"Ein Schlag ins Gesicht"

21. Januar 2021. Gegen eine geplante Kreiskonferenz der AfD Recklinghausen am kommenden Sonntag im Ruhrfestspielhaus Recklinghausen regt sich Protest. "Mitten im Corona-Winter, während die meisten Menschen sich um private Kontaktreduzierung und social distancing bemühen, möchte die AfD ihre Kreiskonferenz im Ruhrfestspielhaus in der Stadt Recklinghausen abhalten", heißt es in einem Schreiben des VVN-BdA Recklinghausen, der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und dem Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten". Gegen die AfD wolle man nun am Sonntag ab 9 Uhr in Recklinghausen protestieren, "trotz Corona, mit Maske und Abstand".

Träger des Hauses ist die Stadt Recklinghausen, vermarktet wird es vom Vestischen Cultur- & Congresszentrum. In dem Protestschreiben heißt es weiter: "Es ist ein Schlag in das Gesicht von Gewerkschaftern und Demokraten, wenn Rechtspopulisten, die mit Faschisten zusammenarbeiten, in dem Haus der Arbeiterfestspiele Ruhrfestspielhaus ihre unsägliche Politik veranstalten."

Protest auch aus Bochum

Ein Protestschreiben erreichte Nachtkritik.de auch vom Schauspielhaus Bochum. In der von Intendant Johan Simons signierten Mitteilung heißt es: "Das Schauspielhaus Bochum sieht mit großer Besorgnis auf die Vorgänge im Ruhrfestspielhaus Recklinghausen." Die Orte für "Kunst und Kultur" müssten "geschützt werden vor Fremdnutzung rechter Populisten, die in ihren Programmen für die Abschaffung von Kunst und Kultur eintreten, die nicht in ihrem Sinne sind." Die Kreiskonferenz sei "ohne Wissen und Zustimmung des Hauptnutzers, der Ruhrfestspiele im Ruhrfestspielhaus" gestattet worden.

Das Schauspielhaus Bochum "appelliere" daher an den Oberbürgermeister der Stadt Recklinghausen, Christoph Tesche, "seinen Einfluss auf das Vestische Cultur & Congresszentrum – ein Unternehmen der Stadt Recklinghausen – geltend zu machen und die Entscheidung zu korrigieren!"

Entscheidung am morgigen Freitag

Das Vestische Cultur & Congresszentrum ist als Eventveranstalter ein Eigenbetrieb Recklinghausens, der mehrere Veranstaltungsorte vermietet, darunter das Ruhrfestspielhaus. 

Auf Nachfrage von Nachtkritik.de erklärte die Pressestelle der Stadt Recklinghausen telefonisch, dass eine Entscheidung über die Veranstaltung erst am morgigen Freitag fallen werde.

Die Ruhrfestspiele und der DGB Kreisverband Recklinghausen waren für eine Stellungnahme heute nicht zu erreichen.

(VVN-BdA Recklinghausen / Schauspielhaus Bochum / Stadt Recklinghausen / sik / jeb)

 

Update vom 22. Januar 2021: Die Stadt Recklinghausen hat heute morgen offenbar den Mietvertrag für den AfD-Wahlparteitag im Ruhrfestspielhaus gekündigt. So steht es im Statement, mit dem sich auch Olaf Kröck, Intendant der Ruhrfestspiele Recklinghausen, gegen die Durchführung der AfD-Zusammenkunft stellt.

"Nicht tragbar" sei eine derartige Veranstaltung der rechtsextreme Positionen und Strukturen aufweisenden Partei, die für die Abschaffung der Vielfalt von Kunst und Kultur eintrete. "Die Ruhrfestspiele stehen selbst für Solidarität, Diversität, Freiheit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit" heißt es in dem Statement, das nachtkritik.de vorliegt. "Das Ruhrfestspielhaus ist weithin sichtbares Symbol genau für diese demokratischen Werte. Sollte ein Wahlparteitag der AfD dennoch im Ruhrfestspielhaus stattfinden, ist das eine Entweihung dieses Ortes", so Kröck.

Angefochten hat die AfD die Kündigung des Mietvertrags vor dem Verwaltungsgericht, wie der DGB-Region Emscher-Lippe per Presseaussendung mitteilt. Auszugehen sei davon, dass das Gericht der Beschwerde auf Erfüllung des Mietvertrages stattgebe und der Parteitag der AfD zur Wahl von Bundestagskandidaturen am Sonntag stattfinde. Mit einer Mahnwache vor dem Festspielhaus will der Deutsche Gewerkschaftsbund dann gegen die AfD-Kreiskonferenz protestieren.

In seiner Presseaussendung fordert der DGB die Stadt auf, den Rechtsweg in Gänze auszuschöpfen, um die Veranstaltung der AfD im Ruhrfestspielhaus noch zu verhindern. Obwohl er Mitgesellschafter der Ruhrfestspiele sei, habe der DGB erst aus der Presse von dieser Vermietung erfahren.

