Wollust unterm Wasserstrahl

Berlin, 30. Oktober 2021. Von der Krise des modernen Mannes erzählte Gerhart Hauptmann schon im ausgehenden 19. Jahrhundert. Daniela Löffner aktualisiert die Beziehungsreigen seiner "Einsamen Menschen" am DT.

Von Christian Rakow

Einsame Menschen unter sich: Judith Hofmann, Franziska Machens, Enno Trebs, Linn Reusse, Marcel Kohler © Arno Declair

Wollust unterm Wasserstrahl

von Christian Rakow

Berlin, 29. Oktober 2021. Von der Krise des modernen Mannes, die heute ganze Magazine füllt, wusste schon Gerhart Hauptmann im ausgehenden 19. Jahrhundert einiges zu berichten. Sein Dramenheld Johannes Vockerat erlebt sie geballt: als Glaubenskrise, als Schaffenskrise, als Berufs- und Ehekrise und in allem als mentale Krise. Aus der Stagnation seiner Stadtrandexistenz am Müggelsee bei Berlin mit Frau und frischem Nachwuchs reißt ihn die junge Studentin Anna Mahr. Doch ihre zunächst platonische, dann zunehmend erotisch aufglimmende Affäre bedroht das eherne Gerüst der bürgerlichen Familie. Und also endet Hauptmanns Drama "Einsame Menschen" (von 1891) tragisch.

Sittenbild mit Sepiastich

Das viel gespielte Stück verlangt heute einiges an Übertragungsleistung. Die Exotik der gebildeten Frau, mit der Anna Mahr für den Privatgelehrten Vockerat zum Faszinosum wird, zeigt gute einhundert Jahre nach Einführung des Frauenstudiums einen leichten Sepiastich. Mit der antipodischen Rolle des blassen Eheweibs Käthe Vockerat, das sich für seine Stumpfheit vom intellektuellen Ehemann schelten lassen muss, droht gar unfreiwillige Komik. Und da die Religion inzwischen ihre Verbindlichkeit eingebüßt hat, ist dem Drama ein weiteres wichtiges Politikum abhandengekommen. In Daniela Löffners Inszenierung in den Kammerspielen des Deutschen Theaters singt man eingangs bei der Kindstaufe noch den Choral "Ich bete an die Macht der Liebe". Aber die Taufgemeinde hält ihre vier Strophen schon kaum noch durch; Marcel Kohler alias Johannes Vockerat schaut zwischendrin aufs Handy. Auf der Suche nach neueren Botschaften.

Löffner polt die Verhältnisse fürs erste kühn um: Die Studentin Anna Mahr ist bei ihr ein Mann, Arno Mahr, ein junger Professor aus Stanford (Enno Trebs). Er hat einen Lehrstuhl für "Feministische Zukunftsforschung", wie er sagt. Lacher im Saal. Dabei könnte das schon passen: Vockerat, hier ein Schriftsteller, der uns gerade wissen ließ, dass eine "verstaubte Predigt voller Chauvinismus" nichts für ihn ist, lässt sich von einem "woken" Diskurskapitän aus dem Silicon Valley in ein queeres Abenteuer lotsen. Und – Ironie der Geschichte – der Feminismus kommt im Techtelmechtel der beiden sehr schnell unter die Räder.

Aber spätestens hier hätte es eine Autorin oder einen Autor vom Schlage Kricheldorf, Palmetshofer, oder Simon Stone gebraucht, die alte Stoffe geschickt auf zeitgenössische Milieus hin umschreiben können. Daniela Löffners eigene Spielfassung bleibt denn doch der Hauptmann'schen Vorlage zu stark verpflichtet. Und das wird zum Problem. Vom intellektuellen Kern der Männerfreundschaft zwischen Vockerat (Kohler) und Mahr (Trebs) erfährt man praktisch nichts, das Knistern zwischen beiden bleibt Behauptung. Was kein Problem wäre, hätte man sie geradewegs als Knallchargen angelegt, als Männer fürs gehobene Schaumschlägertum. Aber die Inszenierung möchte ihren männlichen Helden schon Lebensfülle und Wallungswerte schenken.

Höhenflug und antiquierte Weisheiten

Am besten geht die Gesamtanlage auf, solange das Männerpaar noch von der Seite attackiert und relativiert wird. Löffner hat den Freund des Hauses, den Maler Braun, weiblich besetzt mit Franziska Machens, die mit herrlich lakonischen Volten jeden Höhenflug des egozentrischen Vockerat abkanzelt. Mutter Eva (Judith Hofmann) bietet ihrem Sohn antiquierte Weisheiten, aber in Momenten auch wohltuend direktes Kopfschütteln ob seiner Eskapaden. Eine richtige Kraft entwickelt Linn Reusse als Ehefrau und junge Mutter Käthe, die mit geerdetem Pragmatismus ihren Gatten drosselt. Auf dem Höhepunkt ihrer Auseinandersetzungen um Kinderbetreuung und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten stehen sich die Eheleute auf himmelhohen Treppen (im stylish antik angedeuteten Bühnenbild von Wolfgang Menardi) gegenüber: hüben ein Luftikus, dem jeder Sinn für Verantwortung abgeht; drüben eine Frau, die irgendwie auf das falsche Pferd gesetzt hat.

