Kunstfreiheit in Ungarn: Solidaritätserklärung von Robert Wilson
Undemokratischer Angriff
von Robert Wilson
Paris, 18. September 2021. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich meine Inszenierung OEDIPUS (Pompeji, 2018) in Budapest in zeigen und mit den Menschen dieser schönen Stadt teilen konnte. Im Geiste des antiken griechischen Theaters und seiner frühen Wurzeln in der Agora, dem Zentrum des sozialen, politischen und auch künstlerischen Lebens der Stadt, kann ich den Gesamtkontext, in dem dieses Gastspiel stattgefunden hat, jedoch nicht ignorieren.
Mit großem Bedauern beobachte ich, wie die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks und der Bildung durch die derzeitige Regierung Ungarns eingeschränkt wird. Der sogenannte "Modellwechsel" an der SZFE-Universität, der im vergangenen Jahr vollzogen wurde, war ein undemokratischer Angriff auf die Autonomie der Universität. Das neue Kuratorium, das hier nun von der Regierung eingesetzt wurde, wird von Áttila Vidnyánszky geleitet, der auch Künstlerischer Leiter des MITEM-Festivals und vieler anderer kultureller Einrichtungen im Land ist.
So freue ich mich zwar, dass die Menschen in Budapest meine Arbeit sehen konnten, halte es aber für meine Bürgerpflicht zu erklären, dass ich weder mit der Aushöhlung der Freiheit und Unabhängigkeit der Lehre und der Kunst noch mit der ungesunden Konzentration von zu viel Macht und Einfluss in den Händen einiger weniger Akteure einverstanden bin. Deshalb werde ich die Hälfte meines Künstlerhonorars, das ich vom Nationalen MITEM-Festival erhalten habe, an die Initiative #FreeSZFE spenden, die ihre unabhängige Bildungsarbeit ohne Unterstützung oder gar Anerkennung durch die derzeitige Regierung fortsetzt. Außerdem werde ich mich in den kommenden Wochen an einem Gespräch mit #FreeSZFE-Studenten beteiligen. Ich hoffe aufrichtig, dass #FreeSZFE weiterhin Unterstützung aus der ganzen Welt erfährt und – was am wichtigsten ist – bald wieder als öffentliche Universität von der ungarischen Regierung anerkannt werden wird.
Undemocratic Attack
by Robert Wilson
Paris, 18. September 2021. I am very proud to have shown my theater production of OEDIPUS (Pompeji, 2018) in Budapest and shared this experience with the people of this beautiful city. In the spirit of ancient Greek theater, and its early roots in the agora, the center of social, political and also artistic life in the city, I cannot ignore the overall context in which these tours have taken place.
It is with much regret and sorrow that I have been watching the freedom of artistic expression and education be restricted by the current national government of Hungary. The so-called "model change" at the SZFE University, which was carried out last year, was an undemocratic attack on the University's autonomy. The new board of trustees that was implemented there by the government was led by Attila Vidnyánszky, who is also the director of the MITEM Festival and many other cultural institutions in the country.
While I am happy that my work could be seen by the people of Budapest, I consider it my civic duty to state that I do not agree to the gutting of educational and artistic independence and freedom, nor to the unhealthy concentration of too much power and influence in the hands of a few. I will therefore donate half of my artist fee received from the National MITEM Festival to the # FreeSZFE initiative, which is continuing their independent educational work without support or even acknowledgment from the current government. Moreover, I will join a conversation with #FreeSZFE students in the coming weeks. I sincerely hope that #FreeSZFE will keep receiving support from all over the world, and most importantly, soon be reinstated as a public university by the Hungarian government.
Robert Wilson, geboren am 4. Oktober 1941 in Waco, Texas, ist einer der bedeutendsten Theater- und Opernregisseure der Gegenwart. Seine Arbeiten verbinden Elemente aus Tanz, Performance, Architektur, Malerei, Musik und Schauspiel mit einem luziden Lichtdesign. Auf diesem Weg erschafft Wilson Atmosphären, die Raum und Zeit zu transzendieren scheinen. Es entstehen mit Bedeutung aufgeladene Bilder, die sich gleichzeitig in eine kühle Ästhetik ihrem Zugriff entziehen. Seine Inszenierung "Oedipus", die am 17. September 2021 das MITEM-Festival in Budapest (MITEM = Madách International Theater Meeting) eröffnete, das jährlich vom Nationaltheater ausgerichtet wird, hatte 2018 im antiken Teatro Grande Scavi im italienischen Pompeii Premiere.
www.robertwilson.com
Mehr dazu: Über die Proteste gegen die staatliche Einflußnahmen auf die Freiheit der Lehre und die Besetzung der Budapester Universität SZFE im September 2020 und berichtete aus Budapest Noémi Herzcog. Mehr zur Situation des Theaters in Ungarn hier.
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solch eindringliche Momente der Kunst können lange wirken und viel bewirken... besten Dank nun an Robert Wilson für das Gastspiel in Budapest, und die Spende an die Studierenden...
https://magyarnemzet.hu/belfold/2021/09/vidnyanszky-attila-nyilt-levelben-valaszolt-robert-wilson-amerikai-rendezo-vadjaira
https://mitem.hu/en/news/2021/09/answer-to-robert-wilson