Du böse Liebe, du!

von Dirk Pilz

Berlin, 1. November 2008. Anatol ist eine Frau. Das aber spielt keine Rolle. Denn der Mensch ist, was er ist: treulos, liebesbedürftig, erbärmlich, größenwahnsinnig, eitel, lächerlich, schwach und sterblich. Mann oder Frau, es sind am Ende alle gleich, jedenfalls an diesem bemerkenswert kurzen Abend.

Luk Perceval hat "Anatol" von Arthur Schnitzler inszeniert, ein am Ende des 19. Jahrhunderts entstandener Zyklus aus sieben Einaktern. In jedem dieser Minidramen glaubt Anatol die eine, ewige, große Liebe gefunden zu haben, muss aber, in Gesprächen mit seinem Freund Max, erfahren, dass das jedes Mal eine Täuschung ist. Zusammengenommen ergeben die sieben Teile ein Stationendrama, eine Passion der unerfüllten Liebe. "Anatol" ist ein amoralisches Sittengemälde, das der Phänomenologie verpflichtet ist – es will einen Zustand erfassen, den Zustand der Halt- und Prinzipienlosigkeit.

Blasse Melancholie

Konsequent zu Ende gedacht, ist "Anatol" das Drama eines einzigen Augenblicks, jenes Augenblicks, in dem der Glaube an die Haltbarkeit von Liebe, Hoffnung, Illusion etc. zerbröselt. Luk Perceval hat es konsequent zu Ende gedacht. Erste Folge ist, dass Jule Böwe den Anatol spielt, mit Blume in der Hand, in schwarzen Stöckelschuhen und kurzem Blauen. Sie sieht sehr blass aus, kein einziges Mal lächelt sie. Ihre leeren Augen richten sich immer ins Nirgendwo. Leider sind ihr nur zwei Sprechtöne eigen, leise nölen und laut nölen. Frau Anatol ist die Figur gewordene Zweiton-Melancholie.

Zweite Folge der Perceval'schen Konsequenz-Logik ist, dass die sieben Teile ineinander geschoben sind. Der Abend wirkt so wie der Blick durch ein Vergrößerungsglas: Man sieht Frau Anatol und die drei Herren an ihrer Seite im Moment des Maskenverlusts – der Glaube (an die Erlösungsliebe) bricht schon, die Einsicht (in die prinzipielle Haltlosigkeit) ist noch im Kommen. Deshalb macht keine der Figuren eine Entwicklung durch; sie spielen alle eine Ist-Weise.

Scheiße, ich will geliebt werden

Bruno Cathomas ist der Verlassene, der sein Verlassenwerden nicht fassen kann. Er schiebt viel den Bauch nach oben und das Hemd in die Hose, findet in allem Anlass zu rampenwirksamen Heulattacken und beherrscht die seltene Kunst des Schnäuzschluchzers. Einmal bricht es alles aus ihm heraus: "Scheiße, ich will geliebt werden."

André Szymanski ist dagegen der Überspiel-Typ. Anfangs bittet er Frau Anatol immerfort um Vergebung, am Ende verlässt er sie beiläufig. Er tut beherrscht, bis er die Beherrschung verliert. Dann tanzt er, zynisch, böse spottend, auch selbstverachtend. Beide Typen sind fast schon der ganze Mann respektive die ganze Frau.

In einer hübschen Szene fummelt Szymanski von hinten Böwe am Busen herum ("Verzeihst du mir?") und Cathomas steht jammerlappig vor ihr. Mit den Szenen ist so auch das Geschehen parallelisiert – in der Versöhnung steckt schon der Verrat, in der Liebe bereits die Gleichgültigkeit.

In einer noch hübscheren Szene ziehen und zerren beide an Böwe herum und veranstalten ein wildes Liebesleidensgewurschtel. Thomas Bading läuft dabei immerfort mit einem Tüchlein in der Hand umher. Er ist Max, der kritische Freund. Trocken sind seine Kommentare, geduldig ist sein Sinn, zerfurcht die Stirn. Die Bundfaltenhose passt zu seiner abgehärmten Seele, dennoch hängt auch er in den Armen Frau Anatols. Keiner ist außen vor, jeder ist vom großen ganzen Liebesdesaster betroffen.

