To Do-Liste fürs Theater-Festival im Netz

von Timo Raddatz

Juli 2021. Ein Netztheater-Festival zeigt erstaunlich viele Parallelen zu einem konventionellen Theater Festival. Neben klassischen Fragen der Kommunikation, Aufmachung und Programmierung muss infrastrukturell geklärt werden, wie Besucher:innengruppen zum einen angesprochen und zum anderen Innerhalb des Netztheater-Raums geführt werden können.

Ein Netztheater-Festival muss mir als Zuschauer:in die Chance geben mich stöbernd im digitalen Raum zu bewegen. Das Erlebnis darf dabei weder zu stringent (Klick auf das Video und SCHAU!) noch zu weit sein (Ich finde die Performance erst auf der dritten Unterseite, nachdem ich einen Slider an einen bestimmten Punkt geschoben habe).

Fragen an einen digitalen Ort für ein Netztheater-Festival sind:

• Wie funktioniert der Einlass für einen digitalen Ort und an welchem Ort "sammeln" sich die Zuschauer:innen vor einer 
Vorstellung?

• In welchen Formaten kann ich über meine Seherlebnisse und -Erfahrungen sprechen?

• Was machen Teilnehmer:innen ausserhalb der festgelegten Performancezeiten?

• Gibt es etwas wie das digitale Festival-Zentrum?

• Wie kann ich die Webseite für alle möglichst barrierefrei gestalten?

Wie bei einem analogen Theater-Festival muss auch bei einem Netztheater-Festival der Ort in der Lage sein die Besucherströme zu navigieren und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen. Der Server, mit dem der Benutzer:innenverkehr für eine Netztheater-Festivalwebseite betreut wird, muss mehr Rechenleistung erbringen als eine herkömmliche statische Webseite. Eine nicht auf den Festival-Besucher:innenverkehr ausgelegte Webseite würde bei mehr als 150 Nutzer:innen möglicherweise zusammenbrechen, da der Server die benötigte Anfragenbreite nicht verarbeiten könnte.

Die Entwicklung der "Zoom in" Festival-Website folgte den üblichen Schritten. Eine erste Ideenfindung und Zieldefinierung der Website, eine erste Entwicklung einer grafischen Skizze. Die Definition der benötigten Funktionen. Die Programmierung dieser Funktionen (hier: Videoeinbettung, Chat, Vollbildseite etc.). Die Ausarbeitung des ästhetischen Erlebnisses.

Ursprünglich hatten wir geplant, zu grösseren Teilen selbstständig Funktionen zu programmieren, sahen dann aber aufgrund der Kürze der Zeit davon ab. Wir nutzten dann neben den verschiedenen APIs von Youtube und Vimeo vorgefertigte Snippets von ChatWee. Ergänzend wurden Zoomkonferenzen über die bei Zoom eingebaute Livestreamfunktion von Youtube verarbeitet und dieser Youtubestream dann wiederum in die "Zoom in" Webseite eingebettet. Auf diesem Weg ersparten wir uns viele Umwege über Drittsoftware. Ausserdem liefert Youtube nach dem Livestream automatisch einen Mittschnitt, der dann wiederum während des Festivalbetriebes bearbeitet und ins Archiv zum Nachschauen hochgeladen wurde.  

Während des Festivals

Während des Festivalbetriebes braucht es eine Struktur für die Programmgestalter:innen, Veränderungen direkt und unmittelbar auf der Netzpräsenz umzusetzen, ohne einen Umweg über Programmierer:innen nehmen zu müssen. Ohne hinreichende Testphasen und Generalproben, Definition von Problembewältigungsstrategien und Ansprechpersonen sind Ausfälle und "Downtimes" vorprogrammiert.

Grundsätzlich mindestens erforderlich für die Entwicklung einer Netztheater-Festival-Webseite wie nachtkritik.online sind aus technischer und logistischer Sicht:

Programmierer:in 2 bis 3 Wochen Vollzeit

Designer:in 2 bis 3 Wochen Vollzeit

Projektleiter:in 4 Wochen Vollzeit

Je nach Vorgang, Projekt, Umfang und Team können diese Zeiten und Anforderungen stark variieren.

 

Timo Raddatz koordinierte die Entwicklung der Webpräsenz nachtkritik.online und war Stream Operator für das "Zoom in: Festival zum Netztheater in der Freien Szene". Er ist freier Dramaturg und Projektleiter für diverse digitale Projekte & Videokünstler. Zusammenarbeit unter anderem mit Frank Castorf, Christopher Rüping und dem Schauspielhaus Zürich. Er lebt und arbeitet schwerpunktmäßig in Zürich an Schnittstellen von Theater, Film und neuen Medien.

 

Hier geht es zur Übersicht aller Beiträge der Dokumentation des Zoom in Festivals