Mit Worten und Blicken

15. März 2021. Der Intendant der Berliner Volksbühne Klaus Dörr tritt von seinem amt zurück, nachdem Mitarbeiterinnen des Theaters gegen ihn Vorwürfe wegen Machtmissbrauch und "sexualisierter Grenzüberschreitungen" erhoben hatten. Das gab Dörr selbst über die Pressestelle des Theaters bekannt.

In der persönlichen Mitteilung heißt es: "Für die gegen mich erhobenen Vorwürfe übernehme ich als Intendant der Volksbühne Berlin die komplette Verantwortung und gebe mein Amt im Einvernehmen mit der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa auf. Ich bedaure zutiefst, wenn ich Mitarbeiter:innen mit meinem Verhalten, mit Worten oder Blicken verletzt habe. Ich bedaure, dass mir nicht gelungen ist, ein offenes und diskriminierungssensibles Klima zu schaffen, das Probleme rechtzeitig erkennt und es Mitarbeiter:innen ermöglicht, sich vertraulich mit ihren Fragen, Beschwerden und ihrer Kritik an die notwendigen und vorhandenen Stellen in der Volksbühne zu wenden." Dörr beende seine Tätigkeit für die Volksbühne nach Übergabe nicht abgeschlossener Projekte am Dienstag, den 16. März. Darauf habe er sich mit Berlins Kultursenator Klaus Lederer geeinigt.

Eine Gruppe aus zehn Frauen hatte Klaus Dörr Fehlverhalten vorgeworfen. In einem Artikel der Wochenend-Ausgabe der Berliner taz waren die Vorwürfe erstmals öffentlich geworden. Dem Artikel zufolge, hätten die zehn Mitarbeiterinnen des Theaters bei Themis, der Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt im Kulturbereich, eine Beschwerde eingereicht.

Themis hatte dem Bericht zufolge die Beschwerde der Frauen am 18. Januar 2021 an die Berliner Senatsverwaltung für Kultur weitergeleitet, den Arbeitgeber von Klaus Dörr. Drei Tage später habe ein vertrauliches Gespräch mit Ver­tre­te­r*in­nen der Senatsverwaltung sowie dem Kultursenator Klaus Lederer stattgefunden. Außerdem soll am 2. März eine Anhörung bei der Senatsverwaltung für Kultur stattgefunden haben. Dörr hat die Vorwürfe nach Erscheinen des taz-Artikels als "halt- und substanzlos" verworfen.

Im Kulturausschuss

Auf einer Sitzung des Berliner Kulturausschusses am Dienstag stellte sich Klaus Lederer den Fragen der Ausschussmitglieder. Der taz-Artikel hatte eine Widersprüchlichkeit zwischen den Aussagen der Senatskulturverwaltung und denjenigen der ehemaligen Gorki-Chefdramaturgin Andrea Koschwitz nahegelegt, die Lederer vor Dörrs Ernennung zum Intendanten der Volksbühne von dessen Umgang mit Frauen berichtet haben will. Lederer betonte in der Sitzung, dass ihm keine konkreten Vorwürfe vorgelegen hätten, sondern lediglich am Rande einer Premierenfeier von einer Person Gerüchte zugetragen worden waren. Er habe diese daraufhin aufgefordert, Betroffene zu ermuntern, sich mit Konkretem an ihn zu wenden – was nicht geschehen sei. Auch habe sich eine Person telefonisch an die Senatsverwaltung gewendet, aber ebenfalls nichts Konkretes benannt. Gerüchte allein könne er nicht zur Basis von Entscheidungen machen, es brauche "belastbare Grundlagen", so Lederer. Kulturstaatssekretär Thorsten Wöhlert habe diese Gerüchte gegenüber Dörr im Gespräch erwähnt und klargestellt, dass es "eine Null-Toleranz gegenüber solchen Vorgängen" gebe.

Lederer versicherte, dass das Verfahren mit Dörrs Rücktritt "nicht beendet" sei, sondern dass man mit der Untersuchung der Vorgänge genauso weitermachen werde, "als wenn die Presse nicht geschrieben hätte". Einerseits wolle man "die konkrete Situation am konkreten Haus" bewerten und andererseits fragen, ob es "verallgemeinerbare Schlussfolgerungen" gebe, "die man dann auch auf andere Häuser übertragen kann".

(Volksbühne Berlin / miwo / ape)

Ein Statement des Ensembles der Volksbühne zu den Vorgängen findet sich in den Kommentaren #9.

* In einer ersten Fassung dieses Beitrags gab es Formulierungen eines Sachverhalts, die der gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. Die Passage wurde entsprechend korrigiert. 

