Presseschau vom 30. April 2021 – Der SPIEGEL geht den Vorwürfen gegen Gorki-Intendantin Shermin Langhoff nach
"Klima der Angst"
"Klima der Angst"
30. April 2021. Eine Hintergrundrecherche zur Kritik am Führungsstil der Intendantin des Berliner Maxim-Gorki-Theaters veröffentlicht der aktuelle SPIEGEL. Die Vorwürfe drehen sich um eine "toxische Arbeitsumgebung", in der ein "Klima der Angst" herrsche – so zitiert die Autorin Elisa von Hof aus Gesprächen mit 15 Mitarbeiter*innen des Hauses. Die Intendantin Shermin Langhoff werde gegenüber Angestellten laut, "brülle" Mitarbeiter*innen "in Grund und Boden". Auch körperliche Übergriffe gebe es nach Aussagen der Mitarbeiter*innen von Langhoffs Seite. Die Zitierten wollen laut SPIEGEL anonym bleiben.
Auch bezieht sich die im Text angeführte Recherche auf Einblicke in den Mailverkehr von Gorki-Mitarbeiter*innen mit der Vertrauensstelle Themis. Die Stelle spielte erst jüngst eine wichtige Rolle in der Causa um den ehemaligen Volksbühnen-Intendanten Klaus Dörr. Eine Gruppe von zehn Frauen, beschäftigt an der Volksbühne, hatte ihrem damaligen Chef Machtmissbrauch in Form von "sexuellen Grenzüberschreitungen" und "Mobbing" vorgeworfen. Im Volksbühnen-Fall berichtete eine Autorin der taz von Einblicken in den betreffenden Mailverkehr zwischen den Mitarbeiterinnen und Themis. Klaus Dörr bestreitet die Vorwürfe.
Das Klima am Gorki habe sich nach dem Weggang des Dramaturgen Jens Hillje vor zwei Jahren massiv verändert, zitiert der SPIEGEL seine Quellen. Seitdem führt Langhoff das Haus allein. Zornesausbrüche, auch wegen kleinerer Vorkommnisse im Tagesgeschäft, seien an der Tagesordnung. Auch leise Kritik der Mitarbeiter*innen an Entscheidungen löse diese aus. Zudem sei Langhoff grenzüberschreitend, komme Menschen mitunter körperlich sehr nah, mache – teils anzügliche – Bemerkungen über deren Äußeres, beleidige, übe verbale Gewalt aus. Es habe 2018, 2019 und 2020 bereits durch Mitarbeiter*innen des Berliner Senats mediierte Gespräche zwischen Langhoff und Gorki-Mitarbeiter*innen gegeben, vorangegangen waren laut SPIEGEL-Recherche interne Klärungsversuche am Haus (unter anderem ein Brief von Mitarbeiter*innen an ihre Intendantin) und, als diese erfolglos blieben, eine erste Beschwerde bei Themis. Somit ist laut SPIEGEL-Recherche auch Kultursenator Klaus Lederer seit Jahren über die Vorwürfe im Bilde. Gestern wurde bekannt, dass eine Dramaturgin des Gorki-Theaters gegen ihre Nichtverlängerung klagt; als Gründe gibt sie "Maßregelung und Diskriminierung" an.
Shermin Langhoff habe sich nach Anfrage des SPIEGEL zu den Vorwürfen über ihren Anwalt geäußert. Dieser lasse mitteilen, dass Fluktuation am Theater ein "normaler Prozess" sei und straf- oder arbeitsrechtliche Konsequenzen von Seiten des Senats in der Vergangenheit nicht festgestellt werden konnten. Der Senat habe auf Anfrage des Magazins zur Stellungnahme um Zeit gebeten, die eine "rechtliche Prüfung der Persönlichkeitsrechte" von Betroffenen bei der Aufklärung benötige. Elisa von Hof verweist in ihrem Text auch auf vorangegangene rechtsextreme Übergriffe auf das Gorki Theater – und einige Mutmaßungen von Mitarbeiter*innen, dass eine mögliche Sorge des Senats, rechten Kräften in die Hände zu spielen, die Kritik an Langhoff erschwere.
Vor kurzem wurde bekannt, dass Shermin Langhoffs Vertrag in die Verlängerung geht – bis 2026.
(DER SPIEGEL / sdre)
Mehr zur Debatte um die Vorwürfe gegen Shermin Langhoff:
Meldung: Dramaturgin klagt gegen Maxim-Gorki-Theater (29. April 2021)
Presseschau: Gorki-Intendantin Shermin Langhoff verlängert (23. April 2021)
* In einer ersten Fassung dieses Beitrags gab es Formulierungen eines Sachverhalts, die der gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. Die Passage wurde entsprechend korrigiert.
