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Hannover: Ballettchef traktiert Kritikerin mit Hundekot

12. Februar 2023. Bei der gestrigen Premiere des Balletts "Glaube - Liebe - Hoffnung" an der Staatsoper Hannover kam es zu einem Eklat. Wie mehrere Medien berichten, darunter der NDR, beschmierte Ballettchef Marco Goecke die Kritikerin Wiebke Hüster nach einem Streit offenbar mit Hundekot.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, als deren Kritikerin Hüster tätig ist, schildert den Vorgang detailliert. Goecke fühlte sich offenbar durch Hüsters Rezension seines Den Haager Ballettabends "In the Dutch Mountains" provoziert. Deshalb habe Goecke sich Hüster während der Pause im Foyer des Opernhauses in den Weg gestellt, "um zu fragen, was sie in der Premiere zu suchen habe". Er habe mit einem Hausverbot gedroht und ihr vorgeworfen, für Abonnementskündigungen in Hannover verantwortlich zu sein. "Immer stärker außer Fassung geratend, wurde Goecke schließlich handgreiflich: Er zog eine Papiertüte mit Tierkot hervor und traktierte das Gesicht unserer Tanzkritikerin mit dem Inhalt. Danach konnte er durch das dicht besuchte Foyer ungehindert seiner Wege gehen." Mittleweile liefen der FAZ zufolge polizeiliche Ermittlungen; eine Strafanzeige sei "umgehend erstattet worden". 

Auf den Fall nimmt auch eine Pressemitteilung der Staatsoper Hannover Bezug, die in veränderter Fassung auch auf der Homepage der Staatsoper nachzulesen ist: "Wir haben unmittelbar nach dem Vorfall den Kontakt zu der Journalistin gesucht und uns persönlich bei ihr und auch öffentlich entschuldigt", wird dort Intendantin Laura Berman zitiert. Weiter heißt es: "Wir werden die arbeitsrechtlichen Schritte gegenüber Ballettdirektor Marco Goecke prüfen, gemeinsam beraten und dann in dieser internen Personalsache agieren. Wir bedauern sehr, dass unser Publikum durch diesen Vorfall gestört wurde."

Die FAZ hingegen kritisiert die Mitteilung mit den Worten von Frank Rieger, Landesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes in Niedersachsen, als "völlig unzureichend, denn der Angriff auf die Journalistin der F.A.Z. ist auch eine Attacke auf die Pressefreiheit". Sie stellt den Angriff zudem in einen Zusammenhang mit mehreren Fällen der jüngeren Zeit.

Auch in den bekanntesten vergleichbaren Fall war ein FAZ-Kritiker verwickelt: 2006 ergab sich auf einer Premiere im Schauspiel Frankfurt ein Handgemenge zwischen dem Schauspieler Thomas Lawinky und Kritiker Gerhard Stadelmaier. Die so genannte Spiralblockaffäre bewegte danach wochenlang die Feuilletons.

(FAZ / Staatsoper Hannover / geka)

 

Beitrage zur Debatte um das Verhältnis von Kunst und Kritik:

Theaterpodcast #50 mit Kampnagel-Chefin Amelie Deuflhard und FAZ-Theaterredakteur Simon Strauß aus dem Oktober 2022.

Kolumne über die Angriffe auf die Kritik von Michael Wolf (September 2022)

Essay zum Stand der Theaterkritik von Christine Wahl (Mai 2022)

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Kommentare  
Skandal Hannover: Missbrauch
Wie auch immer, ich frage mich schon lange weshalb die Kritiker so oft und immer wieder ihre Macht Position missbrauchen, eindeutig Grenzen überschreiten, Menschen verletzen und keiner tut etwas dagegen! Die "Me too" Bewegung sollte sich auch an Kritiker/innen wenden, die Menschen immer wieder unwürdig behandeln! Was müssen wir Künstler uns an Demütigungen anhören? Warum wird das immer stillschweigend geduldet...da wird leider oft Hass auf Künstler ausgeübt...in einer übergriffigen und belästigenden Art und Weise die dringlichst überprüft werden müsste ! Kritik ist wichtig! Es geht aber darum das das "Wie" in seiner Freiheit nicht missbraucht werden darf um seinen eigenen Frust an Künstlern ab zu lassen...und Andere zu verletzen. Und dies in einer Öffentlichkeit die schweigt. Der Kritiker zieht sich in seine Wände zurück. Der Künstler muss mit den teils herben Verletzungen erneut vor ein Publikum treten und weiter unterhalten. Weiter Tanzen, singen, inszenieren...es ist und bleibt eine Form des Missbrauchs...des Macht- Missbrauchs der immer wieder durch Kritiker/innen ausgeübt wird! STOP!!!
Skandal Hannover: Das geeignete Forum?
Und 50 Jahre vor dem Spiralblock, als die Schauspielerin Käthe Dorsch den Kritiker Hans Weigel ohrfeigte? Kritiker leben gefährlich. Andererseits: man kann es auch so sehen, dass das eigentliche Theater nicht auf der Bühne stattfindet. Ob die Gerichte allerdings das geeignete Forum sind, sei dahingestellt. Von George Bernard Shaw wird erzählt, er habe, als ihm eine Schauspielerin suggerierte, ein gemeinsames Kind mit ihrem Aussehen und seiner Intelligenz wäre ein Übermensch, entgegnet: „Ja, aber stellen Sie sich vor, es käme umgekehrt: es hätte mein Aussehen und Ihre Intelligenz!“ Von einem Prozess ist nichts überliefert.
Skandal Hannover: Pausengepäck
@1 Das ist Ihre Antwort auf den "Vorfall" in Hannover?Im Ernst? Ein Akt der Notwehr oder was?
Wie oft hat man Hundekot in Beuteln bei sich während der Pausen von Tanztheaterpremieren in Staatstheatern?
Und wer @2 sollte hier zuständig sein, als die Gerichte?
Einschlägige Ambulanzen?
Skandal Hannover: Whataboutism
Kommentar #1 ist Whataboutism in Reinform. An Wiebke Hüsters Kritik aus Den Haag gibt es nichts auszusetzen – kritisch, abwägend und sachlich.
Skandal Hannover: Peinlich
Wenn morgen nicht direkt die Absetzung dieser Person bekannt wird, wird es für das Haus wirklich peinlich.
Skandal Hannover: Tiefpunkt
Was für eine Schande!! Ballettchef Marco Goecke sollte sofort zurücktreten. Was ist denn bitte los in Hannover?? Wo leben wir denn, wo man eine unliebsame Kritikerin derart erniedrigt?