  

Presseschau

"So verheerend das Ganze für das Image der Volksbühne seit dem Ende der Ära Castorf auch ist – ein großes Desaster für den künstlerischen Betrieb bedeutet dieser Rücktritt nicht", bewerten Christine Dössel und Christiane Lutz den Fall in der Süddeutschen Zeitung (16.3.2021). "Im Sommer übernimmt René Pollesch die Leitung des Hauses, will mit einem Team aus den unterschiedlichsten Künstlern und Komplizinnen dann Kunst frei von Hierarchien ermöglichen." Doch werfe der Vorfall erneut "ein Schlaglicht auf den von männlichem Dominanzgebaren und patriarchalisch-hierarchischen Machtstrukturen geprägten Theaterbetrieb, in dem Abhängigkeitsverhältnisse immer wieder ausgenutzt werden. Neue Strukturen sind im Theater, dieser letzten feudalistischen Bastion, bitter nötig."

"Dörrs Abgang ist am Theater hierzulande ein Novum, eine Warnung", kommentiert Rüdiger Schaper vm Berliner Tagesspiegel (16.3.2021). "Übergriffige Führungspersonen kommen nicht mehr einfach so durch. Metoo entfaltet starken politischen Druck. Das Thema ist präsent, und es hat Konsequenzen, wenn die Vorwürfe berechtigt und geprüft sind." 

Klaus Dörr gehe "als geschlagener Mann vom Bühnenschlachtfeld", schreibt Manuel Brug in der Welt (16.3.2021). "Da hat einer die Zeichen der Zeit erkannt. Hoffentlich reißen sich jetzt die restlichen Theatermachos am Benimmriemen."

Es sei schwer, die einzelnen beanstandeten Situationen zu rekonstruieren und zu bewerten, schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (16.3.2021). "Die vielleicht wichtigere Aufgabe, die sich nach diesem für alle Beteiligten schadensreichen Vorgang stellt, lautet: Wie kann man solche Fälle verhindern? Wie soll man mit den Strukturen umgehen, die solche Vorfälle ermöglichen? Wie lassen sich Kontrollmechanismen verbessern, wie können Betriebsräte, Frauen- und Ensemblevertretungen ermächtigt werden, welche Modelle sind geeignet, eine Leitungskultur im Theater zu etablieren, die den Widerspruch zwischen der Begrenzung von Macht und künstlerischer Freiheit besser managt."

"Anders als in Karlsruhe, wo Intendant Peter Spuhler gleichfalls mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert wurde, zieht sich der Konflikt an der Volksbühne nicht endlos in die Länge", schreibt Hubert Spiegel in der FAZ (16.3.2021). "Aber ebenso wie in Karlsruhe, wo die Rolle der Kunstministerin Theresia Bauer umstritten ist, muss sich auch Berlins Kultursenator Klaus Lederer unangenehme Fragen stellen lassen: Wann hat er von den Zuständen an der Volksbühne erfahren? Und ist es richtig, dass er bereits vor der Verpflichtung Dörrs gewarnt und auf dessen Neigung zu Machtmissbrauch hingewiesen wurde? Wir sind im dritten Akt, letzte Szene. Intendant: geht rasch ab. Vorhang: fällt nicht. Applaus: nicht zu hören. Stück: geht weiter? Nach der Sommerpause tritt René Pollesch seine Intendanz an der Volksbühne an."

In seinem Kommentar zur Causa in der Zeit befasst sich Tobi Müller mit der Rolle von Berlins Kultursenator Klaus Lederer (16.3.2021). Der Bericht in der taz, so Müller, lege auch nahe, dass Lederer vor Dörrs angeblichem Verhalten gegenüber Frauen vor seiner Ernennung gewarnt worden sei, von Andrea Koschwitz, einer Dramaturgin, die mit Dörr an zwei anderen Theatern zusammengearbeitet hatte. Er kenne die Frau nicht, habe Lederer gesagt. Bei einer Premierenfeier sei er einmal von einem Mitarbeiter der Volksbühne informiert worden, "es gebe Gerüchte." Im Gespräch mit Dörr vor dessen Ernennung allerdings, "sagt Lederer auch am Montag, und das ist überraschend, soll Lederers Nummer zwei, Kulturstaatssekretär Torsten Wöhlert, den damals künftigen Volksbühnenchef ausdrücklich gewarnt haben ... man kenne bei solchen Themen 'null Toleranz'“. "Reichten Gerüchte also zumindest," fragt Müller nun, "um sie gegenüber Dörr auszusprechen? Oder gab es mehr als Gerüchte? Die taz schrieb am Wochenende, Lederers Behörde habe gegenüber der taz angeblich Gespräche bestritten, die Lederer selbst oder sein Büro mit Frauen über Dörrs Verhaltensweisen vor dessen Ernennung geführt haben soll. Der offenbare Widerspruch in der Darstellung der Vorgänge ist (noch) nicht aufgelöst."

