Presseschau vom 9. April 2021 – Dramaturg Bernd Stegemann zu den Düsseldorfer Rassismusvorwürfen

"Im Spiel bleiben"

"Im Spiel bleiben"

9. April 2021. Im Feuilleton der FAZ (9.4.2021) äußert sich Dramaturg und Autor Bernd Stegemann zu den von Schauspieler Ron Iyamu geschilderten Proben-Vorfällen am Schauspielhaus Düsseldorf: "Man kann das geschmacklos finden und sich als Kollege diese Grenzüberschreitung verbitten. Man könnte aber ebenso im Spiel bleiben und darauf schauspielerisch reagieren."

Die Probe sei ein Freiraum, argumentiert Stegemann, und dürfe nicht zum "Verwaltungsvorgang" mutieren, weil "die korrekte Umgangsweise des Alltags zur Regel" wird – "dann entsteht nur noch Theater, das so langweilig ist wie der Alltag", so der Dramaturg. "Es gilt, die Balance zwischen einer Kritik am Missbrauch der Entgrenzung und einer lebendigen Verteidigung des Schutzraums Theater zu finden."

Stegemann bezieht sich auch auf den offenen Brief von 22 Theatermacher:innen of Colour und nennt es in der FAZ einen "Fehlschluss", die Probe als "Safe Space“ einzufordern, "der den Alltagsempfindlichkeiten unterworfen ist". Er sieht bei den Brief-Unterzeichner:innen keine Bereitschaft zum Austausch und schlussfolgert, dass "sie sich von einem feindseligen Konflikt mit der Mehrheitsgesellschaft mehr Nutzen erhoffen als vom Dialog".

Dass der Fall am Schauspielhaus Düsseldorf "eskaliere" sei ein Beispiel für das der Soziologie entlehnte Phänomen concept creep. Er, Stegemann, "der seit dreißig Jahren Theaterproben" beobachte, erkenne  in dem Schauspieler Iyamu einen "unsicheren jungen Mann, der im schauspielerischen Ausdruck blockiert ist" und sich, statt sich zu bemühen, "immer öfter in den Selbstschutz der empörten Kränkung" begebe. Die Vorwürfe gegen das Schauspielhaus Düsseldorf erschienen expemplarisch, schließt Stegemann: "Wollen die Beteiligten die gesellschaftlichen Gräben vertiefen, weil sie sich davon Vorteile versprechen?"

(FAZ.net / joma)

Kommentare  
Presseschau, Stegemann: Oh gott
Der Safe Space der Probe ist nur existent, wenn eine Atmosphäre dafür geschaffen wird. Und eine Personengruppe, die nahezu nie 100% der Zeit da ist,nicht einer marginalisierten Gruppe angehört, sollte nicht darüber Bestimmen,was Alltagsgeschen, Safe Space und Diskriminierung ist. Offenbart es doch nur die eigene Entrücktheit. Mich wiedert das leider unsagbar an. Weil in letzter Instanz würde eine Zustimmung zu Stegemanns Aussagen nur dazu führen, dass dieses System Theater in dieser Form keine Zustimmung mehr geniessen sollte

