Open Door

ein Gespräch mit Aino Laberenz, Akinbode Akinbiyi, Rahima Gambo und Taiwo Ojudun Jacob

 2. Juni 2021. Das Operndorf Afrika liegt 30 Kilometer nordöstlich von Ouagadougou, der Hauptstadt des westafrikanischen Landes Burkina Faso. Es wurde gegründet von Christoph Schlingensief. 2010, im Todesjahr von Schlingensief, wurde der Grundstein gelegt, 2011 wurden die ersten Gebäude eröffnet, und 2015 wurde eine Künstlerresidenz ins Leben gerufen. Ein Gespräch darüber, was aus den Gründungsideen geworden ist, mit einem Fokus auf die Rolle von Kunst und Performance im Rahmen des Operndorfs: mit Aino Laberenz, Geschäftsführerin des Operndorfs, Akinbode Akinbiyi, Kurator des Residenzprogramms, den beiden Residents 2020/21 Rahima Gambo und Taiwo Ojudun Jacob und nachtkritik-Redakteurin Sophie Diesselhorst.

Zunächst einmal in die Runde gefragt: Wie würde jede*r von Ihnen das Operndorf definieren?

Rahima Gambo: Da ich nicht Deutsch spreche, höre ich bei "Operndorf" immer "open door", also "offene Tür". Ein Ort, wo sich Möglichkeiten öffnen. Für mich ist das Operndorf eine Soziale Skulptur, wie Joseph Beuys es definierte.

Dieser kurze Clip stammt aus dem Dokumentarfilm "10 Jahre Operndorf Afrika" von Robert Kummer (2020)

Taiwo Ojudun Jacob: Mir fallen zum Operndorf direkt die Kinder aus den umliegenden Dörfern ein, die dort zur Schule gehen, und die Frage, was für Möglichkeiten und Chancen sie wohl gehabt hätten, wenn diese Plattform nicht da gewesen wäre. Auch für mich als Künstler mit afrikanischer Herkunft ist das Operndorf ein Ort, wo ich hinkomme, mich austausche, mich entwickle, eine Art interkultureller Raum, wo eine Menge positive Energien geboren und wiedergeboren werden. Auch für mich bedeutet das Operndorf eine "Open door" und noch mehr, mit der Krankenstation, die den Menschen aus der Umgebung eine Gesundheitsversorgung anbietet.

Akinbode Akinbiyi: Ich habe eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass es ein sehr schöner Ort ist, eingebettet in die Natur im Sahel. Ich finde die Schönheit dieser Landschaft überwältigend und inspirierend.

Aino Laberenz, Sie sagten letzten Sommer in einem Interview, dass das Operndorf noch mehr ist als eine Soziale Skulptur. Wie treffen sich dort Kunst und Leben und wie bezieht sich das Operndorf zehn Jahre nach seiner Gründung auf die Ideen von Christoph Schlingensief?

Aino Laberenz: Für mich ist es wirklich berührend, diese Definitionen zu hören. Denn genau das ist, was wir dort seit Jahren versuchen, einen offenen Raum zu schaffen. Es ist für mich eine Lebensaufgabe und ein ständiger Lernprozess und gleichzeitig ist es die Realität der Schule, der Krankenstation, in die die Kunst aber auch mit einbezogen wird. Ich glaube, wir sind ziemlich nah an Christophs Gedanken, auch wenn das Operndorf alles andere als ein Schlingensief-Museum ist. Oder gerade deshalb. Denn er wollte eine Plattform, einen Treffpunkt etablieren. Einen Ort, an dem es nicht um ihn geht und seine Sichtweise. Wir versuchen, diesen Gedanken weiterzuführen.

Können Sie uns ein bisschen über die Entwicklung über die letzten zehn Jahre erzählen?

Aino Laberenz: Es gab nie einen Plan mit einem klaren Endpunkt. 2011 haben wir als erstes die Schule eröffnet. 2014 folgte die Krankenstation. Es war uns wichtig, mit dem anzufangen, was die Menschen einbezieht, die in der Umgebung leben. Wir wollen das Operndorf mit ihnen zusammen weiter aufbauen, wir nutzen Materialien aus der Umgebung, wir bauen mit ihnen zusammen.