"Wie kann es sein, dass Menschen, die auf der Bühne Tyrannenmord, Auflehnung und Staatsstreich spielen, hinter den Kulissen eher zum angstvollen Abwarten neigen?", fragt Peter Kümmel in seiner Analyse zur Causa Dörr und Machtverhältnissen an staatlichen Theatern in der ZEIT (17.3.2021). Er antwortet mit der These: Die "Mee-Too-Dynamik" habe das Theater deshalb so spät erfasst, weil es sich in Misständen dieser Art lange eingerichtet habe. "Intendanten sind späte Fürsten", schreibt Kümmel und spielt auf feudale Strukturen an, die eine Anreizstruktur für Machtmissbrauch bieten. Der "Normalvertrag Bühne", sei, bei Licht betrachtet, "eine Einladung zur Verängstigung und Unterdrückung Abhängiger." Zur Untermauerung beruft er sich auf eine Studie von Thomas Schmidt, Professor für Theater- und Orchestermanagement: Von 2000 Theatermitarbeiterinnen und -mitarbeitern, die in der Studie befragt wurden, berichteten 55 Prozent von Missbrauchserfahrungen – verbaler, körperlich-aggressiver, sexueller Natur, zitiert der Autor den Professor. Schlussendlich macht Kümmel einen kurzen Ausblick in die Zukunft der kommenden René-Pollesch-Intendanz an der Volksbühne und fragt leicht kryptisch nach den "Dämonen", die zusammen mit der Utopie des führungslosen Führungsstils an die Häuser kommen.


"Das Perfide an dieser Art von Mann ist, dass er sich die Schwachen aussucht. Die, die in der Beschäftigung am abhängigsten sind. Die Assistent:innen, Berufsanfänger:innen", so die Potsdamer Intendantin Bettina Jahnke im Interview mit dem Tagesspiegel (18.3.2021). "Ich habe ähnliches erlebt, gehörte aber schon immer zu den Frauen, die sich wehren konnten, eine große Klappe hatten. Das ist aber eine persönliche Konstitution. Man muss die Schwächsten der Schwachen schützen, deswegen finde ich es wichtig, die Stimme zu erheben."


"Es ist beschämend für mich, dass gerade am Theater das Thema des Missbrauchs nicht abreißt, sich vielmehr steigert. Gerade dort, wo seit 2.000 Jahren Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit gepredigt werden, wo gekämpft wird für Offenheit, Demokratie, Diversität, soll die Doppelmoral der Herr im Hause sein?", schreibt Sonja Anders, Intendantin am Schauspiel Hannover, in einem Gastbeitrag auf ZEIT Online (18.3.2021). "In meinen Augen hat das Theater vielmehr ein Strukturproblem. Sein Bau und seine Arbeitsweise scheinen zum Zerrbild des Systems geworden zu sein, das es auf der Bühne kritisiert. Ob wir es Patriachat oder Kapitalismus nennen, ist dabei fast schon egal. Die unterschiedlichen Formen von Diskriminierung sind sowieso untrennbar verbunden.

"Das Senken der Hemmschwelle ist Programm", sagt Opernregisseur Bernd Mottl über die Probenarbeit am Theater. Er ist einer von zwei Regisseuren, die Susanne Lenz für die Berliner Zeitung (22.3.2021) gesprochen hat, um Machtmissbrauch am Theater im Anschluss an den Fall Dörr an der Volksbühne zu untersuchten. "Mottl glaubt, einen guten Intendanten könne man auch daran erkennen, dass sein Spielplan divers ist, also dass viele unterschiedliche ästhetische Sprachen zu Wort kommen. Darin seien Frauen meist besser." Sein Regiekollege Christoph M. Gosepath sieht das Problem des begrenzten Arbeitsplatzangebots in der Branche: "Ich möchte eigentlich das Recht haben, eine Schauspielerin zu fragen, ob sie Bock hat, mit mir zu schlafen, und wenn sie Nein sagt, dann ist das natürlich okay. Aber wer als Schauspielerin oder Schauspieler in den gegenwärtigen Machtstrukturen heute Avancen abweist, geht ein Risiko ein."

Die Autorin des ersten Hintergrundberichts zum Fall, Viktoria Morasch, fasst in der taz (25.3.2021) zur eigenen Berichterstattung nach – und interviewt die "hfs Ultras", sechs Studierende einer ausschließlich mit Frauen besetzten Regieklasse an der "Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch". Auf Instagram hat sich die Gruppe mit den Betroffenen der Causa solidarisiert. "Unsere Erfahrungen decken sich mit den in der taz geschilderten Zuständen. Wir wurden aus Imagegründen ans Haus geholt und im Weiteren wurden uns seitens der Direktion Steine in den Weg gelegt. Wir haben die Volksbühne unter Dörr als einen extrem unangenehmen Ort wahrgenommen, an dem Machtzentrismus, Machismus, Irrationalismus und Kunstfeindlichkeit den Ton angeben", zitiert die taz aus dem Statement der Gruppe. Im Interview beschreiben die Studierenden ihre Erfahrungen mit "Femwashing" – also der Instrumentalisierung ihrer rein weiblichen Besetzung für Marketingzwecke – und kollektivem Arbeiten als Gegenstrategie zu kompetitiven Strukturen, die Machtmissbrauch begünstigen.

