?
Geht endlich auf die Straße! Oder geht es Euch schon wieder besser?
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