Medienschau: Berliner Zeitung, taz, Welt – Beckett verboten
Keine Prostata
Keine Prostata
7./9. Februar 2023. Berliner Zeitung, Welt und taz greifen einen Theaterstreit im niederländischen Groningen auf, der nun von einigen Stimmen als Exempel der "Verbotskultur" diskutiert wird.
Für das Casting einer Inszenierung von Samuel Becketts "Warten auf Godot" an einem Kulturzentrum waren ausschließlich Männer eingeladen. Begründung: Der Dramatiker hat einst gerichtlich verfügt, dass die Männerrollen in dem Stück nur von Männern gespielt werden dürfen. Das um Gleichstellung bemühte Kulturzentrum untersagte daraufhin die Inszenierung. Ulrich Seidler macht sich in der Berliner Zeitung grundsätzliche Gedanken zum Verbieten von Kunst – und einen Vorschlag.
In der taz weist auch Simone Schmollack auf den Umstand hin, dass Samuel Beckett testamentarisch verfügt habe, dass die Rollen in seinem "1949 fertig geschriebene(n) und 1952 veröffentlichte(n) Stück über zwei Obdachlose, die sich das Warten auf die Antwort an eine von ihnen gestellte Anfrage mit verrückten Spielen vertreiben", nur von Männern gespielt werden dürften.
Wut über das Schweigen
Samuel Beckett übt, so Schmollack, mit seinem Stück manifeste Kritik "an den Zuständen der Welt nach 1945: Gewalt auf den Straßen, Menschenverachtung und Ausbeutung überall auf dem Globus (daher auch Pozzos "Sklave"), Wut über das Schweigen zu den Zuständen daran. Das Warten ist, wenn man so will, Sinnbild für die kritische Zurückhaltung bei der Aufarbeitung der Kriegs- und Nachkriegswelt."
Damit gehört das Stück aua ihrer Sicht auch heute auf die Bühne. "Dass darin nur Männer auftreten dürfen, kann man selbstverständlich kritisieren. Ebenso Becketts maskulinistische Begründung: Frauen haben keine Prostata. Nicht zulässig jedoch ist das Herausreißen des Stücks aus seinem historischen Kontext. Genderfragen spielten nach dem Krieg eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Diese Realität vergessen manche Genderkritiker:innen allzu oft – und schaden damit sowohl ihrer positiven Sache als auch ihrer Glaubwürdigkeit. Und das ist, nun ja, absurd."
Historisches wagen
"Es ist offensichtlicher Unsinn, eine künstlerische Setzung (wie die, 'Warten auf Godot' nur mit Männern zu besetzen) mit kunstfremden Regelungen zu sabotieren, wie es in Groningen geschehen ist," kommentiert in der "Welt" Jakob Hayner die Angelegenheit. "Ist es nicht an der Zeit, den Fall vor Gericht zu bringen? Sollte man nicht im Namen der Kunstfreiheit einen Prozess anstrengen und Geld dafür sammeln? Die Sache betrifft nicht nur Groningen, sondern die gesamte Theaterwelt. Man könnte etwas Historisches wagen, es könnte ein großes Stück absurdes Theater werden. Der Titel: Warten auf die Richter. Nur: Wer traut sich, das zu inszenieren?"
(Berliner Zeitung / taz / Die Welt / sdre / sle)
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Bialik