 

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Kommentare  
Rücktritt Klaus Dörr: Nachfolger?
Aber wer fährt denn jetzt das Schiff?
Rücktritt Klaus Dörr: Selbststeuerung?
@ x: Vielleicht steuern die, die jetzt schon im Boot sitzen? Es geht um ein paar Monate. Könnte ein Experiment werden in Sachen sich selbstorganisierendes Theater.
Rücktritt Klaus Dörr: nachhaltige Beweise
Es ist vielleicht ein wenig unerträglich. Warum werden nicht die wahren Machos dingfest gemacht? Ich finde die Journalistin, die heute auf Radio 1 sprach in ihrer Argumentation dürftig. Jeder Mensch, der unter Menschen leidet muss gehört werden!!! Zur Zeit gilt nur MeToo. Der Blick dieses Mannes. Es mag was dran sein. Oder auch nicht. Zum Glück sind nun die Frauen vor Rene Pollesch Blicken geschützt.
Ich hätte gern nachhaltige Beweise! Nicht nur die Berichte über die Übergriffe. Und halt, liebe Mitmenschen, jeder Angriff auf Menschen, Frauen als auch Männer, muss Folgen haben! Jede Übergrifflichkeit ist ein Verbrechen, wenn es eine ist.
Es dürfte doch kein Problem sein, übergriffige Mails als solches zu dokumentierten. Gibt es solche Mails von Herrn Dörr? Ich habe nur gehört, dass über solche Mails der Freundin, dem Freund berichtet wurde. Gilt das als Beweis? "Ich habe gehört?"
Und was sagen Blicke. Wer schaut wie? Vorsicht zwischen Wertschätzung und Anmachen muss unterschieden werden. Darf man, liebe Männer und Frauen, liebe Transmenschen auch einfach einmal charmant sein? Ich bin verheiratet und liebe meine Frau! Darf es daneben nicht auch ein wenig Flirten geben?
Nun gut, das darf es nicht geben, denn das kann schon als Übergriff gewertet werden. Ich halte mich dran liebe Mitmenschen. Aber ich verlange das auch von den Frauen!
Nein kein Rollenbild dahingehen, die Frauen sind schuld. Nein, sie sind es nicht. Ich weiß, es sind die tradierten Muster und da haben immer Männer die größeren Chancen. Darum, lasst und das Gender-Kriegsbeil doch einfach einmal begraben. Gehen wir fair miteinander um. Das dürfte im Fall Dörr doch nicht so schwer sein, wenn etwas wahr daran ist, zeigt seine Mails. Ich will mich nicht in die Leier des armen Mannes, der von schlechten Schauspielerinnen angeklgt wird, begeben. Da gibt es echt diese Männerschweine! Doch schlachtet nicht die falschen Schweine. Ich kenne Dörr nicht, bewundere aber seine Arbeiten für das Theater. Wer meint, er sei ein schlechter Mensch, sollte es beweisen. Der Artikel in der taz hat es nicht getan. Der Rücktritt ist aus meiner Sicht kein Eingeständnis, wie die Autorin der taz es heute auf Radio 1 meinte, sondern es ist eine weise Entscheidung des Intendanten Dörr. Getroffene Hunde bellen, aber sie treten nicht zurück.
Das bedarf einer genauen Aufarbeitung! Ich hoffe, alle sind bereit.
Rücktritt Klaus Dörr: Zeugenaussagen
@Olaf. Warum gelten die sich deckenden Aussagen von 14 (!) Individuen, die sich zum Teil gar nicht kennen, nicht als Beweis???? Auch rein juristisch betrachtet, sind Zeugenaussagen grundsätzlich Beweismittel. Die Aussagen müssen gestützt werden, aber auch hier: „Der taz wurden Chat- und Mailverläufe geschickt, in denen die Frauen ihre Erlebnisse beschreiben, sowie Mails zwischen einzelnen Betroffenen und Dörr. Auch gaben die Betroffenen Kontakte zu Personen frei, denen sie schon vorher von ihren Erfahrungen erzählt hatten. Außerdem beruht dieser Text auf Dokumenten, die der taz zuteilwurden, Schriftverkehr zwischen Themis, den Frauen und der Senatsverwaltung“
Rücktritt Klaus Dörr: sensibel vorgehen
@Kulturjurist: Ohne Frage reichen diese Beweise aus. So wie auch an vielen anderen deutschen Theatern die Beweise ausreichen würden, um alle möglichen Direktoren auszuhebeln.
Ich wünsche mir nur, dass in diesen (fraglos nötigen) Veränderungsprozessen sensibel vorgegangen wird, sodass weiterhin das Ziel im Vordergrund steht und nicht die Frage aufkommt, ob - wenn sich die taz auf nicht abgeschlossene Vorgänge stürzt und die Akteure in dieser Form aktiv sind - auch Machtmissbrauch in die andere Richtung stattfindet.
Rücktritt Klaus Dörr: Regeln für Krakeelen
Wann stellt nachtkritik endlich diese unsäglichen, dampfplaudernden Kommentarzeilen ein. Ist ja schön und gut, dass die Redaktion Regeln für Krakeelen aufstellt , aber übrig bleibt immer noch zu viel anonymer Mist . Es ist eigentlich so , wie bei allen anderen Printmedien , die digitale Formate mit Kommentarmöglichkeiten eingerichtet haben ( SPON , Standard etc. ) : 90% Schrott .
Rücktritt Klaus Dörr: öffentlicher Druck
Ja, eventuell war die Veröffentlichung in diesem Fall vorschnell.
Aber ich möchte zu bedenken geben, dass sich Öffentlichkeit hilfreich auswirken kann.
Beispielsweise in Karlsruhe, denn dort kam erst wirklich Bewegung in die Angelegenheit, nachdem Dinge öffentlich benannt worden sind.
Wenn man bedenkt, dass der dortige Intendant zumindest offiziell immer noch auf seinem Stuhl sitzt, bis er denn im Sommer gehen muss, darf man aus meiner Sicht durchaus die Frage stellen, wie die Verantwortlichen ohne öffentlichen Druck weiter verfahren wären.
Rücktritt Klaus Dörr: Osteuropa
Wie immer lohnt sich in diesem Zusammenhang ein Blick nach Osteuropa: ZB auf die sieben ethischen Regeln, die Alvis Hermanis seinem Theater in Riga auferlegt hat und die Diskussion dazu, oder auch die Vorgänge an der Schauspielschule in Budapest. Das ist alles nicht vorbei und sollte noch vorschnell abgeurteilt werden.
Rücktritt Klaus Dörr: Erklärung des Ensembles
Wir, als Ensemble der Volksbühne Berlin, bekunden unsere uneingeschränkte Solidarität mit den Frauen, die sich an Themis gewandt haben, und allen anderen Betroffenen solcher Vorfälle.