Hannes Haustyrann

Bei Hälfte des Abends meint man noch, das könnte die Geschichte von Käthe Vockerat werden, die sich zurück ins Leben kämpfen muss, und ein Abend für Linn Reusse, die Abgeklärtheit genug mitbringt, ihre Figur aus der familiären Herabsetzung heraus zu navigieren. Aber dann wendet sich Löffner dem Hauptmann'schen Protagonisten zu: Marcel Kohler hat Johannes Vockerat viele Schattierungen mitgegeben – eine weinerliche Note, einen Unwillen als "Hannes Haustyrann" angeguckt zu werden, eine leichte Versponnenheit, viel Bildungshochmut, ein gerütteltes Maß an Narzissmus und Ignoranz gegenüber allen praktischen Erfordernissen daheim ("Meine Arbeit kommt zuerst und zuzweit und zudritt!"). Mitunter knickt er ein und gibt kurz den Vater.

37384 einsame menschen 0780Spröde Liebe: Marcel Kohler, Enno Trebs © Arno Declair

Mit seinem Geliebten Arno Mahr aber läuft es seltsam spröde an. Dafür wird nach der Pause umso dicker aufgetragen. Was Löffner an Figurenentwicklung verpasst, liefert sie mit ausgestellt künstlichen Choreografien nach. In zwanzigminütigem homoerotischem Balgen und Liebkosen unter den Wassern der Sprinkleranlage geben Kohler und Trebs Abziehbilder der Leidenschaft. Sehen eher nach Wrestling als nach Wollust aus, aber geschenkt.

Tabletten müssen her

Die Frauen kommen anschließend auf den Hund, wollen den Störenfried Arno (der im Ganzen wie der Brandstifter bei den Biedermännern wirkt, jedenfalls deutlich zu symbolisch für die eigentlich realistische Ausrichtung des Abends) bloß noch wegkriegen. Käthe wird depressiv, Tabletten müssen her. Und da fragt man sich dann schon, wozu der Aufwand der Umgestaltung des Dramas, wenn man denn wie eh und je bei den beklagenswerten Rollenbildern des Patriarchats angelangt: die Männer intellektuell hochfahrend und tragisch, die Frauen gedrungen und duldsam. Und das um den hohen Preis der Wegkürzung einer der progressiveren Frauenfiguren der Dramenliteratur mit Anna Mahr.

Nicht verschwiegen werden soll, dass der Applaus in den Kammerspielen selbst für Premierenverhältnisse beachtlich war, mit Bravo und Getrampel. Aber es ist ja auch Corona. Und verausgabungsbereites Spiel von an sich glänzenden Akteur:innen macht selbst an mittleren Abenden eben viel her.

 

Einsame Menschen
von Gerhart Hauptmann
Regie: Daniela Löffner, Bühne: Wolfgang Menardi, Kostüme: Carolin Schogs, Musik: Matthias Erhard, Licht: Thomas Langguth, Dramaturgie: Sima Djabar Zadegan, Juliane Koepp.
Mit: Marcel Kohler, Linn Reusse, Judith Hofmann, Enno Trebs, Franziska Machens.
Premiere am 29. Oktober 2021
Dauer: 3 Stunden, eine Pause

www.deutschestheater.de

 

Kritikenrundschau

Für Spiegel Online (30.10.2021) lobt Wolfgang Höbel die Ernsthaftigkeit dieser Hauptmann-Aktualisierung: "Es wird ein bisschen viel mit Wasser-Metaphern herumgepritschelt in diesem dreinhalbstündigen Ausflug in die Feuchtgebiete einer verhängnisvollen Liebe zu dritt. Und natürlich sind auch nicht alle neuen Sätze, die hier den Hauptmann-Figuren in den Mund gelegt werden, große Theaterpoesie. Trotzdem folgt das Publikum bis zuletzt gebannt dem Showdown im Hause Vockerat. Das Kunststück dieses Theaterabends besteht darin, dass Löffners Aktualisierung nie in die Soap abgleitet, sondern dass hier ein paar Menschen bis zuletzt ganz ernsthaft eine Antwort auf die Frage suchen: Welche Leidenschaften haben uns bloß so ruiniert?"

Für rbb Kultur (30.10.2021) berichtet Peter Claus: Bis zur Pause gehe es vorsichtig, atmosphärisch, aber auch "sehr vordergründig zu"; nach der Pause folge der "ganz große Knall" mit der nackten Liebeszene der Männer, fast wie ein "Softporno". Mit dieser Szene und im Anschluss krache die Inszenierung "wie ein schlecht geratener Plumpudding zusammen", werde "kitschig". In der Summe: starkes Schauspiel, besonders von den Frauen, aber die Regie überziehe ihren Versuch, die große Liebe und ihre Kosten zu zeigen.