(Teile dieses Kommentars wurden gekürzt, weil sie nicht dem Kommentarkodex von nachtkritik.de entsprechen. Nachzulesen ist der Kommentarkodex hier: https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=102 d. Red.)
Presseschau Stegemann: Rhetorische Finten
Mit seinen Auslassungen liefert Stegemann hier ein echtes Musterbeispiel für die Verteidigung von White Privilege und strukturellem, institutionalisiertem Rassismus. Es lässt sich daran sehr gut studieren, wie die über so viele Jahrzehnte (und Jahrhunderte) einstudierte Selbst-Panzerung kultureller Hegemonie im Namen der Kunst/Freiheit im weißen Mehrheitsdiskurs funktioniert. Der als "Dialog" verbrämte Grabenkampf, den er selbst damit aufruft, indem er ihn anderen vorwirft, hat mit Kunstfreiheit aber nichts zu tun. Es ist eine rhetorische Finte, wie Stegemann sie am laufenden Band produziert. Diese reaktionären Verteidigungs- und Besitzstandsspiele, die sich als offener Geist der Kunst ausgeben, erzählen sehr viel mehr von der Arroganz und auch der Angst bzw. Aggressivität ihres Urhebers als von irgendeiner ernsthaften Bedrohung der künstlerischen oder sonstiger Freiheit. Mut entsteht auf der Probe durch Vertrauen, nicht durch Macht, Gewalt und Schikane. Wer das im Jahr 2021 immer noch kolportiert, hat offensichtlich ein Interesse daran, dass sich nichts ändert. Wer aber auf die aktuelle Weltlage schaut - im Kleinen wie im Großen - und sich dafür ausspricht, nichts ändern zu wollen, der macht sich gemein mit gesellschaftlichen Kräften, deren Beschreibung als reaktionär noch euphemistisch anmutet. Dazu - und zur Frage der Kunstfreiheit - hat im Übrigen Danger Dan mit seinem aktuellen Lied einen ziemlich hervorragenden Beitrag geleistet. Dieses empfiehlt sich als sowohl politisches wie emotionales Gegengift gegen die als (Mehrheits-)Diskurs überhöhten Attacken der Stegemänner - im Theater wie außerhalb. Wenn dieser Diskurs neben strukturellem Rassismus immer weiter auch andere Formen der Gewalt mit sich führt, wie nicht bloß die aktuellen Fälle der Volksbühne, Karlsruhe usw. zeigen, dann ist es geboten, dem entschieden entgegen zu treten und andere Räume, Allianzen und Diskurse zu entwerfen und auch vom Theater einzufordern. Wenn Kunstfreiheit sich nur mit solchen Formen der institutionalisierten Gewalt herstellen ließe, wäre es vielleicht wirklich an der Zeit, für langweiliges Alltagstheater zu votieren. Allerdings ist die aufgemachte Opposition eine falsche und gehört zu den genannten rhetorischen Finten. Im Angesicht der aktuellen Situation müssen wir sicher mehr Sorge(arbeit) auf die Freiheit der Künstler*innen (auf Mitsprache, Selbstbestimmung, safe spaces etc.) verwenden, als auf die der institutionalisierten Routinen, wenn es tatsächlich um die Freiheit der Kunst selbst gehen sollte. Herrn Stegemann würde eine solche Allianz von Kunst & Care vermutlich kaum als Dramaturgen auf ihren Proben vermissen - im Gegenteil. Es ist Zeit, dass sich was ändert.
Presseschau Stegemann: Beruf wechseln
Hallo !
Ich selbst wurde lange beschimpft und terrorisiert auf Proben. Die Argumentation (wenn eine da war) war immer persönlich . Logisch, denn es ging ja um mich. Ich bin nicht schwul, ich bin nicht farbig, ich bin nicht behindert und auch nicht sinti und / oder Roma oder habe sonst einen Migrationshintergrund . Ich bin auch keine Frau, geschweige denn irgendwas dazwischen. Ich kann mich also auf nichts berufen, was mich davor geschützt hätte, oder mich in Zukunft davor schützen wird, beschimpft oder gegängelt zu werden.
Was mache ich denn jetzt ? Soll ich mich als weißer, heterosexueller Mann jetzt weiter beschimpfen lassen ?
Das System, so wie es ist, werdet ihr nicht abschaffen. Wie soll man denn so arbeiten ? Ganz praktisch! Du spielst scheisse und der Regisseur merkt das, und er schreit es heraus . Ganz normal ! Bevor er sich überlegen kann , welchen korrekten Sprachgestus er für diese Beobachtung wählt und ihr dann darüber in eine Grundsatzdiskussion verfallt, ist der Moment um den es geht verflogen. Das ist nicht machbar ! Ich schlage vor, den Beruf zu wechseln .
Gruß
Presseschau Stegemann: Verrennen in der Demokratie
Zunächst: Ich halte es für bedenklich, wenn einzelnen Personengruppen die Mitbestimmung über Diskurse versagt werden soll, die gruppenübergreifend relevant sind (#1). Ebenso tragen Affekte wie Ekel vielleicht nicht gerade zu einem konstruktiven Austausch bei. Es ist doch der Kern einer funktionierenden Demokratie, dass alle an einem gemeinsamen Meinungsaustausch teilhaben. Wir müssen einander zuhören, diskutieren, alle! Daher kann ich Stegemanns Kritik an tiefer werdender Gräben zwischen einzelnen Gruppen unterschreiben. Der Originalartikel in der FAZ ist da etwas differenzierter als die Zusammenfassung hier bei Nachtkritik.