Im schönen Schein der Glitzergefühle

Konsequenterweise verschwimmen alle Figuren-, Gefühls- und Geschlechtergrenzen. Das ist die dritte Folge von Percevals Regie-Logik. Diese allerdings ist vor allem ein Bühneneffekt. Katrin Brack, Meisterin des Ein-Symbol-Bühnenbildes, lässt lauter silbrige Lametta-Seile aus dem Himmel kommen. Der Raum wird zum tiefen Glitzer-Wald.

Wenn die Figuren in ihm herumlaufen, verlieren sie an Kenntlichkeit. Es ist, als würden sie darin verdunsten. Szymanski schneidet ein paar Seile ab, Cathomas reißt sie herunter. Es nützt nichts, aus diesem Wald ist kein Entkommen. Am Schluss halten sich Cathomas, Szymanski und Böwe an den Händen wie vor dem Traualtar und Bading wirft das Lametta über sie. Im Glitzerschein der Illusionen gehen sie unter. Konsequenterweise auch dies.

Die vierte und letzte Folge in Percevals Zirkus der Vergeblichkeiten ist das Singen. Sie singen aus "La Traviata". Cathomas erfindet die Sangesweise des Trällerschluchzens, Böwe das Hauchsäuseln, Szymanski die Ironiearie. Timo Kreuser korrepetiert unbeeindruckt am Flügel. In der finalen Szene reden, singen, schluchzen sie dann alle gemeinsam. Man versteht nichts, außer dass es ihnen sehr arg ist. Das Finale ist ein großer dicker Pathosabschlusspunkt.

Im übrigen wird die Eingangssequenz wiederholt: Frau Anatol an ihrem Hochzeitsmorgen, wenn sie schon weiß, dass der Bund nicht dauern wird, sie aber dennoch ehelichen will. Max: "Sie heiraten also einen anderen?"; Anatol: "Man heiratet immer einen anderen."

Bleibt noch die Frage, worauf das alles hinaus will. Perceval zeigt einen Trauertanz der Triebe, er buchstabiert einen Zustand aus, malt ein fett pathetisches "Ach" auf die Bühne. Es ist ein achtzigminütiger Klagegesang. Seltsamerweise ist er sehr tröstlich. Denn seine Botschaft ist eine beklemmend froh und frei machende: Ungeheuerlich der Mensch, und alle Menschen sind gleich.

 

Anatol
von Arthur Schnitzler
Regie: Luk Perceval, Bühne: Katrin Brack, Kostüme: Ilse Vandenbussche, Dramaturgie: Maja Zade. Mit: Thomas Bading, Jule Böwe, Bruno Cathomas, André Szymanski, Timo Kreuser (Musiker).

www.schaubuehne.de


Mehr lesen über Luk Perceval: Im Mai 2008 inszenierte er Troilus und Cressida als Kooperation der Wiener Festwochen mit den Münchner Kammerspielen. Das archaische Potential von Kleists Penthesilea kehrte er im Februar 2008 an der Berliner Schaubühne hervor. Bei den Salzburger Festpielen im Sommer 2007 entstand sein viel diskutierter Abend Molière. Eine Passion, der danach an die Schaubühne wanderte.

 

Kritikenrundschau

An Katrin Bracks silberner Lametta-Boa-Bühne zu Luk Percevals "Anatol"-Inszenierung kann sich Ulrich Seidler von der Berliner Zeitung (3.11.2008) nicht sattsehen: "ein flirrender Winterwald, zwischen dessen schwerelosen Stämmen die Figuren ihre Konturen verlieren" –"der Glamour des Nichts", Fin de siècle "für den heutigen Geschmack". Perceval streiche Schnitzlers "dramatisch hochgejuckte Flirts" "auf ein paar Kernszenen und wenige Sätze" zusammen und operiere sie um, "beides durchaus mit gedanklichem Zugewinn": Anatol werde mit Jule Böwe zur weiblichen "Anatolia"; "von Männlichkeit im herkömmlichen Sinne" könne bei deren männlich besetzten Liebschaften, die "mit Ballett-Sprüngen und italienischen Arien" um ihre Aufmerksamkeit buhlten, "nicht die Rede sein". Cathomas müsse "mit seinem unerschöpflichen Rotz- und Wasserreservoir" immer weinen und Szymanski plappere sich "derart hemmungslos um Kopf und Kragen, wie man es – in selbstverständlich überkommenen Rollenfestschreibungen – nur Teenager-Zicken zutrauen würde". "In diesen schön-allgemeinen Abend" ließen sich "alle Erfahrungen der Vergeblichkeit, die man je mit der Liebe gemacht hat", hineinsehen.

