Schonungslos zärtlich

15. August 2021. Der Schauspieler Thomas Schmidt ist tot. Das teilte der Regisseur Stefan Otteni nachtkritik.de in einer E-Mail mit.

Ausgebildet 1986-89 an der Otto-Falckenberg-Schule in München, war Thomas Schmidt unter anderem am Deutschen Theater Berlin, am Maxim Gorki Theater Berlin und am Schauspiel Frankfurt engagiert. Eine enge Zusammenarbeit verband ihn mit Oliver Reese, dem er auf seinen Stationen folgte.

Oliver Reese, jetzt Intendant des Berliner Ensembles, zum Tode des Künstlers: "Thomas Schmidt war für mich ein zentraler Schauspieler. Unsere erste Zusammenarbeit, vor 30 Jahren in Ulm, war ein Projekt, das ich für ihn entwickelt habe: das Solo "Bartsch, Kindermörder". Es wurde eine Lebensrolle für ihn, die er über 100 Mal, später auch noch in einer Neufassung am Deutschen Theater, gespielt hat. Sein gespieltes Portrait einer verlorenen Seele hat wohl niemanden, der seine Performance gesehen hat, unberührt gelassen. Theaterspielen wurde für Thomas mit den Jahren zusehends problematischer, und verschiedene Versuche, ihn auf die Bühne zurückzuholen, konnte er nicht mehr annehmen. Mit ihm haben wir nun endgültig einen absoluten Ausnahmeschauspieler verloren. Ich kann es überhaupt nicht glauben."

Stefan Otteni, der am Gorki Theater mit Thomas Schmidt inszenierte, schreibt: "Als wir zusammen den Carlos in 'Clavigo' gearbeitet haben, fiel mir immer wieder auf, wie er alles, was seine Person ausmacht, auch schonungslos auf der Bühne verhandelt. Dass er dabei trotzdem immer ein Geheimnis bewahrt hat, war gleichzeitig interessant und melancholisch. Es war ein sehr guter, sehr eigener Schauspieler, dem ich da begegnet bin – aber vor allem war er ein feiner Mensch." Als "unglaubliches Erlebnis" sei ihm auch Thomas Schmidts "extreme, weil so zärtliche Darstellung" im Monolog "Bartsch, Kindermörder" von Oliver Reese im Gedächtnis geblieben.

(eph)

 

 