Dennoch: Es gibt in dem Artikel eine Tendenz, Ron Iyamu und die 22 Theatermacher*innen des Offenen Briefs vom 30.3. abzuwerten - und etablierte Theatermacher aufzuwerten. Und diese Haltung ist im Artikel bei weitem nicht so präzise hergeleitet wie etwa das Plädoyer für die Trennung von Theaterproben und Alltagsdiskurs. Es sind persönliche, diffamierende Unterstellungen gegen Ron Iyamu („unsicherer junger Mann“) und die 22 Theatermacher*innen of Colour („selbstgerechte Art“), die unangemessen sind und eine argumentative Lücke offenbaren. Andererseits verteilt Stegemann wenig plausible Vertrauensvorschüsse gegenüber dem Establishment, hier konkret gegenüber dem Düsseldorfer Schauspielhaus („nehmen die Vorwürfe sehr ernst“, „Die Leitung verspricht eine lückenlose Aufklärung“).

Wieso unterstellt Stegemann, der sich doch als kritischer Linker gibt, den Mächtigen mehr Integrität als den Kritiker*innen, die mit ihren Diskriminierungserfahrungen an die Öffentlichkeit gehen, weil sie intern keine Unterstützung erfahren? Bernd Stegemann verrennt sich hier.
Presseschau Stegemann: schwarz weiss
wenn ich die FAZ richtig gelesen habe, spricht dort ein alter weisser privilegierter Mann im Feuilleton einem jungen Schauspieler seine Erfahrung ab und diffamiert ihn dabei in seiner Schauspielkunst? Ist das das System?
Presseschau Stegemann: Gräben zuschütten!
Es ist seit Monaten an vielen Theatern und Kulturinstitutionen spürbar: die Gräben werden tiefer, eine aggressive Haltung setzt sich durch, die Sprache wird härter, die Anfeindungen innerhalb einzelner Gruppen und Ensembles nehmen zu... eine traurige Entwicklung, unerträglich, respektlos, wir sollten das an unseren Theatern nicht zulassen. Das ist keine Frage eines nicht funktionierenden System, sondern ein Problem derer, die so denken und sich so verhalten.
Was ist so schwer daran, unter vergleichsweise recht komfortablen Bedingungen Theater zu gestalten und anzubieten, ohne gleich das ganze System infrage zu stellen? Vieles am Theater muss reformiert werden, keine Frage. Übergriffe sind absolutes "no go", aber leider finden sie auch auch bei jungen Kreativen statt.
In der Szene wird uns inzwischen derart dogmatisch eingehämmert, dass das System (welches eigentlich?) unbedingt abgeschafft werden müsse, so dass Außenstehende, auch Entscheider und Publikum sich die Augen reiben und fragen könnten: brauchen wir das eigentlich noch? Eine Szene, die immer mehr um sich selbst kreist, sich langsam zerfleischt und den eigentlichen Auftrag "Theater" nicht mehr wahrnimmt?
Vielleicht jetzt nicht gleich wieder die Kampfmaschine in Stellung bringen, sondern: beobachten, analysieren, miteinander sprechen, sich abstimmen und dann agieren. Nach sehr, sehr Jahren an sehr verschiedenen Theatern habe ich für mich die Erkenntnis gewonnen, dass es immer eher die handelnden Personen sind, nicht so sehr das jeweilige System.
Presseschau Stegemann: dringende Empfehlung
Ich werde nie begreifen, wieso einige Leute so hartnäckig davon überzeugt sind, dass die intendierte Herabsetzung von Kolleg:innen, von Menschen (Michael Laages nannte es seinerzeit "intellektuell, körperlich oder emotional gedeckelt werden") – dass das willentliche Ent-Menschlichen (denn was sollten Rassismus o. Sexismus o. Transfeindlichkeit, etc. anderes sein?) zwingend ein unverrückbarer Bestandteil jener "verstörenden Erfahrungen" (Stegemann), jener "fremden und bizarren Welt" sein soll.