Wir gehen dieses Jahr in die Landwirtschaft. Weil uns eine finanzielle Autonomie des Operndorfs wichtig ist, arbeiten wir mit dem Staat zusammen, der die Lehrer bezahlt, es ist also eine öffentliche Schule, und auch die Gehälter der Ärzte in der Krankenstation sind staatlich finanziert. Es ist also ein offener Prozess, Schritt für Schritt, mit Offenheit für Planänderungen und Diskussion bei jedem Schritt. 2015 haben wir mit dem Residenzprogramm begonnen, das war mir wichtig, um an Christophs erste Vision des Austauschs anzuknüpfen. Um also einerseits eine Plattform zu schaffen speziell für Künstler aus Burkina Faso und den umliegenden Ländern. Und sie andererseits mit Künstlern aus Europa und anderswo in Kontakt zu bringen. Künstler und Kunst bieten eine besondere Art der Kommunikation, die es braucht für Austausch und Verständigung.

Akinbode Akinbiyi, Sie sind seit 2020 Kurator des Residenzprogramms im Operndorf. Was hat Sie nun an diesem Dorf gereizt? Und was sind Ihre Kriterien für das Residenzprogramm?

Akinbode Akinbiyi: Ich habe nicht ein bestimmtes Programm im Kopf, ich schaue nur und versuche Künstler zu finden, von denen ich denke, sie könnten dort wirklich arbeiten. Die Künstler müssen nicht aus Afrika kommen, sie können von überallher kommen. Übrigens sehe ich es genau wie Aino, dass Künstler und Kunst sehr wichtig sind für die Menschheit. Ich sage nicht, dass jeder ein Künstler sein muss, aber ich glaube, dass wir Kunst brauchen um in Beziehung miteinander zu treten.

In einem Text über die Residency auf der Webseite des Operndorf erwähnen Sie auch die Komplexitäten der Geschichte wie Kolonialismus, Postkolonialismus, Paternalismus, Themen, die das Operndorf für Sie auch aufwirft ...

Akinbode Akinbiyi: Die meisten Menschen aus der nördlichen Hemisphäre kommen nach Afrika mit einer bestimmten Denkweise. Ich bin nur wenigen begegnet, die wirklich offen hierherkommen, bestimmt von ihrer Menschlichkeit und nicht von diesem historischen Paket, das ihnen diktiert und entweder bewusst oder unbewusst zu dominieren, zu kolonialisieren, indem sie uns ihre Standards aufdrängen.

Ich habe in den 90ern in Berlin Theaterstücke von Christoph Schlingensief gesehen, ihn aber nie persönlich getroffen. Ich glaube, dass er einer der wenigen wirklich offenen Menschen war, aber natürlich müssen selbst die sich mit der Geschichte auseinandersetzen, diesen Jahrhunderten der Unterdrückung in Sklaverei und Kolonialismus. Also, ich denke, es ist wichtig für uns alle, immer bereit zu sein – und zu bleiben – zu lernen, damit wir uns gemeinsam vorwärts bewegen können und die Ungereimtheiten und Traumata nicht zu ignorieren, das ist nicht möglich. Das Operndorf ist genau für diesen Prozess ein schöner Schmelztiegel der Möglichkeiten.

Rahima Gambo, Sie haben während deiner Residenz im Operndorf Ihre Serie "A Walk" fortgesetzt, eine "psychogeografische Erforschung sozialer Strukturen" – können Sie ein bisschen davon erzählen?

Rahima Gambo: Ich habe "A Walk" Anfang 2018 begonnen, aber Spazierengehen war auch vorher schon eine Art tägliche Praxis für mich. Mein primäres Medium ist Fotografie. In dieser Serie habe ich über die Rolle des Körpers in der Fotografie nachgedacht. In der Geschichte der Fotografie wird der Körper als Wahrnehmungswerkzeug von der Kamera abgelöst, die die vermeintlich objektiveren Bilder erzeugt. Auch die Geografie ist ja eine Wissenschaft, die das Land vermisst nach vermeintlich objektiven Kriterien. Ich habe drüber nachzudenken angefangen, wie ich ohne Kamera fotografieren könnte. So kam die Idee der Psycho-Geografie zustande. Das Operndorf war für mich eine tolle Forschungsumgebung, weil ich mich mit erhöhter Aufmerksamkeit dort bewegte – ich verstehe nämlich kein Französisch, nahm also alles als Klang wahr und habe besonders aufmerksam hingehört und mich auf die Vögel als Zeugen der Geschichte dieser Landschaft konzentriert, die ja schon viel länger dort leben als wir.

