Sie müssen sich nichts vorwerfen

22. Februar 2023. Apiyo Amolo und Thomas Schmidt waren in den letzten Jahren beratend am Schauspielhaus Zürich tätig. Sie finden, dass Nicolas Stemann, Benjamin von Blomberg und ihr Team sich um die Entwicklung eines neuen Stadttheaters verdient gemacht haben: mit beispielhaften Veränderungen, die Vorbildwirkung haben sollten.

Ein Gastbeitrag von Apiyo Amolo und Thomas Schmidt 

Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg © Flavio Karrer

22. Februar 2023. Warum jetzt schon wieder? Warum diese kulturpolitische Rückwärtsrolle in Zürich? Alles erinnert an den Eklat, als vor 20 Jahren der auf dem Theatertreffen 1997 als "Theaterregisseur des Jahrzehnts" ausgezeichnete Christoph Marthaler aus dem Amt des Intendanten gejagt und die Stadt Zürich von einem Kulturkampf zerrissen wurde. Wir sind sprachlos, dass sich dieser Vorgang wiederholt, dass die Stadt Zürich und ihre kulturpolitisch Verantwortlichen erneut zwei mutige und innovative Intendanten aus dem Amt drücken und damit das Projekt Schauspielhaus Zürich bereits nach fünf Jahren Intendanz beenden.

Das Ende der Intendanz Stemann/von Blomberg bedeutet natürlich mehr und geht weit über das hinaus, was ein turnusmäßiger Wechsel mit sich bringt. Im Grunde genommen hat die Stadt Zürich der Idee eines Stadttheaters der Zukunft und den Teilen der Belegschaft gekündigt, die sich auf dieses Projekt eingelassen und in den letzten Jahren hart dafür gearbeitet haben. Das schlägt Wunden, und ein fragiler Theatermechanismus heilt nur langsam, ehe er wieder die Qualität erzielen kann, die es für künstlerische Spitzenleistungen braucht.

Es tut uns leid, dass nicht die große Chance gesehen wurde, den ein künstlerischer Neuaufbruch mit sich bringt, der mit einer strukturellen Reform verbunden ist. Es kann in diesem Moment kein Trost sein, dass jedes Theater, das Neues wagt und damit neue Pfeiler einschlägt, die Grenzen ein Stück in Richtung Zukunft verschiebt. Und, soviel vorweg, die Kolleg*innen am Schauspielhaus Zürich haben diese Grenze deutlich verschoben und damit neue Maßstäbe gesetzt, beim Suchen und Finden der Stadtgesellschaft und ihrer Communities, und in der Reflektion neuer Wege mit Publikum und Programm in den sich verändernden Strukturen des Theaters.

Die Leistungen der beiden Intendanten weisen nach außen und innen. Ihnen und ihrem Team ist es gelungen, das Haus zu öffnen, neue, diverse Publikumsgruppen zu gewinnen und ihnen eigene Räume zu geben. Menschen konnten plötzlich partizipieren, die bislang keinen Zugang zur bürgerlichen Institution Theater hatten.  Man muss hierbei die Besonderheiten der Vielvölkerstadt Zürich berücksichtigen: über 32 Prozent der Zürcher Bevölkerung sind internationaler Herkunft und nicht eingebürgert, sie entstammen rund 170 verschiedene Nationalitäten. Über 20 Prozent der Zürcher*innen geben Schweizerdeutsch oder Hochdeutsch nicht als Hauptsprache an. Zudem verfügt die Stadt Zürich über eine große und aktive LGBTQIA+-Szene.

Breites Angebot für alle

Damit die Besucher*innen möglichst viele unterschiedliche Inszenierungen und Kunstformen am Schauspielhaus entdecken und sich auch immer wieder von einem Theaterabend überraschen lassen können, hat die Zürcher Dramaturgie ein breites Angebot gestrickt, das allen Bevölkerungsgruppen den Zugang ermöglicht. Es wurden verschiedene Formate am Haus eingeführt, die zum Ziel haben, bislang marginalisierte Zuschauer*innengruppen aktiv anzusprechen und einzuschließen. Neben den Bühnenstücken (vor allem Uraufführungen), die sich auch inhaltlich mit Diversitätsfragen auseinandersetzen, gibt es die Reihe enterspaces, die von Miriam Ibrahim und Brandy Butler kuratiert wird.

Es gibt Vorträge, Workshops, Talks, und Zuschauer*innen-Gruppen haben das Wort und sind bestrebt, Safer Spaces für bislang marginalisierte Gruppen einzurichten. Dabei wollen die BIPoC*-Gruppen nicht unter sich bleiben, sie haben inklusive Meet & Greet Veranstaltungen entwickelt, die sich zwar an alle richten, aber die auch klar als ein Zeichen der Repräsentation von BIPoCs in verschiedenen Kunstformen gesetzt werden. Hinzu kommen Reihen, in denen Autor*innen, wie Sharon Dodua Otoo und Hengameh Yaghoobifarah gelesen haben und auf eine reichhaltige und exquisite diverse Literatur verweisen, die im Schauspielhaus Zürich für alle Zürcher zugänglich gemacht wird.