(Ruhrfestspiele Recklinghausen / eph)

 

Mehr dazu: Interview mit dem Intendaten der Ruhrfestspiele Recklinghausen Olaf Kröck.

mehr meldungen

Kommentare  
AfD im Ruhrfestspielhaus: Risikomanagement
2015 feierte die FPÖ ihren Wahlerfolg bei den Landtagswahlen in Oberösterreich im Linzer Ars Electronica Center, dem Wallfahrtsort progressiv-linker Digitalenthusiasten. Die künstlerische Leitung des Hauses konnte sich nicht wehren, da die Stadt die Vermietung der Säle an eine eigenständige Firma übertragen hatte. Strache und Haimbuchner feierten ihren "Sieg" (34 %) in den Hallen einer Institution, die die FPÖ via Initiativen im Linzer Stadtrat scharf herunterkürzen wollte.
Superfail.

Dass die AfD diesen kleinen Trick gerne auch versucht, ist klar. Warum es bei der Stadt Recklinghausen kein Risikomanagement bei Vermietungen gibt ist unklar. Die AfD hat sich ja offiziell eingemietet - in einen Ort, den in Deutschland jeder Kulturinteressierte mit der Gewerkschaft verbindet. Hat die Stadt Recklinghausen ihre Event-Tochter nicht wenigstens mit einer Liste versorgt, was definitiv nicht geht? oder ist die Ansage: alles egal, Hauptsache der Mieter zahlt?
Eine wichtige Lehre für alle Kulturinstitutionen, deren Träger den Saal gerne noch zusätzlich vermieten. Lasst euch vertraglich zusichern, daß ihr die Vermietungsanfragen zu sehen bekommt, bevor die Verträge geschlossen werden.Sonst tagt die AfD auch in euren Hallen. Und ihr dürft sinnlos Energie verschwenden und Mahnwachen organisieren, weil die verpeilte Lokalpolitik eure Bühne ohne euer Wissen an Rassisten vermietet hat.
AfD im Ruhrfestspielhaus: pauschal
Man mag ja von der AfD halten was man will, aber wie kommt man pauschal auf die Idee, zu behaupten, die AfD sei für die "Abschaffung der Vielfalt von Kunst und Kultur". Auch "rechtsextreme Strukturen" zu unterstellen zeugt von ideologischem Schnellschuss und gefährlichem Halbwissen. Vielleicht tut es auch mal gut, die eigene "linksgrünversiffte Gutmenschen"-Brille abzusetzen und über den Tellerrand des eigenen Elfenbeinturms zu schauen und MITeinander zu sprechen anstatt übereinander?!
AFD im Ruhrfestspielhaus: naiv
Die Vorstellung, dass die AFD ihre Veranstaltungen gefälligst nur in alten Nazibauten abzuhalten habe, finde ich schon ziemlich naiv. Wenn wir in einem Land leben, das Hohenzollern-Schlösser neu errichtet und Garnisonskirchen obendrein, bleibt der "Linken" wohl nur die Möglichkeit, ihre nächsten Parteivorsitzenden auf den Stufen der Münchner Feldherrnhalle vorzustellen. Das wäre dann parteipolitisch zumindest ein Remis.
AfD im Ruhrfestspielhaus: undemokratisch
Tschuldigung, nochmal Rechtschreibung korrigiert-

Ich würde nie AfD wählen, beobachte aber seit Monaten die Parlamentsdebatten (habe ja Zeit, Theater wolln nix von mir, SchauspielerInnen auch nix, Verlage auch nix, JournalistInnen auch nix) und kontrolliere das Abstimmungsverhalten der Abgeordenten querbeet bis zu ihrem jeweiligen Eintritt in den Bundestag zurück. Dabei fiel mir auf, dass die AfD von den anderen Parteien nahezu neurotisch - gleich, um welches Thema es geht - beschimpft, als undemokratisch diffamiert und nach Möglichkeit inkrimiert wird. Oftmals laut krähend. Das fand ich schon merkwürdig, weil die Abgeordneten scheinbar vergessen haben, dass die AfD- Abgeordneten wie sie selbst auch, gewählt worden sind. Von WählerInnen. Die sie unbekannterweise also auch gleich mal mit beschimpfen und diffamieren und inkrimieren. Laut krähend. Das traun die sich vermutlich nur, weil sie denken, in diesem Land verfolgen sowieso nur einzelne Idioten ihre Debatten und kontrollieren ihr Abstimmungsverhalten. DAS finde ich zutiefst undemokratisch. Ich würde trotzdem nicht so weit gehen, zu fordern, dass sie nun vom Verfassungsschutz beobachtet werden müssten - abgesehen davon bin ich der festen Überzeugung, dass sowieso jede Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Muss ja auch, der soll ja, wie der Name schon sagt, unsere VERFASSUNG schützen... Dem Theater scheint es nun im konkreten Fall darum zu gehen, die AfD genau an solche Orte treiben zu wollen, wo man dann z.B. sagen kann: "Hah, haben wir doch gewusst, wie die Nazis: Weimarhalle!" - Optionales Publikum inkrimieren oder diffamieren, ist auch eine Methode, sich abzuschaffen- Gilt übrigens auch für die Digitale Sparte, deren rührend naive Anhänger und Verfechter denken nur, sowas könnte auf die niemals zutreffen, weil ja das Netz so frei ist-
AfD im Ruhrfestspielhaus: Warum?
@#2
Es ist weder "pauschal" noch "Idee" oder bloße "Behauptung", festzustellen, das die AfD, die von ihr entsendeten Parlamentarier*innen, ihre Mitstreiter*innen & Unterstützer*innen, ihre Apologet*innen und die ihr politisch nahen Teile der Medien, bestrebt ist/sind die Freiheit der Kunst (wie sie im Grundgesetz verankert ist) aufzuheben.

