Nachtkritikstream - Antú Romero Nunes' Inszenierung "Metamorphosen" nach Ovid am Theater Basel
Metamorphosen
19. März 2021. Im Oktober 2020 eröffnete das Theater Basel mit neuem Leitungsteam und der Inszenierung "Metamorphosen" nach Ovid von Antú Romero Nunes. "Basel wird auch nach dem Weggang von Intendant Andreas Beck, der das Theater aus einer Krise wieder zu künstlerischer Bedeutung und hohen Publikumszahlen brachte, ein inspiriert und aufregend bespieltes Schauspieltheater mit internationaler Ausstrahlung haben. Das darf man nach der Saisoneröffnung mit der Bearbeitung von Ovids 'Metamorphosen' als gesetzt annehmen", schrieb Claude Bühler in seiner Nachtkritik zu dem Abend. Vom 19. März 18 Uhr bis zum 20. März 18 Uhr läuft er als Aufzeichnung im Nachtkritikstream.
"Mit jugendlicher Respektlosigkeit und spielerischer Frechheit haben Regisseur Antú Romero Nunes und das neue Basler Ensemble (die Hälfte der elfköpfigen Besetzung ist Mitte zwanzig) den 2000-jährigen Koloss aufgespiesst, den größten Teil der 250 Sagen ausgemistet, den Rest auseinandergerissen, neu zusammengesetzt, eigene Texte eingefügt, die Rollen der Monster, Nymphen, Göttinnen und Helden neu gedeutet, umbesetzt, die Geschlechter geswitcht (Jupiter oder Orpheus werden von Frauen gespielt)." – hier die ganze Nachtkritik mit Kritikenrundschau.
Auf der Webseite des Theater Basel heißt es über "Metamorphosen":
Ovids "Metamorphosen" sind eine Sammlung griechisch-römischer Mythen. Unstillbares Verlangen zwingt Götter dazu ihre Gestalt zu wechseln. Menschen verwandeln sich zur Strafe oder zum Trost in Tiere, in Pflanzen, in Steine und in Sternbilder. In dieser Welt ist alles einer ständigen Veränderung unterworfen. Aber die Begierden und die Grausamkeiten bleiben immer die gleichen. Die Basler Compagnie erzählt die Geschichten vom Ursprung der Welt, von den kriegerischen Gelüsten der Herrschenden und den grossen Taten der Staubgeborenen wie in einer Fernsehserie, die ständig das Genre wechselt.
Metamorphosen
nach Ovid
Inszenierung: Antú Romero Nunes, Bühne: Matthias Koch, Kostüme: Victoria Behr, Musik: Anna Bauer, Johannes Hofmann, Lichtdesign: Cornelius Hunziker, Ton: Ralf Holtmann, Christof Stürchler, Dramaturgie: Kris Merken.
Mit: Paula Beer, Barbara Colceriu, Jonas Dassler, Vera Flück, Nairi Hadodo, Anne Haug, Michael Klammer, Marie Löcker, Annika Meier, Sven Schelker, Aenne Schwarz, Live-Band: Anna Bauer, Carolina Bigge, Flo Götte, Ambrosius Huber, Anita Wälti.
Dauer: 3 Stunden 15 Minuten, keine Pause
Premiere am 9. Oktober 2020
www.theater-basel.ch
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Grüße
(Liebe Saskia, auf der Webseite des Theater Basel ist der Stream noch bis nächste Woche zu sehen. Mit freundlichem Gruß, sd/Redaktion)
Lieber mal den großartigen, ungemein dichten und hochkomplexen Ovid im Original lesen. Da steckt noch immer Sprengkraft drin!
In neuen Körpern verwandelte Gestalten. Das heißt, es werden Verwandlungen von einer früheren Form in eine andere erzählt, die zu neuen Körpern führen.
Alles ist von ganz eigener Art.
Ja, ich sage, ein großer Abend. Größer als man erwartet hatte.
Die ersten 4O Minuten sind ganz besonders Stark und eindrucksvoll.
dieser Abend ist ein Manifest für das unumwunden einfache
(so einfach auch wieder nicht) unbeschwerte (manches Mal auch recht
beschwert) überbordende, exaltiert vergnügt vergnügungssüchtige Ver-
wandlungsspiel. Es ist eine Lust da hin und hinein zu schauen . Man wird
selbst beim langen Zuschauen durch das Spiel verwandelt: Innere Meta-
morph-Hose (man wechselt unbewusst die Hose und Unterhose). Das "freie
Spiel" ist tatsächlich hochkomisch, manchmal vollendet pathetisch spiel-
wütig und wahrlich gefühlsberserkerhaft mit voller Kraft. die nicht drei
Stunden anhalten kann. Das ist echtes "gelöstes" Theaterspiel, wie man es
selten sieht, Verwandlung und freie - befreite Phantasie. Den Vorgängen
wohnt eine zentrale Spannung inne, weil zum einen die Wandelbarkeit der
Welt vor Augen geführt wird, aber zum anderen die Resultate dieser Verwandlungen dauerhafte Resultate hervorbringen. Die Metamorphose kann
sowohl rettend oder belohnend als auch bestrafend sein. Die Gruppen-
Dynamik unter den Spielenden ist wunderbar, und nur durch einen solchen dollen hochbegabten Regisseur zu bewerkstelligen. Alles ist ganz nach meinem dem freien Spiel verwandten, sich alldieweil verwandelnden Herzen, das von Kindesbeinen an sich dem Theater zuneigte, und dort seine Liebe
fand: Das Große Welttheater. - Und - wir sollten es nicht vergessen:
die ganze Welt ist eine ungeheure Bühne, und wir sind die gut oder schlecht Spielenden, wir treten schreiend auf, reden und reden, und gehen
schweigend wieder ab.
In dieser bedenklichen Pandemie-Zeit fragt man sich, kann die ganze Welt durch eine gewaltige, weitreichende Metamorphose gerettet werden?
Wäre es möglich?