Dass die Reihen in den Zuschauersälen diverser werden und man von einer inklusiven Theaterpraxis sprechen kann, machen erste kleinere Umfragen am Haus und regelmäßige Saalbeobachtungen deutlich. Sie werden von Aufnahmen schwenkender Kameras bestätigt, mit denen jüngere Diskussions-Abende mit einem diversen Publikum zum Beispiel im Schweizer Fernsehen und auf 3Sat-Kulturzeit ausgestrahlt worden sind. Wenn man die Kritiker*innen des vermeintlich viel zu "woken" Zürcher Schauspielhauses jedoch in den Medien hört, könnte man fast vermuten, dass bald keine Premierenplätze mehr für weiße Besucher*innen frei sein werden. Das ist natürlich Unfug.

Es sind immer nur kleine Gruppen, die am lautesten Krach schlagen und auf sich aufmerksam machen. Und so wundert es nicht, dass das, was von einigen Medien als cultural clash verkauft wird, vielleicht doch eher das Resultat konservativer Kulturpolitik sein könnte, die nach den Hebeln der Macht schielt und erste Restaurierungsmaßnahmen in Auftrag gegeben haben könnten. Aber ein Narr ist, wer hier zu viel spekuliert.

Contre Enquetes 05 805 Philippe Weissbrodt uAus der Inszenierung "Contre-enquêtes" von Nicolas Stemann © Philippe Weissbrodt

Auf struktureller Seite hat sich das Schauspielhaus mindestens ebenso stark verändert wie auf der programmatischen: Aus einem hierarchischen Haus wurde ein neues, flacheres Organisationsmodell mit Doppelspitze und einem Team aus acht Hausregisseur*innen entwickelt. Uns war klar, dass das nur der Anfang sein kann. Es muss weitergehen, mit einer noch größeren und breiteren ersten Leitungsebene und noch flacheren Hierarchien und kürzeren Informationswegen. Aber es war ein guter Anfang.

Ein struktureller Coup war, dass die beiden Intendanten nicht nur mit einem divers zusammengesetzten Ensemble, sondern auch mit einem diversen Team aus Hausregisseur*innen zusammenarbeiten. Auch die Neubesetzung von Stellen in der Administration hat zu einer größeren Diversität geführt. Eine hochqualifizierte und engagierte Diversitätsbeauftragte, Yuvviki Dioh, die wir im Kompass-Team kennengelernt haben, wacht über diese Prozesse. Sie ist kürzlich erst als Züricherin des Jahres 2022 vom Stadtmagazin Tsüri.ch gekürt worden.

Yuvviki Dioh ist Teil der Leitungsrunde und kann unabhängig von Hierachiestufen ihr Plazet aussprechen, ob es um Neubesetzungen, um interne Konflikte, die Arbeit der Dramaturgie und der Hausregisseur*innen oder öffentlichkeitswirksame Gespräche geht, wie kürzlich mit dem Zürcher Schauspieler Sebastian Rudolph, mit dem sie sich zu einem öffentlichen Streit-Gespräch getroffen hatte. Sie wird – anders als an deutschen Häusern – aus dem Personalbudget des Hauses bezahlt, was auch in der Bundesrepublik ein Standard werden müsste, für die Zeit, wenn sich die Kulturstiftung des Bundes eines Tages aus der 360°-Finanzierung zurückgezogen haben wird.

Die drei Pfeiler einer guten Personalpolitik

Zudem hat das Team um Stemann und von Blomberg ein Personal-Entwicklungs-Konzept, ein Reglement zum Schutz der persönlichen Integrität und einen Code of Conduct (Verhaltenskodex) entwickelt, die wir als die drei wesentlichen Pfeiler einer guten Personalpolitik, eines guten Miteinanders und guter Arbeitsbedingungen betrachten, die jedes Theater haben sollte.

"Das Schauspielhaus Zürich schützt die Persönlichkeit und Würde aller Mitarbeitenden (Festangestellte, Temporäre und Gäste (Mitwirkende im Auftrag)). Diese haben Anspruch auf Schutz der physischen und psychischen Unversehrtheit am Arbeitsplatz“, steht in der Präambel des Reglements, das zugleich auch als Konzept für modernes Konfliktmanagement dient. Es kann als Leitmotiv der Personalpolitik betrachtet werden.