"Es dräut schon ganz schön unheilvoll, wenn es bedeutsam von der Decke tröpfelt, dann eine der beiden zentralen schwarzen Treppen durch ein überlaufendes Waschbecken geflutet wird und sich Johannes und Arno schließlich bei Dauerregen aus der Sprinkleranlage anhaltend im schwulen Sex entladen. Müggelsee ick hör dir trapsen!", witzelt Ute Büsing im Inforadio des rbb (30.10.2021). Aber durch "die lange, mutige und durch und durch wahrhaftige Entblößung im homoerotischen Liebesakt gewinnt die neue Lesart" dieser Inszenierung doch, so Büsing. Ein "starker Eindruck" bleibe von dem Abend.

Für Ulrich Seidler von der Berliner Zeitung (31.10.2021) fällt dieser Abend wie auch Andreas Kriegenburgs "Michael Kohlhaas" (beide Berliner Premieren werden zusammen besprochen) in die Kategorie "Geduldsproben". In beiden Arbeiten solle "die weibliche Perspektive auf den bürgerlichen Kanon gestärkt werden, was aber nichts daran ändert, dass die Mannsbilder die wichtigeren und interessanteren Rollen spielen und der Feminismus zumindest besetzungspolitisch eine leere Behauptung bleibt." Löffners Umarbeitung des Hauptmann Stücks zu einer homosexuellen Liebesgeschichte reduziert den Stoff auf "das Problem der individuellen sexuellen Orientierung, das mit einem rechtzeitigen Coming-out hätte gelöst werden können", und wirft die letztlich offen bleibende Frage auf, was einem abgewandelten Lebensmodell so dermaßen im Wege stehen soll, dass der Professor das Weite sucht und Johannes in den Müggelsee geht".

Löffner habe eine "zeitgemäße Textfassung" erstellt und zeige "Beziehungen unter Druck, Menschen im Bermuda-Dreieck von Verantwortung, Selbstverwirklichung und Aufbruchssehnsucht", lobt Katrin Pauly in der Berliner Morgenpost (1.11.2021). Die Inszenierung sei getragen von "exzellenten Schauspielerinnen und Schauspielern", die "diesem zu Beginn noch etwas gemächlich wirkendem dreistündigen Abend echten Glanz verleihen".

Von einer "geschickt modernisierten Fassung", in die "heutige Alltagssprache eingefügt" sei und "ein paar Rollenkorrekturen vorgenommen" wurden, berichtet Irene Bazinger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (1.11.2021). Löffner habe Hauptmans Werk "nicht anmaßend überschrieben, sondern empathisch und treffsicher neu justiert". Als "unerbittliches Theaterfest" wird der Abend gelobt: "Mit grandioser Intensität trägt das Ensemble die kunstvolle Inszenierung, die in ihrer emotionalen Ungeschütztheit manchmal zwischen billiger Vorabendserie und gehobenem Kitsch balanciert, ohne freilich nach dahin oder dorthin abzustürzen."

Löffner haben Hauptmanns Stück "einer mittleren Aktualisierungskur unterzogen", schreibt Christine Wahl im Tagesspiegel (1.11.2021). Löffners Umbesetzung der Anna Mahr berge eine "Idee mit großartigem Potenzial, um den Hauptmann'schen Feminismus-Diskurs aus dem 19. ins 21. Jahrhundert zu transportieren. Nur macht Löffner rein gar nichts aus dieser Konstellation; es gibt überhaupt keinen Diskurs. Halbherzig hängt ihre Textfassung zwischen der alten Vorlage und den eigenen Aktualisierungen fest, vieles bleibt dabei in reinen Oberflächenbehauptungen stecken, was wiederum zu entsprechend inkonsistenten Charakteren führt". Die Inkonsistenz und "fehlende Tiefendimensionen" werde dann durch "plakative Symbolik" kompensiert.

Kommentare  
Einsame Menschen, Berlin: ein Ärgernis
Ich war in der zweiten Vorstellung am 30. Oktober.

Vorab: Warum ist die angekündigte Inszenierung von "Die Katze auf dem heißen Blechdach" nicht zustande gekommen? Da hätte das Theater das Thema Homosexualität und die Aktualität wohlfeil im Hause gehabt. Es hätten einige Berichte aus dem Profisport notfalls im Programmblatt abgedruckt werden können.

Ich fand, die Aufführung ist ein großes Ärgernis. Ich habe der Vergewaltigung und dem vernichtenden Missbrauch eines sehr gut geschriebenen Dramas beigewohnt: Die Regisseurin meinte eine eigene Bearbeitung herstellen zu müssen.
Wann wird dieser dilettantische Unfug, der auf deutschen Bühnen zur Zeit gebräuchlich ist, ein Ende haben? Früher nannte man das Regiefassung und es wurde gar nicht erwähnt, denn es gehörte zur Arbeit des Regisseurs. Heute - so vermute ich - gibt es für die "Bearbeitung" Tantiemen, die der eigentliche Autor nicht mehr beanspruchen kann.