Und die Aussage von #1 ist auch schwierig. Wer nicht kritisch beurteilt werden will, sollte vielleicht nicht öffentlich Kunst machen. Kritik ist kein Machtmissbrauch sondern demokratisches Grundrecht.
Skandal Hannover: Kritik der Kritik
Aron hat natürlich Recht, es braucht immer auch eine Kritikkritik. Keine Aufsicht, aber Kritiker:innen müssten sich einer ebenso ernsthaften wie harschen Kritik stellen müssen wie Künstler:innen. Allerdings ist eine Tüte Hundekot mit sich zu führen und sie bei Bedarf zum Einsatz zu bringen wohl nicht der richtige Weg, Kritikkritik zu üben – bzw: So geht es tatsächlich überhaupt nicht. Ich muss gestehen, dass ich schon den Gedanken, mit Hundekot in der Tasche herzumulaufen, recht abwegig finde – da muss man wohl Vorsatz unterstellen.

@Thomas Rothschild: Ihre Anekdote über Shaw kenne ich mit Bismarck und einer ungarischen Gräfin. Wer weiß, in wie vielen Varianten diese Geschichte kursiert.
Skandal Hannover: Grotesk
Der selbstinszenierte Opfermythos von Kommentar #1 dehnt den Begriff des Missbrauchs ins Groteske. Was zum Teufel.
Skandal Hannover: Lieber streiten
Fairerweise muss man sagen: Gar nicht wenige kräftig austeilenden Journalisten geben sich manchmal durchaus als hoch empfindliche Mimosen, sobald umgekehrt Kritik an ihnen geübt wird (das gilt für alle Ressorts, nicht bloß die Theaterkritik). Wer durch seinen Beruf bewusst in die Öffentlichkeit tritt, muss aber ein gewisses Maß an mitunter harter Kritik aushalten können. Das wissen Theaterleute in der Regel seit Jahrhunderten, doch im Bereich Journalismus sind mir einige Leute bekannt, die Kritik und Widerspruch nur widerwillig akzeptieren und sehr persönlich nehmen. Gerade die FAZ zum Beispiel hat schon die Bühne für so manche kapriziöse Diva (geschlechtsneutral gemeint) abgegeben, und keinesfalls bloß im Feuilleton. Klarerweise sind Eitelkeit oder Narzissmus nicht auf Theaterleute beschränkt. Heute stehen übrigens Wege zur Verfügung, wo von der Kritik Beleidigte zurückschlagen können, nämlich die sozialen Medien. Das sollte man nützen. Ein Vorfall wie der oben geschilderte ist extrem überflüssig und nützt vor allem jenen, die der Meinung sind, man möge das subventionierte Theater und die Theaterkritik abschaffen - sodass es nur noch kommerzielles Entertainment sowie kritiklos jubelnde Vorab-Berichterstattung gibt. Das kann weder im Interesse von Theaterschaffenden noch der Kritik liegen. Lieber heftig streiten mit Rede und Gegenrede! Dialektik bitte! Von Frau Hüster sind mir im übrigen nur kenntnisreich, fair und niveauvoll geschriebene Texte bekannt. Aber selbstverständlich wird auch sie persönliche Vorlieben oder Abneigungen haben, die mehr oder minder zum Ausdruck kommen können - that's life.
Skandal Hannover: Körperverletzung
Wenn das alles so stimmt: Das ist körperliche Misshandlung i.S.d. § 223 StGB. Mit Vorsatz.
So was geht gar nicht!
Skandal Hannover: Der Kritiker und die Physikerin
Wegen Behrens und Rothschild: Vielleicht kennt diese Anekdote in diesem Thread auch endlich jemand - wegen der vielfältigen Varianten und so - mit einer Astro-Physikerin und einem Kritiker.
Skandal Hannover: Gustav, der Hund
Marco Goecke hat einen Hund, Gustav, den er oft in einer Tasche mit sich trägt.
Von dem stammen die Fäkalien.
Skandal Hannover: Noch ein „whataboutism“
Abgesehen davon, dass ich das Verhalten von Goecke absolut unentschuldbar finde, frage ich mich bei Frau Hüsters Kritiken schon sehr häufig, ob es nicht auch etwas weniger grundsätzlich abwertend im Ton sein könnte.
Ich vermisse dann die Trennung von objektiver Beschreibung des Gesehenen und persönlicher Bewertung. Auch wenn ich weder betroffen bin, noch einen persönlichen Bezug zu den Kritisierten habe. Kann da die Meinung von #9 nicht teilen.
Nochmal: Das rechtfertigt in keiner Weise das Geschehene!