Die Führungskräfte und Mitarbeiter*innen werden regelmäßig geschult und die Personalpolitik wird familienfreundlich gestaltet. Neue Mitarbeiter*innen, die an das Haus kommen, durchlaufen einen Willkommensprozess (Onboarding), ein betriebliches Gesundheitsmanagement wurde eingerichtet, alle Stellen haben Funktionsbeschreibungen und Verantwortungsbereiche werden klar festgehalten. Es gibt zu allen Produktionen Nachbesprechungen, Arbeits- und Probenprozesse werden nachbereitet. In regelmäßigen Klausuren und in Arbeitsgruppen werden diese Prozesse weiterentwickelt. Und zu all dem ist es gelungen, ein dichtes und künstlerisch anspruchsvolles Programm anzubieten.

Die Trias wird ergänzt durch eigens entwickelte Werkzeuge: Es gibt die Teamzeit, das heißt allen Mitarbeiter*innen werden drei Arbeitsstunden je Monat zur eigenen Verwendung geschenkt, die jede und jeder für sich – ob in Gruppen oder allein, ob für eigene oder kollektive Projekte nutzen darf. Das sind immerhin vier volle Arbeitstage pro Person im Jahr, knapp 1400 Arbeitstage für die gesamte Belegschaft. Aus dieser Teamzeit sind eine hauseigene Bibliothek und ein Theater-Garten entstanden, zudem gibt es viele kleinere und größere selbstgewählte Projekte und Lerngruppen, in denen sich die Mitarbeiter*innen in selbstorganisierten Workshops und eigener Regie fortbilden.

Es gibt auch Kritik: Nicht alle im Theater waren gleichermaßen von Anfang an hellauf begeistert über die schnellen Veränderungen, aber das wurde nicht weggedrückt, sondern diskutiert. Und natürlich wurden auch kleine und größere Fehler gemacht, Fehler, die in anderen Städten weitaus weniger diskutiert und auf die Folgen der Pandemie geschoben worden sind. Zuschauer*innen aus wichtigen bürgerlichen Gruppen der Zürcher Gesellschaft gingen verloren, was Benjamin von Blomberg vor laufenden Kameras ohne Umschweife zugegeben hat.

Wilhelm Tell SHZ Foto c Philip Frowein 1"Wilhelm Tell" von Milo Rau, eine unkonventionelle Inszenierung des Stoffs © Philip Frowein

Die neue Zürcher Dramaturgie hatte Auswirkungen auf das Programm und unternahm den Versuch, den männlichen geprägten weißen Kanon zu durchbrechen und zu erweitern. Das war für viele gewöhnungsbedürftig. Die beiden Intendanten haben genau diesen Punkt mit den aufgebrachten Teilen der Zuschauer*innen intensiv diskutiert – dazu gehört Courage. Wenn allerdings die Kritik an den Intendanten zur Generalabrechnung wird und kurz danach gleich das Aus kommt, können die beiden nun nicht mehr beweisen, dass es ihnen hätte gelingen können und womöglich gelungen wäre, die verloren geglaubten Zuschauer*innen wieder zurückzugewinnen.

Das erinnert an eine Zeit der Zensur, an ein Berlin um 1900, in einer Zeit, in der Otto Brahm und später Max Reinhardt den Berliner Zuschauer*innen mit den Naturalisten und Realisten ein völlig neues Programm vorgestellt haben, das anfangs in Arbeiter-Theatervereinen gezeigt werden musste, weil es die bisherige Sicht auf das Programm und das Bild des Theaters völlig zu sprengen schien und die Zensur des preußischen Standes nicht überstand. In zwanzig Jahren wird der Schritt, die Intendanz am Schauspielhaus Zürich nicht verlängert zu haben, auch in bürgerlichen Kreisen sicher ganz anders bewertet werden als heute.

Das Theater kann nur bestehen, wenn es sich rasch weiterentwickelt. Wie sagt Albert Einstein so schön: "Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert." Da müssen wir schmunzeln, denn den opportunistischen Satz "Die Veränderungen werden schon von allein kommen“ haben wir beide des Öfteren in ganz unterschiedlichen Kontexten gehört. Theater machen heißt eben doch, immer wieder neue Risiken einzugehen.

Die Zürcher Kulturverantwortlichen hätten diese Entwicklungen antizipieren müssen, sie kannten die Lebensläufe und die künstlerische Arbeit der beiden Intendanten und hatten sich mit diesem Team bewusst für ein offenes, diverses und inklusives Theater entschieden, das gewiss mehr als fünf Jahre Zeit brauchte, um Früchte zu tragen und sich zu etablieren – Zeit, die Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg nicht mehr bekommen haben. Warum nun dieses abrupte Ende ohne Klarheit?

Wir bedauern, dass sich alles so schnell wieder dem Ende zuneigt, weil wir aus den Gesprächen mit den beiden und aus der Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen des Hauses eine große Hoffnung geschöpft hatten, dass sich mit dem Schauspielhaus Zürich ein längerfristiges Modell eines Theaters der Zukunft etablieren könnte. Endlich haben wir ein belastbares Theatermodell – und es ist bereits im kommenden Jahr zum Sterben verurteilt?