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Kommentare  
Thomas Schmidt: Farewell
Lieber Thomas, wo bist du hin, das darf doch nicht sein...ich bin bestürzt, in paradisum deducant te angeli, mein lieber Kommilitone, Kollege und Freund ... du wirst fehlen, sehr, gute letzte Reise, traurig umarme ich dein Geist and wish you farewell , mit herzlichen Grüßen, Markus
Thomas Schmidt: schlaf wohl
Mein lieber Thomas...Anrede und Ritual unzähliger Nachrichten der letzten Monate und Jahre. Als Kinder lernten wir uns kennen, verloren uns lang aus den Augen, um uns spät wieder zu begegnen. Kindheit und Heute in Berührung, verschiedene Ebenen, in tiefer Seele zart und ungeschützt, Dein größter Wunsch blieb unerfüllt, welche Freude wäre es gewesen! Du fehlst...Ein letztes Mal:.. mit einer Umarmung, schlaf wohl, Eva
Thomas Schmidt: geliebte Melancholie
Lieber Thomas, als du als Oswald (in Ibsens Gespenstern) über die Lebensfreude im Günzburger Dialekt improvisiert hast, haben wir deine dem Ganzen unterliegende Melancholie so geliebt. Wie du Tschepurnois Weg aus dem Leben in Gorkis Kindern der Sonne so verschmitzt und total unaufwendig, aber zutiefst glaubhaft gespielt hast, fanden wir das toll... Du hast sehr oft "weiß nicht, weiß ich nicht..." gesagt, aber so verdruckst, so komisch verspielt... Warum...
Hoffentlich hast du jetzt deine Ruhe gefunden. Mach ganz gut, kade.
Thomas Schmidt: liebevoller Kollege
Es ist zu lange her, dass wir uns gesehen haben - und nun ist es nie mehr möglich.
Ich hab Dich wirklich sehr gemocht....unsere Liebesgeschichte auf der Bühne...die tragisch und tödlich geendet hat...wie gerne hab ich das mit Dir durchlitten. Du sanfter, zurückhaltender, liebevoller Kollege. Dein schwarzer Panther auf dem Oberarm plötzlich... du einziger der mich Anuschka genannt hat...Ich bin sehr bestürzt und erschrocken und traurig!!! Ich denke sehr an Dich!
Thomas Schmidt: bewundert
Lieber Thomas, du warst einer meiner ersten Spielpartner auf der Falckenberg. Hast meine Unsicherheit mit großer Umsicht ausgehalten, mich sehr unterstützt. Das konnte ich damals garnicht genug würdigen.
Ich habe dich dann Jahre später am Gorki gesehen und dich sehr bewundert.
Wie unsagbar traurig! Ich schließe mich Marcus an & wünsche dir eine gute Reise.
Thomas Schmidt: Gruß vom Schiff!
Unsere gemeinsame Dekalog-Reise in Bregenz... so schön! Du hast uns alle zum Kulinarischen gebracht - mit Begeisterung und so viel Humor! „Bin bei gerda für 1 Espresso. Soeben.“ Selten unterhaltsam gemeinsame Frühstücke im Hotel Bodensee. Zuletzt ich auf dem See: „man kann heute für 1€ in der Bregenzer Bucht Schiff fahren!“ Du auf dem Berg:“Wonderful! Mir aber zu viel Leut‘. Bin grad in der ruhigen Oberstadt. Wie ein Rentner auf der Bank sitzend.“ „Dann Gruß vom Schiff! Obacht: wir winken! Ahoi!“
So seh ich Dich nun dort in der Oberstadt uns da unten betrachten... lachen und herzlich winken! Wie schön Dir begegnet zu sein, mit Dir gespielt zu haben, mit Dir so gelacht zu haben!
Thomas Schmidt: kostbar
Völlig geschockt. Eine Umarmung zu Dir, es war sehr besonders, mit dir zu spielen, irgendwie kostbar. Danke für diese Begegnungen, die vielen Proben und Vorstellungen und Stunden in der Kneipe und beim Mittagessen, mit so viel Persönlichem und Vertrauen und Respekt. Danke, du sensibler, warmherziger, offner Mensch und Schauspieler!
Thomas Schmidt: E la nave va
Lieber Thomas, du warst der Chronist unserer Reise: -Orlando: man sagte mir, erzähle, was geschieht! Aber wer weiß schon, was geschieht? Che cosa succede nel mondo?- ich sehe dich noch winken mit einem Lächeln, verschmitzt und traurig, weise, zärtlich-verzweifelt bis zum Horizont und weiter..
Thomas Schmidt: Verstummt
Lieber Tom, seit ca. 2 Wochen überkam mich das Gefühl, eher eine Angst und Vorahnung, dass Du nicht mehr leben könntest. Ich habe mich nicht getraut dem nachzugehen.
Jetzt die Gewissheit, die mich verstummen lässt.
Thomas Schmidt: großes Glück
Die ungezählten unendlich vielen Pinguine in meiner Wohnung gehen alle auf den einen ersten zurück, der von uns damals so betitelt wurde: der Pinguin aus Münster, was schaut er denn so finster, steigt mutig auf die Scholle drauf und dann verläßt er Münster. Es war ein großes Glück, einige Jahre mit einem so großartig begabten Schauspieler arbeiten zu dürfen. Es waren tolle Erlebnisse. Und auch in Ulm, Berlin und Frankfurt sah ich Dich und war jedes mal beglückt und stolz, Dich zu kennen und Dich in Deinen ersten Jahren an einem Theater begleiten zu dürfen. Die Welt des Theaters wird Dich vermissen.........
Thomas Schmidt: Paris
Mach es gut, Tom. Ich werd nie vergessen wie Du den Satz gesat hast: "Mir reicht´s. Ich fahr jetzt nach Paris zurück." Sag bescheid wenn Du da bist.
m
Thomas Schmidt: Fica bem / Pass auf Dich auf
“Eu sou um cachorro vira-lata vagabundo”. Era assim que Thomas Schmidt se identificava para nós, amigos que ele fez em suas tantas vindas ao Brasil. Ele gostava da similaridade sonora entre as palavras “vagabundo” em português e “wunderbar” em alemão. Em português “vagabundo” significa miserável, de pouco valor, vadio. Ele enxergava de alguma maneira a maravilhosidade no que tinha pouco valor, pouco propósito. Thomas tentou me ensinar sobre sua mente melancólica, mas na época eu não conseguia entender. Tentávamos nos comunicar em Inglês, mas é difícil se encontrar na traição da tradução entre o português, o inglês e o alemão. Nos entendíamos nas trocas sonoras, gestuais, visuais e afetivas. Que saudade, Thomas….Eu ainda não consegui entender o fato de que não vamos mais nos encontrar. Desta vez você atravessou e o barco em que eu fiquei perdeu a hélice. Vou seguir descendo o rio à deriva. Um dia eu chego aí e a gente ri junto de tudo o que foi. Fica bem, meu irmão… fica bem…

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Übersetzung aus dem Portugiesischen (via DeepL):
"Ich bin ein streunender Mischlingshund". So identifizierte sich Thomas Schmidt gegenüber uns, den Freunden, die er während seiner vielen Besuche in Brasilien gewonnen hat. Ihm gefiel die Klangähnlichkeit zwischen den Wörtern "vagabundo" auf Portugiesisch und "wunderbar" im Deutschen. Im Portugiesischen bedeutet "vagabundo" so viel wie elend, wenig wertvoll, vagabundierend. Er sah irgendwie das Wunder in dem, was wenig Wert, wenig Zweck hatte. Thomas versuchte, mich über seinen melancholischen Geist aufzuklären, aber das konnte ich damals nicht verstehen. Wir haben versucht, uns auf Englisch zu verständigen, aber es ist schwierig, sich in den Tücken der Übersetzung zwischen Portugiesisch, Englisch und Deutsch zurechtzufinden. Wir haben uns durch Klang, Gesten, visuelle und affektive Äußerungen verstanden. Wie sehr ich dich vermisse, Thomas ... ich kann immer noch nicht begreifen, dass wir uns nie wieder sehen werden. Diesmal bist du rübergefahren und das Boot, in dem ich saß, hat seinen Propeller verloren. Ich lasse mich weiter den Fluss hinuntertreiben. Eines Tages werde ich dort ankommen und wir werden gemeinsam über alles lachen. Pass auf dich auf, mein Bruder ... pass auf dich auf...
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