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Berliner Volksbühne wappnet sich gegen erneute Besetzung

16. September 2022. Der Intendant der Berliner Volksbühne René Pollesch warnt seine Mitarbeiter:innen in einem internen Schreiben vor einer Besetzung des Theaters und ruft sie zu erhöhter Aufmerksamkeit auf. Das meldet die Berliner Zeitung, der das Schreiben vorliegt, dessen Echtheit die Presseabteilung des Theaters bestätigt habe.

In Polleschs Schreiben heißt es der Berliner Zeitung zufolge, dass die Theaterleitung Informationen über eine "in ungefähr 14 Tagen, ggf. auch früher" geplante Besetzung erreicht hätten. Die Leitung habe die Kulturverwaltung und die Polizei verständigt. "Um unsere Arbeit fortsetzen zu können, haben wir uns entschieden, im Falle einer Besetzung die sofortige Räumung der Volksbühne zu veranlassen."

Die Volksbühne war vor fünf Jahren schon einmal besetzt worden. Damals hatte Pollesch sich mit den Besetzer:innen der Gruppe "Staub zu Glitzer" solidarisiert, nach seinem Intendanzantritt jedoch "gab bzw. gibt es trotz zahlreicher Begegnungen keinen Konsens für eine künstlerische Zusammenarbeit", so die Pressestelle der Volksbühne.

(Berliner Zeitung / sd)

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Kommentare  
Besetzungswarnung Volksbühne: Die Kritiker der Elche ...
Das ist eine traurige und zugleich peinliche Nachricht. Lange bevor ich zum Theater ging habe ich HausbesetzerInnen in Strafprozessen beteiligt und war selbst einmal Besetzer des Büros des Präsidenten der Universität in Giessen. Nun lese ich, dass der Intendant eines Theaters als allererstes mit der Polizei droht, statt auf eigene Formen der De-Eskalation zu vertrauen. Ja, setzte den besten Revolutionär auf den Zarenstuhl und es wird schlimmer als der schlimmste Zar, das alte Wort von Bakunin hat Tradition.
Was also läuft denn schief an der Volksbühne, dass eine Besetzung droht, wo ist der eigene Narzissmus im Wege, wie kann der Satz "um unsere Arbeit fortzusetzen" alles legitimieren.
Besetzung kann auch Performation und politische Willenserklärung sein und auch Pollesch hat die Volksbühne, die ja öffentliches Eigentum ist, nur geliehen, auch wenn er förmlicher Hausrechtsinhaber ist. Aber diese PM ist eine Bankrotterklärung - als würde die eigene Kunst zur Farce, denn traurig sind wir sowieso.
Besetzungswarnung Volksbühne: Übertrieben
Ihre grosse (Besetzer-)Historie in Ehren, aber
es handelt sich hier, dem Anschein nach, nicht um eine öffentliche Drohgebärde (weil nicht um eine Pressemitteilung) sondern um ein hausinternes Schreiben.
Von Narzissmus zu sprechen, weil die Theaterleitung Gegenmassnahmen erwägt und die Belegschaft informiert, erscheint mir etwas übertrieben.
Besetzungswarnung Volksbühne: Beste Inszenierung
R.P. im nd 22.09.2021:
"Die Besetzung (2017) war flür mich die beste Theaterinszenierung des Jahres."
Besetzungswarnung Volksbühne: Nachgeblättert
"Die Besetzung war für mich die beste Theaterinszenierung 2017.", so Pollesch im September 2021 in ND Aktuell Das Ende des Ego-Dings.
Besetzungswarnung Volksbühne: Trotz zahlreicher Begegnungen
@Christoph Nix
Jetzt steht in der Meldung „trotz zahlreicher Begegnungen“
Also nichts mit „als allererstes mit der Polizei droht, statt auf eigene Formen der De-Eskalation zu vertrauen“ wie Sie geschrieben haben.
Besetzungswarnung Volksbühne: Stumpfes Elchgeweih
Das traurige daran ist für mich nicht, wie Pollesch reagiert. Traurig ist für mich, wie er offenbar regiert. "Um unsere Arbeit fortsetzen zu können, haben wir uns entschieden, im Falle einer Besetzung die sofortige Räumung der Volksbühne zu veranlassen."
1 2 POlizei? (und die Fascho-Chats freuen sich über neue Daten von "linksextremen" KünstlerInnen?)
So ein Schreiben ins Haus hinein wirkt doch gruselig. Wie wenig Vertrauen besteht denn da grundsätzlich zwischen Leitung und Belegschaft? Und in den Diskurs? Also da bin ich jetzt schon enttäuscht - wenn auch nicht überrascht.
Besetzungswarnung Volksbühne: Erfolg auf ganzer Linie
Wenn ich mich richtig erinnere, trennte sich die Volksbühne unter der Intendanz von Frank Castorf von der Tanzcompanie des inzwischen verstorbenen Hans Kresnik mit der Begründung, dass die Subventionsmillionen für das Haus am Rosa-Luxemburg-Platz das Engagement einer hauseigenen Tanzcompanie parallel zum Kerngeschäft Sprechtheater nicht länger ermöglichen würden.