Die Aufführung beginnt mit einem Choral, der auch bei Hauptmann notiert ist - aber auch ein gut gesungener Choral kann nicht die Einleitungsszenen des ersten Akts ersetzen, in denen der soziale und der ideologische Hintergrund des Hauses Vockerat exponiert ist. Es ist nicht mehr zu erkennen, aus welchen Zwängen Johannes heraus will.
Man sieht Johannes kaum bei einem ernsthaften Versuch, mit seiner Arbeit "die Flucht" zu ergreifen. Die Figur wird zu einem unsteten Nervenbündel. Und selbst der Gang ins Wasser des Müggelsee ist keine Tat, sondern ein heimliches Sich-Wegdrücken.
Mutter Vockerat ist angehalten, ihre zwingenden Forderungen und Statements heraus zu schreien und zu kreischen, was auf die Dauer nur lächerlich wirkt.
Der ärgste Eingriff ist aber der Verlust der Figur Anna Mahr. Eine der interessantesten Frauenfiguren der deutschen Dramengeschichte. Und es geht nicht darum, dass Anna als eine der ersten Frauen studiert, sondern darum, dass Johannes, der sich mit philosophischem Wissen und im Einverständnis mit der Familientradition "aufs Land" zurückgezogen hat bei Anna entdeckt, es gibt noch ganz andere Lebensentwürfe, die ihm und seinem Talent wohl besser anstünden. Das erotische Interesse aneinander ist dem untergeordnet.
In der Aufführung wird diese Konstellation durch den Geschlechtertausch der Rollen auf ein sexuelles Interesse der Männer aneinander reduziert, und die Länge und die rabiate Gewalt, mit der die Szene gespielt ist, behaupten diesen Aspekt als zentralen. (Wenn man genau hinsieht, ist zu entdecken, es gibt ein Körperteil, das nicht mit"spielt", und man kann sich fragen, ob es sich noch um Schauspielkunst oder doch schon um Prostitution handelt.)

In summa: Es werden mir Figuren vorgeführt, die eingesponnen sind in ihre
psychischen Befindlichkeiten, kaum zum dramatischen Handeln kommen und unfähig bleiben, sich und ihr eigenes Handeln zu begreifen. Das ist schon vor der Pause langweilig.
Aber man kann meinen, die Aufführung ist damit in den kleinbürgerlichen Befindlichkeiten, die unser Land zu prägen scheinen - und das Publikum applaudiert begeistert.
(Ich bitte die Redaktion, diese Zeilen nicht zu streichen - ich habe niemanden beleidigt und im Konjunktiv formuliert.)
Es endet - man könnte meinen konsequent - in einer allgemeinen Dusselei und Mystifizierung, auch wenn die Damen hysterisch nach Johannes schreien.
(Ende des ersten Teils.)
Einsame Menschen, Berlin: Haltungen
(Fortsetzung:)

Es ist erstaunlich und überraschend, dass Frau Reusse im ersten Teil für die Käthe einige Haltungen gelingen und gestattet werden, die der Figur eine andere, nämlich aktive Dimension geben; und es ist tröstlich, dass Herr Trebs als Arno aus dem Stück geht als einer, der sich und sein Leben selbst in die Hand nehmen wird.

Die Regisseurin sagt im Interview des Programmblattes, sie vertrete die Meinung, die Liebe sei immer eine unerschöpfliche Quelle, aber die Leistungsgesellschaft habe diesen Gedanken nicht "verinnerlicht". Eine spielerische Äußerung auf der Bühne hätte ich dazu gern gesehen. Auch zum Scheitern der Bemühungen.

Die Aufführung wird ihren Zulauf haben.
Ich werde darüber nachdenken, ob ich mir noch eine Inszenierung von Frau Löffner ansehe.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Ibrik
Berlin-Pankow
Einsame Menschen, Berlin: Körper statt Reden
Ich sah dieselbe Vorstellung wie Ibrik. Vor allem schlurfte der Abend ins Stück, reden statt handeln. Wenn ich's so hinschreibe, liest es sich aber politischer als es für mich auf der Bühne sichtbar war. Später die (ja wohl mit Absicht) überlange Liebesszene der beiden Männer und für mich ein starkes Statement für den Augenblick. Schlaue Gedanken, kluges Reden, toll - aber lasst uns unsere Leidenschaften. Gebt uns unsere Körper wieder.
Einsame Menschen, Berlin: Großes Lob
Die 30 Minuten nach der Pause waren sensationell. Persönlich, mutig, sinnlich - ich fand das eines der großartigsten Szenen seit langem im Theater. Schon allein für diese Szene lohnt es sich, diesen Abend anzuschauen.Großes Lob an die beide Schauspieler und die Regisseurin!
Einsame Menschen, Berlin: Wortwahl
Lieber Herr Ibrik,
es ist jetzt schon das zweite Mal, dass ich einen Beitrag von Ihnen lese, indem sie von einer „Vergewaltigung“ eines Textes, respektive einer Autor*in schreiben. Drastische Wortwahl meinetwegen, ich finde es in diesem Zusammenhang allerdings äußerst fragwürdig hier von einer „Vergewaltigung“ zu sprechen. Es wäre wünschenswert, wenn Sie sich bei Ihrem nächsten Beitrag darüber Gedanken machen würden, was es in der realen Welt bedeutet vergewaltigt zu werden und welche Traumata die jeweiligen Opfer davon tragen. Ihr Ärger über die verschiedenen Bearbeitungen der Texte kann ich nachvollziehen, auch wenn ich ihn nicht teile. Für Ihre unüberlegte Wortwahl bringe ich jedoch kein Verständnis auf und finde sie mehr als unangebracht.
Einsame Menschen, Berlin: Effekte
Es ist richtig: Man sollte im Zorn und auch nach dem Zorn auf seine eigene Wortwahl achten. Offenbar habe ich den guten Geschmack verletzt und auch Gefühle, die bei manchen Menschen durch schreckliche Erlebnisse geprägt worden sind. Das war nicht meine Absicht, und ich bedauere das.
Ich bitte die Redaktion das beanstandete Wort aus meinem ersten Beitrag zu entfernen, wenn das möglich ist, ich kann mich auch mit der Formulierung
"ich habe dem vernichtenden Missbrauch..." einverstanden erklären.

