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Mülheimer Dramatikpreis an Sivan Ben Yishai

Sivan Ben Yishai © Max Zerrahn

27. Mai 2022. Für ihr Stück "Wounds Are Forever (Selbstportrait als Nationaldichterin)" wird Sivan Ben Yishai mit dem Mülheimer Dramatikpreis 2022 ausgezeichnet. Das gaben die Mülheimer Theatertage gestern Nacht in einer Pressemitteilung bekannt.

Das Stück sei "das kühnste", "ein Parforceritt einer modernen Schamanin durch die letzten 100 Jahre", begründet die Jury ihre Entscheidung. Ben Yishai verknüpfe Aktivismus und Kunst, finde damit eine neue Form und schaffe eine "Verbindung jüdischer Selbstermächtigung und feministischer Vergeltung".

Geschichte von Verstrickungen

"Wounds Are Forever (Selbstportrait als Nationaldichterin)" erzählt vielstimmig von den Abgründen, Verstrickungen und Verbrechen der deutsch-israelisch-palästinensischen Geschichte. Stationen sind die israelische Stadt Jaffa des Jahres 2014, in der israelische Jugendliche einen arabischen Jungen ermorden und damit den Mord an drei jüdischen Jungen durch arabische Terroristen rächen wollen, Deutschland 1938, Russland im 2. Weltkrieg oder das Gründungsjahr des Staates Israel. Die Protagonistin, Sivan Ben Yishai selbst, übernimmt auf dieser Reise durch fast hundert Jahre Geschichte immer wieder andere historischen Rollen, ist eine Holocaustüberlebende, eine sowjetische Partisanin oder eine Flüchtende am Meeresgrund.

Ben Yishai arbeitet eng mit der Autorin Maren Kames zusammen, die ihre – ursprünglich auf Englisch verfassten – Texte ins Deutsche übersetzt, so auch bei "Wounds Are Forever (Selbstportrait als Nationaldichterin)". Gezeigt wurde das Stück bei den 47. Mülheimer Theatertagen in der Uraufführung des Nationaltheater Mannheim. Regie führte Marie Bues.

Preise für Akın Emanuel Şipal und Julia Wieninger 

Der Jury des mit 15.000 Euro dotierten Mülheimer Dramatikpreises 2022 gehörten die Schauspielerin Leila Abdullah, der Regisseur Robert Borgmann, die Kulturjournalistin Dorte Lena Eilers, Wolfgang Kralicek als Vertreter des Auswahlgremiums und die Dramaturgin Felicitas Zürcher an. Sie votierten nach zweistündiger Debatte mit vier von fünf Stimmen für das Stück. Dorte Lena Eilers gab ihre Stimme "Monte Rosa" von Teresa Dopler.

Der Publikumspreis der "Stücke 2022" geht an den Autor Akın Emanuel Şipal für "Mutter Vater Land", uraufgeführt am Theater Bremen in der Regie von Frank Abt.

Erstmals wurde dieses Jahr auch der Gordana-Kosanović-SchauspielerInnenpreis des Fördervereins des Theater an der Ruhr im Rahmen der Mülheimer Theatertage vergeben. Er geht an Julia Wieninger für ihre Leistung in Elfriede Jelineks "Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!".

Sivan Ben Yishai, Akın Emanuel Şipal, Julia Wieninger und Milan Gather, der den Mülheimer KinderStückePreis 2022 gewann, werden bei der Eröffnung der 48. Mülheimer Theatertage am 13. Mai 2023 geehrt.

(Mülheimer Theatertage / eph)

Im November des letzten Jahres war Sivan Ben Yishai zu Gast in unserem Gesprächsformat Neue Dramatik in zwölf Positionen.

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Kommentare  
Mülheimer Dramatikpreis: Übersetzerin
Herzlichen Glückwunsch, Sivan Ben Yishai, ein verdienter Gewinn. - Wünschenswert wäre allerdings, dass auch Nachtkritik - wie die Autorin selbst das übrigens sehr wohl tut - die Übersetzerin (Maren Kames) nennt. Jury und Regie werden natürlich genannt, das sind ja die "Wichtigen". Aber die Übersetzerin eben nicht. Die bleibt draußen. Aber es ist nun mal ein Text in einer Übersetzung, in wie enger Zusammenarbeit er auch entstanden sein mag. Vorweg-P.S.: Ich argumentiere hier nicht gegen die Einbindung nicht auf Deutsch verfasster, aber im deutschen Sprachraum angesiedelter Texte. Das entspricht unserer nicht zwingend deutschsprachigen Welt und ist auch gut so. Nachdenken könnte man aber darüber, für die Zukunft, ob Übersetzer:innen in solchen Fällen nicht nur bitte bitte genannt werden sollten, sondern auch einen Anteil am Preisgeld erhalten sollten. Einfach, um diese "Dienstleistung" mal ein klein wenig zu würdigen. - Und liebe Nachtkritik, wenn ihr das jetzt oben im Artikel ändert, dann veröffentlicht mein Statement bitte trotzdem, nicht wie letztes Mal, wo nur korrigiert wurde, als käme das von euch selbst. Danke.
Mülheimer Dramatikpreis: Danke
@Ulrike Syha: Danke.
Mülheimer Dramatikpreis: Nichts Neues
#1
Das war früher auch so. George Tabori hat zweimal den Preis gewonnen. Gespielt wurden immer Übersetzungen (Ursula Grützmacher-Tabori): Schaut man ins Archiv der Theatertage, wird die Übersetzerin nicht erwähnt. Da ja angeblich immer das Stück, nicht die Inszenierung ausgezeichnet wird und zum Stück immer die Sprache gehört, ist dieses Verschweigen eine Unverschämtheit. Als Tabori den Büchnerpreis erhielt, hat die Jury ziemliche Hinrnverrenkungen angestellt, um die Preisvergabe für Übersetzungen zu rechtfertigen - unter Missachtung der Übersetzerinnen.
Immerhin wird die Übersetzerin Kames im Text zum aktuellen Mülheimer Theaterpreis auf der Homepage des Wettbewerbs genannt.
Übrigens: Auf der Homepage wird nur Tankred Dorst als Gewinner des Preises 1989 geführt. Auch hier wird Ursula Ehler ("Mitarbeit") verschwiegen.
Ist wohl ein grundsätzliches Problem!
Mülheimer Dramatikpreis: Fortschritt
#3: Ja, ist ein grundsätzliches Problem. Es hat sich nur geändert, dass man sich jetzt darüber beklagen kann, ohne dafür die journalistisch verwaltete Kommentar-Reichweite entzogen bzw. verwehrt zu bekommen. Wat ein Fortschritt.
Mülheimer Dramatikpreis: (Nach)Schöpferisch
Den Preis verdienen Menschen, die sich ein Stück ausdenken, Figuren erfinden, einen Plot gestalten usw. Sorry, das Übersetzen ist eine wichtige und oft anspruchsvolle Tätigkeit, aber es ist eine nachschöpferische Tätigkeit ähnlich wie das Dirigieren, das Spiel von Orchestern oder das Schauspielen. Den Dramatikpreis verdienen Dramatiker, so wie Übersetzerpreise an Übersetzer gehen (und nicht an die Autoren der übersetzten Originale).
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