Castorf-Nachfolger Chris Dercon versuchte es trotzdem, den Tanz an die Volksbühne zurückzuholen. Obwohl bei Anna Teresa de Keersmaeker die Tänzer ohne Bühnenbild im leeren Raum zu tantiemenfreier Musik von Johann Sebastian Bach herumsprangen, waren die Subventionsmillionen vorzeitig futsch und Dercon musste gehen.

(...)

Rene Pollesch kann man nun Erfolg auf ganzer Linie bescheinigen. Nicht nur ist es ihm gelungen, das Sprechtheater an seinem Haus derart billig zu produzieren, dass sich die Volksbühne in Gestalt von Florentina Holzinger erneut eine hausinterne Tanzcompanie zu leisten vermag. Mit der Auslagerung seiner Sprechtheaterinszenierungen ans Deutsche Theater, sowie einer Verkürzung seiner kammerspielartiger Fliessbandstücke am eigenen Haus (die man verglichen mit den Marathon-Sitzungen seiner Vorgängers Castorf nur als Kurzstrecken bezeichnen kann) ist es offenbar sogar gelungen, Frau Holzinger nennenswerte Etats für opulente Bühnenbilder freizuschaufeln.

(...)

Wenn es in gewissen Kreisen unserer Stadt trotzdem aktionistische Überlegungen geben sollte, die Volksbühne abermals zu besetzen, haben Pollesch und Holzinger die Latte, die es zu überspringen gilt, eindeutig höher gelegt. Denn jede Besetzung durch BH- und Unterwäsche tragende Okkupanten läuft künftig Gefahr, als „rechts“ geframet zu werden und den unerwünschten Beifall der Berliner AFD-Fraktion auf sich zu ziehen.

