Verruchte Lebenslust

6. November 2022. Eine Coming-of-Age-Geschichte im Puls der Zwanziger – und der Faschismus lauert schon in den Straßen der Metropole Berlin. André Kaczmarczyks aktualisiert und inszeniert das berühmte Musical (auch) als Akt der schwulen Selbstbehauptung. Mit dem Willen zur ganz großen Show.

Von Martin Krumbholz

"Cabaret" am Düsseldorfer Schauspielhaus in der Regie von André Kaczmarczyk © Thomas Rabsch

6. November 2022. Jahreswende 1929/30 in Berlin. Noch ahnt niemand, dass die pulsierenden Zwanziger, der Tanz auf der Asche des Ersten Weltkriegs, ein bizarr kurzes Interregnum sein werden. Ein angehender britischer Schriftsteller, Cliff Bradshaw, kommt in die Metropole, lebt sich aus, bandelt mit einer attraktiven Nachtclubsängerin an, schwängert sie, ist aber sexuell noch ein wenig desorientiert, verlässt schließlich die Stadt wieder, als die Nazis unübersehbar das Geschehen zu dominieren beginnen. "Good-bye to Berlin", so der Titel der Erzählungen, auf denen das Musical "Cabaret" von 1966 und der Film von Bob Fosse (1972) basieren.

Die Politik kommt nicht zu kurz

Und heute, 90 Jahre später? Mussolini-Revival, Trump ante portas, Xi Ping allein zu Haus, Putin sowieso, Le Pen vielleicht das nächste Mal, Klima fast schon verpasst – ohne allzu schwarz malen zu wollen, man kann nicht unbedingt sagen, die Dinge hätten sich eindeutig zum Besseren gewendet. Auch lässt André Kaczmarczyk in seiner Regie-Sause am Düsseldorfer Schauspielhaus die Politik keineswegs zu kurz kommen, im Gegenteil.  

Berlin kotzt auf die Straße

Besonders, wenn die vaterländischen Gesänge angestimmt werden und eine Frau sich in hellblaues Lederzeug legt (die Nazi-Embleme sind leicht verfremdet), können einem schon mal Schauer über den Rücken laufen. "Berlin kotzt auf die Straße", heißt es. Aber taugen die Mittel, die vor fünfzig Jahren blendend funktioniert haben, um eine smarte Coming-of-Age-Geschichte düster zu grundieren, auch heute noch, um dieselbe Story angemessen zu reaktualisieren? Oder haben diese Mittel, die dem Film etwa acht Oscars einbrachten, sich nicht doch ein wenig verbraucht? Der Kit-Kat-Club als Ort verruchter Lebenslust, die erst peripher, dann zentral platzierten Nazis, die frivolen Songs, von den Schlägern genauso goutiert wie von den anderen, die konventionelle Love-Story, die partout nicht aufgehen will, weil der Engländer seine Gefühle noch nicht sortiert hat?

Cabaret2 Thomas Rabsch uDer Kit-Kat-Club als Ort berühmter Sündenpfuhl: Valentin Stückl, Jill-Marie Hackländer, Lara Hofmann, Jacob Zacharias Eckstein, Lou Strenger, Bridget Petzold, Malin Tusche, Miro Mitrovic, Gesa Schermuly und Kit-Kat-Klub-Band © Thomas Rabsch

Zweifellos ist Kaczmarczyk selbst eine fabelhafte Besetzung für den androgynen Conférencier des Clubs; ähnliche Rollen hat er schon oft gespielt, und er beherrscht sie aus dem Effeff (solange er es nicht mit peinlichen Genital-Gimmicks übertreibt). Die Musik (Leitung Matts Johan Lenders) peppt, ist aber auch recht gefällig, reibt oder knirscht an keiner Stelle. Lou Strenger in der Liza-Minelli-Rolle der Sally Bowles ist gesanglich, wie immer, eine Wucht. Auch die großen Gruppenszenen passen. Jedenfalls hinreichend, um das Publikum zu Ovationen zu animieren. Aber die Handlung, jenseits von Musik und Choreografie, erscheint plötzlich banal bis zur Dürftigkeit. Das liegt an den szenischen Mitteln, wie sie das Drehbuch schon hergibt.