Werter Herr Behrendt,
ich danke Ihnen für Ihren Hinweis, denn jeder kritische Hinweis kann den Menschen nur verbessern.
Aber noch einmal zur Sache:
Es handelt sich - so meine ich - um einen gewaltsamen Eingriff in einen Körper, der weitreichende Folgen hat. Ich verstehe ein Drama auch als einen Körper und eine Aufführung eines Dramas auch und das Theater auch.
Und wie sich zeigt, sind die Folgen schon sichtbar, denn wenn ein Zuschauer die Szene, die - so sagt ein Kritiker - fast wie ein "Softporno"
wirkt als eine der "großartigsten Szenen seit langem im Theater" beschreibt (und weiter keine gedankliche Anregung empfing), da scheint mir doch etwas nicht zu stimmen.
Wenn ich nicht falsch informiert bin, so sind Sie auch mit Theater befasst und wissen, dass die Mittel des Theaters ungeeignet sind, Folterszenen und Geschlechtsakte glaubwürdig zu zeigen; es der gut gespielten Andeutung und vor allem der Fantasie des Zuschauers zu überlassen, ist noch immer die bessere und ästhetischere und damit schönere Lösung.
Der Zuschauer, der sich geäußert hat, hat vielleicht nur wenig Schaden genommen, er hat wohl nur die Etablissements verwechselt.
Aber gefährlich könnte es werden, wenn die Theater sich zunehmend auf äußere Effekte konzentrierten, um konkurrenzfähig zu bleiben, und darüber vergessen würden, dass sie doch eigentlich der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten sollten (das ist sehr vereinfacht, ich weiß).
Das tatsächlich Ärgerliche an der Aufführung ist doch, dass es sich nicht um eine "ernsthafte Aktualisierung" (Spiegel) handelt, denn der bei Hauptmann verhandelte, der noch immer aktuelle Konflikt, in den junge Menschen kommen können mit ihren Lebensentwürfen, wenn sie an die hartnäckigen Forderungen des Althergebrachten und an die sich täglich aufbauenden neuen Forderungen der Gesellschaft stoßen, dieser Konflikt ist - offenbar mit Fleiß - entfernt.
Und wenn von Mut die Rede ist: Es scheint mir weniger Mut nötig zu sein, um sich auf der Bühne auszuziehen, aber mehr Mut um einen Disput zu spielen, der an die Substanz und an die Grenzen des gesellschaftlichen Systems rührt.
Werter Herr Behrendt! Sie schreiben, Sie können meinen Ärger über die Bearbeitungen nachvollziehen, auch wenn Sie ihn nicht teilen können. Mir scheint das widersprüchlich. Oder irre ich mich? Können Sie es mir erklären - ich wäre Ihnen dankbar.

Mit freundlichen Grüßen
und "Bleiben Sie fröhlich und gesund!"
Peter Ibrik
Einsame Menschen, Berlin: ein Versuch
Lieber Herr Ibrik,
vielleicht war auch meine Wortwahl nicht klar: „nachvollziehen“ meinte eigentlich „zugestehen“. Und auch ich ärgere mich des öfteren über fehlende inhaltliche Ansätze einer Inszenierung, würde jedoch immer den Dialog mit der anderen Seite suchen oder zumindest offen dafür bleiben wollen. „Nicht teilen“ meint hier vor allem die Art und Weise wie über die Arbeit, vielmehr aber auch über die Kollegin gesprochen/geschrieben wird. Das ist mir in weiten Teilen zu befindlich und übergriffig.
Und „nicht teilen“ meint in dem Zusammenhang auch, dass ich immer FÜR eine Bearbeitung bin, zumindest wenn man meint diese Stücke des Kanons noch spielen zu müssen. Theater bleibt dabei immer auch ein Versuch. Vielleicht ist dieser Versuch nicht gelungen, was ich überhaupt nicht beurteilen kann, da ich den Abend noch nicht gesehen habe. Was ich bisher darüber lese, macht aber zumindest Lust ihn mir anzuschauen.