Für jemanden, der "seit 30 Jahren Theaterproben beobachtet [eben beobachtet und nicht erlebt. Anm.d.Kom.]" erscheint es seltsam phantasielos, wenn "Enthemmungen und Entgrenzungen" (Stegemann) auf Proben offensichtlich stets mit sprachlicher und/oder körperlicher Gewalt (natürlich nur an Darsteller:innen, wohlgemerkt) einher gehen müssen.

Oder geht es hier darum, das gefälligst grundsätzlich absolut alles erlaubt zu sein hat? Da schimmert – nach meinem Empfinden – eine Form von totalitär anmutendem Denken durch, dem gegenüber sich Kollege Stegemann ansonsten doch eher skeptisch zeigt, wenn sich's beispielsweise um inklusive Sprache o. Kritik an "lustigem Antisemitismus" auf deutsch-österreichischen Kabarett-Bühnen handelt.

Wenn ich (natürlich nur als Regisseur:in, wohlgemerkt) Menschen auf der Probe nicht nach Belieben herabsetzen, beleidigen, bedrohen, kleinmachen darf, dann ist die Probe kein "geschützter Raum" (Stegemann) mehr. Dann ist Theater "langweilig".

Let that sink in.

Ich empfehle ihm dringend, sich mit Menschen zu unterhalten, die zugegen waren, als Volker Metzler seinerzeit am Theater an der Parkaue den "geschützten Raum" Theaterprobe für rassistische Auslassungen gegen die Schauspielerin Maya Alban-Zapata genutzt hat. Es ist mir unbegreiflich, wie man angesichts der endlich langsam weitläufig sichtbar werdenden, abgründigen Zustände am deutschen Stadttheater mit derart empathieloser, privilegierter Unreflektiertheit auftreten kann.

Aber auf Stegemanns grundsätzliches Verständnis (sic!) von Rassismus bzw. Anti-Rassismus möchte ich an dieser Stelle gar nicht näher eingehen. Die Erfahrung rassistischer Gewalt als "Alltagsempfindlichkeiten" zu diskreditieren hat nichts mit "konstruktivem Austausch" (#2) zu tun. Wer in Bezug auf rassistisches Verhalten ausschließlich an "böse Absicht" oder feindselige Menschen" zu denken vermag, hat erwiesenermaßen nichts aber auch gar nichts von aktuellen Diskursen über strukturellen Rassismus gelesen oder verstanden.

Aber darum geht es ihm auch gar nicht. Es scheint dieser Fall für Stegemann einmal mehr ideale Munition zu sein für seinen eigentlichen Kampf gegen eine progressive Neujustierung gesellschaftlicher Narrative, Perspektiven und Vorgänge. Wer seinen Twitter-Account verfolgt, stellt fest, dass Stegemann mit geschliffenem linken (?) Zeigefinger gegen alles austeilt, was sowohl im Theater als auch im "Alltag" die weiße, männliche, able-bodied cis-hetero Dominanz gefährden könnte. Bis hin zu der komplett irrigen und noch nie bewiesenen aber stets reproduzierten Behauptung, dass solche Diskurse den "akademischen Eliten" vorbehalten wären und die "einfachen (deutschen) Arbeiter:innen" nicht beträfe.