Einblicke in einen Reformprozess

Warum wir diese Binnensicht haben und dennoch von außen berichten können, warum wir uns hier so öffentlich bekennen und einsetzen, hat verschiedene Gründe, verwurzelt in dem Umstand, dass wir das Haus im Gast- und Beobachterstatus gut kennenlernen durften. Wir beide wurden vor etwas mehr als einem Jahr gebeten, die Kolleg*innen des Hauses bei der Entwicklung eines Code of Conduct von außen zu begleiten, zu beobachten und die hierfür nötigen Prozesse zu moderieren. Thomas wurde angefragt, weil er zuvor den beinahe zwei Jahre laufenden Prozess der Entwicklung des Code of Conduct von FAIRSPEC, einer Organisation für Faire Zusammenarbeit und Arbeitsbedingungen der Schweizer Freien Szene, studiert und begleitet hatte. Apiyo wiederum ist in der Zürcher diversen Stadtgesellschaft als Aktivistin, Politikerin und Künstlerin tätig und war deshalb prädestiniert, den Prozess aus der Sicht der Communities zu moderieren. Unsere heutige Begeisterung ist allerdings erst später gekommen. Anfangs war vor allem unser kritisches Auge gefragt. Wir wollten als unabhängige Betrachter*innen genau prüfen, ob alles Gold ist, was glänzt – oder nur eine Sammlung schicker woker Begriffe und Instrumente. Wir nahmen uns vor, besonders kritisch zu sein, wurden aber durch die vollzogenen Reformen, die entstehenden Konzepte, die Offenheit der Mitarbeiter*innen, die Selbstkritik, das Engagement der Kolleg*innen und den Prozess der Entstehung des Kodex eines Besseren belehrt.

Die einschlägigen Wirtschaftslexika bezeichnen einen Kodex als eine Zusammenstellung von freiwilligen Normen und Regeln, die den Mitarbeiter*innen empfohlen werden, um gemeinsam bestimmte machtkritische Personalkonzepte, um Diversität, Inklusion und ein Klima des freundlichen und kooperativen Miteinanders durchzusetzen statt der bislang oft noch herrschenden Prinzipien der Hierarchie und der Angst. Psycholog*innen und Anthropolog*innen haben erkannt, dass die Motivation und die Arbeitsleistungen bei guten und gesunden Arbeitsbedingungen steigen. Daher ist es eher verwunderlich, dass diese Konzepte nicht längst schon inhaltlich breiter gefasst als bislang, für alle Theater verbindlich werden.

Wir haben in dieser Zeit eng mit den Kolleg*innen zusammengearbeitet, die aus den zehn großen Kollektiven des Theaters (Ensemble, Regisseur*innen, Dramaturgie, Administration, Werkstätten, Technik, Personalabteilung, Diversitätsbeauftragte, KBB und Besucherdienste/Kasse) entsandt worden waren, um überhaupt erst einmal zu verhandeln, ob ein Kodex nötig ist und wie man dessen Entwicklung konzeptionell anlegt. Wir erinnern uns an die nachmittäglichen Diskussionsrunden noch immer mit einer großen Intensität, weil viele Bereiche, die in diesem Kodex ausgearbeitet wurden, weit über das hinausgehen, was an Kodizes im Theater heute üblich ist.

Die deutschen Kolleg*innen kennen bereits den Kodex des Deutschen Bühnenvereins, den dieser verabschiedet und breit beworben hat, vor allem als Antwort auf die entfachte Diskussion über Macht und Machtmissbrauch in der Theaterlandschaft. Der etwas verkürzte deutsche Kodex bezieht sich vor allem auf den sexuellen Missbrauch, der in den letzten Jahren zu Beschwerden, Konflikten, Krisen und gekündigten Intendanten geführt hat.

Der Zürcher Kodex hingegen, den das Entwicklungsteam Kompass genannt hat, setzt Maßstäbe, weil die Intendanten zwar den Impuls gegeben, sich aber nicht mehr aktiv in den Prozess der Entwicklung eingemischt haben. Allein dieser Prozess war Ausdruck von echter Partizipation und geteilter Macht, wie wir es bis dahin im Theater nur in den seltensten Fällen erlebt haben. Beide haben losgelassen und ihren Mitarbeiter*innen völlig vertraut.

Radarsystem für Arbeitsbedingungen

Am Kodex des deutschen Bühnenvereins hingegen war keine einzige Spieler*in, keine einzige Mitarbeiter*in beteiligt, so, wie im Bühnenverein noch immer die Stimmen der Ensembles bei den Tagungen und in den Gremien fehlen, um eine echte Repräsentanz der Theater und ihrer Mitarbeiter*innen zu entwickeln. Über die Zukunft der Theater zu verhandeln, ohne dass diejenigen vertreten sind, die als wichtigste Stakeholder zuerst gehört werden müssten, wird hoffentlich bald der Vergangenheit angehören.