Räuberpistole und Sentiment

Nazis auf der Bühne haben fast immer einen Touch von Räuberpistole. Sie sind entweder smart oder rüpelhaft; ein Drittes gibt es nicht. Umgekehrt kommen Juden selten ohne eine dicke Portion Sentiment aus. Sie sind gutmütig, naiv und rennen blindlings ins Verderben. Der schüchterne Gemüsehändler, der seinem Fräulein Schneider Apfelsinen und Ananas offeriert, überhaupt der ganze "Traum von der Trauung" (Thomas Wittmann / Rosa Enskat): Das ist purer Kitsch. Man bietet ihn einem Broadway-Publikum an, das selig weinen will, wenn es um den Holocaust geht. Im Film lassen sich solche Peinlichkeiten an den Rand drängen, auf der Bühne nicht. Hier hat jeder Strang der Geschichte volles Gewicht.

Cabaret4 Thomas Rabsch uPolitik und die ganz große Show: Valentin Stückl, Rob Pelzer, Raphael Gehrmann, Yaroslov Ros © Thomas Rabsch

Der Versuch, diese Geschichte in einen Gay-Liberation-Act umzudeuten, mag im Sinn des ursprünglichen Autors Christopher Isherwood sein, aber funktioniert er wirklich? Es ist ja bezeichnend, dass der männliche Protagonist (hier spielt ihn Belendjwa Peter recht hölzern) in den unterschiedlichen Fassungen mal hetero-, mal bi- und mal homosexuell gedeutet wird; man konnte sich nicht entscheiden, was dem Zeitgeist zuzumuten war. "Bist du schwul?", fragt Sally ihren Freund, auch in dieser Fassung, ganz offen. Antwort gibt es keine. Man kann die Hintergründe im Programmheft nachlesen, auf der Bühne sieht man davon: nichts. Stattdessen: eine wirklich große Show. Eine komfortable Drehbühne. Tingeltangel. Auch einiges an nackter Haut. Ein bisschen schwül alles. Da steckt eine Menge Arbeit dahinter, zweifellos. Und dennoch sind die stehenden Ovationen für diesen Abend alles in allem ein bisschen wohlfeil erwirtschaftet.

 

Cabaret
Buch von Joe Masteroff nach dem Stück "Ich bin eine Kamera" von John van Druten und Erzählungen von Christopher Isherwood. Gesangstexte von Fred Ebb. Musik von John Kander. Deutsch von Robert Gilbert. Orchesterfassung von Chris Walker.
Regie: André Kaczmarczyk, Musikalische Leitung: Matts Johan Leenders, Choreografie: Bridget Petzold, Bühne: Ansgar Prüwer, Kostüm: Martina Lebert, Licht: Konstantin Sonneson, Sounddesign: Torben Kärst, Dramaturgie: Janine Ortiz.
Mit: André Kaczmarczyk, Lou Strenger, Belendjwa Peter, Raphael Gehrmann, Rosa Enskat, Thomas Wittmann, Claudia Hübbecker sowie Studierenden des Schauspielstudios Düsseldorf.
Premiere am 5. November 2022
Dauer: 3 Stunden, eine Pause

www.dhaus.de

Kritikenrundschau

Der Stoff bedeute "Sex, Rausch, Jazz und ein bisschen Realität", aber auch "Tanz, Gesang und konzentriertes Spiel", so Sema Kouschkerian in der Rheinischen Post (7.11.2022). Dieses "Gemisch" benötige "künstlerische Finesse, um seine Strahlkraft zu entfalten" und "eines Meisters, der aus der aufgekratzten Lack-und-Leder-Community die Brüchigkeit des Lebens herauszuschälen vermag". Dahingehend sei der Düsseldorfer Abend "etwas schwach auf der Brust". Stark seien hingegen viele Einzelleistungen: Lou Strenger sei "ein Vergnügen", "stark" die Szenen mit Rosa Enskat und Claudia Hübbecker. Das Publikum habe den Abend "mit Ovationen im Stehen" gefeiert.

In André Kaczmarczyks Inszenierung gerate das Erfolgsmusical "zu oft unter die Räder kulinarischen Entertainments", befindet Lars von der Gönna in der NRZ (7.11.2022). "Viel mehr als nötig" käme "als sexy Show rüber, was nah am Abgrund siedelt". Der Abend sei "ein bisschen gefühlig, sehr imposant" und "leicht konsumierbar in ach so schwerer Zeit", meint der Kritiker: "Nie und immer wird dieses 'Cabaret' ein Reinfall in Sachen Auslastung."