Wir halten Sie auf dem Laufenden
Wir sichten täglich, was in Zeitungen, Onlinemedien, Pressemitteilungen und auf Social Media zum Theater erscheint, wählen aus, recherchieren nach und fassen zusammen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrem finanziellen Beitrag.
mehr medienschauen
meldungen >
- 18. März 2024 Nora Mansmann erhält Kathrin-Türks-Preis 2024
- 17. März 2024 Adeline Rüss erhält Marburger Kinder- und Jugendtheaterpreis
- 15. März 2024 Hanna Schygulla: Ehrenpreis der Deutschen Filmakademie
- 15. März 2024 Westwind Festival 2024 in Essen gibt Auswahl bekannt
- 14. März 2024 Komponist Aribert Reimann verstorben
- 12. März 2024 Schauspielerin Gabriele Möller-Lukasz gestorben
- 12. März 2024 Regisseur und Dramaturg Reiner Flath gestorben
- 11. März 2024 Neuköllner Oper: Rainer Simon wird Künstlerischer Leiter
neueste kommentare >
-
Medienschau Volksbühne Ranking
-
Preis für Nora Mansmann Glückwunsch
-
Medienschau Volksbühne Schaurig
-
Geht es dir gut, Berlin Verneigung
-
Medienschau Volksbühne Basler Schauspieltruppe
-
Medienschau Volksbühne Junge Generationen Vorschläge
-
Medienschau Volksbühne Ein Linksozialisierter
-
Medienschau Volksbühne Bochum unter Haußmann
-
Don Carlos, Frankfurt Kalte Realität des Mordens
-
Geht es dir gut, Berlin Bruchstückhafter Abend
Künstler*in". Dieser Arbeitsdruck verteilt auf weniger Menschen und für weniger Geld trägt zumindest schon mal sicher nicht dazu bei, dass Arbeitsklima und Bedingungen besser werden.
Am Gorki-Theater gibt es jahrelang ein Klima der Angst und das Schweigen derjenigen, die dort in verantwortlicher Position arbeiten ist ohrenbetäubend. Wo sind gerade Ersan Mondtag, Falk Richter, Daniel Richter, Valerie Göhring und all die anderen Protestler? (...)
Die beiden Vorgänge sind so nicht gleichzusetzen und haben deshalb auch nicht die gleiche Reaktion ausgelöst. Bernd Stegemann hat einen jungen kritischen Schauspieler, der rassistisch beleidigt und körperlich bedroht wurde, in einem Text für die neurechte FAZ erneut angegriffen und als talentlos herabgewürdigt - Stegemann ist ein Mann in einer mächtigen Position - der mehrere leitende Positionen gleichzeitig ausübt, mit vielen Medien sehr gut vernetzt ist und dazu noch junge Menschen in Dramaturgie ausbildet und darüber entscheidet, wer einen Ausbildungsplatz bekommt und wer nicht und er nutzt seine mächtige Position, um einen bereits gedemütigten jungen dazu machtlosen Menschen erneut zu demütigen - deshalb gab es eine breiten Protest gegen diese (...) Aktion von Stegemann. Wenn sich jetzt bislang vollkommen anonym gebliebene Menschen über die Intendantin eines Theaters beklagen und die Sache offenbar auch vor Gericht geht, dann gibt es erst mal keinen Grund, jetzt einen ähnlichen Brief dazu zu verfassen. Dazu muss die Lage erst einmal geklärt und weiter besprochen werden. Sollte aber Shermin Langhoff nun versuchen, diese Leute, die sich über sie beschwert haben, ebenso öffentlich zu beleidigen und zu demütigen, wie Stegemann das gegenüber dem angegriffenen Düsseldorfer Schauspieler getan hat, können Sie sicher sein, dass es zu Solidaritätsbekundungen kommen wird. Soweit ist es aber noch nicht.
darüber kann man ja zum Glück geteilter Meinung sein...
Auch bei K. Dörr sind die Briefeschreiber:innen anonym geblieben und der Intendant hat seinen Hut genommen. (....)
(Anm. Redaktion: Eine implizite Vorverurteilung wurde aus diesem Kommentar entfernt.)
Worum es Carolin hier geht, ist doch offenbar etwas anderes: Wie kann es sein, dass Regisseure wie Falk Richter, die gerne betonen, dass ihnen ein respektvolles Miteinander auf der Probe und am Theater wichtig ist und dafür auch gerne in die Öffentlichkeit gehen, hier nun schweigen, obwohl sie selbst seit Jahren am Gorki tätig sind, davon sicher nicht erst im Spiegel gelesen haben und die Ersten sein müssten, die sich vom übergriffigen Verhalten der Intendantin distanzieren? Stattdessen hier: Schweigen
Und das ja nicht nur von den genannten, sondern auch von der Intendantin daselbst. Unter Berufung auf Datenschutz lässt sie ihren Sprecher für sich reden.
Hm, verantwortungsvolles Verhalten sieht dann doch anders aus, vor allem wenn mans selbst merkt (wie es indes Artikeln heißt) , dass einem selbst Moderation nicht hilft...
Aber auch von Nachtkritik Seite wäre ja eine intensivere Recherche nicht verkehrt.
Schwierig, wenn die Feindbilder dann so verschwimmen und das Ganze eben doch ein bisschen komplexer ist....
Das teile ich im Übrigen sehr! Nur tatsächlich seltsam, dass das so selektiv gewünscht wird.