Einen sehr interessanten und bedenkenswerten Kommentar zu dem Vorfall gab es gestern von Tobi Müller in Fazit ab Min 2.30:

https://share.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.html?audio_id=dira_DRK_b5bfa669
Skandal Hannover: Respekt
Was die Bewertung des Vorfalls angeht, stimme ich Thomas Weckerlin zu: Straftat!
Aber die Wut, die dazu führte, kann ich gut verstehen. Was von Frau Hüsters Kritik der betreffenden Den Haager Aufführung hängen bleiben sind Überschrift und Fazit. Der aus Sachkompetenz kommende Mittelteil dient ja nur zur Unterstreichung. Solche vernichtenden Urteile sind nicht strafbar, sie sind aber das Gegenteil von Respekt! Und für mich als Teil des Publikum spricht eine Kritik keinesfalls,die dem Sinne nach sagt, das Publikum wird abwechselnd irre gemacht oder eingeschläfert. Sie sagt etwas über das persönliche Empfinden der Kritikerin aus, weiter nichts. Da die Kritikerin ihr Geld mit der Kritik verdient, stellt sie für mich auch eher eine dritte Partei dar, die näher an der Aufführungsmaschinerie, ja der Regie zu verorten ist, als am Publikum. Letzteres bezahlt das Geld für den Eintritt, oder die Subventionen, um sich belehren, erbauen oder unterhalten zu lassen.
Skandal Hannover: Muss ausgehalten werden
@#13 Elfriede: Danke für den Link, wo auch auf eine angeblich scharfe Kritik Hüsters bezüglich Goecke hingewiesen wird. Ich finde, das muss ein Choreograf aushalten können und das muss eine Kritikerin schreiben dürfen. Man kann es mit Sensibilität wirklich auch übertreiben. Außerdem ist mir Meinungsäußerungsfreiheit im Zweifel wichtiger als irgendwelche Egos - das muss ich in einer Zeit sagen, die mir leider geprägt zu sein scheint von zu vielen Leuten, die bei Widerworten sofort beleidigt sind oder sogar empört verlangen, nicht beleidigt werden zu dürfen. Außerdem: Wer jemals mitbekommen hat, wie Theaterleute und andere Künstler über Kollegen und deren Arbeiten herziehen, kann über die meisten Kritiken nur milde lächeln. Warum hat Herr Goecke nicht öffentlich über Frau Hüster geschimpft? Ein Streit wäre zivilisierter und für alle Seiten von Vorteil gewesen.

Hüsters Text zum Nachlesen: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buehne-und-konzert/marco-goeckes-neues-stueck-fuer-das-nederlands-dans-theater-18669800.html

@#12 Hundefriseur: Danke für diese wertvolle Info, hoffentlich hat Gustav keine juristischen Konsequenzen zu befürchten.
Skandal Hannover: Tabu
Es ist an der Zeit und längst überfällig, den Beruf des Kritikers neu zu definieren! Zu lange waren Grenzüberschreitungen möglich unter dem Deckmantel der Gedanken Freiheit! Verletzungen als "zu Sensibel" für den Beruf ab zu tun ist eine Form des Missbrauchs. Künstler wären keine Künstler, wenn sie nicht sehr sensibel wären!! Kritiker können viel Zerstörung im innern eines Künstlers anrichten. Aber es ist ein Tabu und gilt als Schwäche darüber zu sprechen!
Skandal Hannover: Umgang mit Kritik
Das Verhalten von Marco Goecke ist unterirdisch!
Hier fünf goldene Regeln für den Umgang von
Künstlern mit Kritik:
1. Beklage Dich nie über eine schlechte Kritik.
2. Bedanke Dich nie für eine gute Kritik.
3. Betätigte Dich niemals als Kritiker.
4. Die Welt ist Dir nichts schuldig.
5. Du ihr aber auch nicht.
Skandal Hannover: Unterton
Ohne Marco Goeckes Attacke entschudigen zu wollen, hier der Hinweis, dass es sich nicht wie jetzt übereilt behauptet "nur" um eine einzelne negative Rezension der FAZ-Rezensentin gehandelt hätte. Vor allem die unten aufgeführte Kritik mit dem Titel "Wer weiß, wie lange sie noch wiederkommen" spielt wohl einen großen Teil der "Vorgeschichte". Darin schließt die Autorin: "Kann es wirklich sein, dass das Theater die Augen vor der eigentlichen Frage verschließt, der Frage, wie lange sie noch wiederkommen werden, die Zuschauer dieser Art von Abendunterhaltung?", worauf Goecke sich wohl vor der Attacke direkt bezog, indem er ihr vorwarf, sie trage eine Mitschuld an Abonnenten-Kündigungen.
Meiner persönlicher Einschätzung nach empfinde ich die Kritiken von Frau Hüster auch öfters als viel zu aggressiv: sie beobachtet und bewertet fundiert...und stellt zieht daraus aber Schlüsse, Forderungen und Drohungen, die meiner Auffassung nach, nicht Bestandteil einer Rezension sein sollten. Ihre gesprochenen Kritiken in "Fazit" tragen für mich auch zu oft den Unterton, dass sie genervt wirkt und dann schnell ein Vokabular auspackt, das auch ich als "vernichtend" empfinde.
Nochmals gesagt: wie ein Künstler darauf reagieren soll, ohne als beleidigte Leberwurst zu gelten, ist eine ungelöste Frage. Wie Marco Goecke reagiert hat, ist nicht zu entschuldigen und beschämend für alle anderen Künstler, die jetzt dadurch in Sippenhaft genommen werden.

Hier der Verweis auf die Rezension:

