Presseschau vom 30. Oktober 2008 – Die Diskussion um Volker Löschs Hamburger Marat-Inszenierung

Einfach kompliziert

Ein Dokumentarstück in fünf Akten
nach "Marat, was ist aus unserer Revolution geworden?"

Vorspiel auf der Anwaltsstube

In der Inszenierung "Marat, was ist aus unserer Revolution geworden?" von Volker Lösch sollen von 24 armen Hamburger Bürgern die Namen von 28 reichen Hamburger Bürgern verlesen werden. Das wird bekannt. Vier reiche Hamburger Bürger lassen durch ihre Anwälte mit einer einstweiligen Verfügung drohen.

Prolog im Theater

Die Premiere am Hamburger Schauspielhaus findet am 24. Oktober 2008 statt.

Erster Akt

Unter den KritikerInnen wird die Inszenierung unterschiedlich aufgenommen, mehrheitlich aber eher positiv, auch von uns.

Zweiter Akt

Die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck meldet sich in einer Pressemitteilung zu Wort.

Dritter Akt

Das Hamburger Schauspielhaus und also Intendant Friedrich Schirmer reagiert auf die Pressemitteilung der Kultursenatorin und erhebt Vorwürfe.

Vierter Akt

Die Presse: Kommentare, Details, Enthüllungen.

Fünfter Akt

Eine gemeinsame Erklärung des Hamburger Schauspielhauses und von Karin von Welck erscheint.

(dip)

 

 

Kommentare  
Lösch-Debatte: DAS ist aus der Revolution geworden
"Zum Glück gibt es heute in unserem Land künstlerische Freiheit, weswegen ich als für Kultur zuständige Senatorin und selbst als Aufsichtsratsvorsitzende des Schauspielhauses nicht in einzelne Inszenierungen eingreifen will und darf. Aber ich kann als Bürgerin ausdrücken, dass mir die Art und Weise, wie in dieser Inszenierung einzelne Menschen in Misskredit gebracht werden, zuwider ist."

