IM wider Wissen und Wollen

Heilbronn, 28. Oktober 2008. Der Verdacht gegenüber Alejandro Quintana ist entkräftet. Vor gut einem Monat war dem chilenischen Regisseur und derzeitigen Schauspieldirektor des Theaters Heilbronn vorgeworfen worden, zwischen 1978 und 1982 für die Staatssicherheit gearbeitet zu haben. Quintana hatte die Vorwürfe umgehend zurückgewiesen.

Wie in der Regionalzeitung Heilbronner Stimme vom 28. Oktober zu lesen ist, hat Intendant Axel Vornam am Montag erklärt, dass es für ihn nach Abwägen aller ihm vorliegenden Informationen "keinen Zweifel an der moralischen Integrität von Alejandro Quintana" gebe und er sich "ganz außerordentlich auf die weitere Zusammenarbeit" freue. Zwar habe die Staatssicherheit offensichtlich versucht, Quintana "zur Zusammenarbeit zu gewinnen", dieser habe sich dem jedoch "aktiv entzogen". Auch Heilbronns Kulturbürgermeister Harry Mergel sieht "keine Gründe, die gegen eine weiterhin gute Zusammenarbeit sprächen".

Rainer Eckert, der Rechtsanwalt Quintanas, betont gegenüber der Zeitung, "dass sein Mandant 'nie konspirativ tätig' gewesen sei", "niemanden bespitzelt" oder "unter Ausnutzung seiner Vertrauensstellung gegenüber seinen Landsleuten diesen vertrauliche oder persönliche Informationen entlockt". Das MfS habe von Quintana, so bekräftigt Eckert weiter, "nichts erfahren, was dieses nicht ohnehin schon wusste". Den Akten sei auch zu entnehmen, "dass ab 28. April 1980 keine Kontakte mehr zwischen Stasi-Mitarbeitern und Quintana stattfanden". Überdies werde "eine 'nicht befriedigende inoffizielle Arbeit' und eine 'fehlende Perspektive' erwähnt und bedauert, dass es zu 'keiner kontinuierlichen Zusammenarbeit' gekommen sei".

Der Zeitung erklärte Quintana im Gespräch, er habe 1978 "aus Anstand" Gespräche mit DDR-Offiziellen geführt, die sich als MfS-Mitarbeiter vorstellten, "deren Aufgabe es sei, die Sicherheit der chilenischen Emigranten in der DDR zu gewährleisten. Denn der chilenische Geheimdienst Dina war auch dort aktiv". Das sei ihm, der 1974 23jährig als politischer Flüchtling nach Rostock kam, "glaubhaft" erschienen.

Mit der Zeit habe er allerdings eine "Unbehaglichkeit" empfunden, erklärt Quintana dort weiter. Es sei "zunächst eine sachliche Atmosphäre" gewesen, "die aber etwas Bedrückendes hatte". 1980 habe er die Gespräche von seiner Seite aus dann beendet. "Die Zuschreibung des Status als informeller Mitarbeiter (IM), beteuert der 57-Jährige, ist ohne mein Wissen und Wollen erfolgt. Die sogenannte Werbung fand so nicht statt. Die notierten Gespräche sind in sich widersprüchlich und lügnerisch.'"

(ape)


Lesen Sie hier unsere Meldung zu den Stasi-Vorwürfen gegen Quintana.

 

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zu Quintana: Stasi und Enthüllungsjournalismus
Zunächst einmal Dank an die Nachtkritik, dass sie dieser wichtigen Meldung so ausführlich Raum gibt. Doch es bleibt ein trauriger Vorgang: Die Stasi-Inquisition schießt immer wieder unbedacht und viel zu früh übers Ziel hinaus. Man denke an die ursprüngliche Formulierung, nach der es aus den Akten "zweifelsfrei hervorgeht, dass es eine wissentliche und willentliche Zusammenarbeit Quintanas mit dem Geheimdienst gab". Die leichtfertige Verwendung des Wortes "zweifelsfrei" macht mich schaudern. Natürlich waren von Anfang an Zweifel angebracht, aber es ist ja allemal besser, jemanden in der Öffentlichkeit nachhaltig zu beschädigen (man wird auch noch in 10 Jahren vom Stasi-Quintana reden, obwohl ja nichts war), als vorsichtig zu Werke zu gehen und gewissenhaft und unter Berücksichtigung der Menschenwürde zu recherchieren. Unsere Stasi heute heißt Enthüllungsjournalismus, und ihr beliebtestes Mittel ist die Denunziation der üblichen Verdächtigen - die sich oft genug als unbescholten herausstellen.
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