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buehne-und-konzert/hannover-tanztheater-ueber-oscar-wilde-von-marco-goecke-18413055.html
Skandal Hannover: Wo ist die Re(d)aktion?
Liebe Nachtkritiker*innen, eine klare Reaktion von Eurer Seite sowohl zu diesem die Kollegin Wiebke Hüster und darüber hinaus denkbar grundsätzliche Dinge (Kunstfreiheit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Menschenwürde, Recht auf körperliche Unversehrtheit) betreffenden Vorfall, wie auch zu den teilweise schwer erträglichen Posts in diesem Forum wäre vielleicht angebracht?! Oder habt Ihr kein Problem damit, nach der Publikation von als genehm empfundenen Kritiken in Theaterfoyers verkotet zu werden? Mit dem Verweis auf den Theaterpodcast # 50 macht Ihr's Euch, finde ich, etwas zu leicht.
Skandal Hannover: Falsche Großzügigkeit
Liebe Nachtkritik-Redaktion,
Ich finde es ja sehr grosszügig, dass ihr Äusserungen vorerst unkommentiert stehenlasst, auch dann, wenn sie die (angeblich) übergriffige Kultur der Kulturkritik kritisieren und damit diesen Angriff auf körperliche Integrität z.T. sogar zu entschuldigen versuchen. Aber im Sinne einer zeitgemässen Auffassung von "Achtsamtkeit" und Vermeidung von Relativierung von Machtmissbrauch (auch in den Betriebsprozessen) wäre es dann schon wichtig, wenn ihr dann eine relativierende Triggerwarnung anfügt, wenn ein physischer Angriff auf eine Presse-Person in diesen Kommentaren verharmlost bis legitimiert wird. Es geht hier um Machtmissbrauch eines Künstlers an einer unschuldigen Person, um eine krude Gewalttat. Für die gibt es keine Rechtfertigung. Ganz sicher nicht in Zeiten, in denen Pressevertreter*innen von einer demokratiefeindlichen weltweiten Kampagne verhetzt werden. Wenn einer eine Rechtfertigung/Entschuldigung anbringen müsste, müsste es schon fast der Künstler selber sein. Der weiss am besten, welchen Teufel ihn geritten hat, mit so einem Säckchen rumzulaufen. Aber die anderen, Gewalt relativierenden Kommentare wirken hier wirklich zunehmend degoutant, ja anmassend. Da war Hollywood strenger in der Aufarbeitung der Oscar-Ohrfeige die im Vergleich zu dem Vorfall hier eine harmlose Posse war. Wie auch immer, es gibt hier nur eine Haltung, liebe Kulturkritiker:innen: Schreibt weiterhin kritisch über uns Künstler:innen. Wir sind froh, dass es euch gibt. Und wir verteidigen euch gegen diesen Whataboutism.
Skandal Hannover: Fragwürdig
Die Reaktion der von Steuergeldern finanzierten Oper ist äußerst fragwürdig. "Ruhe und Sorgfalt" seien geboten, die Prüfung arbeitsrechtlicher Schritte sei angedacht. Wie bitte?! Der Typ gehört fristlos entlassen.
Skandal Hannover: Fragwürdig?
@21: wenn man ihn sofort rauswirft, heißt es plötzlich von berufener Seite, man könnte doch nicht ohne vorherige Abwägung etc. jemanden einfach vorverurteilen... wie man (das Theater) es macht, ist es falsch! Ich wüsste Leute, die sofort eine Petition aufsetzen und Solidarität mit Goecke fordern würden
Skandal Hannover: Armer Hund
Finde ich nur widerlich, diese vermutlich kalkulierte Aktion. So schafft MAN sich auch eine Schlagzeile, schafft sich sogar ins Boulevard und kann als Extremer und sensibler Künstler, bewaffnet mit dem Auswurf eines Dackels -("wurde der arme Hund gefragt, ob sein Häufchen im Gesicht eines Menschen landen sollte?) Aufmerksamkeit erregen und gekränkte Seelen hinter sich scharen. Die ewig präsente Diskussion darüber, was Kritiker_Innen schreiben oder nicht schreiben dürfen, dass EINIGE verletzend, ungerecht, unsensibel und sogar inkompetent sind, rechtfertigt diesen verachtenden körperlichen Angriff in keiner Weise. Auf diese Weise Kritik an Kritik zu üben, offenbart eine beschränkte Fantasie darüber, wieviel Formate in unserer Gesellschaft zur Auswahl stehen, sich kritisch mit Kritik und Kritiker_Innen auseinanderzusetzen. Die Kritiker_Innen Zunft stellen nur EINE Macht dar; das Gros des Publikums sollte man nicht für blöd halten und ihm eine eigene Beurteilung zutrauen.
Skandal Hannover: Timing
Die Kritik von Frau Hüster hatte ich am Samstagvormittag gelesen.
Mir fiel besonders der Satz auf, mit dem sie „Hannover“ wohl wachrütteln wollte:
Uns Hannoveranerinnen und Hannoveranern sollte irgendetwas „zu denken geben“, lese ich da.
„Timing“ ist offensichtlich keine Stadt in China, denn genau an diesem Abend war ja die Premiere von „Glaube-Liebe-Hoffnung“. Marco Goecke hat den Abend arrangiert und sein Stück „Hello Earth“ von 2014 aufs Programm gesetzt. Sollten wir uns in Hannover womöglich fragen, warum er bei uns alte Stücke zeigt und in den Niederlanden was Neues inszeniert? Wie es mir heute Abend gehen würde, wenn ich als „Marco Goecke“ zur Premiere in die Hannoveraner Oper ginge, habe ich mich auch gefragt.
PS: Das war ein sehr gelungener Ballettabend.
Skandal Hannover: Goeckes Instagram-Account
Ein Blick auf den öffentlichen Instagram-Account von Marco Goecke offenbart, dass er auch einen Tag später keine Spur von Reue zeigt und in den Kommentaren unter seinem letzten Post selbst kommentiert: "Nach 20 Jahren diese Scheisse lesen war das Maas voll!!" ... spätestens jetzt: unhaltbar.
Skandal Hannover: Strukturen?
Hier scheint es ja um das Erreichen eines emotionalen Ausnahmezustandes gegangen zu sein, in dem das Durchdenken von Handlung und Konsequenzen völlig in den Hintergrund geraten war?

Ist Herr Goecke jemand, der andere ungern belastet, oder wurde er mit etwaigen inneren Spannungszuständen nicht ausreichend gesehen, das frage ich mich heute.

Denn: An deutschen Staats- und Stadttheatern gibt es ja diverse Strukturen, zu deren Aufgaben es gehört, Künstler*innenpersönlichkeiten zu begleiten und zu beraten - z.B. Intendanz, Presse/ÖA und Dramaturgie, ggf auch vor sich selbst zu schützen, und damit das Haus.


Z.B. hätte Aussprechen eines Premierenverbots ohne Frage auch zu Schlagzeilen und ausführlicher Folgedebatte gehört, aber auf einem ganz anderen Niveau. Ein Eklat wie dieser hätte so vermieden werden können.

Manchmal ist das Ausmaß des Seelenzustands eines anderen Menschen aber auch nur schwer einzuschätzen.
Ich psychologisiere etwas unbeholfen hier herum, weil ich fassungslos bin. Eine Tüte mit Hundekot????