na prima. ich bin überzeugt dass jeder andere bürger in der gleichen art stellung nehmen kann wie die senatorin. tatsächlich hatte sie wohl wirklich VOR dem theaterbesuch zum boykott aufgerufen, skandalös daran finde ich im übrigen eher, dass informationen über skandalträchtige inszenierungen vorher an derartige bürger weitergeleitet werden- und den punkt, dass, so in der inszenierung berichtet, alle zu nennen verbotenen reichen hamburger (ab 500millionen) den gleichen anwalt haben. ansonsten, wunderbarer abend.
tja, das ist dann wohl aus der revolution geworden.
der suhrkampverlag zieht sich scheu zurück, schließlich ist theater(recht) immer vom standort toter dichtervertreter zu bewerten, oder etwa nicht?
Lösch-Debatte: schlaumeierischer Populismus
Das ist Theater auf Peter-Sodann-Niveau. Billiger und schlaumeierischer Populismus, der so tut, als würde er Zusammenhänge durchschauen, aber im Grunde keine Ahnung hat. Einer muß ja die Milliarden verdienen, die von den Hartz IV-Empfängern verbraucht werden. Wenn alle bloß Geld ausgeben, dann enden wir hier am Ende wie die DDR. Aber wenn Sodann Präsident ist, kann Volker Lösch ja Kulturstaatsminister oder Wirtschaftsminister werden und zeigen, was er kann.
Lösch-Debatte: treffende Wortkombination
...ach, "brachiale dummheit" ist wirklich eine schöne wortkombination, welche löschs theaterarbeit treffend bezeichnet...
Lösch-Debatte: Viva Volker! Auch Brecht war brachial dumm
Es leben die Humorlosen! Das ist doch bloß Theater, allerdings Theater, das Spaß macht. Brecht war in seiner dreist-mechanischen Dialektik, die nach dem Muster "Knüppel-aus-dem-Sack" gestrickt war, doch mindestens so brachial dumm. Das macht ja nun gerade den Unterhaltungswert seiner Stücke aus, und all jene Regisseure so schrecklich öde, die das Politische darin tatsächlich ernst nehmen. Über diesen Habitus macht sich Lösch doch auch leise lustig, und darum macht die Aufführung einfach Spaß. Außerdem können doch wirklich nur ein paar dumme Reiche ernsthaft glauben, daß vom Theater eine Revolution ausgehen kann. Das gab es höchstens mal bei Verdi. Viva Verdi! Viva Volker!
Lösch-Debatte: Pfeffersäcke bieder verunglimpft
Die Inszenierung von Herrn Lösch ist auf lächerliche Weise populistisch, harmlos und legt es auf eine biedere Art und Weise dermaßen drauf an, die gutbürgerlichen, hanseatischen Pfeffersäcke zu verunglimpfen. Der ganze Unterhaltungswert liegt darin, dass auch ich jetzt weiß, was schwarz und was weiß ist. Danke für die revolutionäre Belehrung!!! Das einzig wirklich humorvolle an der ganzen Geschichte ist wieder einmal das Hamburger Theater drumrum. SKANDAL wird geschrien und geschrieben und schon sind der brave Herr Schirmer und unsere so visionäre Kultursenatorin Frau von Welck im Clinch. Dabei gehts weder um die Freiheit der Kunst, noch um spannendes, zeitgemäßes Theater, was in Hamburg seit dem Weggang von Tom Stromberg am Schauspielhaus eh nicht mehr stattfindet, sondern es geht wieder einmal nur ums Geld und sich bei der ganzen Auseinandersetzung selbst als langweiliger Provinzler zu entlarven. Dafür ein ganz dickes Dankeschön an Herrn Lösch.
Lösch-Debatte: Dummheit ist spaßfrei
Na dazu aber herzlichen Glückwunsch, lieber Giacomo. Spaßtheater! Dann gibt es überhaupt kein Kriterium mehr. Für gar nix. Dann können wir es nicht mal mehr - wie der brachial dumme Brecht - Thaeter nennen. Dann machen wir die Glotze an. Wozu dann Subventionen? Wenns ums Geld vernichten geht, dann die Batzen auf die Bühne und anzünden. Das würde vielleicht Spaß machen. Dummheit dagegen ist sowas von spaßfrei.
Lösch-Debatte: feine Unterschiede im Spaßbereich
Na Ramirez, Sie haben aber nun gar nichts kapiert. Und daß Sie noch nicht mal Spaßtheater von Theater, das Spaß macht unterscheiden können, ist erst recht erschütternd.
Lösch-Debatte: Sturm im Wasserglas schon wieder vorbei?!?
Nun ist der Sturm im Hamburger Wasserglas schon wieder vorbei!!? Das nenne ich dann mal eine fruchtbare Auseinandersetzung und gegenseitige Wertschätzung ist ja auch was. Aber wozu sich aufregen, arm bleibt arm und reich bleibt reich!!
Lösch-Debatte: Theater ist Arbeit