Unsere Branche krankt an veralteten Machtstrukturen.

Wir fordern eine transparente Debatte und gründliche Auseinandersetzung, wie künftig Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe und Diskriminierung in unserem Arbeitsfeld verhindert werden können. Wir sind tief erschüttert und durchlaufen einen Lernprozess – mit Klaus Dörrs Rücktritt darf dieser Diskurs nicht enden.
Rücktritt Klaus Dörr: und die Regisseur*innen?
Gut, dass das Ensemble sich verhält. Hätte aber vielleicht schon einen Tag früher geschehen können? Es fehlen allerdings alle RegisseurInnen.
Rücktritt Klaus Dörr: Solidarität??
Hinterher ist es ein Leichtes Solidarität zu bekunden. Ich kann mir gut vorstellen, dass es den Betroffenen geholfen hätte etwas davon in den letzten zwei Jahren zu erfahren, als sich stattdessen viele weggeduckt und weggeschaut haben, um die eigenen Pfründe nicht zu verlieren. Wo war da offene und tätige Solidarität??
Rücktritt Klaus Dörr: zu spät
Stimme #11 zu: die offenbar geschlossene Solidaritätsbekundung des Ensembles ist sicher auch löblich, kommt aber in der Tat zu spät - jetzt, wo keine Gefahr mehr von einem freigestellten Intendanten ausgeht. Es mussten erst externe Menschen Solidarität und Mut beweisen. Schade, denn das Wegducken und Wegschauen, ermöglicht ja erst die Macht des Einen/der Einen. Ich finde auch das muss sich in den Theaterstrukturen ändern, dass nicht zu viele trotzdem weiter- oder mitmachen. In Köln und Karlsruhe gab es ja intern auch keine Solidarität.
Rücktritt Klaus Dörr: Kommentare
Bitte die "dampfplaudernden Kommentarzeilen" beibehalten! Hier wird kommuniziert und diskutiert. Manchmal bis an die Schmerzgrenze, manchmal auch darüber hinaus. Wer das nicht aushält, soll sich raushalten. Wir aber brauchen sowohl offene als auch maskierte Gedanken!
Rücktritt Klaus Dörr: genauso
Ein insgesamt absolut unmöglicher Vorgang. Zuallererst vom Intendanten ... und zieht dann die Fragen nach sich, wo denn die gesamte Leitung gegenüber diesen hier so versagen konnte. DramaturgInnen, (Haus)regisseurInnen, ReferentInnen , SpielerInnen etc ...