Natürlich müssen wir, die nicht Beteiligte sind, unseren Voyeurismus im Zaum halten - die Staatsoper Hannover wird aus arbeitsrechtlichen Gründen eh keine Auskünfte zu Details erteilen können.
Skandal Hannover: Sexismus
#2) Herr Rothschild: Danke für diesen sexistischen Spruch. #7) Und Herr Behrens: Bismarck macht ihn auch nicht besser.

Und Frage: Hätte Goecke auch einem männlichen Kritiker Exkremente ins Gesicht gehauen?
Skandal Hannover: Selbstjustiz
Es gibt ein ausgefeiltes juristisches Instrumentarium, mit dem gegen unzulässige Meinungsäußerungen vorgegangen werden kann, und es gibt darauf spezialisierte Anwaltskanzleien, die bei der Rechtsdurchsetzung helfen.
Dass Herr Goecke stattdessen in einer Weise, die das Opfer in der Öffentlichkeit entwürdigt, Selbstjustiz betreibt, ist in keiner Weise akzeptabel.
Die Kommentare, die Verständnis für Herrn Goecke zeigen, kann ich nicht nachvollziehen.
Ein Theater, in dem Herr Goecke arbeitet, möchte ich nicht betreten.
Skandal Hannover: Neugierig
Das Absurde ist, dass Wiebke Hüsters Kritik zu Goeckes Den Haager Arbeit mich im Grunde neugierig macht. Sätze wie "Man wird beim Zuschauen abwechselnd irre und von Langeweile umgebracht. Dazwischen kommen ab und an zwei genialische, stimmige Minuten" klingen auch deshalb nach einem bemerkenswerten Abend, weil Goeckes Text es erlaubt, sich trotzdem für die Arbeit zu interessieren. "Irre werden" als Zuschauer, das erlebe ich manchmal ganz gerne, die Kritikerin offenbar nicht. Was jemand dann letztlich gut findet, bleibt verschieben. Und genau hier liegt das Problem. Was ich in meiner Zeit als Kritiker an machen Reaktionen der Kritisierten bereits bemerkte, erlebe ich auch auf der anderen Seite in den Häusern immer wieder, die Bereitschaft die Kritiker*innen-Texte als eine Art endgültiges Urteil zu lesen, vergleichbar mit dem Gutachten zu einer Magisterarbeit oder Dissertation. Oft ist die Freude verloren gegangen, sich einfach mal erzählen zu lassen, was jemand, der stundenlang mit irgendwelchen Zügen durch die Gegend reist, erlebt hat, was die eigene Arbeit mit ihm ganz persönlich gemacht hat. Stattdessen wächst die Erwartungshaltung, Kritiker*innen möchten doch bitte "verstehen", was im Programmheft-Erklärtext geschrieben steht (wozu dann die Kritik?). Wie langweilig wären die Theaterrezension, würden nach der unseligen Hannoveraner Attacke noch mehr Kritiker*innen als ohnehin schon, auf Zuspitzungen und klare Haltungen verzichten. Denn mal ganz ehrlich, die Kritiker*innen-Hymnen wären nur noch halb so schön - ohne den pointierten Verriss.
Skandal Hannover: Warum griff niemand ein?
Stell mal vor, alle Leute (das Publikum) standen daneben und keine/r traute sich, eine Intervention zu leisten... (Vermuteten sie vllt. eine Inszenierung während der Pause?)
Skandal Hannover: Kenntnisreiche Kritik
Als Person, die sowohl Rezensionen geschrieben, als auch Stücke inszeniert und dramaturgisch begleitet hat, habe ich Wiebke Hüsters Kritik zu "In the Dutch Mountains" vor ich die zahlreichen Kommentare und Goeckes "Entschuldigung" zu dem Vorfall gelesen.
Ich fand sie kenntnisreich, differenziert und frei von persönlichen Angriffen. Hüster hat Goeckes eigene Aussagen zu dem Stück aufgegriffen und sie als Maßstab zur Beurteilung der Umsetzung verwendet. Zwar wird deutlich, dass sie Goeckes Stil nicht mag, aber sie erwähnt dennoch positive Aspekte des Abends. Sie schreibt ausschließlich über die Goeckes Choreografie, nie über seine Person. Was bitte ist daran beleidigend? Wie #29 bin ich der Ansicht, dass der Text Interesse an dem Stück weckt.
Ich hätte mich gefreut, wenn Produktionen, an denen ich beteiligt war, mit ähnlich differenzierter und kompetenter Kritik bedacht worden wären. Leider waren die Häuser, an denen ich gearbeitet habe zu weit ab vom Schuss, um von der FAZ beehrt zu werden. So mussten wir uns meist mit undifferenzierten Lobeshymnen oder aus dem Programmheft abgeschriebenen Inhaltsangaben zufrieden geben.
Zu Goecke ist alles gesagt.
Skandal Hannover: Gut fürs Theater
Ich kann mich vor Lachen kaum halten, denn Skandale sind immer gut fürs Theater. Sie rütteln die Menschen auf und wecken ihr Interesse für diese Zunft. In Zukunft wird doch jeder Theaterfreund alle Feuillettons zuerst nach den Namen Goecke und Hüster abscannen.
Skandal Hannover: Nicht freigeschaltet
Diesen Text könnt ihr veröffentlichen, wenn ihr wollt, gedacht ist er dafür nicht.
Ich möchte nur meine Enttäuschung vermelden, dass ihr meine beiden Kommentare zu den zwei Goecke/Hüster-Beiträgen nicht freigeschaltet habt.
Ein differenzierter Blick ist wohl unerwünscht - oder seht ihr irgendwas ehrverletzendes in meinen Anmerkungen?
Ihr müsst ja nicht meiner Meinung sein, aber was ihr macht, ist die Beschneidung eines Diskurses. Echt schade - von einem liberalen Portal würde ich mir eine mutigere Haltung erwarten.