Herzlichst,
Stefan Behrendt
Einsame Menschen, Berlin: Ich bin beleidigt!
Werter Herr Behrendt!
Ich war zögerlich, aber nun doch noch eine letzte Wortmeldung.
Es ist in der Regel wenig ergiebig über Wortwahlen zu streiten, wenn denn der Sinn damit ausgedrückt wird, der ausgedrückt werden soll. Ich habe mit dem von Ihnen beanstandeten Wort ausgedrückt., was ich meine, ich finde das Wort indessen auch bei politischen Meldungen verwendet und weiß nicht, wer sich dann gekränkt fühlt. Der Einstieg in unseren Disput erscheint mir jetzt überflüssig und unsinnig.
Ich weiß nicht, was Sie meinen, wenn Sie schreiben, Sie fänden die Urteile über die Regisseurin und deren Arbeit "befindlich" und "übergriffig". Ich kann an meinen Texten nicht finden, dass ich mich sehr viel anders verhalte, als die meisten Rezensenten, die man auszugsweise in dieser Rubrik lesen kann.

Eine Leserin meiner Texte meinte, es würde sich so lesen lassen, als sei ich persönlich beleidigt. Das ist wohl eine richtige Beobachtung: Ich bin als Zuschauer beleidigt:
Die Regisseurin hält mich für dumm. Sie entfernt beinahe alles, was im Original-Drama eine sehr treffliche Bedeutsamkeit für heute hätte haben können und stellt dann eine eigene Bearbeitung her, die mit Hauptmann nicht mehr viel zu tun hat, und ist dann nicht in der Lage, ihre eigene Fassung konsequent umzusetzen.

Ich wünsche Ihnen "viel Vergnügen", wenn sie die Vorstellung besuchen.

Leben Sie wohl!

Peter Ibrik
Berlin-Pankow
Einsame Menschen, Berlin: Mittelweg
Ein Zwiespalt ist dieser dreistündigen Inszenierung deutlich anzumerken. Die Regisseurin Daniela Löffner stand vor der Herausforderung, wie sie mit Gerhart Hauptmanns Drama „Einsame Menschen“ aus dem Jahr 1870 umgehen soll.

Zum Glück folgt Löffner nicht dem modischen Vorbild von Simon Stone, der alte Stoffe meist zu platten Soaps entkernt. Aber auch sie greift an zentraler Stelle in den Hauptmann-Text an: Johannes Vockerat, der grübelnde Schriftsteller in der Sinnkrise (Marcel Kohler), verliebt sich nicht in eine junge Studentin namens Anna Mahr, sondern in Arno Mahr (Enno Trebs), einen Professor für feministische Zukunftsforschung, der zwischen Stanford und Zürich pendelt.

Die Regisseurin wählte also einen Mittelweg: vorsichtige Aktualisierung, im Wesentlichen bleibt das Hauptmann-Drama in der Textfassung, die die Regisseurin erstellt hat, aber doch erhalten. Das Ergebnis dieses Mittelwegs ist jedoch, dass der Abend zögerlich wirkt, über weite Strecken nicht vom Fleck kommt und im Zwiespalt der Regisseurin stecken geblieben ist.

