Auf schmalem Grat

12. April 2022. Erst die Pandemie, jetzt der Krieg gegen die Ukraine und autokratische Regimes allerorten: Internationaler Kulturaustausch wird schwieriger. Warum sie russische Kultur nicht boykottieren würden und wo sie Widersprüche im staatlich geförderten Reisegeschäft der Theater sehen, erzählen die kroatische Regisseurin Tea Tupajić und Schaubühnen-Intendant Thomas Ostermeier im Theaterpodcast.

Von Susanne Burkhardt und Elena Philipp

"Ein Volksfeind" in der Regie von Thomas Ostermeier © Thomas Aurin

12. April 2022. Zahlreiche ukrainische Stimmen fordern den Boykott russischer Kunst und Kultur. 30 Jahre nach den Balkankriegen ist die kroatische Theaterregisseurin Tea Tupajić zwar gegen einen Boykott. Im Theaterpodcast erklärt sie zugleich, warum ihr, die die Belagerung in Sarajevo erlebt hat, das nicht leicht fällt: "Du musst wirklich etwas in dir selbst töten, damit du den Kollegen wieder vertrauen kannst."

Festhalten an der Idee des Austauschs

Auch Thomas Ostermeier, der Künstlerische Leiter der Berliner Schaubühne, hat Verständnis für die Ablehnung russischer Kultur durch ukrainische Künstler:innen. Für sich selbst hält auch er an der Idee des Austauschs fest – die Schaubühne ist weltweit zu Gastspielen unterwegs, lange auch in China, Russland und der Türkei. Von Zuschauer:innen in diesen Ländern habe er immer wieder gehört, wie notwendig es sei, dass die "kleine Prozentzahl derer, die in diesen Ländern noch frei Meinungsäußerung, Kunstfreiheit, emanzipatorische Kämpfe versucht zu thematisieren, Unterstützung aus der westlichen Welt Unterstützung bekommt; dass unterschieden wird zwischen der Regierung im Iran und den Iranern".

Anpassen oder die Stimme erheben?

Wenn seine Inszenierungen in Länder mit autoritärem Politikstil reisen, nach China, Russland oder in den Iran, macht er sich dann nicht zum Kollaborateur des Regimes? Das sei immer ein schmaler Grat, so Ostermeier: "Wie stark kann man sich positionieren, die Stimme erheben?"

Nah an den Konflikten zu sein, keinesfalls harmloser als die Realität – das ist auch die Auffassung von Kunst, der Tea Tupajić folgt: "Wenn wir Kultur sagen, dann sagen wir ja Theater, Festivals, Kulturpolitik, und wenn wir Kunst sagen, dann reden wir über Mut, davon, die Grenzen zu überqueren – über Leben und Tod.“ Wie widersprüchlich der internationale Kulturaustausch sein kann und warum es dabei nicht nur um Verständigung und Versöhnung gehen kann, darüber sprechen Tea Tupajić und Thomas Ostermeier im Theaterpodcast #46.

 

 In Kooperation mit Deutschlandfunk Kultur.

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