Es sieht aus wie bei der Hartmann Burg, wo sich nach seinem Abgang die bis dahin von ihm Profitierenden schnell noch positionierten. Da gab es "kritische" Fernsehinterviews von Menschen die man vorher doch im Wesentlichen affirmativ erlebt hatte.
Rücktritt Klaus Dörr: unverblümt
Schließe mich 11&12 an und füge gleich hinzu: diese konkrete Kritik an die SchauspielerInnen ist leider (meinen eigenen Arbeitserfahrungen nach- die sogar schon in den Ausbildungsinstituten zu beobachten sind) dem Beruf selbst oft immanent und wird vorallem leider leider leider in den Schulen weder thematisiert noch werden die Studis ermutigt eine eigene Haltung zu den Dingen zu entwerfen... schlimmer noch: es wird ihnen ziemlich unverblümt gesagt, dass sie sich „zur Verfügung zu stellen haben“ kaum jemand hat das in meinen 4 Jahren Schauspielschule hinterfragt oder sich generell gegen diese Definition verweigert- daher rührt m. E. nach dieses unsolidarische Verhalten und die ist im Berufsleben sogar noch gekoppelt mit mangelnder Fähigkeit als kunstschaffender und mündiger Mensch etwas zu „riskieren“ bzw mit Gelassenheit der Streitbarkeit zu begegnen... gleichwohl wollen fast alle SpielerInnen, die ich kenne „irgendwann mal auch so präzise und geil zu spielen wie die Rois, der Fritsch oderoder...aber niemand ist sich im Klaren, dass solche Spieler nur deshalb ihre Spielweise zum brillieren bringen können, weil sie sich stets als mündige Erwachsene und als Künstler behauptet haben und sich nicht wie scheue Rehe, die ständig geschützt werden müssen von allen Seiten... genießen tun sie es anfangs gerne aber blöderweise erkennen sie nicht, dass sie damit bereits ihre Mündigkeit und die Autonomie als SchauspielerIn verloren haben... Und so kommt es, dass beispielsweise SchauspielerInnen nicht damit zufrieden sind einfach von jemanden „solide inszeniert“ zu werden- aber dagegen nichts setzen außer sich in Forderungen zu verlaufen, die nach mehr Mitsprache in der Organisation und weniger Arbeitspensum rufen- gleichsam sich aber jene Fordernden sich nicht bewusst sind, dass dies wesentlich intensiverer Arbeit und handwerklich präzisere Arbeitsweise in allen Bereichen diesen Berufs bedeutet... das würde ich persönlich sogar herzlich begrüßen, erlebt habe ich das leider noch nicht...
Solidarität mit KollegInnen als EnsemblespielerIn zu bekunden kommt daher etwas heuchlerisch rüber...
Rücktritt Klaus Dörr: Aufsichtsrat
Wenn immer von den Strukturen die Rede ist, die sich ändern müssen, dann verstehe ich nicht, was daran so schwierig sein soll. Macht braucht Kontrolle. Intendanten haben Macht, werden aber kaum kontrolliert - das (Mit-)Versagen liegt bei den Städten, die einfach jemanden einsetzen mit großer Macht, dann aber bestenfalls noch alle Jubeljahre die Zahlen checken.
Wie in jedem anderen Betrieb braucht es einen funktionierenden Aufsichtsrat, der seine Funktion ernsthaft wahrnimmt. Je mächtiger einzelne - desto wichtiger. Dazu sollte ein Gremium gebildet werden, das sich richtig darum kümmert, und in dem die verschiedenen beteiligten Gruppen (zB Kommune, Mitarbeiter_innen, Zuschauer_innen) repräsentiert sind.
Rücktritt Klaus Dörr: Karlsruhe eilfertig verrührt
"Anders als in Karlsruhe, wo Intendant Peter Spuhler gleichfalls mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert wurde, zieht sich der Konflikt an der Volksbühne nicht endlos in die Länge", schreibt Hubert Spiegel in der FAZ (16.3.2021). -- steht oben.