"Aufgedonnertes Showbusinnes im Look der 1930er Jahre" zeige André Kaczmarczyk mit dieser Inszenierung, meint Michael-Georg Müller in der WAZ (7.11.2022). Dank der Live-Band schnellten zwar "die Temperaturen in die Höh'", reine Schauspielszenen wirkten allerdings "zäh" und "die Dialoge flach und banal". "Nachdenkliche Zwischentöne" seien "nicht mehr als reine Pose", was im Ergebnis "eine pompöse Show", aber "ultraseichtes Schauspiel" ergebe.

Kommentare  
Cabaret, Düsseldorf: Schauspielhaus als Musicalhaus
Ich stimme der Kritik absolut zu. Die stehenden Ovationen des Premieren-Publikums zeigen, dass es anscheinend Musik, unreflektierte, unterhaltsame Show mit Glanz und Glamour und viel nackter Haut (oh wie krass) wünscht, also nichts, was hinterfragt, verstört oder gar weh tut.
Wird immer ausverkauft sein. Die Zahlen werden also stimmen und das Düsseldorfer Schauspielhaus hat seinen Wechsel zur Musical-Bühne endgültig vollzogen.
Cabaret, Düsseldorf: Erstaunt
theatergeschmack ist bekanntlich subjektiv, aber hier scheint der kritiker in einer gänzlich anderen vorstellung als ich gesessen zu haben. bei dieser kritik habe ich viele fragen an die fähigkeiten des kritikers, der so vehement an diesem abend vorbeigeschaut hat, die fähigkeiten des regisseurs stehen nach diesem fulminanten abend dagegen außer frage. woher der unbedingte wille des kritikers, die sexualität des schriftstellers zu fixieren? reicht es nicht, dass beide figuren offensichtlich eine ungewöhnliche verbindung haben, die mehr dimensionen als nur sexualität hat, dass die geschlechterpräferenz eben nicht klar definiert ist? was hat das damit zu tun, ob jemand "seine gefühle sortiert hat" oder nicht? mit dem angeblichen "tingeltangel" und der beschreibung der explizit politischen momente des abends verstrickt sich der kritiker in einem widerspruch - was ist es denn nun? ich habe theater gesehen, das weder "banal" noch "dürftig" daher kam. ein abend, der "life is a cabaret" zum motto nimmt, im ersten teil mit kreativsten mitteln des theaters eine welt zeigt in vergnügungssucht und (verzweifelter) ausgelassenheit, und der dann der feuchtfröhlichen stimmung einen ideologisch-faschistoiden schlag nach dem anderen in die eskapismusfreudige magengrube verpasst, sodass die figuren und zuschauer gleichermaßen aus ihrer sektlaune herausgerissen und am ende mit einem schweren kloß im hals zurückgelassen werden. all das übersetzt in ästhetische, unglaublich kluge bilder und szenen, welche das ende der golden 20s und die brutalität eines aufkommenden faschismus zeigen, und dabei gänzlich ohne hakenkreuz ss-runen auskommen. zum glück, denn so war der abend nicht historisch-distanziert, sondern brandaktuell, relevant. ich erinnere mich an ein paar momente: der host in pickelhaube und schwarzem mantel, tanzend mit einer soldatin, die uniform in afd-blau; ein frierender mann, der den immer mächtiger werdenden faschisten eine (virtuose) steppnummer vorführen muss, damit er einen schwarzen mantel gegen die kälte erhält; im kabarett übernehmen irgendwann die faschisten und ihre bildsprache; der von kaczmarzyk oft wiederholte satz "and everyone between the genders" ist plötzlich verboten; was vorher noch bunt und lebensfroh war, wird plötzlich düster und bedrohlich; gefällige nummern sollen den meinungskontrolleuren vorgeführt werden und wer nicht spurt, den erwartet gewalt. der schrecken der reichskristallnacht wird einzig durch das zerquetschen eines apfels des jüdischen obsthändlers vorweggenommen, am ende bleiben nur noch der schwache schimmer von hoffnung und die gewissheit einer finsteren zukunft. das war gestern alles