Mit der "Geschlechtsumwandlung", die Perceval "vermutlich irgendwie ironisch oder zeitkritisch" meine, hole er Schnitzlers Stück "in eine diffuse Gegenwart", so Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (3.11.2008). "In der simplen Umkehrung" wirke es allerdings so, als wolle er damit bloß "selbstmitleidig mitteilen, dass Frauen die neuen Machos seien". "Strafverschärfend" wirke die Besetzung Böwes, "einer Schauspielerin, die die Kunst des enervierenden Keifens und des schrillen, herben Blökens beherrscht wie wenig andere. Kein Wunder, dass die beiden Herren (...) bedauernswerte Witzfiguren sind". "Egal, ob sie Textblöcke stoisch wiederholen oder in grotesken Verrenkungen aneinander herumzerren", es entstünden "nur Leerformeln und keine Figuren". Perceval erschlage das Stück "mit Regie-Willkür", stelle "auftrumpfend seinen Formwillen aus" und mache die Schauspieler "zu Schaustücken in einer dekorativen Installation".

Perceval setze "auf überwältigende Vereinfachung", bei der "nur die nackte Grundkonstellation" übrig bleibe: eine Frau zwischen zwei Männern, schreibt Andreas Schäfer im Tagesspiegel (3.11.2008). Warum Anatol mit einer Frau besetzt sei, "wissen die Götter". "Alle philosophischen Spuren, alles dekadent Verspielte" sowie die Schlagworte der Psychoanalyse seien eliminiert. Stattdessen knalle Perceval den "Stempel 'Bindungsunfähigkeit 2008' auf die Vorlage". Böwe stehe "zwar steif zwischen zwei Männern, guckt aber (wegen der Bindungsangst?) die ganze Zeit ins Publikum und stellt im eintönigen Jule-Böwe-Singsang (...) ihre Überforderung zur Schau". Cathomas heule viele "Male Rotz und Wasser", während Szymanski "wie ein Balletttänzer durch den Girlanden-Wald hüpft" und Böwe "italienische Liebesrezitative" singe, "was möglicherweise sagen soll, dass es hier nur um schale Posen oder um Sehnsuchtsklischees geht". Bading habe dabei vorwiegend die Aufgabe, von den "ratlosen Improvisationen seiner Kollegen abzulenken". Das Ganze sei "eine – ewige – Stunde lang der reinste Hilflosigkeitshorror".

Für Matthias Heine von der Welt (3.11.2008) "entwienert" Perceval Schnitzlers "Anatol" "bis zur Unkenntlichkeit". Mit einem Blümchen in der Hand stehe diese "Frau namens Anatol" 80 Minuten lang "seltsam unberührt da – obwohl dauernd jemand an Jule Böwe rumfummelt und auch das Stehen durch abstrakt-erotische Gymnastik unterbrochen wird". Der Original-Text sei "so gestrichen und umgeschichtet, dass nur noch eine jelineköse Textfläche übrig bleibt". "Mit den erkennbaren Figuren, die einen konkreten gesellschaftlichen Ort hatten", verschwänden auch "Dramatik und Gefühl", letzteres re-injiziert durch "La Traviata"-Arien. "Wo früher ein Stück über die Unmöglichkeit der Liebe war, bleibt eine Meditation über 'Beziehungen'". Das alles sei zwar "kein Desaster", bringe aber "doch nur die Erkenntnis: Ah ja, so etwas kann man mit 'Anatol' also auch machen".

Für Luk Perceval ist die Liebe schon verloren, "bevor sie in die Nähe der Figuren rückt. Sie ist abwesend, bevor sie überhaupt anwesend sein könnte. Minimal, nahe Null, ihr utopisches Potenzial", schreibt Jürgen Otten in der Frankfurter Rundschau (4.11.2008). Auf dem Agieren der Figuren "lastet schweres Blei. Vergeblichkeit. Müdigkeit. Unausweichlichkeit." Perceval will, dass seine Personen leiden, "oder dass sie, so sie nicht leiden, zynisch sind". Am besten sei darin zweifelsohne Szymanski, "weil er der Agilste unter den Trübseligen ist". Man frage sich im Verlauf der siebzig Minuten, ob es nötig war, Anatol als Frau zu besetzen. "Und doch: Durch Jule Böwes beklemmende, an den Rändern des Nervenzusammenbruchs vagierende, dauerhaft crescendierende Darstellung gewinnt dieser Abend genau die Fragilität und Frag-Würdigkeit, die das Stück (heute) braucht."