Ellen Kositza, die Frau und Partnerin im (völkischen) Geiste von Götz Kubitscheck (Vorzeige-Intellektueller der anti-demokratischen Neuen Rechten und Ziegenkäse-Kredenzer aus Schnellroda), hat jüngst Stegemanns Buch "Die Öffentlichkeit und ihre Feinde" auf ihrem YouTube Kanal in den höchsten Tönen gelobt. Er sei "als Linker ein echter Gratwanderer", mit "ungemein vielen Überschneidungen" (zu ihnen, der Neuen Rechten. Anm.d.Kom.), dessen Thesen "überaus anschlussfähig" seien und dementsprechend "aufrechtes Lesen" empfohlen wird. Stolz präsentiert der rechte Antaios Verlag das Buch in seinem Shop. Stegemann – obwohl markiert – hat bisher darauf in keiner Weise reagiert. Verstörend.
Presseschau Stegemann: Danke
Vielen Dank Tim Tonndorf !!!
Presseschau Stegemann: Unterschied
Lieber Kollege (#3)

sie vergleichen hier zwei sehr unterschiedliche Dinge, wenn ein Regisseur sie anschreit, weil sie in seinen Augen zu untalentiert sind, oder zu schlecht oder was auch immer ist das eine Sache. Nur kann man das nicht vergleichen mit systematischem Sexismus, Rassismus etc. der darauf abzielt eine bestimmte Minderheit weiter zu marginalisieren und zu stigmatisieren.

Obwohl ich noch nie verstanden habe, warum ein untalentierter oder "schlechter" Schauspieler durch Anschreien plötzlich besser werden sollte.
Presseschau Stegemann: Probe oder privat?
Eine Frage: Fielen die Beleidigungen während der Probe, war das "Figurenrede" oder fielen die Sätze nach der Probe und waren "privat" bzw "persönlich"?
Presseschau Stegemann: 30 Jahre Theaterproben?
Mir bleibt beim Lesen dieses Feuilleton-Artikels vor allem eins im Halse stecken, das auch Leser:innen ohne Theaterbackground schon vom reinen Menschenverstand her unangenehm aufstoßen müßte: "Zum einen hat Petras ihn während der Proben wohl mehrfach "Sklave" genannt. Da er in der Rolle des haitianischen Sklaven Toussaint Louverture besetzt war, (...), ist das keine ungewöhnliche Ansprache bei Proben. Die Schauspieler, (...), werden oft mit ihren Rollennamen gerufen." Seit wann ist "Sklave" ein Rollenname? Soll Theaterlaien vermittelt werden, daß der "geschützte Raum der Theaterprobe" nicht etwa die Beteiligten schützt, sondern einzig davor schützt, daß Außenstehende im Zweifelsfall nicht erfahren, wenn dort jemand gekränkt, beleidigt, verletzt wurde? Sollen sich die Theatermacher:innen vor, auf und hinter der Bühne damit abfinden, daß es zu diesen Vorgängen wieder und wieder kommen wird, weil es immer so war? Nein, letzteres ist kein Zitat von Herrn Stegemann, liest sich aber aus meiner Sicht so.
Und wenn ich mir dann noch vorstelle, daß Herr Stegemann sein Wissen um "dreißig Jahre Theaterproben beobachtet" als Dozent weitergibt, aber auf diese Art reflektiert, wird mir ganz anders.
"Wer als Hammer auf die Welt schaut, sieht überall Nägel, wer sich als Opfer feindseliger Menschen sieht, findet überall Kränkungen."