zu sehen, unverkennbar, für alle. dass der kritiker so gekonnt an all dem vorbei schauen konnte ist schon ein starkes stück. liegt es an der queeren bildsprache? die 20s waren bekannt für diesen aspekt in kunst und kultur, bevor die nazis all dies vernichteten. was soll das heißen: "ein bisschen schwül alles"? es drängt sich der eindruck auf, der kritiker war so irritiert von der nackten haut und den schönen kostümen, den queeren referenzen, der frivolen feuchtfröhlichkeit, dass er gar nicht sehen wollte, wie diese fröhlichkeit im laufe des abends immer mehr von einer aufkommenden ideologie erstickt wird. normalerweiser bediene ich mich ungern dieser begriffe, denn wie oben beschrieben, diese zuschreibungssucht ist unerträglich, aber einfach mal nach derselben logik: ist es der blick durch die brille eines alten, weißen mannes (womöglich sogar hetero?), der dem kritiker den blick verschleiert, weil bei all dieser frivolen queerness bei ihm gleich die schotten zugehen? die größte frechheit ist es aber, den zuschauern zu unterstellen, sie hätten der wohlfeilheit standing ovations gezollt. fast der ganze saal stand sofort auf den beinen - ich auch. weil es ein berührender, politischer, toller theaterabend war. wäre es nicht auch möglich, dass dem kritiker etwas entging, was ≈700 anderen menschen im saal nicht entging?
Cabaret, Düsseldorf: Ungewöhnlicher Theaterabend
Die Darsteller waren fast alle grandios, die Figuren berührend, Bühne und Kostüme hinreißend. So viel nackte Haut wie behauptet gab es nicht, manchmal hat man das Gefühl, wir sind wieder in den 50ern und Männer in Highheels rufen Abwehrreaktionen hervor. Die Inszenierung ist mehr als das: Showelemente und eine starke politische Message werden miteinander verbunden und ins Verhältnis zueinander gebracht.
Klar, mit den Mitteln des Musicals, es ist kein literarisches Meisterwerk. Aber wenn man Musical nicht mag, sollte man vielleicht nicht ins Musical gehen. Sicher ist dieser Abend keine weichgespülte Musikshow, sondern ein ungewöhnlicher Theaterabend mit Haltung und viel kreativer Power. Für mich die bisher beste Cabaret-Inszenierung! Ich gehe sicher nochmal rein und bringe Leute mit!
Cabaret, Düsseldorf: Clifford Bradshaw
Wenigstens hätte der Kritiker wissen müssen dass Clifford Bradshaw Amerikaner ist und kein Engländer! Soviel zur Vorarbeit für eine Kritik!
Cabaret, Düsseldorf: Grandios
Wundere mich sehr über den kalten Blick des Kritikers.
Das war in meiner Wahrnehmung ein Abend,der wie so selten nur noch,komplett unter die Haut ging und die Reaktionen des Publikums sprechen da für sich-musikalische Produktion hin oder her.
Selten eine so kompakte,in sich greifende Cabaret-Inszenierung gesehen,mit einer überragenden Lou Strenger als Sally Bowles,einem Ensemble,dass vor Spielfreude nur so strotzt und einem wundervollen Orchester unter der Leitung von Matts Johann Leenders.
Man kann der Produktion nur wünschen,dass die Zuschauer sich nicht von den Kritiken abschrecken lassen und sich selbst ihr Urteil bilden.
Danke für diesen außergewöhnlich tollen Abend!
Cabaret, Düsseldorf: Babylon Berlin
An die Serie Babylon Berlin (Staffel 1) musste ich gestern denken, während ich mir die Show ansah: Faszination von Tingeltangel, von Travestie, von berauschender Unterhaltung in perfekter, ungebrochener Choreografie. War auch ein bisschen Friedrichstadtpalast dabei. Ja, das war ganz gut anzusehen, aber alles, was nicht musikalisch und tänzerisch sondern rein schauspielerisch dargestellt wurde, fiel ab, war harmlos, hölzern oder allzu kitschig.
Vielleicht liegt es einfach am Werk selbst, das darauf ausgerichtet ist, überwiegend eine Vergnügungsreise zu sein.