Die Textvorlage werde hier "höchstens als billiger Stichwortkatalog benutzt", bemängelt hingegen Irene Bazinger von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (4.11.2008). Dass "Frau Anatol" Böwe die gesamte Zeit über "weitgehend reglos" da steht, "ihr düster-traurig gestimmtes Gesicht unbewegt", sei "kein Wunder" angesichts des "doppelten Herrenwitzes", der sie da umschwirre. "Die rat- und haltlosen Schätzchen haben die Hände bevorzugt in den Hosentaschen und den Kopf in irgendwelchen morschen Beziehungskisten vergraben, von denen das Publikum, so es das Original nicht kennt, kaum etwas verstehen kann." Zwischen ihnen harre Böwe "gleichgültig wie kaltblütig" aus. Die "La Traviata"-Nummern gingen nicht ins Ohr, sondern schmerzten dort "erheblich". Percevals "triste Schitzler-Parodie" bestehe "aus nichts als intellektuellem Ramsch und künstlerischer Scharlatanerie" und sei "mit dem Ausdruck 'Etikettenschwindel' noch generös bezeichnet".

 

Kommentare  
Percevals Anatol: unbedingt sehenswert
Wir haben die Premiere gesehen und waren begeistert von der Regie und der Schauspielkunst. Unsere Meinung: Unbedingt sehenswert.
Berliner Theaterkrise?: deprimierend - TUT WAS!
Heute in der "Welt" ein Lamento, sämtliche neuen Premieren in Berlin seien verunglückt. Ich war ein paarmal im Theater, es war deprimierend. Wenn Freunde kommen - es läuft einfach nichts in dieser angeblichen Theaterhauptstadt, was – man empfehlen kann. Warum sind die Berliner Theater so schlecht? Warum hebt Konkurrenz hier nicht das Niveau, sondern senkt es? Sind die Subventionen zu hoch, zu niedrig? Warum gibt es - anders als beim Fernsehen - über das Theater, zumal das Berliner, keine Qualitätsdebatte, warum wird dieses Versagen einfach so hingenommen? Naive Fragen, aber sie beschäftigen mich wirklich. UM GOTTESWILLEN, TUT WAS!!
Berliner Theaterkrise?: keine Machtkontrolle der Spitzen
Gibt mehrere Gründe, einer ist sicherlich, dass etwa an der Spitze von Schaubühne und Volksbühne Leute stehen, die ihren Job nicht können oder keine Lust mehr haben. Und da gibt es ein strukturelles Problem: Anders als Parteien oder Unternehmen können sich Theater nicht selbst an der Spitze erneuern. Ein Politiker kann von seiner Partei, ein Unternehmensvorstand von Aktionären/Gesellschaftern zum Rücktritt gezwungen werden. Es gibt - wie mangelhaft auch immer - eine interne Demokratie und Machtkontrolle. Im Theater nicht, augenfälligstes Beispiel Schaubühne: Da flieht demnächst wieder ein Schwung toller Schauspieler aus dem Theater (die Zuschauer bleiben schon lange weg), an den Machtverhältnissen ändert sich nichts.
Berliner und Wiener Theaterkrise?: Hoffnung Barrie Kosky
Ich kann die Situation in Berlin nicht beurteilen. Zumindest theoretisch klingen aber einige Aufführungen ganz spannend.