Lieber Giacomo. Erklären Sie es uns bitte nicht. Theater muss anstrengen, das Herz und die Seele ansprechen. Spaß ist eine Nebensache. Das Leben ist Arbeit, wie Theater auch, alle anderen können nach hause gehen.
Lösch-Debatte: erweiterter Spaßbegriff
Ich wäre da für einen erweiterten Spaßbegriff. Das ist mir sonst zu sehr Kirche & protestantische Ethik.
Lösch-Debatte: willkürlich zum Skandal gemacht
hat eigentlich irgendeiner dieser raunzenden brachialkritiker den abend gesehen oder einen anderen der zitierten oder meint man sich hier aus abendblatt-lektüre alleine genügend gerüstet? das ist doch nervig, wenn man platte artikel liest wird doch alles auch schön platt gemacht, willkürlich zum skandal gemachte sätze werden 2000mal zitiert anstatt den kontext zu kennen. so wird das doch nie was mit der revolution und dem theater!
Lösch-Debatte: Seltsame Dispo im Schauspielhaus
absurderweise zeigt das schauspielhaus den abend grad fast gar nicht. was ist denn das für eine disposition? wenn man lösch ans haus holt, ist der skandal doch abzusehen. da sollte man doch den spielplan mit entsprechender inszenierung zupflastern.
jetzt ist es so, dass es ne a- und b-premiere gab und sonst nur noch zwei vorstellungen in den 1,5 folgemonaten. da haben die irgendwie gepennt.
im blätterwald rauscht es, aber keiner weiß um was es eigentlich genau geht.
Lösch-Debatte: bieder bis zur Ekeligkeit
nur zur richtigstellung:spass macht das theater von herrn lösch mit sicherheit nicht.es ist garantiert humorfrei,bieder bis zur ekeligkeit und schafft es mit einem gedanken durch einen 3-4 stunden abend.so zu besichtigen in dresden in der orestie und im woyzeck.die revolution von herrn lösch würde wie man an seiner arbeit deutlich sehen kann in widerlichster brutalität und stumpfester dumpfheit enden.dieser mann ist unfähig auch nur die schlichteste nuancierung in seine klischeemalerei zu bringen. die arbeit solcher revolutionäre war gerade 40 jahre lang im osten dieses landes zu besichtigen.
Lösch-Debatte: Debatte als Drama
sehr gelungen, diese sogenannte Debatte als Drama zu verpacken. man erfährt viel und ironie ist auch dabei. toll. schade, dass es das nicht öfter gibt.
davon abgesehen ist lösch natürlich total simpel, deshalb regen sich viele so auf. denn so einfach ist es doch nicht. und wenn doch? oh weh, was machen wir dann?
Lösch-Debatte: Lösch soll seine Kontoauszüge zeigen
dagegen muss ich mich als ossi verwehren: so plump wie herr lösch waren wir in 40 jahren nie. im alter von 16 jahren hatten auch wir begriffen, dass die welt nicht nur die bösen kapitalisten und guten arbeiter kennt. aber herr lösch (im übrigen KEIN OSTDEUTSCHER, auch wenn er sich gerne zum sprachrohr der ostdeutschen und/ oder sozialschwachen erhebt), hat danach leider das 16. lebensjahr offensichtlich noch nicht erreicht. gut für ihn, dass er in hamburg damit noch immer aufsehen erregen kann. vielleicht sollte auch herr lösch, wenn er schon die "bösen" hamburger millionäre/ kapitalisten anklagt, seine kontoauszüge mal herzeigen... . oder spendet er seine gage an hartz IV-empfänger in vorpommern? muß er ja auch nicht! aber dann bitte nicht so tun, als wisse er, wie es ist, alleinerziehend mit 300 euro und drei kindern zu überleben bzw. diese realen probleme als "seine selbsterfehrenen" für diese agitpropabende zu benutzen.
Lösch-Debatte: Narren sind sich einig
Sehr geehrter Herr narr!!
ich kann ihnen in allen punkten nur beipflichten, schön das es noch andere narren gibt. ich kann auch weiterhin darauf verzichten, dieses "berührende und humorvolle" stück theater auf dem spielplan des hamburger schauspielhauses zu sehen.
Löschs Marat: am meisten berührt!
Volker Löschs Marat-Inszenierung ist eines der Theaterstücke, die mich am meisten in den letzten Jahren berührt haben. Berührt, dass Menschen "demokratisiert" werden können - und Hartz-IV-Empfänger und Hinz&Kunz-Verkäufer ein Theater mit Hilfe des Schauspielhauses auf die Beine stellen können, das abendfüllend ist. Und provokant - das Wesentliche war für mich nicht, dass sich das Publikum begeistert gezeigt hat, sondern dass das Leben der Hartz-IV-Empfänger nachhaltig beeinflusst worden ist.
Vielen Dank
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