Im Gespräch mit den Kolleg*innen in Zürich tauchte immer wieder die Metapher eines Schiffes auf, das man mit einem Kompass auf dem richtigen Kurs halten muss. Der Begriff des Kompasses war für uns deshalb auch ein Leitmotiv, uns mit den wichtigsten und nicht verhandelbaren Wertgruppen zu beschäftigen, die die Arbeit am Theater leiten sollten. Diese Wertgruppen bildeten gemeinsam das Radar-System für gerechte, inklusive, diverse Arbeitsbedingungen und ein solidarisches Miteinander aller Mitarbeiter*innen. Jeder dieser Werte war für sich gesprochen etwas selbstverständliches, aber gemeinsam und im Kompass vereint, bildeten sie den bis dahin höchsten Standard an Arbeitsbedingungen im Theater ab.

Die Mitarbeiter*innen haben den Kompass wie ein hochwertiges Präzisions-Instrument zusammengebaut. Ihnen dabei zuzusehen war beeindruckend und zeugte bereits von der Sensibilität für die Themen eines Theaters der Zukunft.

Der Prozess selbst war auch deshalb komplex und langwierig, weil die Vertreter*innen im Kompass-Team den Arbeitsstand immer wieder in ihre Abteilungen zurückspeisten. Das, was an Bemerkungen, Anregungen und Wünschen kam, brachten sie in die nächste Sitzung mit ein. Wie Bienen, die mit Pollen bepackt in den Bienenstock zurückfliegen.

Ödipus1 Philip Frowein uPatrycia Ziólkowska und Alicia Aumüller in "Ödipus Tyrann" © Philip Frowein

Die Menschen die im Schauspielhaus Zürich zusammenarbeiten, stehen im Mittelpunkt dieses Kodex, das ist der zentrale Baustein. Der Kompass besteht aus zwei Teilen, er verweist im ersten Teil auf fünf große Wertegruppen und im zweiten Teil auf eine Toolbox, in der sich die Instrumente befinden, die nötig sind, um die Werte zu leben und das innere Klima und das soziale Gleichgewicht im Theater so aufrechtzuerhalten, dass keine Schieflagen und Asymmetrien entstehen.

Wertegruppen von Diversität, Inklusion, Gleichstellung und Zugehörigkeit (Gruppe 1) bis Wertschätzung, Respekt und Freude (5) beschreiben einen Theaterbetrieb, in dem
- die künstlerische Arbeit,
- die Begegnung und der Austausch mit dem Publikum und
- den Menschen und communities der Stadtgesellschaft
mit teamorientierter und wertschätzender Zusammenarbeit im Haus Hand in Hand gehen.

Natürlich gibt es verschiedene Wege, die Zukunft der Theater zu beschreiben und zu gestalten. Hierzu gehört – wie in Zürich gelebt – zumindest ein machtkritischer Ansatz, der das herkömmliche Intendanzmodell und die damit verbundenen Organisationsprinzipien in Frage stellt und verändert, in dem Macht und Entscheidungshoheit nicht nur geteilt, sondern in einem zweiten Schritt über partizipative Modelle zugänglich gemacht werden.

Theater ist Risiko

Zürich ist, soweit wir das beurteilen können, diesen Weg künstlerisch und konzeptionell sehr ernsthaft und vor allem immer sehr ehrlich gegangen und hat damit eine große Strahlkraft entwickelt. Das gefällt nicht zwingend Jedermann. Vielleicht kann man es so zusammenfassen, dass die Verantwortlichen der Stadt Zürich dafür immer noch nicht oder plötzlich nicht mehr bereit waren. Dafür gibt es einige Gründe, auch Fehler haben wir bereits aufgezählt. Fehler, jedoch werden überall gemacht – Theater und Risiko sind natürliche Zwillinge. Das Risiko, sich zu exponieren, seine Träume auf die Bühne zu bringen, die Welt verändern zu wollen – und zu seinen Träumen auch noch öffentlich zu stehen. Dazu gehört Mut. Sehr viel Mut.

Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg sind dieses Risiko gemeinsam mit ihren Mitarbeiter*innen eingegangen und müssen sich nichts vorwerfen, denn aus den Augen sehr vieler Menschen, wir eingeschlossen, entfaltet das Schauspielhaus Zürich gerade jetzt seine Strahlkraft, seine Wirksamkeit und seine große Legitimation. Die beiden sind nicht nur in der Lage, große Künstler*innen in ihren Reihen und auf ihren Bühnen zu versammeln, sondern auch einen Diskurs in einer Wahrhaftigkeit und Intensität mitzugestalten, wie es sehr wenige vor ihnen gewagt haben. Und sie sind das Risiko eingegangen, daran zu scheitern – oder gegen geschlossene Türen zu rennen, wie gerade geschehen.