Hier in Wien gibt es (ebenfalls?) zusehends langweilige, mutlose und uninspirierte Theaterkost zu sehen. Traurig etwa der Abstieg des Volkstheaters zur ganz schlechten Provinzbühne. Ein schlichtweg dummer "Peer Gynt" und "Sonny Boys" ohne Drive mit einem Operettenintendanten als Anreiz für die Über-Siebzig-Jährigen. Und das auf der großen Bühne, immerhin die drittgrößte im deutschen Sprachraum, so weit ich mich erinnere.
Ich bin wirklich begeisterungsfähig, was Theater betrifft, aber ich gehe immer weniger. Es gibt schlicht nichts, das mich interessiert.
Aber eine Empfehlung für Berlin: Barrie Koskys "Traumspiel" für das Deutsche Theater im Berghain. Er war in Berlin bisher nur als Opernregisseur zu sehen - aber wenn die Strindberg-Inszenierung nur halb so toll wird, wie seine Arbeiten am Schauspielhaus in Wien, kann man sich freuen.
Und vor allem: Koskys Inszenierungen stehen in ihrer Begeisterung, Musikalität und Emotionalität so fremd zum deutschsprachigen Langeweiletheater, dass man befreit aufatmet!
Wiener Theaterkrise?: Volkstheater nicht ganz so groß
Also die drittgrößte Bühne ist das Volkstheater vielleicht in Wien, aber doch noch ganz lange nicht im deutschen Sprachraum. Trotzdem, so seicht wie es dort zur Zeit zugeht, dürfte es auch wieder nicht sein.
Wiener Theaterkrise?: aus Angst Weichspülkost
Das Volkstheater ist die zweitgrößte Bühne Wiens. Und ich halte es für gut möglich, dass es das drittgrößte Haus im deutschen Sprachraum ist. Das Burgtheater hält bei etwa 1.300 Plätzen (inkl. Stehplatz), das Hamburger Schauspielhaus - immerhin das größte Deutschlands - bei etwa 1.200. Das Volkstheater hatte immerhin man 1.500 Plätze! Wurde zwar mitlerweile rapide reduziert - aber es dürfte gut im Rennen sein! Nur ist das leider alles egal: So ein langweiliger und unambitionierter Spielplan dürfte nicht mal auf einer kleineren Bühne präsentiert werden! Nur ist das Problem in Wien ein anderes als in Berlin: Hier hat man noch viel mehr Angst, das Publikum zu verärgern - und setzt ihm dann eben nur mehr Weichspülkost vor. Was war denn der letzte relevante Regisseur, der am Volkstheater gearbeitet hat? Das ist doch - siehe oben - kein Haus, für das man sich schämen müsste. Aber es fehlen eben der Mut und die Phantasie...
Berliner Theaterkrise? nicht nur die Stadttheater
es gibt in berlin noch ein paar mehr theater als die vier stadttheater. wie wäre es denn mal mit augen aufmachen statt rummäkeln? ich spare es mir, hier jetzt tipps zu geben... manmanman...
Berliner Theaterkrise: Hoffnung auf Fortsetzung
Auch in den Stadttheatern ist noch lange nicht alles schlecht. Das Deutsche Theater hat in den letzten Spielzeiten doch mehrere großartige Inszenierungen auf die Bühne (nicht nur auf die große, sondern auch in Kammerspielen und Box) gebracht. Ich hoffe, dass sich das mit neuer Intendanz und nach dem Umbau fortsetzt.