Wir halten fest, dass Peter Spuhler in persona sexuelle Belästigung *nicht* vorgeworfen wird, soweit mir bekannt. Die Sachlage ist eine andere. Hier alles eilfertig zu verrühren wird den Situationen nicht gerecht. Probleme gibt es viele, aber nicht alle sind identisch.
Rücktritt Klaus Dörr: Geschäftsführerin?
In dem auslösenden TAZ Artikel ist von zwei verschiedenen Dingen die Rede, von machtmissbrauch und Sexismus. Das wird hier meiner Meinung nach vermischt, obwohl das eine das andere nicht bedingt. Und es ist ganz klar die Rede davon, daß die Geschäftsführerin Nicole Lohrisch von den Frauen ebenfalls angeklagt wurde. Darauf wird in dem Artikel sehr einseitig nur in einem Satz eingegangen: "Die Vergiftung des Betriebsklimas sowie herabwürdigende Äußerungen werden sowohl Klaus Dörr als auch der geschäftsführenden Direktorin Nicole Lohrisch zur Last gelegt". Auch Frauen in Führungspositionen missbrauchen ihre Macht. Das ist kein männliches Thema, auch an Theatern, auch an anderen Theatern dieser Stadt. Warum wird also auf die Rolle von Frau Lohrisch nicht weiter eingegangen, warum zieht sie nicht auch die Konsequenzen?
Rücktritt Klaus Dörr: "unter dem Deckel"
Zu #17
Nein, sexuelle Belästigung wird Peter Spuhler nicht vorgeworfen.
Wohl aber unter anderem Machtmissbrauch sowie das "unter dem Deckel" halten einer als Vergewaltigung angezeigten und inzwischen vor Gericht als Nötigung verurteilten Straftat.
Rücktritt Klaus Dörr: Verbindliche Kriterien?
Hans Zisch, dann bitte ich um Aufklärung, warum - worüber Einigkeit zu bestehen scheint - sexuelle Belästigung schlimmer und strenger zu bestrafen ist als andere Formen der Belästigung, des Machtmissbrauchs, der Demütigung. Ich wäre dankbar für die Nennung verbindlicher Kriterien, nach denen man an den Pranger gestellt werden darf und soll, und eine Aufzählung der Bedingungen, die Nachsicht empfehlen. Die Kirche, die sich ja in solchen Dingen auskennt und offenbar als Vorbild dient, hat immerhin Indices zur Verfügung gestellt. Selbst Hexenverbrennungen hatten ihre Regeln. So fehlen mir Hinweise, warum Personen in Führungspositionen, die ihre Mitarbeiter*innen schikanieren, bevormunden, erniedrigen und ihren eigenen Verpflichtungen nicht nachkommen, in der Regel weder zurücktreten, noch mehr als eine zarte Mahnung hinnehmen müssen. Übrigens: nicht nur im Theater.
Rücktritt Klaus Dörr: Schon immer gewusst
Was doch wirklich besonders hübsch ist, ist wie das Feuilleton - übrigens auch NK - nichts zur Aufklärung der causa Dörr beigetragen hat. Jetzt wusste es auch Christine Dössel von der SZ schon immer, dass das alles so nicht geht. War sie während ihrer Reise als embedded Journalistin mit Frank C. auch schon so machtkritisch unterwegs? Eine taz-Journalistin ohne erkennbares, größeres Expertinnenwissen im Feld Theater schafft es mit einer Recherche die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen und all diejenigen, die all den Geniekult seit Jahren mit hochgeschrieben und gestützt haben wissen jetzt aber sowas von Bescheid, dass Führung nur zu mehreren geht. Funny. Oder vielleicht doch nicht.
Rücktritt Klaus Dörr: Nur per Charakter
Bettina Jahnke Intendantin des Hans Otto Theaters in Potsdam:
"Ich glaube, dass wir (Frauen) nicht so anfällig sind für Status- und Machtgebaren. Frauen gehen anders mit Macht um, pflegen ein anderes Miteinander, eine andere Führungskultur. Da ist die sexuelle Komponente nicht so ausgeprägt, wie das schnell bei Mann und Frau passiert."
Stimmt zur Hälfte und zwar die zweite ...

Aus eigener Erfahrung kann ich sehr wohl sagen, dass die erste absolut NICHT stimmt. Es gibt da leider leine Ausnahmen per Geschlecht, sondern nur per Charakter...

