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Hannover: Staatsoper trennt sich von Ballettdirektor Goecke

Choreograph Marco Goecke © Regina Brocke

16. Februar 2023. Die Staatsoper Hannover trennt sich von ihrem Ballettdirektor Marco Goecke, meldet unser Hannoveraner Nachtkritik-Korrespondent Jan Fischer aus der Pressekonferenz, die zur Stunde in der niedersächsischen Landeshauptstadt stattfindet. Die Trennung erfolge "im gegenseitigen Einverständnis", wie es in der Pressemitteilung heißt.

Nachdem Marco Goecke im Rahmen einer Premiere die Tanzkritikerin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Wiebke Hüster attackiert und mit Hundekot beschmiert hatte, wurde er zunächst suspendiert. Jetzt trennt sich die Oper von ihm. Das gab die Intendantin Laura Berman soeben auf einer eigens anberaumten Pressekonferenz bekannt.

Goecke sei "nicht mehr tragbar", sagte sie dort, wie Jan Fischer berichtet, "eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist nicht mehr möglich." Der Vertrag sei mit sofortiger Wirkung beendet. Falko Mohrs, Aufsichtsratsvorsitzender der niedersächsischen Staatstheater und Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, ergänzte auf der Pressekonferenz: "Das ist inakzeptabel, das ist eine widerliche Tat, das muss man klar so benennen." Der Schritt sei konsequent. Das komplette Statement der Intendanz zur Beendigung des Arbeitsverhältnis mit Marco Goecke finden Sie hier.

Mit der Trennung zieht die Staatsoper die Konsequenzen aus dem Vorfall, der national und international Schlagzeilen gemacht hatte und in den letzten Tagen für viele Diskussionen gesorgt hatte.

Trotz des Vorfalls in Hannover, so berichtete die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf die dpa, muss Goecke keine Folgen für sein Engagement als Artist in Residence am Theaterhaus Stuttgart befürchten. Auch das Nederland Dans Theater möchte weiter Goeckes Inszenierungen zeigen – darunter auch "In the Dutch Mountains", dessen Verriss in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung der Stein des Anstoßes für den Vorfall in Hannover war. Auch die Hannoveraner Staatsoper wolle Goeckes Arbeiten im Repertoire halten, habe Berman mitgeteilt.

Marco Goecke, geboren am 12. April 1972 in Wuppertal, hatte sein Amt in Hannover 2019 angetreten. Zuvor war er von 2006 bis 2018 Hauschoreograph am Stuttgarter Ballett. Ab 2013 wirkte Marco Goecke außerdem als Associate Choreographer beim Nederlands Dans Theater (NDT) in Den Haag sowie ab 2018 als Artist in Residence bei der Stuttgarter Compagnie Gauthier Dance. Er inszenierte an diversen internationalen Theatern, unter anderem in in Tel Aviv, Sao Paulo, bei Les Grands Ballets Canadiens de Montréal, Scapino Ballet Rotterdam, Ballett-Theater München, am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken, an der Wiener Staatsoper und am Theater Augsburg. 2022 erhielt er gemeinsam mit Christoph Winkler den Deutschen Tanzpreis. Nach seiner Attacke auf die Kritikerin Wiebke Hüster wurde Strafanzeige gegen ihn erstattet.

(Staatsoper Hannover / Jan Fischer / chr)

Die Meldung wurde nach Eingang der Pressemitteilung überarbeitet. In einer ersten Fassung war von Entlassung die Rede. Tatsächlich erfolgte die Trennung "im gegenseitigen Einverständnis". Eine weitere Korrektur betrifft Goerckes Position in Stuttgart: Er war dort Hauschoreograph und nicht, wie zuvor geschrieben, Ballettdirektor.

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> Lesen Sie hier den Kommentar von Jan Fischer zur Pressekonferenz und zum dort bekundeten Verständnis von Kunst und Kritik.

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Kommentare  
Goecke scheidet in Hannover aus: Rausschmiss geht anders
Für mich liest sich die Pressemitteilung aber ganz anders:
"Beide Parteien haben im gegenseitigen Einverständnis beschlossen, seinen Vertrag als Ballettdirektor mit sofortiger Wirkung aufzulösen."
Da ist niemand entlassen worden. Weder fristlos noch fristgerecht. Die Inszenierungen von Marco Goecke werden weiter gespielt. Über das Finanzielle ist da sicher Verschwiegenheit vereinbart worden. Man trennt sich doch eher schweren Herzens von Goecke, wenn man die Verlautbarung der Intendantin in der PM richtig interpretiert. "Es gibt den Leitenden Angestellten Marco Goecke, der in einer Führungsposition nicht nur auf künstlerischer Ebene, sondern auch als Abteilungsleiter für die gesamte Ballettcompagnie verantwortlich ist und diese Verantwortung immer ernst genommen hat. Und dann gibt es den Menschen Marco Goecke, den wir alle als mitfühlenden, rücksichtsvollen, humorvollen, gelegentlich sehr verletzlichen Menschen kennen- und schätzen gelernt haben. Ein Mensch, der seine Verletzlichkeit auch künstlerisch aufgearbeitet hat, beispielsweise in seiner Arbeit Thin Skin. Ein Mensch, mit dem wir bisher kollegial, konstruktiv und ohne irgendeine Form von Aggression von seiner Seite zusammengearbeitet haben. Deswegen hat uns sein Verhalten umso mehr verstört. Angesichts der zum Teil drastischen Forderungen von Teilen der Medien und der Öffentlichkeit war es für mich als Intendantin und direkte Vorgesetzte eine große Herausforderung zwischen diesen unterschiedlichen Ebenen eine in rechtlicher, menschlicher und künstlerischer Hinsicht vertretbare Lösung für diese Situation zu finden." usw.
Also ein Rausschmiss ist was anderes.

(Anm. Den Passus zum "gegenseitigen Einverständnis" haben wir nach Eingang der Pressemeitteilung ergänzt.)
Goecke scheidet in Hannover aus: Position in Stuttgart
In der Meldung von heute schreiben Sie, dass Marco Goecke von 2006-2018 Ballettdirektor in Stuttgart gewesen sei. Das ist doch ein wenig zu viel der Ehre...

(Anm. Redaktion. Vielen Dank für den Hinweis! Der Fehler ist berichtigt.)
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