Wie ein Paukenschlag erschüttert dann allerdings die zentrale Szene des zweiten Teils den Abend: Vockerat und Mahr, zwischen denen es bis dahin kaum knisterte (soweit Zustimmung, lieber Christian Rakow), fallen in einer großen, ungewöhnlich langen Liebesszene übereinander her, wie man sie auf den Bühnen selten sieht. Beeindruckend, wie Marcel Kohler und Enno Trebs es schaffen, dass diese Szene nie peinlich oder softpornographisch wirkt, sondern als Choreographie intensiven Begehrens eindrucksvoll gelingt. Nur die allzu penetrante Wasser-Metapher, die sich bis zum finalen Suizid Vockeraths im Müggelsee, durch den Abend zieht, stört an dieser Stelle.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2021/11/28/einsame-menschen-deutsches-theater-berlin-kritik/
Einsame Menschen, Berlin: Chapeau für Kohler und Trebs
Im Rückblick ist es eigentlich eine Inszenierung auf durchschnittlichem Stadttheaterniveau. Wäre da nicht... ja, wäre da nicht diese explizite und intensive Nackt- und Liebesszene. Wohl die graphischste, die ich je auf einer Bühne gesehen habe. Und dann auch noch ganz diversity-konform zwischen zwei Männern. Von dieser Inszenierung wird mir vor allem im Gedächtnis bleiben, wie Kohler und Trebs nach der Pause ihre Zuneigung, Leidenschaft und Erotik füreinander aufbauen und ausleben. Löffner geht dabei an die Grenze dessen, was auf einer Bühne noch darstellbar ist. Mit Kohler und Trebs hat sie zwei mutige Schauspieler, die beim Liebesspiel ebenfalls persönliche Grenzen auszuloten scheinen, wie weit sie im Theater gehen können oder wollen. Der intimste und ehrlichste Theatermoment, den ich je auf einer Bühne gesehen habe, war der, als man beim splitternackten Enno Trebs seine aufkommende sexuelle Erregung deutlich erkennen konnte. Da hier dann wohl die Grenze des Darstellbaren auf der Bühne verläuft, zog er zwar zügig seine Unterhose an, um es zu kaschieren, aber das war für mich ein Theatermoment, der an Ehrlichkeit und Authentizität nicht zu toppen war. Hier war Theater dann keine Illusion mehr sondern Realität. Von daher Chapeau an diese beiden großartigen Darsteller für so viel Privates, Persönliches und Intimes in dieser Inszenierung.
Einsame Menschen, Berlin: Intimität (vs?) Blog
@ Nr. 10: Von dieser, wie Sie zurecht betonen, intimen Theatererfahrung hier auf einem öffentlichen Blog zu lesen, löst bei mir ein leichtes Gefühl von Irritation aus. Und das, obwohl sie Ihren Kommentar ausdrücklich als Lob verstanden wissen wollen und ich mich auch gewiss nicht als prüde beschreiben würde. Die Intimität, "Ehrlichkeit und Authentizität" dieses Theatermoments - ist das etwas, was vielleicht zwischen dem Publikum des betreffenden Abends und den Spielenden bleiben sollte? Nicht grundsätzlich wahrscheinlich, zumal das die Grundfeste von (Nacht-)kritik beträfe, aber vielleicht doch manchmal? Bewusst offen formuliert, ich weiß es nicht. Jedenfalls verschwimmen hier konkret die Grenzen des Spiels mehr noch als sonst, es wird eine persönliche Vermutung über den Spieler in den öffentlichen Raum getragen. Aber vielleicht ist das ja immer so, meist nur Vermutungen anderer Art!? Jedenfalls, verstehen Sie mein Irritationsgefühl? Oder gar nicht?
Einsame Menschen, Berlin: Intimität
ich bin völlig ratlos beim versuch dies zu lesen und zu verstehen. - es gibt ja auch stücke, in denen gemordet, gestorben, inzest praktiziert oder manipuliert wird, was das zeug hält. wär das dann auch unter authentizitätsaspekten besonders berührend, wenn die schauSPIELER es "in echt" machen? es hieß für mich immer SPIELEN, nie MACHEN ...
Einsame Menschen, Berlin: Bitte nicht!
Sehr geehrte Frau Krumbiegel!
Bitte verzeihen Sie, wenn ich Sie persönlich anrede, aber Sie sind eine der wenigen Menschen, die ihren Namen nennen - die meisten verbergen sich hinter einem Pseudonym, als wollten sie damit ihre Authentizität wahren.

Ich verstehe Ihre Ratlosigkeit. Ich war und bin noch immer zornig über diese Inszenierung und noch mehr darüber, welche Anlässe sie für eine vermeintliche
Rezeption bietet.
Aber seien Sie getrost, es handelt sich noch immer um SPIEL, und es kann sich um nichts anderes handeln, denn dafür ist Theater einmal erfunden worden:
Eine (meist kleinere) Gruppe spielt einer (meist größeren) Gruppe eine Geschichte vor und verfolgt damit ein Ziel: Die größere Gruppe möge durch Erlebnis begreifen, was für sie und ihr weiteres Umfeld von Interesse sein könnte im sozialen Handeln.
Und Schillers Anmerkung, der Mensch sei dort am meisten Mensch, wo er spielt,
ist auch nach mehr als zweihundert Jahren nicht veraltet.

Die Tatsache, dass zwei nackte Männer vorgeblich ihre erotische Neigung ausprobieren und ein (angeblich) erregter Penis schnell verborgen wird, hat auf einer Theaterbühne nichts zu suchen. Es fällt auf, es werden nur die Namen der Schauspieler genannt werden; aber wo bleiben die Rollen? Wo bleibt das Stück?
Die Entblößung von Körpern und ihrer intimsten Teile hat mit Ehrlichkeit und Authentizität nichts zu tun. Wer das sehen will, der gehe in eine Peepshow!
Die Privatheit der Darsteller gehört nicht auf die Theaterbühne - ich sage das, auch wenn ich weiß, dass es heute eine Tendenz gibt, wonach der Schauspieler privat zu sein habe. Das ist doch aber schon beim zweiten Male langweilig, denn ich weiß es dann schon.
(Ich erinnere, ich wurde vor vielen Jahren unfreiwillig Zeuge eines Gesprächs unter Urlaubern auf Hiddensee, die darüber berieten, wo man denn die beste Düne finden könnte, um den FKK-Strand ungesehen zu beobachten. Dieser Strand war groß und jederman zugänglich.)

Woher rührt dieser "Schrei", es möge in der Kunst, in der Schauspielkunst, alles authentisch sein? (Kaum ein Film kommt mehr ohne den Hinweis aus, er sei nach einer "wahren Begebenheit" gedreht.)
Mir scheint, viele Menschen spielen in ihrem alltäglichen Leben "soziale Rollen", die sie sich irgendwo angeeignet haben, und sie bekleiden sich nicht, sondern sie
verkleiden sich und bemalen sich und lassen sich tätowieren. Dann wollen sie verständlicherweise gern etwas sehen, was anders ist, "ehrlich" und "authentisch" - vielleicht ist es so, wie ein "unmoralischer Mensch" auf dem Theater gern den Sieg der Moral sehen möchte.

