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London: Theaterabteilung des Victoria&Albert-Museums soll schließen

Welttheaterebe bedroht

7. März 2021. Das Theatre and Performance Department des Londoner Victoria & Albert Museums soll im Rahmen einer Umstrukturierung geschlossen und die dort tätigen Mitarbeiter*innen entlassen werden. Darauf weist das internationale Netzwerk SIBMAS in einer Petition auf change.org hin. In der SIBMAS (International Association of Libraries, Museums, Archives and Documentation Centres of the Performing Arts) sind unter dem Dach der UNESCO seit 1954 Bibliotheken, Museen, Archive und Dokumentations-Zentren auf der ganzen Welt organisiert. Die theatergeschichtlichen Sammlungen des Victoria&Albert-Museums in London zählen Fachleuten zu den bedeutendsten der Welt.

Im Zuge der Umstrukturierung des Museums, zu dem mit der National Art Library auch eine der bedeutendsten Kunst-Bibliotheken Europas gehört, (die unter anderem Shakespeares First Folio besitzt), sollen außerdem zwei Drittel der Bibliothekar*innen entlassen werden, wie u.a. die britsche Tageszeitung The Guardian berichtet

Die geplante Schließung des Theatre and Performance Department gefährde das Erbe der Darstellenden Kunst erheblich, heißt es in der SIBMAS-Erklärung. Befürchtet wird auch eine verheerende Signalwirkung dieser Maßnahme auf andere Institionen, Bibliotheken und Sammlungen, sowie ein Verlust von Wissen und Expertise durch die Entlassung der hochkarätigen Fachleute, die die Sammlung betreuen und u.a. für die Forschung erschließen und zugänglich machen. "Dies ist eine ernsthafte Bedrohung für die Geschichte der britischen Darstellenden Künste," so die Erklärung der SIBMAS. Die Sammlung sei auch auf internationaler Ebene eine wichtige Bildungs- und Forschungsressource.

(SIBMAS / sle)

 

Zur Petition für den Erhalt der Abteilung im Victoria & Albert Museum, London.

 

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Victoria & Albert-Museum: kulturferne Ignoranz
Die drohende Schließung der Theaterabteilung des Victoria & Albert Museums in London wirft ein Schlaglicht auf die Situation der Theaterarchive weltweit.

Auch in Deutschland wird die sowieso schon geringe Zahl der Spezialarchive, die sich um das immaterielle Kulturerbe Theater kümmern, immer weniger: die Hamburger Theatersammlung: degeneriert zur Sondersammlung in der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek, das Tanzarchiv Leipzig: ein Sondersammlungsgebiet der Universitätsbibliothek Leipzig und nur der private Verein Tanzarchiv Leipzig sorgt noch für eine gewisse Außenwirkung! Das Theatermuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf: kämpft seit ein paar Jahren um Eigenständigkeit und bleibende Sichtbarkeit.

Dass aber eine international so angesehene Institution quasi über Nacht abgeschafft werden soll und lt. Umstrukturierungsplan nur noch drei Querschnittsabteilungen genreübergreifend für diese so wichtigen, wie auch mitunter schwer zu deutenden Bestände zuständig sein sollen, zeugt von einer kulturfernen Ignoranz, die einen erschreckt.

Was ist zu tun: für jede/n Einzelne/n zu protestieren, auf change.org und über die üblichen Netzwerke. Für die Kulturpolitik: ihren Einfluss geltend machen! Aber auch: die eigenen Ressourcen stärken, die eigenen Kulturarchive in der Stadt, im Bundesland und auch die bundeseigenen.

Theater ist der Spiegel und die Chronik jeder Gesellschaft, was schon Hamlet wusste. Es ist mehr als nur "eine" Kunstgattung, es ist das Sprachrohr unserer Zeit, unserer Gesellschaft. Die Bewahrung seines Erbes ist daher auch mehr, als nur die Bewahrung einer Kunst, die als transitorische, gegenwärtige Kunst trotz Digitalisierung selbst nicht bewahrt werden kann - es ist die Bewahrung des Geistes einer Vergangenheit, damit die Zukunft daraus lernen möge!

Wenn dieses Erbe nicht mehr sichtbar ist und nur noch einzelne Fachleute sich damit beschäftigen, wird man nicht mehr verstehen, was die Zeichen unserer Zeit sind. Denn das Vokabular, diese Zeichen, stammen aus der Vergangenheit und sie sind entzifferbar!

Stephan Dörschel, Abteilungsleiter Archiv Darstellende Künste, AdK Berlin
Victoria & Albert: Ergänzung
zur Vervollständigung des traurigen Bildes: auch in Mannheim ist nach Pensionierung der Leiterin der "Abteilung Theater- und Literaturgeschichte der Städtischen Reiss-Engelhorn-Museen und des Museum Schillerhaus" keine adäquate Nachbesetzung erfolgt. Vielmehr kam es zu einer Fusion mit der Abteilung für Angewandte Kunst. Aufgrund dessen orientierten sich die fachlichen Voraussetzungen lt. Stellenausschreibung in Richtung Kunstgeschichte. Theaterwissenschaftliche Kenntnisse waren eher nicht gefragt. Einfach bedauerlich, zumal eine Präsentation von Theatergeschichte auf der Höhe der Zeit, wie wir alle wissen, ein komplexes Metier ist und bleibt.
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