Bitte, Herr Stegemann, verlassen Sie schleunigst die Position des Hammers und achten Sie darauf, sich keineswegs ob der Reaktionen auf diesen Artikel plötzlich als Opfer zu betrachten.
Presseschau Stegemann: Gedanken
Hier ein paar Gedanken zu Bernd Stegemanns Artikel:

1. "wo er jedoch bald unglücklich ist"
Eine absichtlich verharmlosende Sprach-Konstruktion, denn es geht nicht um "unglücklich" sein, es geht um das Aufzeigen von Rassismus und Machtmissbrauch.

2. "Ich habe einmal als Dramaturg mit ihm [Armin Petras, Anm.] zusammengearbeitet"
Das berechtigt Stegemann seiner eigenen Einschätzung nach die Erfahrungen von Ron Iyamu zu relativieren.

3. "Die Schauspieler, die den Hamlet, die Narren oder Tyrannen spielen, werden oft mit ihren Rollennamen gerufen. Teils im Spaß, teils in der Eile und eigentlich nie in böser Absicht."
Erstens hat Stegemann hier einen eigenen Denkfehler: Iyamus Figur hatte einen Figurennamen, nämlich "Toussaint Louverture" und man müsste ihn also auf der Bühne entsprechend Stegemanns Logik also mit "Toussaint" oder "Louverture" ansprechen. Man sagt auch nicht "Prinz von D., geh mal mehr nach rechts."
Zweitens: mit "eigentlich nie" relativiert er sich selber, denn er weiß: ein "Sklave" als Ansprache ist genau das: "in böser Absicht".

4. "(..) dass nach einer Probe, (..) Man kann das geschmacklos finden und sich als Kollege diese Grenzüberschreitung verbitten. Man könnte aber ebenso im Spiel bleiben und darauf schauspielerisch reagieren."
Wenn die Probe zu Ende ist, dann ist sie zu Ende. Wer das nicht kapiert, ist m.E. falsch am Theater.

5. Unfassbar ist für mich seine Aussage über das Video und die "Salzburger Schauspielschule". Wir reden hier vom Mozarteum Salzburg, einer renommierten Schauspielschule, die ihren Schüler*innen den Abschluss nicht schenkt. Seine abschätzigen Bemerkungen sind eine Frechheit, denn ich sehe im Video einen talentierten, jungen, reflektierenden Künstler, der versucht die Fragen zu beantworten - die übrigens auch eigenartig sind, weil sie den Künstler wieder auf seine nigerianische väterliche Abstammung festlegen, undenkbar bei einem Weißen Schauspieler aus Hannover - und der auch künstlerisch in den Film(!) - Schnipseln und als Musiker überzeugt.

6. "In meinem Theaterverständnis unterscheide ich zwischen den alltäglichen Betriebsabläufen, bei denen ein respektvoller Umgang normal sein sollte, und den Freiräumen der Probe."
Dieses Theaterverständnis IST das Problem. Auf jeder Probe MUSS der Umgang respektvoll sein. Das hat nichts damit zu tun, wohin sich dann Spielende in ihren Rollen bewegen, was Figuren zueinander sagen und sich gegenseitig antun. Stegemann scheint diesen Unterschied nicht zu verstehen oder zu respektieren, da helfen ihm anscheinend auch 30 Jahre Probenschauen nichts. Vielleicht hat er bei den falschen zugesehen...
Presseschau Stegemann: Impro
Solidarität ist schön und richtig, die sehr, sehr langen Einlassungen und öffentlichen Briefe befassen sich soweit ich sehe aber nicht mit einer ganz einfachen Frage, die hier schon gestellt wurde (und die kein Medium zu stellen sich traut?): War es eine Impro? Nach dieser Frage, könnte man noch immer diskutieren, ob das a) am Fall etwas ändern würde und b) eher an der Idee der Improvisation etwas ändert, die Figuren testet? Diese offensichtliche Angst, so eine grundlegende Frage zu stellen und sie dann auch zu beantworten, macht, ehrlich gesagt, wiederum mir, als von Rassismus Nicht-Betroffener, wiederum etwas Angst vor der Art und Weise, wie Debatten geführt werden.Ich würde in vielem gegen Stegemann in Stellung gehen, aber nicht so.
Presseschau Stegemann: Gegenläufige Entwicklung
@ Bühnenmensch
Als jemand, der das Theater schon seit mehreren Jahrzehnten von innen und außen beobachtet und auch viele Schilderungen der "Alten" (für meine Generation) erinnert, glaube ich sicher sagen zu können: Es wird nicht schlimmer, im Gegenteil, es verbessert sich zusehends.
Solche "Skandale" wie dieser hier sind verglichen mit früher harmlose Petitessen und sie sind Teil eines Selbstreinigungsprozesses, der sicher nötig und gut ist. Vor 20, 30 oder auch 50 Jahren gehörten Demütigungen, üble Nachrede, Belästigung bis hin zu Missbrauch und tätlichen Übergriffen zum Theateralltag, ohne dass irgendein Hahn danach gekräht hätte.