Cabaret, Düsseldorf: Völlig verkannt
Sowohl diese (Nacht-)Kritik als auch die zitierten Zeitungsrezensionen verkennen die Inszenierung total. Das lässt sich auch an den meisten bisherigen Kommentaren ablesen. Die Rezensent*innen nörgeln empathiefrei herum. Klar: Das Musical ist kein Jelinek, sondern Unterhaltungstheater. Auf die spektakuläre, mitreissende Musicaldarbietung fällt hier jedoch sehr überzeugend der Schatten der aufziehenden Katastrophe; Faschismus ad portas sozusagen. Heutige Diskursthemen wie Diversität und Gender imprägnieren die Inszenierung überzeugend.
Deshalb wurde der Applaus keineswegs wohlfeil eingesammelt. Vielmehr ließ sich das Publikum berühren. Sein Weg war weit, vom hedonistischen Rausch bis zum beklemmenden Erkennen des bevorstehenden Endes einer Zeit, in der die Zukunft Freiheit und Gleichheit der Menschen versprach.
Cabaret, Düsseldorf: Enttäuschende Show
... statt klugem Theater. Leider haben m. M. nach die Recht, die enttäuscht sind. Hauptdarsteller und Regisseur A. K. setzt zu oft aufs Plumpe, ja, Wohlfeile - und stellt seine Eitelkeit zu sehr aus. Peinlich, wie er Lou Strenger als Conférencier selbst die Show beim großen Cabaret-Song klaut. Peinlich auch ein Großteil des Premierenpublikums, dass noch die bittersten Momente mit Gelächter und Gekreisch quittiert hat.
Cabaret, Düsseldorf: Gänsehaut
Trotz mehreren Umbesetzungen eine volle Wucht, diese Inszenierung. Inklusive Gänsehaut. Mal vor Vergnügen, mal vor Unbehagen. Die negativen Kritiken sind schwer nachzuvollziehen, Beleidigungen und persönliche Angriffe gegen den Regisseur wie im letzten Kommentar nur mit persönlichen Verstrickungen zu erklären?! Der Abend war nicht eitel, sondern gekonnt. Die Szenen fließen ineinander über, Bühne + Kostüme sind fantastisch, die Geschichte geht unter die Haut, die Referenzen sind klug + subtil, nicht wohlfeil. Verdienter Applaus, wir kommen wieder!
Cabaret, Düsseldorf: Claqueure
Die Klakateure wurden bei der Premiere gut im Saal verteilt und brachten das Publikum am Ende zu Standing Ovation, was der Aufführung selbst auf der Bühne nicht gelang.
Cabaret, Düsseldorf: Verschwörungstheorien
#10: Igitt. Jetzt hat dieses Forum sein volles Potential erreicht: anonym Verschwörungstheorien posten, im Internet Gift gegen andere streuen, die nicht der eigenen Meinung sind, die einem Kunstwerk etwas anderes abgewinnen können als man selbst. Ein ganzer Saal kann also von gut ausgebildeten Klaqueuren so gekonnt manipuliert werden, dass er am Ende geschlossen aufsteht? Was ist das denn bitte für eine böswillige Unterstellung? Wie kann man sich selbst so überlegen fühlen? So viel Missgunst und böser Wille, einem Ensemble und einem Haus zu schaden ist wirklich zum K*****. Wie viel Neid muss hier im Spiel sein? Diese Zeilen triefen förmlich davon. Wenigstens ist es jetzt für alle mehr als offensichtlich. Wenn dieser Abend die Emotionen derer, die zu solch unlauteren Mitteln greifen, so zum Kochen bringt, dann hat er den Nagel absolut auf den Kopf getroffen, den Finger in die richtigen Wunden gelegt. Diejenigen, die solche Schmutzkampagnen führen, sind für die Message des Abends nicht nur nicht empfänglich, sondern bringen alle erdenklichen Mittel auf, diese zu diskreditieren. Es geht wohl nicht um die Qualität des Abends, die Art und Weise dieser Unterstellungen sprechen Bände: da mag es jemand nicht, wenn Diversität, Liebe jeglicher Art und die Gefahr von rechter Ideologie so deutlich gezeigt werden und diese Message auch noch Standing Ovations erhält. Und um diese Message in den Schmutz zu ziehen, bedient man sich einer haltlosen Klaquer-Behauptung und streut falsche Behauptungen. Willkommen im Zeitalter der alternativen Fakten. Wozu das führt, hat diese Inszenierung deutlich gezeigt. Danke, lieber "Zuschauer", dass Du es allen hier nochmal so deutlich vor Augen führst. Danke, liebes Cabaret-Ensemble. Ihr seht: ihr habt alles richtig gemacht!