Die Zustände im Gorki, der Schau- und der Volksbühne sind aber sicherlich enttäuschend.
Berliner Theaterkrise: Nische statt Staat? Nee.
@stdlmr
Sie wollen uns doch nicht ernsthaft einreden, dass Off-Bühne wie das Ballhaus Ost und das Engelbrot oder ein postdramatischer Gastspielgemischtwarenladen wie das HAU eine Alternative wären? Das sind verdienstvolle Nischenanbieter, die aber kaum die großen Staatsbühne ersetzen können. Es sind übrigens fünf: DT, Gorki, Volksbühne, Schaubühne, BE (ich weiß, dass die beiden letztgenannten als "privat" laufen - aber die Subventionen sind nicht privat).
Berliner Theaterkrise: Stadttheater als wahre Nische
Sie sind ja richtig süß, Embonpoint: Eine "Alternative", natürlich..., sind die frei(er) existierenden, frei(er) operierenden, weniger entfremdeten freien Künstler, ihre Zusammenschlüsse und Spielorte. Ganz im Sinne des Wortes. Angesichts des Bedeutungsschwundes der Kunstform Theater sind die "verdienstvollen Nischenanbieter" eher die Stadttheater. Weil sie im Spektrum der Präsentation zunächst vor allem Dienstleister sind.
Auch wenn unten - oder an der Seite - manchmal Kunst rauskommt. Oder bei dem einen oder anderen Gastspiel.
Berliner Theaterkrise: süße Illusion
Süß finde ich ehrlich gesagt auch die Illusion, in den Off-Theatern (oder wie immer Sie es nennen) ginge es weniger entfremdet zu. Freiheit kann man sich aber nicht erhungern. Das ist ja fast so grotesk wie die Vorstellung der "Autonomen" man könne sich "selbstbestimmte" Räume erkämpfen.
Berliner Theaterkrise: Scheuklappen zu groß
je größer die flexibilität eines künstlerischen betriebs desto besser ist das für das jeweilige resultat (theater: inszenierung).
die strukturen des stadttheaters ermöglichen nur ganz bestimmte formen des theaters. unglaublich viele formen fallen hintenüber, weil die strukturen (starre dramaturgien, 6 wochen probenzeit, schauspielensemble...) festgelegt sind. in dieser theaternische, in der sich das deutsche stadttheater bewegt, ist es sicherlich hervorragend, aber genau das ist doch das problem: das theater in den meisten deutschen stadttheatern ist nischentheater, wenn man sich vor augen führt, was im theater sonst noch alles möglich ist. gar nicht anfangen will ich hier mal mit den ganzen provinzbühnen, die NUR schiller- und goethe-wiederholungsmaschinen sind. ich habe doch nichts gegen schiller und goethe, inszeniert mit schauspielern, ABER BITTE NICHT NUR!
und genauso ist mein oben stehender einwand gemeint. meinetwegen können wir von einer krise der berliner stadttheater sprechen, wenn wir über die nische sprechen, die das aufführen von dramen mit einem schauspielensemble meint. aber wie groß sind bitte die scheuklappen, wenn man behauptet, dass DAS das einzig zu diskutierende theater ist?
Berliner Theaterkrise: Austausch mit den Stadtbühnen
Beste/r sdlmr, ich schätze Ihr Plädoyer für die Freie Szene. Aber ist es nicht auch so, dass viele der spannendsten Erscheinungen ziemlich schnell vom Subventionstheater übernommen werden bzw. dass sie in einem permanenten Austausch mit den großen Stadtbühnen stehen? In NRW hat gerade Chétouane ein recht bedeutendes Festival der Freien Szene gewonnen, und wir alle wissen, dass der eigentlich schon immer von Aufträgen an den Stadt- und Staatstheatern in Oldenburg, Weimar, Hamburg und Köln etc. lebte. Könnte es sogar sein, dass den freien Künstlern die besten Arbeiten erst gelingen, wenn Sie an feste Strukturen andocken können? Pollesch hat seine Meisterwerke für den Prater verfasst, Gob Squad haben ebenfalls ganz großartige Werke für die Volksbühne hergestellt (sie würden diese natürlich selbst wohl immer als Nebenprodukte einstufen und ihre Arbeiten im öffentlichen Raum als zentral ansehen). Und Rimini Protokoll sind mit einer Mannheimer Produktion 2006 zum Theatertreffen gekommen.
Na klar, wird es jetzt wieder von den Kennern heißen; ihre wirklich großen Arbeiten und überhaupt ihr Profil sind aber schon vorher, außerhalb der festen Stadttheater-Strukturen entstanden. Aber ist das so einfach? Sind der "Wallenstein" oder "Das Kapital" nicht ganz maßgebliche Arbeiten, und zehren sie nicht auch von der leistungsfähigen Maschinerie großer Stadttheater?
Mich interessiert das sehr, diese Schnittfläche zwischen dem großen und, ja, leider oft behäbigen Betrieb und den - vielleicht - dynamischen Erscheinungen des Off, die aber ohne den Betrieb nicht lebensfähig sind.
Berliner Theaterkrise: jeden Abend hunderte Veranstaltungen
