Medienschau: Süddeutsche Zeitung und NDR – Internationale Ballettszene reagiert auf Krieg

Rückfall in kalte Zeiten

Rückfall in kalte Zeiten

11. März 2022. Am Beispiel des Hamburg Ballets berichtet der NDR, wie in Deutschland Tanzinstitutionen Unterstützung mobilisieren. Unterdessen verzeichne die russische Tanzgemeinde erhebliche Verluste, schreibt die Süddeutsche Zeitung – ausländische Tänzer:innen verließen reihenweise etwa das Bolschoi-Theater in Moskau.

Das Pariser Théâtre du Chatelet hat das Ballett aus Kyiv in Residenz aufgenommen, wie unter anderem die Wiener Zeitung informierte. Auch John Neumeier, Chef des Hamburg Balletts, sagt im Interview mit dem NDR, die große Frage für ihn sei ihm Moment, wie man ukrainischen und russischen Tänzer:innen auf der Flucht helfen könne, ihr künstlerisches Leben weiter zu führen. "Es wäre kein Problem, unser Ballett-Zentrum aufzumachen, damit sie da trainieren können. Wir haben aber keine Chance auf Sonderverträge, um sie unterzubringen. Ich tue mein Bestes, damit irgendein Kulturetat etwas Geld freigeben könnte, für Extraverträge."
Er habe stets gute Beziehungen zur russischen Ballettszene gehabt. Dass er für sein 50-jähriges Jubiläum das Moskauer Bolschoi-Ensemble nach Hamburg einladen wollte, fühle sich jetzt falsch an. "Das ist so wahnsinnig unfair, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass ein einziger Tänzer interessiert ist, die Ukraine zu übernehmen", so Neumeier im NDR.

An eben diesem Bolschoi-Theater hätten jüngst die "prominentesten Zuwanderer der letzten Jahre die Koffer gepackt", heißt es im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung. "Italiener wie der Bolschoi-Star Jacopo Tissi, Engländer wie Mariinski-Principal Xander Parish, Nord- und Südamerikaner wie Victor Caixeta sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Schweren Herzens, wie ihre Posts auf Instagram zeigen."

Laurent Hilaire, der seit 2016 das Ballett am Moskauer Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater leitete, sei der erste Westeuropäer gewesen, der gleich zu Beginn der russischen Offensive das Amt nieder gelegt und das Land verlassen habe. Er prophezeit einen "Rückfall in die Zeiten des Kalten Krieges", das Repertoire werde "notgedrungen auf Werke russischer Provenienz zusammenschmelzen".

(Süddeutsche Zeitung / NDR / Wiener Zeitung / joma)

Kommentare  
Medienschau Krieg & Ballett:
Viel wichtiger ist doch, dass mehrere russische Ballettstars sich gegen den Krieg ausgesprochen haben, darunter Erste Solisten der beiden weltberühmten Kompanien in St. Petersburg und Moskau. Das ist sicher sehr viel gefährlicher für sie, als uns hier bewusst ist. Mariinsky und Bolschoi kommen gut ohne die paar wenigen Ausländer in ihren Reihen aus. Aber das Repertoire wird wieder zurückgehen, das russische Ballett hatte sich seit dem Ende der Sowjetunion dem modernen Ballett aus dem Westen geöffnet - das meiste davon wird wieder verschwinden.

Und statt John Neumeiers freundlichen Hinweis zu zitieren, dass er kein Geld hat, könntet Ihr vielleicht auf die Aktionen anderer deutscher Tanz- und Ballettkompanien hinweisen, die bereits viel Geld gesammelt haben.

(Liebe Angela, es ist sicher richtig, dass die Medienschau nur einen Ausschnitt der Vorgänge wiedergibt. Uns ist auch bewusst, dass es sehr viele solidarische Aktionen für ukrainische Künstler:innen gibt. Wir freuen uns über Hinweise dazu in den Kommentaren, können aufgrund unserer kleinen Redaktion und als Sprechtheater-Seite diese Recherche aber nicht leisten. Mit Bitte um Verständnis. E. Philipp für d. Red.)
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