Solange man nicht in den Vorgang der Rollen- und Jobvergabe eingreifen kann, wird sich nichts ändern...Abhängigkeiten bleiben
Rücktritt Klaus Dörr: Recherche
@Simone. Ich weiß, was Sie meinen mit dem Geniebegriff. Dass Sie nun allen Medien vorwerfen, nicht selbst recherchiert zu haben, könnte mit dem dehnbaren Begriff Recherche zu tun haben. Abgesehen davon, dass der Vorwurf, eine Geschichte, die die Konkurrenz hat, nicht selbst auch zu haben, eh vielleicht etwas billig ist. Aber: Hat die taz diese Geschichte denn wirklich selbst herausgefunden, wissen Sie das? Oder sind die zehn betroffenen Frauen nicht vielmehr selbst auf die taz zugegangen, um den Fall öffentlich zu machen? Ich finde die taz hat das gut aufgeschrieben, aber eine investigative Recherche kann ich vorerst nicht erkennen, das ist was anderes. Und welche Rolle spielten da die verbliebenen Aktivist*innen von Staub zu Glitzer oder Glitzer zu Staub, die in einer Parodie einer "Pressemitteilung" den Fall kurzerhand für sich reklamieren, auch das sehr weit weg von journalistischen Standards, genau wie die in sozialen Medien oft geraunten Gerüchte, wer als nächstes dran sei, von alliierten selbst ernannten "Journalistinnen"? Die taz hat, so weit ich es beurteilen kann, sauber gearbeitet. Aber die Geschichte hätte jedeR gebracht, nach sorgfältiger Prüfung natürlich.
Rücktritt Klaus Dörr: Machtgebahren
Bettina Jahnke täuscht sich, es sind mindestens drei aktive Intendantinnen mit an autoritären, männlichen Vorbildern geschultem Machtgebahren bekannt. Der nächste Machtmissbrauchsfall mit Tragweite wird sie eines besseren belehren. GESCHLECHT schützt leider nicht vor Machtgebahren.
Das kommt bei Jahnke auch ganz anders rüber als bei der reflektierten und besonnenen Sonja Anders, in einem Tonfall des ICH WEISS WIE ES GEHT heraus, dass sich selbst einer Aktivistin die Haare sträuben, die harte Schule der Bühnenvereins-Kader lässt grüßen.
Über dessen Politbüro-Manier unter Bolwin, Zehelein und Khuon muss ohnehin dringend gesprochen werden.
Rücktritt Klaus Dörr: Drei Milliarden Schwestern
Bei der Causa Dörr geht es nicht zuletzt auch um strukturelle Gewalt. Ein frappierendes Beispiel, über das Peter Laudenbach am 28.7.2019 in der Süddeutschen Zeitung berichtete, ist der Fall des Dramatikers und Regisseurs Bonn Park. In einem Gespräch bat er Dörr um eine geringe Erhöhung der niedrigen Gagen für die Schauspielerinnen seiner Erfolgsinszenierung ' Drei Milliarden Schwestern.' Die Reaktion von Dörr fiel drastisch aus. Er setzte das vielfach preisgekrönte und immer ausverkaufte Stück umgehend ab. Bleibt zu hoffen, dass die Volksbühne unter René Pollesch das Stück im Herbst wieder in seinen Spielplan aufnimmt.
Rücktritt Klaus Dörr: Verstörend
Als jemand, der Herrn Dörr in seiner Stuttgarter Zeit als Vize-Intendant unter Petras geradezu als Sympathieträger erlebt hat, bin ich doch recht verstört über das Bild, das sich jetzt zeigt. Haben wir da was nicht mitbekommen?
Rücktritt Klaus Dörr: (Selbst-)Kritikunfähigkeit
@Journalist
Lieber Journalist, Sie haben sicher recht eine große Genauigkeit im Verwenden des Worts "Recherche" einzufordern. Die taz hat sicher einiges recherchiert und dann die Geschichte aufgeschrieben. Ob das schon eine vollgültige Recherche ist, lasse ich mal dahingestellt.
Was mir aber völlig fehlt beim Feuilleton ist die Selbstkritik. Wie lange haben Kulturjournalist*innen diese Künstlerintendanten abgefeiert, wie lange wurde da weggeguckt, wenn es um innerbetriebliche Probleme ging, wenn die Kunst nur "gut genug" war? Keine Selbstkritik, nirgends. Ich vermute einfach, dass die Analogie zwischen Intendanz und Chefredakteur*in einfach eine ungesunde Nähe bedeutet hat. Starsystem trifft auf Starsystem und sieht überhaupt nicht, wo beim Nachbarn die Probleme liegen. Absurde Abhängigkeit von oftmals kritikunfähigen Mächtigen ist doch der Normalfall... Das ist es, was ich meine. Die Kulturpolitik lässt sich gerne ahnnungslos und desinteressiert wie sie ist vom Feuilleton beraten in ihren vielen unseligen Entscheidungen und da hat das Feuilleton einfach total versagt über Jahrzehnte hinweg. Und damit bleiben die furchtbaren Intendanz und Generalintendanzstrukturen weiterhin unangetastet zu Lasten der vielen und zum Nutzen der wenigen.
Rücktritt Klaus Dörr: Chefs und Chefs
Liebe Simone, auf die Gefahr hin, dass ich zum Haarspalter avanciere: Die zehn Frauen sind auf die taz zugegangen oder wurden von jemandem begleitet, da gab es einfach nicht mehr viel zu recherchieren, das ist ein bisschen wie ein Leak, aber mit überschaubarer Datenmenge. Das zu klären ist in diesem Fall wichtig, weil Sie das Feuilleton für meine Begriffe pauschal für Recherche-Unterlassung in Sippenhaft nehmen. Außerdem: Ich haben noch keinen einzigen Chefredakteur, keine Chefredakteurin erlebt (und es waren schon viele), die oder der sich ernsthaft für Theater interessiert. Filz spielt da nicht. Intendant*innen versuchen auf Kiritker*innen, allenfalls Ressortleitungen Einfluss zu nehmen und auf Politiker*innen, Chefredakteure sind in der Regel außerhalb ihrer Liga. Dass wir hier über eine lange Kultur des Machtmissbrauchs und konkret auch des Sexismus sprechen (den Begriff der Struktur ist m.E. mittlerweile zum kommunen Kampfbegriff degradiert, weil er bestimmte Gruppen pauschal inkriminiert, also Männer oder Weiße oder beide), davon müssen wir wohl leider ausgehen, insofern bin ich mit Ihnen wieder einig, dass es Ähnlichkeiten zwischen Redaktionen und Theaterhäusern gibt in diesen Themenkomplexen. Und ich vermute, dass ich auch Ihr Ansinnen teile, solche Fragen in der Kunst angekündigt zu sehen, schon sehr lange. Nur hat die Linke, zumindest in Berlin, im intellektuell unredlichsten Kunststreit der letzten Jahre rund um die Volksbühne die historische Chance verpasst, andere Führungskulturen, die es unter Dercon ausgeprägt gab, mit einer anderen Ästhetik in Zusammenhang zu bringen. Was wir jetzt sehen, ist die Farce dieser Unredlichkeit in Form von Staub zu Glitzer, die als Karneval in Mainstreammedien etwas herumtönen darf, ohne eine Sekunde ernst genommen zu werden. Oder wartet jemand ernsthaft auf die Kunst dieser Gruppierung? Eben.
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