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Werter olfi,
Ihre Beiträge haben wir nicht freigeschaltet, weil Sie eine Täter-Opfer Verkehrung betreiben. Ihren Postings liegt die Auffassung zu Grunde, es könnte tatsächlich Gründe geben, die einen derartigen gewalttätigen, körperlichen Übergriff legitimieren. Dieser Haltung möchten wir hier kein Forum bieten, zumal sie anonym vertreten wird.
Freundliche Grüße aus der Redaktion, Esther Slevogt
Skandal Hannover: Zustimmung #27
Liebe Elsa,
vielen Dank für das Benennen. Der erwähnte Beitrag in der Kommentarspalte sowie Goeckes Beitrag im Hundekotbeutel riechen mir ebenfalls beide unangenehm nach Sexismus.
Skandal Hannover: Gruselig
Man stelle sich vor, es ginge bei diesem Vorfall nicht um einen Choreographen und eine Tanzkritikerin, sondern um einen Bundestagsabgeordneten und eine Politikjournalistin. Gäbe es dann auch solch irrlichternde Kommentare, die von vermeintlichen Kränkungen und Karrierezerstörungen faseln? Würde irgendjemand ernsthaft rechtfertigend anmerken, die Journalistin sei über die Jahre zu kritisch mit dem Politiker umgegangen? Gruselig, wie wenig manchen das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Pressefreiheit wert zu sein scheinen.
Skandal Hannover: Gewaltfreie Kommunikation?
(...) Es gibt leider einige Kritiker*innen, die ihren Beruf aus politischer Motivation heraus missbrauchen, um Künstler*innen zu schaden. Erinnern wir uns: Die Süddeutsche Zeitung hat eine regelrechte Kampagne gefahren, um Matthias Lilienthal aus der Stadt München zu drängen. Letztlich hat die Kampagne der SZ die Intendanz von Lilienthal systematisch beschädigt und in der Folge auch beendet. Die NZZ hat das so 2004 mit Marthaler, nun mit Nikolas Stemann gemacht. Auch Frau Hüster hat eine jahrelange Kampagne gefahren gegen Marco Goecke. Nehmen wir ihre Kritik an seiner Arbeit in Den Haag. Was hat diese Aussage in einer Tanzkritik zu suchen: „Das Publikum wird abwechselnd irre oder langweilt sich zu Tode“? Sie kann ja schreiben, dass sich die Tanzsprache von Goecke ihrem Verständnis verschließt. Kein Zuschauer wurde irre, der Abend wurde gefeiert. Insofern kann sich auch das Publikum nicht zu Tode gelangweilt haben. Frau Hüster sollte abrüsten, was ihre Angriffe auf Künstler*innen angeht. Marco Goecke ist einer der innovativsten, interessantesten Choreographen Deutschlands, der eine sehr eigene, besondere Tanzsprache entwickelt hat und großartige berührende eindringliche Arbeiten vorgelegt hat und mehrfach ausgezeichnet wurde. Er war sicher ein Gewinn für Hannover. Leider, leider hat er seine Impulse außerhalb des Probenraumes offenbar nicht im Griff. Auch, wenn ich seine Wut und seine Frustration nachvollziehen kann und Frau Hüsters Texte übergriffig und falsch finde, hätte er nicht diese Hundekotperformance hinlegen dürfen. Ich denke, was er sagen wollte, war: Du beschmierst mich seit Jahren mit Scheiße, nun mache ich das auch mit Dir. In einem performativen Zusammenhang durchaus nachvollziehbar. Aber es bleibt in der realen Welt eben eine Straftat. Die Tat war falsch. Dennoch gibt diese Tat uns die Möglichkeit, einmal neu über dieses Verhältnis von einigen Kritiker*innen zu einigen Künstler*innen nachzudenken. Ich finde, dass wir dieses Denken der alten Printmedien (vor allem eben FAZ, WELT, SÜDDEUTSCHE, NZZ und alles rechts von der NZZ) auf den Prüfstein stellen sollten, also dieses Selbstverständnis, nach dem sie Künstler*innen beleidigen, “fertigmachen“ dürfen, dass sie ungestraft falsche Tatsachen behaupten dürfen, um ihren „Verrissen“ mehr Gewicht zu geben … dass dieses Konzept „der Künstler muss alles aushalten und soll geschmeidig gegenüber jedem Angriff, jeder Verleumdung, jeder Beleidigung, jeder Falschbehauptung bleiben“ unbedingt überdacht gehört genau wie der infantile Stolz einiger Kritiker*innen, wenn sie sich wieder rühmen, das sie jemanden “total verrissen“ haben. Was soll das überhaupt sein „ein Totalverriss“, auf den einige Kritiker*innen so stolz sind? Ist das das Gegenstück zum Regisseur, der seine Schauspieler auf der Probe „total zusammenbrüllt, damit sie sich endlich mal zusammenreißen“? Ist das einfach ein Gefühl von Macht, das da ausgekostet wird, weil es einen irgendwie geil macht, andere fertig machen zu dürfen mit seinen Texten im Feuilleton? Auch einige Kritiker*innen sollten sich endlich mal mit gewaltfreier Kommunikation auseinandersetzen. Es kann nicht sein, dass diese toxische Art, Texte über künstlerische Werke und Menschen und verfassen, einfach so unreflektiert weitergeht.