Kunst ist Revolte

Deshalb sollte man nicht so sehr beachten, was in eher konservativen Blättern getönt wird. Die theaternahe Blase hat zudem leider die völlig unnötige und unwürdige Angewohnheit angenommen, aus Frust, Neid, Eifersucht oder Langeweile das schlechtzuschreiben, was anders, fremd, neu und mutig ist. Auch in den Kommentarspalten von nachtkritik.de, hinter dem geschlossenen Visier eines Pseudonyms, taucht immer mal wieder der fürchterliche Begriff woke oder wokeness auf, mit dem alle Versuche auf subtile Weise abgetan werden, die sich ernsthaft mit institutionen- und machtkritischen, diversen und postkolonialen Positionen am Zürcher Schauspielhausaus und in ihren Produktionen auseinandersetzen, und zwar sowohl künstlerisch als auch strukturell. Diese Versuche als woke zu bezeichnen zeugen von großer Arroganz. Wir können nicht mehr hinter diese Positionen zurückgehen, nicht in der Gesellschaft, in der wir heute leben, und schon gar nicht im Theater, wo wir die Aufgabe haben, die Gesellschaft abzubilden und zugleich auch vorauszuschauen und ihr vorauszugehen. Wie sagt Albert Camus? Kunst ist die Revolte gegen die unvollkommene Welt.

Dies soll noch kein Abgesang sein, alles andere als das, denn am Schauspielhaus Zürich wird noch ein Jahr lang eines der ganzheitlichsten Theaterprojekte vorangetrieben, das es in der deutschsprachigen Theaterlandschaft in den vergangenen zwanzig Jahren gegeben hat. Vielleicht ging das alles ein wenig zu schnell und unvorbereitet für diejenigen, die die alten Gewohnheiten nicht missen wollten. Das könnte man beim nächsten Mal vielleicht noch klüger einfädeln und mit noch mehr Vermittlungskraft begleiten können.

Dabei waren Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg immer selbstkritisch und reflektiert. In einem ersten ausführlichen Interview, dass Thomas vor zwei Jahren mit ihnen führen durfte, um Material für eine nächste Publikation zu sammeln, konnte er Zeuge davon werden. Die beiden haben sich nicht verschlossen, Partizipation ging für sie auch soweit, bereits in einem frühen Stadium selbstkritisch über das Erreichte und das noch Unerreichte zu resümieren. Auch deshalb möchten wir festhalten, wie es wirklich war, bevor es vergessen ist. 

Jetzt geht in Zürich wieder die Suche nach einer neuen Intendant*in los. Was für ein immenser Kraftaufwand für alle Beteiligten und, vor allem, für die Mitarbeiter*innen am Haus. Vieles erinnert an den traurigen Absch(l)uss der Ära des großen Christoph Marthaler am Schauspielhaus Zürich. Theatergeschichte wiederholt sich nicht zum ersten Mal und vieles ist ewige Wiederkehr auch in unserem Kosmos.

Wir hoffen nun, dass die beiden mit ihren Künstler*innen und Kolleg*innen noch einen guten Abschluss haben werden und das Theater als das feiern können, was es sein soll: ein Kraftquell und ein Fest für die Menschen, das durchaus anstrengend und umwälzend sein darf. Denn von alleine wird sich nichts ändern. Toi, toi, toi für die Zukunft!

Wahl ChristineYvonne Apiyo Brändle-Amolo ist eine Schweizer Aktivistin, Künstlerin und Kuratorin und schreibt ihre Doktorarbeit über Gender, Diversität, Politik und Technologie.



 
Wahl ChristineDr. Thomas Schmidt ist Professor und Direktor des Masterprogramms Theater- und Orchestermanagement an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst.



 
Alle relevanten Texte zum Thema sind im Topthema Schauspielhaus Zürch versammelt.