Das auszuhalten gehörte zu den Berufsvoraussetzungen von Schauspieler*innen, Dramaturg*innen, Assistent*innen und wurde auch schon auf manchen Schauspielschulen trainiert. Schauspieler*innen fanden das nicht selten gut und suchten diese Art von "Reibung", Sie versprachen sich davon intensive Erfahrungen und künstlerisches Weiterkommen, viele waren stolz darauf, wenn sie mit cholerischen und übergriffigen Regisseur*innen gut konnten, und wenn eine*r daran zerbrach, dann sah man das allgemein als Bestätigung dafür, dass der/die Betreffende eben doch nicht das Zeug dazu hatte. Das diente wiederum der Selbstvergewisserung, man war stärker, besser - auserwählt eben.
Diese Unbeherrschtheit, dieser Arschloch-Faktor wurde gerne verwechselt mit ungezähmter, wilder, genialer Kompromisslosigkeit und kennzeichnete manchen bis heute verehrten Großmeister und auch die eine oder andere Meisterin.

Ich find's gut, dass Genie-Kult und diese Blut-Schweiß-Sperma Mentalität langsam verschwinden und auf den Probebühnen - diesen Versuchsräumen, in denen man sich ja (zumindest an manchen Orten und zeitweise) auch mit den feinen Nuancen des Zwischenmenschlichen beschäftigt - auch ein bisschen in Sensibilität, Aufmerksamkeit und Respekt füreinander übt.
Das steht ganz, ganz sicher in keinem Widerspruch zu einem aufregenden und vielleicht sogar radikalen künstlerischen Output.
Presseschau Stegemann: 1400 Unterstützer*innen!
https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=19394:rassismus-ueber-1400-protestieren-gegen-faz-text-von-bernd-stegemann&catid=126:meldungen-k&Itemid=100089
Presseschau Stegemann: Noch nie...
...wurde ich, während 15 Jahren im Beruf, mit meinem Rollennamen angesprochen. Auch nicht mit der Umschreibung Tochter, Frau, etc.. Irgendwer?
Presseschau Stegemann: on the point
Markus Steinwender, auf den Punkt!
Presseschau Stegemann: Becken der Gerechten
Es gibt hier zwei Phänomene: Die eine ist die der Probensituationen, welche wohl übel waren. Die andere ist die, dass jetzt die Wächterinnen dieser Republik losgehen auf Herrn Stegemann und seine Meinung. Die Republik kocht. Jede Zeit braucht ihre Aufreger. Stegemann muss man neben seiner schwachen Argumentation vor allem vorwerfen, dass er nicht weiß, welche Schnappinstinkte derzeit die Herrschenden sind. Viel Spaß den Helden in diesem Becken der Gerechten!
Presseschau Stegemann: Erklärung des Berliner Ensembles
Bernd Stegemann ist als Gastdramaturg am Berliner Ensemble tätig. In seinen Büchern und Artikeln spricht er als freier Autor für sich und nicht für das Theater. So ist auch sein jüngster Artikel für die FAZ über die Bewertung der Vorgänge am Düsseldorfer Schauspielhaus sein persönlicher Beitrag, der weder mit dem BE abgestimmt noch jemandem im Haus vor der Veröffentlichung bekannt war. In einer Leitungs- und Dramaturgiesitzung hat es gestern dazu eine ausführliche kritische Diskussion mit Bernd Stegemann gegeben. Gerade in einem Text wie diesem, der den Schutzraum der Probe verteidigen will, hat etwa die persönliche Abwertung eines jungen Schauspielers nichts zu suchen. Jegliche rassistischen und diskriminierenden Übergriffe müssen immer sofort benannt und konsequent aufgearbeitet werden, das muss unmissverständlich auch am Theater und selbstverständlich auch auf der Probe gelten. Der Begriff der Kunstfreiheit kann und darf jedenfalls in solchen Fällen nicht als Legitimation missbraucht werden. Nicht nur die vielfachen Reaktionen, die Bernd Stegemanns FAZ-Artikel hervorgerufen hat, zeigen aber, wie sehr eine offene Debatte über Machtmissbrauch und den Umgang mit Rassismus am Theater sowie auch über die Freiheit der Kunst – und ihre Grenzen! - heute vonnöten ist.
Protest der 1400: Stalins Anruf
Wenn schon nicht der "Begriff der Kunstfreiheit" mißbraucht werden darf, wie sieht's dann mit der Kunstfreiheit selber aus? Wird sie noch gebraucht oder geht sie gerade am Kulturstalinismus zugrunde. Obwohl: nach Stalins Anruf durfte Bulgakow sogar noch ein bißchen am Theater arbeiten. Pförtnerlogen sind allerdings auch knapp.
Presseschau, Stegemann: Skalierung?
@OLf