Cabaret, Düsseldorf: Show
Hallo !
Es ist ein bisschen typisch für das Feuilleton (oder was sich dafür hält), dass einer Show der Prozess gemacht wird. Flach, simpel, hölzern, ranschmeisserisch, korrupt, etc .
Genau so ist das ! Das Ist der Sinn der Veranstaltung. Erst recht wenn es sich um ein Musical aus dem Angloamerikanischen Raum handelt. Mann kann es lassen, und stattdessen eine Textfläche einer jungen, urbanen Autorin mit Migrationshintergrund, die aufgrund ihres diversen Geschlechtes in Weißrussland in Einzelhaft sitzt, mit Musik unterlegen. Ich fürchte allerdings, das hat dann nicht denselben Unterhaltungswert , den diese Show anscheinend dann doch hat. Und dem Publikum seinen Geschmack abzusprechen, weil es das anscheinend auch noch feiert, ist einfach nur hilflos. Letztlich freut es mich sehr, wenn die Leute das feiern. Mich freut in letzter Zeit überhaupt sehr, wenn Menschen wieder ins Theater gehen. Und ja - auch um jeden Preis. Denn so versündigen, an Anspruch und Intellekt, kann sich Theater gar nicht. Dazu ist es nicht wichtig genug .
Ist nur eine Meinung ! Keine These !
Cabaret, Düsseldorf: Einheit in Kulinarik
Als Frank Baumbauer die Münchner Kammerspiele übernahm, um die Jahrtausendwende, sah er sich den „König Lear“ seines Amtsvorgängers Dorn bei einer der letzten Vorstellungen an - vor und hinter dem Vorhang. Vor dem Vorhang: das strenge, auf Virtuosität und Kulinarik gespannte und abgerichtete Münchner Publikum. Hinter dem Vorhang: das strenge, auf Virtuosität und Kulinarik abgerichtete Münchner Ensemble, angereichert mit einem knarzenden Tisch voller ungebrauchter Requisiten. Baumbauers Fazit: „Wenn alle sich derartig einig sind, wenn beide Seiten derart wissen, was sie voneinander wollen, dann können wir den Vorhang auch gleich unten lassen.“ In Düsseldorf knarzt nichts mehr, da ist alles geschmiert, um so mehr sollte man den armen Lappen einfach da unten hängen lassen, wo er hingehört.
Cabaret, Düsseldorf: Abgeholt
Ich habe die Vorstellung am 06.01.23 besucht.
Nur selten wurde ich in einer Theatervorstellung dermaßen abgeholt.
Wie gut hat das Ensemble Stimmungsschwankungen zwischen Euphorie und Betroffenheit erzeugt.
Das Publikum zu Totenstille und dann aber auch wieder zum Rasen zu bringen ist für mich Kunst reinsten Wassers.
Der Bezug zur Aktualität traf den Nagel auf den Kopf und das komplette Publikum zum Stehen zu bringen, nachdem der letzte Ton verklungen war, das heißt in Deutschland schon was.
Nein, mit den offiziellen Kritik kann ich mich überhaupt nicht identifizieren (...)
Hier schafft man es den Geschmack des Publikumszu treffen, denn darauf sollte es im Theater nun mal ankommen.
Wenn dann noch zusätzlich eine Botschaft gesendet wird, kann der Daumen nur steil nach oben gehen.
Cabaret, Düsseldorf: So viel Stümperei
Ich verstehe die Lobhudelei in einigen Kommentaren überhaupt nicht und stimme der Kritik in allen Punkten zu, würde es teilweise sogar noch negativer beurteilen.
Diese Cabaret Inszenierung ist eine der schlechtesten, die ich je gesehen habe und ich habe einige gesehen wie zuletzt die gelungene in Dortmund vor einigen Monaten. Der Regisseur hat nicht verstanden, worum es in dem Stück geht und leider auch von Regie nicht viel Ahnung im Gegensatz zu einem Gil Mehmert.