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    Kommentare  
    Schauspielhaus Zürich: Grotesk
    Dieser Text ist grotesk. Da fehlen einem wirklich die Worte. Diese Form von Beweihräucherung und ehrfürchtig-unterwürfiger Heldenverehrung ohne jede kritische Distanz ist ein Tiefpunkt auf Nachtkritik. Ein Gestus wie früher in der Prawda oder im Neuen Deutschland. Furchtbar.
    Schauspielhaus Zürich: Warum Abgang?
    Nachdem also am Zürcher Schauspielhaus alles so toll war, wüsste ich jetzt aber doch gern einmal, warum Stemann und Blomberg überhaupt gegangen sind?
    Schauspielhaus Zürich: Danke
    Danke für diesen wichtigen Text, der so vieles in Worte fasst, was endlich gesagt sein muss. Enttäuschend und verwirrend bleibt aber die bis jetzt fehlende Solidarität aus der freien Szene. Es gibt Theaterleiter:innen in linken freien Theaterhäusern, die, wenn man sie anruft und fragt: "Sagt mal, habt ihr das mitbekommen mit den rechten Kampagnen gegen das Schauspielhaus - und sollte man da nicht etwas tun dagegen?" einem als Antwort geben (sinngemäss): Nein, das sei nun völlig an ihnen vorbeigegangen. Sie könnten da leider keine Position einnehmen und hätten auch nicht im Sinn, etwas zu sagen, sie seien eben auch so selten im Schauspielhaus gewesen.
    Diese fehlende Solidarität aus der freien Szene kann man leider aktuell nur erklären mit der unglücklichen Tatsache, dass in Zürich aktuell bis Ende März 2023 alle Subventionen neu verteilt werden und alle Angst vor den Kulturverantwortlichen und Kommissionen/Jurys der Stadt haben. Nur: An wen kann man sich richten als Theaterleiter:innen/Theaterschaffende, wenn so explizit und gezielt gemobbt wird, mit Rückendeckung der rechtsbürgerlichen Presse? (wie hier der Fall). An die Stadt? Geht in dem Fall leider nicht. Denn von dort gehen ja die Kampagnen aus. Aber genau wegen dieser unmöglichen Situation sind solche Texte nun so wichtig und diese werden nun auch einen Turn-Around einleiten, wie auch schon im Fall Bührle im Kunsthaus. Erst, wenn die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung namentlich genannt werden (inkl Stadtpräsidentin) werden diese Verantwortlichen einschwenken und vielleicht auch diesem Modell weitere Jahre ermöglichen. Denn als Verhinderer:in von Diversität will (zum Glück) niemand dastehen.
    Schauspielhaus Zürich: Mehr kritische Distanz bitte
    Leider muss ich dem ersten Kommentar teilweise zustimmen. Der Text wirkt tatsächlich "beweihräuchernd" und fast schon wie "Heldenverehrung", wenn auch nicht unbedingt "unterwürfig", aber auf jeden Fall ohne jegliche "kritische Distanz". Er liest sich wie Werbesprech für ein Theater, das den aktuellen Diskursen entspricht. Ich bin definitiv für eine Veränderung des Theaterbetriebs und halte viele der Diskurse um *ismen richtig und wichtig... Solch ein einseitiger Text, der eine hochmoralische Haltung des auf jeden Fall und quasi alternativlos auf der richtigen Seiten Stehens übernimmt, wird der Sache allerdings eher keinen Vorschub leisten, sondern Kritiker*innen, die Begriffe wie "woke" oder "wokeness" als Kampfbegriffe verwenden, wahrscheinlich nur Aufwind geben.
    Schauspielhaus Zürich: Nochmal danke
    Prägnante und wahre Zusammenfassung im 1. Kommentar. Danke Jane und Max K!
    Ein Schelm wer böses denkt, dass die AutorInnen gerade noch auf der payroll des Hauses vorkamen...
    Schauspielhaus Zürich: Bärendienst
    Es wird möglicherweise alles stimmen, was die zwei da schreiben, da sie aber offenbar fast nie in Zürich waren (als Beleg werden Kameraschwenks angeführt, also bitte...) haben die zwei Berater eigentlich nur ausführlich aufgeschrieben, dass sie super beraten haben. Ein Bärendienst. Ich finde den Zürcher Aufbruch super, um Mißverständnisse zu vermeiden.