Das Deutsche Theater wirbt in seinem Faltblatt für den Januar-Spielplan für die Aufführung und zitiert aus einer Rezension , wonach die Aufführung zu einem weltweit beinahe einmaligen Ereignis erhoben wird. Die Regisseurin, die doch offensichtlich nicht einmal die handwerklichen Fähigkeiten besitzt, ihre eigene "Bearbeitung" konsequent umzusetzen (mehrere Kritiken bescheinigen das), wird
zum Weltstar unter den Regisseurinnen gemacht.

Und es folgt der Hinweis: "In der Inszenierung kommt es zur Darstellung sexueller Handlungen". So macht man sonst auf den Einsatz von gefährlichen Beleuchtungseffekten aufmerksam. Ist das nun Warnung oder Werbung?


Aber es bleibt Hoffnung, denn es gibt auch noch andere Aufführungen auf den
Theatern.


Mit freundlichen Grüßen
aus Berlin-Pankow

Peter Ibrik
Einsame Menschen, DT Berlin: Tolle Inszenierung!
So ganz kann ich die Aufruhr bei meinen Vorkommentatoren nicht verstehen. Blicken wir in die Filmwelt: In „Karte der Klänge von Tokio“ ist es Sergi Lopez, in „Angels and Insects“ Douglas Henshall und in „Antares“ Andreas Patton, die während einer Liebesszene sichtbar erregt sind. Das sind weder Pornofilme noch Pornoschauspieler. Alles ganz normal. Warum soll so etwas nicht auch auf der Bühne möglich sein? Wenn es passiert, passiert es, wenn nicht, dann nicht. Bei so viel Intimität und Erotik über 20 Minuten gestehe ich das jedem Schauspieler zu. Und ein erwachsener Zuschauer muss das aushalten können. Habe die Aufführung am 27.12. erleben dürfen - ich fand sie toll. Das muss man gesehen haben.
Einsame Menschen, Berlin: Handwerklich solide
Die Kritik und die Kommentare machen neugierig. Am 02.01. war es dann soweit: ich traf im DT auf eine handwerklich solide Inszenierung. Im ersten Teil wurde der Spannungsbogen aufgebaut, Hannes und Käthe entfremden sich, Arno gewinnt immer mehr Einfluss - ob bewusst oder unbewusst. Nach der Pause dann die Stunde der Wahrheit: die ca. 20-minütige Nackt- und Sexszene ist der Höhe- und Wendepunkt der Inszenierung. Nackte Männer ist man auf der Bühne ja schon hinreichend gewohnt - mal mehr oder weniger behaart, mal mehr oder weniger gut ausgestattet. Das Novum hier ist die sexuelle Interaktion. Die beiden Schauspieler küssen sich und kommen sich völlig nackt körperlich so nahe, wie man es deutlicher auf der Bühne kaum zeigen kann. Ob das in dem Moment für die beiden "erregend" ist, lasse ich mal dahingestellt. Auf mich wirkte es eher perfekt durchchoreografiert. Und dafür gibts von mir 120 von 100 Punkten. Was die beiden Herren da abziehen, sucht seinesgleichen. Respekt. Das kostet sicher Mut und Überwindung. Ich bin beeindruckt. Hier sind Profis am Werk.
Einsame Menschen, Berlin: Schlüsselszene
Ich habe die Aufführung am 1. Juli 2022 erleben dürfen. Und wie ich nun erfahren habe, ist besagte Nacktszene, die tatsächlich DIE Schlüsselszene ist, weil sie den Wendepunkt markiert, von Vorstellung zu Vorstellung anders. Ich kann mich leider nicht der Euphorie meiner Vorrezensierer anschließen. Am 1. Juli erlebte ich diese Schlüsselszene mehr oder weniger "technisch heruntergeleiert". Anziehung und Leidenschaft zwischen Hannes und Arno kamen überhaupt nicht "rüber". Von "Softporno" kann überhaupt keine Rede sein. Da waren einfach nur zwei nackte Männer auf der Bühne, die so taten, als hätten sie Sex. Alles wirkte holprig und gestellt und künstlich - insgesamt sehr enttäuschend. Was könnte man mit dieser Szene alles machen, wenn es gelingt, dass der Funke auch auf das Publikum überspringt, dass Arno und Hannes sich wirklich anziehen und begehren. Am 1. Juli gab es kaum Körperkontakt, alles war lieblos. Ich habe den beiden einfach nicht abkaufen können, dass sie sich wirklich gegenseitig begehren. Für mich war es einfach eine schlecht gespielte Nacktszene, die dadurch ihre Wirkung verfehlte und die man sich sparen kann, wenn sie SO läuft. Erfreulicherweise gibt es am 14. September eine Wiederaufnahme. Und die Inszenierung bekommt von mir noch eine Chance. Ich bin gespannt, ob die beiden nach der Sommerpause mehr Leidenschaft füreinander empfinden als vor den Ferien.
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