Akinbode Akinbiyi fragt in seinem Text über die Residenzen im Operndorf, ob die Oper immer noch eine zeitgenössische kreative Form der Wahrnehmung von tief sitzenden Sehnsüchten und Träumen ist. Was würden Sie antworten? Haben Sie über das Konzept der Oper nachgedacht, während Sie mit Klang gearbeitet haben?

Rahima Gambo: Oper ist für mich ein sehr fremdes Konzept. Ich bin nicht damit aufgewachsen, und ich weiß noch nicht einmal jetzt, was genau eine Oper ist, weil ich noch nie in einer Oper war. Ich denke aber, dass es ein Geschichtenerzählen gibt mit Bezug auf Klang, das ich praktiziere und das auch die Oper praktiziert, so unterschiedlich die Ergebnisse sind. Und so ein erweiterter Begriff von Oper steckt für mich auch im Namen des Operndorfs.

Aino Laberenz: Christoph hat die Oper im Kontext des Operndorfs als eine vereinigende Kunstform verstanden, die Musik mit Sprache, mit dem Geschichtenerzählen und dem Bühnenbild, der visuellen Kunst verbindet. Dieser Gedanke speist auch das Residenzprogramm, in dem wir auch die interdisziplinäre Begegnung zwischen Künstlern fördern wollen.

Apropos Interdisziplinarität: Taiwo Ojudun Jacob, Sie sind Choreograph und Theatermacher und waren zusammen mit Rahima Gambo Resident im Operndorf. Während sie mit der Landschaft gearbeitet hat, haben Sie mit den Kindern gearbeitet.

Taiwo Ojudun Jacob: Ja, in meinem Tanzprojekt mit Schulkindern aus dem Operndorf ging es speziell darum, die Mädchen zu empowern. Im Video sehen Sie, wie die Mädchen Transparente hochhalten, auf denen zum Beispiel steht: "Ich bin ein Mädchen, ich kann alles sein, was ich sein will, ich kann Ärztin werden ich kann Anwältin werden, ich habe keine Grenzen. Wenn ich davon träumen kann, kann ich es erreichen." Dieses Projekt begann eigentlich hier in Nigeria, wo ich durchs Land gereist bin und Frauen darüber interviewt habe, was sie über sich selbst als Frauen denken und wie sie in der Gesellschaft wahrgenommen werden, und ich war erschrocken, wie patriarchal die Gesellschaft funktioniert.

In einem zweiten Projekt haben Sie eine Performance inszeniert, die in Ouagadougou stattfand.

Taiwo Ojudun Jacob: Ja, da ging es um das gleiche Thema, aber aus einer anderen Perspektive, nämlich meiner als Mann. Die Performance ist eine Reflexion meiner Position. Ich sagte mir: Egal, wie weit du gehst, du bist ein Mann. Du bist keine Frau. Du kannst dich nur theoretisch hineinversetzen. Also habe ich stattdessen versucht, Antworten auf eine Menge Vorurteile zu finden, die ich kenne, täglich sehe und über die ich gelesen habe. Ich habe versucht, herauszufinden, welche Rolle Politik und Religion spielen für die Bildung und Stärkung dieser Vorurteile. Und ich habe versucht das alles auf eine Art und Weise zu verhandeln, dass alle es verstehen.

Ich kann mit meiner Mutter nicht theoretisch über Feminismus diskutieren, sie hat noch nicht einmal einen Grundschulabschluss. Aber ich kann ihr das Thema in meinen Performances nahebringen. Mir ist es wichtig, das Publikum und die Umgebung einzubeziehen, sie haben starken Einfluss darauf, wie ich performe, denn ich will mich vor allem mit ihnen verbinden. Ich habe diese Performance in Ouagadougou gemacht, weil ich dort mehr Menschen getroffen habe, die Englisch sprechen. Im Operndorf war es wegen der Sprachbarriere schwierig wirklich in einen Dialog mit den Leuten zu kommen.

Wie stehen Sie zur Postkolonialismus-Debatte?

Taiwo Ojudun Jacob: Das ist einfach eine Realität, vor der man nicht weglaufen kann. Ob ich es mag oder nicht, ich spreche hier jetzt gerade mit Euch eine Sprache, Englisch, die meinen Vorfahren aufgezwungen wurde. Mir ist allerdings auch wichtig, nach meinen vorkolonialen Elementen zu suchen, und eine Verbindung zu finden zwischen den verschiedenen Anteilen meiner Identität.

Zum Schluss die Frage: Wie geht es dem Operndorf in der Pandemie?