Gedeckt wird diese Einschätzung durch die in den Grundsatz- und Wahlprogrammen dieser (in Teilen rechtsextremen, protofaschistischen) Partei formulierten politischen Ziele zu Kultur im Allgemeinen und Kunstproduktion im Besonderen.

„Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit. Ihr gegenüber müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche kulturelle Identität als Leitkultur selbstbewusst verteidigen.“

Warum sollte man* mit denen reden, die bestrebt sind, andere zu vernichten?
AfD im Ruhrfestspielhaus: erstaunlich
Liebe Redaktion, ihr greift ja regelmäßig in die Kommentare ein. Total okay und Euer gutes Recht, aber wieso lasst ihr einen Kommentar wie den #2 hier durchgehen? Er ist durchzogen von rechtem Jargon und wartet sogar noch mit dem billigen Klischee "linksgrünversifft" auf. Erstaunlich, dass sowas hier Raum kriegt.

(Liebe*r Kaum zu glauben, der von Ihnen zitierte Post verstößt nicht gegen unsere Kommentarregeln, der von Ihnen kritisierte Begriff ist mit Anführungszeichen versehen. Grüsse aus der Redaktion, Esther Slevogt)
AfD im Ruhrfestspielhaus: unbedingt reden
#5: Es liegt mir fern, Parteiprogramme einer Partei, die ich nicht wählen würde, u.a. weil sie auf einer kulturellen Identität - gleich welcher - als LEITkultur besteht, zu verteidigen. Aber da steht: "selbstbewusst zu verteidigen." Und nicht "als einzig wahre Leitkultur verteidigen und jede andere Kulturauffassung zu vernichten".
Ich nehme an, dass es auch genügend WählerInnen und GründerInnen wie GenossInnen der AfD gibt, die wissen, dass eine momentane deutsche kulturelle Identität, wenn man sie denn definieren möchte, nicht ohne Feststellung einer bis weit in die Vergangenheit zurückreichenden migrantischen kulturellen Inklusion von Erleben und Erfahrung von Menschen internationaler Herkunft, überhaupt zu definieren wäre.

Über vorhandene oder nichtvorhandene Geschichtsblindheit kann man ja streiten. Dafür muss man aber erst einmal internationale Geschichte und internationale diverse Geschichts-Interpretationen wahrnehmen und miteinander vergleichen.

Man sollte m.E. unbedingt immer auch mit Menschen, die bestrebt sind, andere zu vernichten, erst einmal reden. Ich dürfte sonst seit Jahrzehnten nicht mehr mit Menschen reden, die, wie ich als BürgerInnen des selben Staates, frohes Mutes Waffen in Kriegsgebiete liefern, Kriegsbeteiligungen zustimmen, obwohl das gegen die Verfassung verstößt, die ein Bemühen, Judentum als Religion, Menschen aus Judäa, Zionisten, Semiten, Israelis, Israeliten, israelische Siedlungspolitik, die sich gegen Palästinenser wendet usw. ganz exakt historisch wie auch aktuell auseinanderzuhalten, pauschal als Antisemitismus zu brandmarken. Ich rede aber mit denen. Weil ich denke, dass ihnen ihre eigenen Haltungen, die zu verkürzt bedachten Handlungsanweisungen und gesellschaftsspaltenden Pauschalurteilen führen, nicht immer bewusst sind. Ich unterstelle ihnen also keinen Vorsatz. Noch nicht.

Wenn man natürlich der Ansicht ist, der Herr gibts den Seinen auf stets gleich verteiltem Niveau, und zwar vor allem im Schlaf!, muss man natürlich Leute hassen, die denken, sie können bewusstseinserweiternd argumentieren, weil sie Bewusstsein in bestimmten Bereichen im Übermaß abgekriegt haben...

Jut, dann muss man halt hassen - Ich stelle mir das allerdings sehr anstrengend vor- es macht bestimmt auch früh alt, und hässlich-
Kommentar schreiben