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Liebe:r "Fassbinders Tante", wir haben Ihren Kommentar in gekürzter Form veröffentlicht, da dieser in Teilen nicht unserem Kommentarkodex entsprach. Dieser ist hier nachzulesen: https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=41.
Das Sie selbst auf die Wertigkeit gewaltfreier Kommunikation hinweisen: Finden Sie es wirklich gerechtfertigt und angemessen, im Zusammenhang einer justiziablen (Gewalt-)Tat über die performative Dimension von Herrn Goeckes Aktion nachzudenken? Die Gleichsetzung eines realen Gewaltaktes mit einer journalistischen Kritik finden wir zudem problematisch. Viele Grüße aus der Redaktion!
Skandal Hannover: Unsachliche Kritik
#31 Ich habe die Kritik auch gelesen und finde sie unsachlich. Ein Kommentar wie "Das Publikum wurde entweder irre oder langweilte sich zu Tode" ist nicht differenziert oder sachlich, er ist polemisch, unsachlich und verletzt selbstverständlich den Künstler des Werkes. Der Kommentar sagt nichts über das Werk aus, sondern nur etwas über die Kritikerin. Natürlich ist es falsch, was der Choreograph getan hat, aber ich finde es auch falsch, wenn wir jetzt diese Begebenheit nicht nutzen, um mal über gewaltfreie Sprache in Theaterkritiken zu sprechen. Wieso muss überhaupt eine Sprache benutzt werden, die Künstler*innen persönlich beleidigt, die ihre Arbeiten diffamiert? Es gibt auch hier einen deutlichen Unterschied zwischen einer sachlichen Kritik, und einem Text, der dem Künstler wehtun soll.
#33 Schade, Frau Slevogt, dass Sie die Texte hier nicht online stellen. Ich würde gerne mehr lesen als nur das eine Narrativ des irren Künstlers. Natürlich ist es nicht in Ordnung, einer Kritikerin Hundekot ins Gesicht zu schmieren. Dennoch hatte diese Tat eine Vorgeschichte. Sie kommt nicht aus dem Nichts. Auch vor Gericht werden diese Fragen geklärt werden. Und für die Theatercommunity insgesamt finde ich die Frage des Umgangs zwischen Kritikern und Künstlern entscheidend: Wie wollen wir miteinander umgehen? Beleidigende Verrisse schreiben, die den Künstler sogar in seiner beruflichen Existenz bedrohen ... und dann sieht der rot und begeht eine Rachetat? Darüber müssen wir doch hier reden können?
#35 Es ist ein Unterschied, ob eine Zeitung über einen Politiker oder über einen Künstler schreibt.
Skandal Hannover: Mikroimperialismus
Gewaltfreie Sprache in der Kritik? Ach ja, am Schönsten ist doch die Kritik, die niemanden kritisiert. Oder eben nur so sehr, wie man es selbst für "richtig" hält. Irgendwie hat mensch das Gefühl, es seien alle mittlerweile unfähig geworden zur Kritik, zum Selbstkritischen, zum Konflikt, zum Dissens. Es ist zum Sterben langweilig. Dann lasst es halt bleiben mit der Kunst. Denn Kunst ohne Konflikt, ohne Provokation, ohne Dissens, ohne Dialektik und dem Aushalten von unterschiedlicher Meinung und auch unterschiedlichen Formen der Kommunikation (!!!), die aufeinandertreffen, ist nicht mehr als bloßes Interieur Design. Überspitzt: geht doch bitte alle in Therapie, statt eure Unsicherheit und Unfähigkeit zur Selbstkritik in jeden Arbeitsprozess, in Social Media und in jedes Internetforum hinein zu schleppen und zu verlangen, dass alle anderen sich in dem Raum so verhalten, wie ihr es für richtig und "gewaltfrei" haltet - das ist auch nichts anderes als eine Form von Mikro-Imperialismus im Kunstbetrieb.
Warum gibt es da einen eklatanten Unterschied zwischen Politiker*innen und Künstler*innen? Weil Repräsentant*innen weniger Gefühle haben? Eine härtere Schale haben? Weniger Rechte haben? Weil sie selber Schuld sind, wenn sie diesen Job machen? Diese Selbstverherrlichung von Künstler*innen, dieses larmoyante Dauergefühl von Überlegenheit, gepaart mit niedrigem Selbstbewusstsein ist zum Schreien. Marco Goecke ist erwachsen, hat(te) eine feste, gut dotierte Stelle als Ballettdirektor, und hätte sich genauso gut dazu entscheiden können, die Kritiken der besagten Kritikerin nicht mehr zu lesen, wenn sie ihn so sehr auf die Palme bringt. ... (es gibt ja hoffentlich noch einen Unterschied zwischen geschriebener Kritik und Leuten Scheiße ins Gesicht zu schmieren oder ihnen in die Fresse zu hauen). Aber in unserer Gesellschaft passiert gerade genau das: Die Menschen sind immer weniger dazu in der Lage, Kritik und Dissens auszuhalten, werden auch noch dazu ermutigt, und irgendwann entlädt sich dann der ganze aufgestaute Mist. Sorry an alle, denen der Post jetzt nicht "gewaltfrei" genug war.

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(Liebe:r Mime, ich habe zwei Sätze gestrichen, die m.E. den Choreographen Marco Goecke unsachlich angehen. Mit vielen Grüßen, E. Philipp aus der Redaktion)
Skandal Hannover: Kritik ist isoliert
Die Kritik ist isoliert. Nicht teamfähig. Sie hat aktuell die Position der ehemaligen Regie-Titanen übernommen.
Skandal Hannover: Zerstörerisch wie die Armada
#39 Man muss doch anerkennen, dass Nachtkritik zumindest versucht, mit seiner Leserschaft und damit mit Theatermenschen in Kommunikation zu treten und neue Formen des Austauschs zu finden. Natürlich gibt es hier Texte und Haltungen, über die ich mich ärgere. Trotzdem ist es weit entfernt von dem Zustand der Tanzkritik, wo, anscheinend aus Mangel an Kritiker:innen, einzelne Personen so eine Meinungshoheit haben.

Das Irrwitzige an der Causa Goecke finde ich, dass er mit seinem inakzeptablen Verhalten und der folgenden mehr als fragwürdigen angeblichen Entschuldigung innerhalb weniger Tage selber seine Bilderbuch-Karriere pulverisiert.
Das hätte nicht mal die missgünstigste Armada bösartiger Kritiker:innen in dieser Vollendung schaffen können. (Achtung: Ironie!)
Skandal Hannover: Zitatensammlung
(...)