@ berliner: habe den artikel in der "welt" auch gelesen. armer heine, er kann seinen freunden und verwandten nichts empfehlen. und das in berlin, wo es hunderte von veranstaltungen jeden abend gibt. :-)
@ alle, die über "zustände" schreiben: ich finde es schon lustig, wie ihr (=theatergänger und selbsternannte "pros") euch selbst ins abseits schreibt. in einer solchen nische, die ungefähr 1% der menschen interessiert, selbst mit pauschalurteilen um euch zu werfen (à la "ich mag das gorki nicht" und so), halte ich für ziemlich unsinnig. ich gehe manchmal in alle möglichen theater und sehe in volks- wie schaubühne sachen, die gut sind und sachen, die schlecht sind, genau wie es auch am deutschen theater schrott gibt, aber auch perlen. eure "lager" scheinen mir ein bisschen fehl am platze. es ist eh so geschmäcklerisch und kunst entwickelt sich nicht, wenn jeder versuch gleich mit irgendwelchen rasenmäher-urteilen bedacht wird, darum lasst doch die ganzen künstler - die subventionierten und die unsubventionierten - einfach mal machen. oder??
Percevals Anatol: Halbgelangweiltes auf der Durchreise
nein, sorry, der abend ist unspiriert. perceval hat leider nur was halbgelangweiltes auf der durchreise als letzte schaubühnenproduktion abgeliefert - der mann scheint erschöpft, die schauspieler liefern gewohntes, alles was sie spielen hat man in anderen produktionen schon interessanter gesehen, nichts mit substanz, eine gruppe menschen mit zu wenig zeit liefert ab um einen vetrag zu erfüllen ... das wollen wir nicht sehen - ich sehe keine große zukunft für das thalia - lux solle sich leute holen, die noch was wollen, nicht diese burn out fraktion ...
Berliner Theaterkrise: keine versteckten Perlen
@ Werner Lustig
Es mag ja sein, dass es in Berlin jeden Abend "hunderte" von Veranstaltungen gibt, wenn Sie jeden Comedydebütanten im Hinterhof, jedes Ethnojazzkonzert und jeden Häkelvortrag in der Volkshochschule Reinickendorf mitzählen. Aber so wenig wie ich an die in der Provinz von der bösen Kritik übersehenen Genies glaube, so wenig glaube ich, dass es in der Freien Szene irgendwelche versteckten Perlen gibt, die langfristig nicht bemerkt werden. Wann immer dort etwas wirklich Interessantes passiert ist, hat es sich nach einiger Zeit rumgesprochen - egal ob es Worons Teatr Kreatur und Bachmanns Affekt in den Neunzigern waren oder später Sasha Waltz und die Sophiensäle oder zuletzt das volkstümliche Prime Time Theater im Wedding. Ein weiteres Problem: Viele interessante Gastspiele z. B. im HAU laufen immer nur drei Tage.
Berliner Theaterkrise: Hocker zur künstlerischen Entfaltung
Boah. Ich bekomme Schüttelanfälle bei diesen arroganten Äußerungen seitens AuchBerliner. Wer sind Sie schon? Wie können Sie sich anmaßen zu behaupten, Ostermeier und Castorf "könnten ihren Job nicht"?!
Abgesehen davon sehe ich genau in dieser Struktur, von der Sie da reden, eben dass ein Intendant nicht gleich vom Hocker gestoßen werden kann, den einzigen Weg zur künstlerischen Entfaltung. Und wer soll ihn den bitten vom Hocker stoßen? Während Sie der Schaubühne Lustlosigkeit attestieren, empfinde ich bei Hamlet, Drei Schwestern oder Die Stadt genau das Gegenteil. Sollen wir jetzt losen, ob die Inszenierungen gut oder schlecht sind und bei letzterem Ostermeier adé sagen? Theater ist Kunst, ihre Forderungen vollkommen sinnfrei.
Berliner Theaterkrise: der Entfaltungshocker
Sie können verschiedene Kriterien anlegen: Wirtschaftlicher Erfolg. Künstlerischer Erfolg (Kritiken, Auszeichnungen). Zuschauerauslastung. Stimmung im Haus. Angreifbar sind diese Kriterien alle, da haben Sie recht. Aber darf deshalb außer "Kunst" und "Entfaltung" nichts gelten? "Gleich vom Hocker stoßen" will doch niemand. Aber an jeden Politiker, Fußballtrainer, Fernsehmoderator etc. werden Maßstäbe angelegt, die Maßstäbe sind wiederum Gegenstand von Diskussion, klar. Aber soll das bei Intendanten hochsubventionierter Häuser - die öffentliche Personen sind, die zum Teil seit zwanzig Jahren auf ihrem Entfaltungshocker sitzen - tabu sein?
Berliner Theaterkrise? Guckt euch Castorfs "Kean" an!
"THEATER IST NICHT IN DER KRISE-THEATER IST KRISE." (Heiner Müller), mein Tip : "KEAN" an der Volksbühne,da ist von Krise nischt mehr zu spüren!!!
Berliner Theaterkrise: Müller zitieren reicht nicht
da haben wir den alten herrn "mich-kann-man-noch-immer-für-alles-verbraten"-müller aber schön zitiert!

und sonst? außer plattitüden auch noch irgendwas von inhaltlichem wert, werte lara?
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