1400 Theaterschaffende (0.0017% der Bevölkerung) äussern sich kritisch zur einem Vorfall in ihrem Lebens- und Arbeitsbereich. Das dürfen sie und müssen sie. Wer da gleich "die Republik" kochen sieht sollte möglicherweise mal seine Optik und deren Skalierung prüfen?
Protest der 1400: Armin Petras im O-Ton
Armin Petras: „Vielleicht noch einfacher gesagt, es reicht heute nicht mehr, nur kein Rassist zu sein, es geht darum, sich antirassistisch zu verhalten und das so auch permanent zu kommunizieren. Mit Worten, Gesten, Bildern, eigenem Verhalten und zwar egal wo, genauso in der Umkleide wie am Kaffeeautomaten oder auf der Probe. In diesem Lernprozess befinde ich mich zurzeit.“

(Anm. Redaktion. Das Zitat entstammt einem Editorial des Bremer Intendanten Michael Börgerding: https://www.theaterbremen.de/de_DE/das-april-editorial-2021#)
Presseschau Stegemann: Bengel Bernd
#19
Sehr geehrtes Berliner Ensemble,
wie frech ist das denn: Bernd Stegemann hat etwas gesagt, ohne es mit Ihnen, sehr geehrtes Berliner Ensemble, abzustimmen. Wo kommen wir dahin! Abmahnung! Oder mindestens eine 6- und Unterschrift der Eltern. Ich sehe schon das hochrote Gesicht vom Bengel Bernd.
Aber mal ganz ehrlich: Wer seid Ihr? Axel Werner? Oliver Kraushaar? Kathrin Wehlisch? Manuela Gutsmann? Stephan Besson? Matthias Franzke? Werner Riemann? Petra Viehweg? Angelika Handel? Olga Tieben? - Ach ja, Ihr seid das Berliner Ensemble.
Protest der 1400: Wasser auf die Mühlen
Theater sind keine Orte des Rassismus. Wenn, werden hier alle gleich schlecht behandelt.
Der Eifer der Diskussionen macht mir Angst und ist Wasser auf die Mühlen der rechten Kulturbereiniger.
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