"Marco Goecke, dessen nichtssagende Nullitätentänze kein Mensch braucht."
Hüster in ihrem FAZ-Blog 2012

"eine Uraufführung von Marco Goecke, dem neuen Hauschoreographen des verzweifelten Nederlands Dans Theater"
Hüster in ihrem FAZ-Blog 2012

Ich hoffe, das ist wenigstens erlaubt, ohne das Opfer zur Täterin zu machen - das erläutert, dass es nicht nur um eine einzelne Kritik geht.

(Anm. Redaktion. Ein weiteres Zitat ließ sich nicht überprüfen und wurde entfernt.)
Skandal Hannover: Stars
Interessant an dem Thread sind ja die Hinweise darauf, dass es in den vergangenen Diskussionen über Genie- und Star-Regisseure, Stimmen gab, die deren Zeit und Benehmen vermissen werden, und dass das Verhalten der Starkritiker:innen hingegen noch gar nicht wahrgenommen wird.
Skandal Hannover: O-Ton Wiebke Hüster
Erstaunlich gefaßt: Wiebke Hüster im langen O-Ton bei 3SAT am 14. Februar

https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/hundekot-attacke-kritikerin-wiebke-huester-im-studio-sendung-vom-14-02-2022-100.html
Skandal Hannover: Nicht nur sachlich
Vielleicht habe ich was falsch verstanden, aber Kritik muss m.E. nicht ausschließlich sachlich sein. Jeder Text braucht einen beschreibenden Teil, der sachlich genug ist, damit Menschen die das betreffende Stück (noch) nicht gesehen haben nachvollziehen können, worum es geht und wie das erzählt wird. Der Rest ist allerdings notwendigerweise subjektiv. Das ist nunmal das Wesen der Kritik. Es geht um die Meinung der jeweiligen Autor*in zum Stück. Und Meinung ist subjektiv. Diese Meinung kann und darf auch polemisch formuliert werden, denn das macht das Lesen erst interessant. Aber die Polemik sollte auf das Werk bezogen sein und nicht die Künstler*in persönlich oder gar privat angreifen. Keiner der oben zitierten Sätze aus Wiebke Küsters Kritiken ist ein persönlicher Angriff auf Goecke. Wenn er das so begreift, zeigt das nur, dass er ein Problem hat und vielleicht mal eine Therapie machen sollte. Das würde ich auch allen anderen empfehlen, die sich ständig "verletzt" und "beleidigt" fühlen und das wenig überzeugenden Vorwand für gewaltsame Übergriffe mit Kot oder Bomben nehmen.
Skandal Hannover: #patriarchat mit Hexenlegende
Lieber @danichfür,
vielen Dank für diese einordnenden Worte und klare Stellungnahme für eine freie Kritik. Es ist wirklich unglaublich neurotisch oder auch arrogant, wenn Mensch glaubt sich gegen alles Kritische verwehren zu können, weil es schon "verletzend" ist, wenn jemand sagt, mir gefällt aus diesem oder jenem Grund einfach nicht, was Du da gemacht hast. Dieses ganze Geschwurbel von "Machtmißbrauch" im Zusammenhang mit der Kritik, ist schier unerträglich. 30% der Theaterarbeit geht nur noch in "message control" und mein Eindruck ist, dass Theaterschaffende zunehmend unfähig sind, mit Debatte oder Diskurs etwas anzufangen. Das ist leider auch ein gesellschaftliches Problem. In vielen Gesellschaften mit langer demokratischer Tradition gibt es "Debate clubs" in der Schule oder an der Uni, damit junge Menschen lernen respektvoll miteinander zu streiten. Im Romantikerhort Tschörmänie wird stattdessen ernsthaft über die arme, geschundene Künstlerseele von Herrn Goecke gemutmaßt, während Frau Hüster erstmal gar nicht gehört wird. War ja auch eine freche Frau, die es gewagt hat sich kritisch über einen tollen artist zu äußern... #patriarchat Bei uns bildungshubern oder temparementen sich alle in ihre Oberlehrer*innenposition hinein und ertragen offenbar keinen Widerspruch, weil sie es schlicht nicht gelernt haben, damit umzugehen. Nachsitzen, bitte! Frau Hüster hat Goeckes Hexenlegendbildung mit 20 Jahren Verfolgung durch sie glücklicherweise widersprochen. Sie hat nämlich in 17 Jahren auch mal ein paar hymnische Kritiken geschrieben zu den Arbeiten dieses offensichtlich misogynen Künstlers. Aber so viel Differenzierung erträgt das teutsche Künstlerherz wohl nicht... Grow up, people!
Skandal Hannover: 2. O-Ton Wiebke Hüster
Wiebke Hüster mit genauen Details zur Tat und über ihr Berufsethos im langen O-Ton bei Radio NDR Kultur am 15. Februar

https://www.ndr.de/kultur/buehne/Kritikerin-Huester-nach-Attacke-durch-Goecke-War-in-Schockstarre,huester100.html
Skandal Hannover: Frau
Vielleicht darf man zur Frau/Mann-Debatte einfach mal anmerken, dass in der deutschen Tanz-Fachkritik weit überwiegend Frauen schreiben. Goecke hat sich nicht etwa die einzige Tanzjournalistin weit und breit ausgesucht, er hätte eher Probleme gehabt, einen Mann zu finden... Anders als Opern- und Schauspielkritik ist dieses Genre - wie schön!! - seit längerer Zeit fest in weiblicher Hand.
Skandal Hannover: Zitat Schlingensief
Schlingensief: Gehört das nicht dazu? Viele entdecken vielleicht erst jetzt, dass meine Arbeiten immer auch melancholisch oder nachdenklich waren. Ich bin aber kein Leidensbeauftragter, wie viele eingebildete Kranke am Theater. Trotzdem habe ich mit Problemen gekämpft, die mir jetzt bescheuert vorkommen. Es hat mich aufgerieben, wenn etwas nicht ankam, dieser Kampf um die Kritik, dieses Lebenmüssen mit den Verrissen. Bei jeder negativen Kritik gingen sofort die Abwehrkräfte hoch, im billigsten Fall wurde der Kritiker auf die Bühne gezerrt.
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