Medienschau: Republik – Über Theater in Kriegszeiten und das TT

Politisierungsschübe

Politisierungsschübe

15. Mai 2022. Kulturjournalist Tobi Müller beschreibt anhand einiger Eindrücke vom Berliner Theatertreffen ein sich – seiner Beobachtung nach – wandelndes Selbstverständnis des Theaters.

Müller beschreibt die Entwicklung eines (Stadt)-Theaters, das durch die Brille von Stücken des Repertoires auf die Gegenwart geschaut habe, hin zu einer Kunst, die "mehr Recherche, mehr Realien, mehr Projekte" zeige – kurz, das konkret Politische in den Blick nehme.

"Nicht nur am Theater­treffen, das die Benchmark setzt, sprechen alle Theater­künstlerinnen, die reüssieren, vor allem über Emanzipation, Politik, Demokratie und Nach­haltigkeit. Das Theater ist so politisiert wie noch nie, Wandel ist heute mehr als die schöne Phrase, die er vor fünfzig Jahren letztlich geblieben ist, als aus der Politisierung der 68er im Theater wenig folgte ausser einzelnen Gross­regisseuren wie Peter Stein und Claus Peymann", schreibt Müller.

Diese Entwicklung der letzten zehn Jahre sei begrüßenswert, bringe aber auch Schwierigkeiten mit sich: Wenn an Produktionen Beteiligte sich weigerten, Texte und Figuren auf die Bühne zu bringen, denen sie selbst nicht zustimmen, würden diese nach und nach ganz von der Bühne verschwinden. "Theater muss mehr zeigen dürfen als den Wunsch, wie die Welt zu sein hat."

Auch könne die neue Stärke angesichts extremer Ereignisse wie dem Krieg in der Urkraine zu einer Schwäche schrumpfen, findet Müller. "Wer politische Relevanz in der Kunst so stark gewichtet, wirkt schwach, wenn die Welt­politik zuschlägt", ist eine der zentralen Thesen des Essay. Zum Glück, findet der Autor, glaube das Theater aber selbst nicht alles, was es in Eröffnungs­reden sage und in Programm­hefte schreibe – eine Beobachtung, die Müller mit weiteren Inszenierungsbeispielen des Festivals untermauert.

(Republik.ch / sdre)

 

 

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