Aino Laberenz: Tatsächlich sind die Infektionszahlen in Burkina Faso bisher nicht so hoch, aber viele Leute wissen auch noch gar nichts über die Gefahren dieser neuen Krankheit. Wir versuchen also, Aufklärungsarbeit zu leisten und schulen die Ärzte in unserer Krankenstation präventiv. Wir wollen unsere Verantwortung tragen und gleichzeitig mit möglichst vielem weitermachen, unter Beachtung von Abstandsregeln und in kleinen Gruppen. Besonders wichtig ist uns, dass die Schule offen bleiben kann bzw. den Schulkindern der versäumte Unterricht zum Nachholen angeboten wird. Auch mit dem Künstlerresidenz-Programm wird es weitergehen, im Herbst 2021 sollen neue Stipendiat*innen ins Operndorf kommen.

 

www.operndorf-afrika.com

 

Arbeiten der Künstler*innen aus dem Operndorf

Rahima Gambo war 2020/21 Artist in Residence im Operndorf Afrika. Im Rahmen ihrer Arbeit dort hat sie ihre Performance-Serie "A Walk" fortgesetzt, in der sie mit ihrer Kamera ausgewählte Objekte spazierenführt. Hier ein Ausschnitt des Materials aus ihrer Zeit im Operndorf.

 


Taiwo Ojudun Jacob war 2020/21 Artist in Residence im Operndorf Afrika. Im Rahmen seiner Arbeit dort hat er u.a. mit Kindern im Operndorf ein Tanzstück zum Thema Empowerment von Frauen und Mädchen choreografiert, aus dem hier ein Ausschnitt zu sehen ist.

 

 

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Kommentare  
Operndorf Afrika: Wo Ist sein Geist?
Warum fehlt mir beim Operndorf die Widersprücklichkeit, das Chaos, der Spass den Chistoph Schlingensief zu Lebzeiten versprühte? ich kann seine Gedanken beim Operndorf wie es jetzt dargestellt wird nicht finden
Operndorf Afrika: Frage an die Gesprächsrunde
So sehr mich Schlingensiefs Arbeit in Deutschland gefreut hat, so gemischt sind die Gefühle bei diesem Projekt in Burkina Faso. Die Idee eines weißen Mannes aus Europa wird in Afrika umgesetzt. Warum? Vielleicht gibt es bei den Verantwortlichen des Operndorfs die kritische Reflexion zum Thema "white money" im afrikanischen Kunstbetrieb? Wenn ja, wäre es schön, wenn sie die Gedanken dazu teilen könnten.
Operndorf Afrika: Schicki Micki
Diese Form der Ästhetisierung der Armut in Afrika hat etwas unerträgliches. Einzig die Pietät vor dem frühen Tod von Christoph Schlingensief lässt mich zurückhaltend sein. Da bauen ein paar deutsche Erbinnen mit einem togoischen Architekten, den heute keiner mehr zahlen kann eine "soziale Plastik" in die Pampa und weil ihnen irgendwann aufgeht, dass die Leute Brot brauchen und dann Theater wird jetzt eine Schule und eine Krankenstation errichtet. Seit Jahren fließen Millionen in dieses Projekt, es hat (fast) nichts mit den Leuten vor Ort zu tun. Die Theatergruppen dies es gibt wie "Carrefour" in Burkina bräuchten dringend Geld und gehen zu Grunde. In Deutschland schmücken sich die Kunst-Schick-Mickis damit und spenden gelegentlich. Ein peinliches, affirmatives Interview, das nichts mit Theater in Afrika zu tun hat.Ich empfehle die NZZ vom 12. Juni 2021, wer etwas über Theater in Afrika erfahren will.
Operndorf Afrika: Spannungsfeld
@3 Kritik mag hier und da berechtigt sein, Ihren Kommentar verstehe ich allerdings nicht. Erst einmal war es ja das Konzept von Schlingensief, nicht von "deutschen Erbinnen". Zweitens steht da, daß die Schule und die Krankenstation ZUERST geöffnet wurden. Drittens stehen die MitarbeiterInnen wohl im Austausch mit der Szene und der Bevölkerung. In welchem Masse kann ich aus der Ferne nicht beurteilen und es gäbe sicherlich Diskussionsmaterial. Die Frage inwieweit so ein Ort der Bevölkerung dient bzw dienen kann oder (westlichen) Kunstinteressen, dem "guten Gewissen" oder dem Kunstmarkt ist brandaktuell. Dieses Kriterium ist allerdings nicht auf das Operndorf beschränkt. Es ist ein Spannungsfeld. Ich sehe hier Vergleichspunkte mit (unter anderem) der Diskussion in Deutschland, aber bestimmt nicht nur. Welche Theater oder Ausstellungshäuser sind "Bürgerhäuser", oder finden Beachtung, oder wer wird für in die (von wem?) ausgewählte Gemeinschaft professionalisierter Kunstarbeiter eingeladen. Hier legen Sie meines Erachtens einen doppelten Standard an, ein romantisiertes Bild von den zu beschützenden/unwissenden "Afrikanern".