(Der Kommentar wurde an zwei Stellen gekürzt, da diese unbelegte Behauptungen enthielten.
Mit herzlichen Grüßen aus der Redaktion: jeb)
Besetzungswarnung Volksbühne: Vorsicht
Jetzt heißt es vorsichtig sein für Pollesch, was mit dem letzten Intendanten, der sich mit diesem Kollektiv anlegte passierte, wissen wir ja...
Besetzungswarnung Volksbühne: Pollesch gegen Pollesch
Pollesch 2018: „Eine grosse Frage in der gegenwärtigen Diskussion über Theater ist auch, wer neben den weissen Mittelstandskindern mit Hochschulabschluss Zugang zu den subventionierten Theaterinstitutionen hat, wer dort etwas machen oder mitgestalten darf. Und wie man das vielleicht anders regeln könnte.
Die Volksbühne wurde am Ende von Franz Castorfs Intendanz auch wegen ihrer Hermetik kritisiert. Ein Jahrzehnt davor war das Haus sehr offen, es wurden Podiumsdiskussionen und Veranstaltungen ausgerichtet, für die man verschiedene politische Gruppen angesprochen hatte. Man hat also das gemacht, was zuletzt die Volksbühnenbesetzerinnen von Chris Dercon forderten: eine Öffnung des Theaters für Leute, die mitgestalten wollen, die mit ihren Argumenten und Strategien vielleicht die Gestaltung sogar vereinfachen oder zumindest auf wichtige vernachlässigte Momente wieder aufmerksam machen können. Etwa auf die Wohnungssituation in Berlin, indem zum Beispiel im Theater ein Parlament der Wohnungslosen aufgemacht wird. Die Volksbühnenbesetzerinnen hatten alle politischen Gruppen in der Stadt angesprochen. Es war alles abgedeckt, eigentlich ein Riesenprogramm für Dercon. Vor allem, weil er ja selbst nichts hatte, was er zeigen konnte.
Stattdessen rief Dercon die Polizei, damit die Volksbühne geräumt wird.
Da war ich auch erstaunt. Zumal ich dachte, dass Dercon die Hermetik der Volksbühne wieder rückgängig machen und junge Talente ansprechen würde, wie Matthias Lilienthal das am HAU gemacht hatte. Und dass das eigentlich sein Erfolgsmodell wäre. Lilienthal brauchte einfach Content, der nicht viel kostet.
Die Projekte, die bei Matthias Lilienthal am HAU in Berlin-Kreuzberg herauskamen, entstanden oftmals in prekären finanziellen Arbeitsverhältnissen.
Das ist ein Problem: Ich bin nicht für eine Hermetik, aber ich bin auch nicht für das unbezahlte Arbeiten. Man müsste da einen Modus finden. Die Volksbühnenbesetzerinnen waren auch da aktiv: Sie haben sich Modi ausgedacht, wie eine gerechte Bezahlung an einem Theater funktionieren könnte.“ https://www.tagesanzeiger.ch/sexismus-ist-ein-repraesentationsproblem-883509788621
Besetzungswarnung Volksbühne: Früher oder später
Wir haben das doch alles schon tausendmal durch mit den Kleinbürgersöhnchen aus der Westdeutschen Provinz, die als große Rebellen und Möchtegernbesetzer nach Ostberlin, Mitte, Friedrichshain und in den Prenzlauer Berg kamen und dann früher oder später als Häuslebauer, Eigentümer und Hausherren enden. Erst kauen sie dir in der Kneipe über Sozialismus ein Ohr ab, dann klagen sie dich wegen Eigenbedarf raus und hetzen ihren Nachbarn Anwälte und Polizei auf den Hals. Auch da hieß es am Ende, als alle Ideale verraten waren, oft man sei Künstler. Deswegen sei die Haustür nach 20 Uhr doch bitte abzuschließen, damit keine Obdachlosen im Hausflur pennen und natürlich wegen der wertvollen Kunst in der Wohnung...man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.
Besetzungswarnung Volksbühne: Keine Kraft
Die Kleinbürgersöhnchen und -töchterchen, das sind die neoanarchistischen Besetzer*innen, die kompetetiv auftreten und außer Widerstand nichts anzubieten haben, bis auf eine im Kern liberale Agenda. Es ist wichtig, Ihnen kein Forum mehr zu bieten, da sie sich links nennen, eigentlich aber doch nur Schuldige für die eigene Misere suchen. Kriegt Euren Kram gebacken und engagiert Euch in Parteien anstatt Forderungen zu stellen, die nur mit Euch selbst zu tun haben, aber nicht mit den Unterpriviligierten dieser Gesellschaft. Am schlimmsten aber wiegt in diesem Zusammenhang (Volksbühne): unter den "Besetzer*innen" finden sich leider keine kraftvollen Künstler*innen. Deswegen würde ich vorschlagen: geht weiter auf bequeme Demos und redet Euch weiter in Rage. Oder aber engagiert Euch und zwar wirklich politisch (Parlament/Partei/Journalismus). aber bitte tretet nicht mehr "künstlerisch" in Erscheinung. Thanx.
Besetzungswarnung Volksbühne: Trauerspiel
Alles an dieser Geschichte ist traurig: Dass es Durchstechereien gibt, um Pollesch zu erledigen, weil er als Intendant natürlich die Leute, die im Theater arbeiten, schützen muss vor Leuten, die mit banalen Parolen versuchen, das Haus kaputt zu machen. Dass andererseits Pollesch nicht ganz klar nach außen kommuniziert, dass Kunst wie seine eben nicht eine für alle ist, sondern dort, wo sie gut ist, zunächst einmal eine ganz und gar elitäre, an der sich neben ihm ein fester Stamm von Fans freut, die aber auch für viele kaum zugänglich ist. Irgendwie rächt sich in dieser verunglückten Abwehr der Besetzung dieses tollen Theaters durch Leute, die dort schlicht nichts zu suchen haben, die beständige Moralisierung des Kulturbetriebs, die aus strukturellen Problemen solche macht, die bösen Intendanten und einer verschworenen Elite angelastet werden.
Will heißen: Es ist richtig, dass die großen Häuser viel zu bürgerlich sind, was ihr Ensemble, ihr Publikum und ihre ganze Ausrichtung angeht. Aber das muss strukturell geregelt werden, durch eine neue Politik, und nicht durch die Besetzung eines Hauses.
Besetzungswarnung Volksbühne: Dank an W.B.
Danke für diesen Kommentar, lieber Walter Benjamin, er ist Ausdruck einer intellektuellen Zuverlässigkeit, die ich in vielen anderen Kommentare leider vermisse.
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