Ich kann mir die positiven Zuschauerbewertungen eigentlich nur mit "keinen Vergleich zu anderen gelungenen Inszenierungen" erklären, generell keine Ahnung von dem Stück oder, was oft der Fall ist, persönliche Beziehung zum Theater und dessen Umkreis. Oder warum ist man durch einen kleinen Fehler des Kritikers so getriggert?
In dieser Inszenierung ist so viel handwerkliche Stümperei seitens des Regisseurs, der mir zur Klarheit völlig unbekannt war, somit nichts persönliches, so wenig Substanz. Auch wenn das Buch vielleicht selbst nicht viel hergibt, haben andere Regisseure es in der Vergangenheit geschafft, es grandios umzusetzen, denn die verstanden ihr Handwerk. Dieser Regisseur verdient die Bezeichnung Regisseur nicht. Punkt.
Jeder sollte sich einmal eine Inszenierung von einem Regisseur in der Liga eines Gil Mehmert ansehen, dann weiß er, was für eine unterirdisch schlechte Inszenierung das ist.
Cabaret, Düsseldorf: Was ist das für eine Vendetta?
@Mia: Widerspruch! Interessant, wie unterschiedlich Eindrücke sein können. Ist ja das schöne am Theater. Aber so persönlich zu werden gegen den Regisseur bei einer Inszenierung, bei der ich tosenden Applaus und stehende Ovationen erlebt habe für einen dichten, berührenden, politischen Theaterabend - was ist das für eine Vendetta?
Auch Widerspruch zu den geleckten, sensationsgeilen Mehmert-Inszenierungen. Gerade in Dortmund: Naziflaggen wohin das Auge schaut, schwingende Beine und so viel Distanz zu unserer Gesellschaft wie nur möglich bei einem eigentlich so brandaktuellen Thema. Einigen wir uns auf Uneinigkeit. Aber warum die persönlichen Angriffe, wenn es den eigenen Geschmack nicht trifft (wohl aber den Geschmack vieler anderer)? Was ist das bitte für ein Theater- und Demokratieverständnis? Wenn man selbst nichts versteht, weil man mit dem, was vor einem passiert, nichts anfangen kann, heißt das noch lange nicht, dass alle anderen keine Ahnung haben. Auch aus queerfeministischer und ästhetischer Perspektive ist mir dieser Abend hundertmal lieber als der heteronormative, sexistische und immer gleich geschmierte Mehmert-Quatsch.
Cabaret, Düsseldorf: Keine fertigen Etiketten
Queerfeministisch, heteronormativ, sexistisch - sind wir jetzt nicht langsam an dem Punkt, wo diese Schlagwörter so sinnentleert und vereinnahmt sind, dass es mal wieder Sinn machen würde, sie auszuführen und nicht als fertige Etiketten auf fertige (oft mit sich selbst zu Ende geführte) Debatten zu kleben? Und dem einen vorzuwerfen, dass er zu persönlich gegen einen Regisseur wettert, um die Arbeit des anderen Regisseurs dann als "geleckt", "sensationsgeil" und "Quatsch" abzustrafen... nicht so toll.
Generell: "Handwerklich" als Urteilskriterium sollte in Kritiken zu Aufführungen wirklich gestrichen werden... Einerseits ist das Spektrum, was man als Handwerk bezeichnen könnte so weit gestreut, dass es überhaupt keinen Sinn macht, das als ein Qualitätsmerkmal aufzuführen und andererseits würden die meisten professionellen Kritikerinnen und Kritiker "Handwerk" nicht erkennen, selbst wenn sie im Arbeitsprozess einer Probe anwesend gewesen wären...
Cabaret, Düsseldorf: Kühne Metapher
Vendetta? Blutrache? Ach ja...
Cabaret, Düsseldorf: Gut unterhalten
Wenn viele Menschen sich an einem Abend an einem Stück erfreuen, applaudieren und gut unterhalten werden und gleichzeitig nach einem gruseligen deutschen Lied vor der Pause erschaudern, nicht wissen, ob sie beim Vorhang zur Pause applaudieren oder still schweigen sollen, (...)

(Anm. Es folgt ein Anwurf gegen den Kritiker, der im Bemühen um die Diskussionskultur nicht veröffentlicht wird.)
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