Ich verstehe @1 wenn hier fehlendes, Schliegensief'sches "Chaos" bemerkt wird. Andererseits gebe ich zu Bedenken, daß er neben Kamikaze-Aktionen später sehr wohl in innerhalb des Kunstmarkts aufgestiegen ist und funktioniert hat, nicht zuletzt in so ur-konservativen Institutionen wie der Biennale von Venedig und den Bayreuther Festspielen. Wer weiß was er gewollt hätte? Wie er sich verhalten hätte? Welche geschäftlichen Entscheidungen er hinsichtlich den sich stets verändernden Kulturlandschaft getroffen hätte? Vielleicht wären Sie überrascht. Und ist das wirklich wichtig? Kennen Sie alle anderen KünsterInnen, die weitaus zynischer zu Werk gehen und damit ihr Geld verdienen?
Operndorf: Kunstmarkt
Ein paar Bemerkungen zum hier zitierten "weißen Geld" und "westlichen Interessen".
Seit der Wende kommen die neuen Global Player im Kunstbetrieb überwiegend nicht mehr (nur) aus dem Westen. Das ganz große Geld kommt von Oligarchen, Superreichen und Scheichs aus Russland, Indien, Brasilien, China, Vereinigte Arabische Emirate, Singapur usw. Dazu gehören neue Fixpunkte wie die Art Basel Hongkong, die Shanghai Biennale, der Louvre Abu Dhabi, die Zona Maco Mexico City usw.
Da von "weiß" und "westlich" zu sprechen, ist - bezogen auf die letzten 30 Jahre - schlicht nicht mehr adäquat.
Übrigens ist das mit EIN Grund, warum sich das Vordringen von Frauen in den Topseller Bereich verzögert: Weil das neue Geld überwiegend (von Männern) aus Ländern kommt, in denen Frauen und deren Arbeit traditionell nicht denselben Status haben wie Männer.
Operndorf Afrika: herausfordernde Gleichberechtigung
@5 Da haben Sie sicher Recht. Allerdingds sprechen wir hier von einer deutschen Unternehmung. Und wie dominant die anderen Märkte auch sein mögen, die westlichen gibt es immernoch. Zudem wird der afrikanische Kontinent auch von China oder den arabischen Ländern ausgebeutet.
Aber was mich eigentlich zu einem Kommentar bewegt ist Ihre Anmerkung, daß es sich hier um einen Grund handelt, warum Frauen nicht in den Topsellerbereich vordringen. Und meine Meinung dazu ist diese: es ist sicherlich herausfordernd Gleichberechtigung (auf verschiedenen Ebenen) in patriarchalischen, klassistischen Gesellschaften voranzutreiben. Wollen Sie da wirklich westliche Länder ausschliessen? Wenn wir uns auf den rein wirtschaftlichen Aspekt fokussieren steht der Kunstbetrieb nur einen steinweit entfernt von anderen Topsellerspitzen- (Junge) Männer tun es in der Regel überall gut.
Es ist ein unglaublich schiefer Vergleich, aber mein Hirn führt mich dahin: wenn Kinderarbeit für z.B. Kleidungsproduktion kritisiert wird, heisst es, daß die großen Firmen ihr Bestes tun, sie aber letztlich den Gesetzen des jeweiligen Landes folgen. Und überhaupt geht es den Bewohnern besser als ohne der (einzufügenden) Kooperation.
Also ja: wie sieht es denn aus mit den Boys (!) die Kooperationen im Kunstbetrieb mit Drittweltländern angehen. Ist es ein ehrlicher, weiterführender Schritt die Ansätze zu fördern? Oder wird ganz opportunistisch dahingegangen wo das Geld ist? Werden Eingriffe unternommen um Werte der Gleichberechtigung zu fördern, oder ist das kolonialistischer Bullshit?
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