    (Lieber Ulrich Heinse -
    der Text ist eine dezidierte Innensicht und Positionierung von beiden, die an dem organisatorischen Prozess (Kodex etc.) des Schauspielhauses beteiligt waren. Dass beide beraten haben, daraus wird ja kein Hehl gemacht. Das als Anmerkung / die nachtkritik-Redaktion)
    Schauspielhaus Zürich: Erstaunt
    Der Text lässt einen wirklich erstaunt zurück. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns? Wer die Intendanten nicht unterstützt, der "kündigt" gleich komplett "der Idee eines Stadttheaters der Zukunft" auf? Wie viele Scheuklappen muss man tragen, um so etwas schreiben zu können?
    Schauspielhaus Zürich: Sie müssen sich was vorwerfen
    Was dieser Text nicht erzählt, ist das zahlreiche Mitarbeiter:innen das Haus aufgrund von einem manipulativen und fahrlässigen zwischenmenschlichen Umgang und einer schlechten bis undurchsichtigen Kommunikation verlassen haben. Die nun so hochgehaltenen Statements des Hauses für eine flache Hierarchie und Diversität wurden, wenn dann nur opportun umgesetzt und wurden zumindest in der Vorbereitungszeit und ersten Spielzeit nicht von der Intendanz etabliert, sondern vielmehr von den Abteilungsleiter:innen gelebt und teilweise entgegen den Ansprüchen und Widrigkeiten der Intendanz umgesetzt. Die schwierigen Erfahrungen von ehemaligen und aktuellen Mitarbeiter:innen mit dieser Intendanz wurden protokolliert und dem Verwaltungsrat bereits 2020 kommuniziert. Zu keinem Zeitpunkt gab es von dieser Intendanz das Bestreben Veränderungen in der Betriebsführung zu implementieren, welche sich durch eine ausserordentlich übergriffige Kontrolle oder schieres Chaos auszeichnete. Personen, die aufgrund der Betriebsführung das Haus verliessen, galten schlichtweg als „cause perdue“, Kündigungen als persönliches Scheitern. Nichtsdestotrotz ist es sehr schade, findet das Projekt für eine grössere und diversere Zugänglichkeit zum Theater in Zürich und neuen künstlerischen Inhalten nun ein Ende. Nur ob die richtigen Personen dafür jetzt öffentlich betrauert und gehuldigt werden, scheint mir fraglich, denn daran Verdienst haben nicht zuletzt sehr viele mehr als hier herausgehoben.
    Schauspielhaus Zürich: Schuldfrage
    Danke an den ersten Kommentar...
    Hier ist eigentlich der wirklich dümmste Gedanke enthalten: "Es sind immer nur kleine Gruppen, die am lautesten Krach schlagen und auf sich aufmerksam machen. Und so wundert es nicht, dass das, was von einigen Medien als cultural clash verkauft wird, vielleicht doch eher das Resultat konservativer Kulturpolitik sein könnte, die nach den Hebeln der Macht schielt und erste Restaurierungsmaßnahmen in Auftrag gegeben haben könnten."- Ja eben!!!! Das vermeintliche Zielpublikum der beiden vermeintlch kongenialen Intendanten- innerhalb einer ziemlich kleinen Gruppe (nämlich, die der TheaterbesucherInnen!) eine noch kleineren (lautstarken!!!) Gruppe, ist es doch mindestens ebenso kritisch zu beäugen, odder??? Und tatsächlich ist es nicht so, dass ausschließlich eine koservative Kulturpolitik alles vermeintlich Schöne absäbelt, sondern in erster Linie einfache TheatergängerInnen, die die Sehnsucht nach Erzähl- und Schauspieltheater haben.
    Schauspielhaus Zürich: Missverständnis
    Was für ein (absichtliches?) Missverständnis der Kommentator*innen 1, 2, 4, 5 und 6 (also allen außer Samuel Schwarz): Der Text legt seine Solidarität und sein Einverständnis mit der scheidenden Theaterleitung von Anfang an offen und ist daher gerade keine "Heldenverehrung" (was für ein absurder Vorwurf), sondern ein sehr offener, transparenter Erfahrungsbericht, ein Stimmungsbild von zwei Menschen, die als Berater*innen am Haus gearbeitet haben - und deshalb auch nicht "objektiv" oder "unparteiisch" sein können oder wollen - und übrigens auch nicht sein müssen. Ich finde es beschämend, wie nun auch diese Beiden von der Wucht der Häme und Abwertung gegen dieses Team getroffen werden, die auch in anderen Threads schon zu lesen war und sich in der Theaterlandschaft generell breit macht. Fehler machen, Suchen, Unsicherheit aushalten, was Neues versuchen ..? Alles nicht erlaubt. Muss man draufhauen, am besten mit der dicksten Keule. What´s wrong with us?
    Schauspielhaus Zürich: Schamlos
    Was für ein schamloses Dokument.
    Es spricht nichts dagegen, einen solchen Prozess einmal zu beschreiben, wenn man ihn beispielhaft findet. Eine Intendanz zu beurteilen, ist aber was anderes. Und Leitungsverhalten zu analysieren oder zu bewerten ist wieder was anderes. Aber hier vermischt sich das alles aus Innensicht miteinander.
    Drei kurze Fragen an die Verfasserin und den Verfasser: wie viele Aufführungen haben Sie beide jeweils im Schauspielhaus Zürich live vor Ort gesehen? Wie fanden Sie diese Aufführungen? Finden Sie Aufführungen sind ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung einer Intendanz?
    Schauspielhaus Zürich: Nachtrag
    Zur Anmerkung der Redaktion: Ja, hatte ich verstanden! Deswegen fand ich den Beitrag ja einen Bärendienst, weil er ganz einfach viel zu viel Breitseite anbietet! Wikipedia: "Ein Bärendienst ist eine Handlung für jemanden/etwas, die in guter Absicht erfolgt und (trotzdem) schlechte Folgen für die Person/die Sache hat."
    Schauspielhaus Zürich: Frage
    Und wieso haben ein Großteil der Hausregisseure die Stadt schon längst wieder verlassen?
    Schauspielhaus Zürich: Extrem informativ
    Ich möchte mich der*dem Kolleg*in anschließen. Wieso muss gleich wieder drauf gehauen werden, anstatt einmal mit Ruhe den Text zu lesen und hinzuschauen?

    Der Text ist nämlich nicht nur ehrlich und solidarisch (niemand hat behauptet, dass er unparteiisch ist), sondern auch theatertheoretisch extrem informativ. Hier wird ein ernstzunehmendes transformatives Stadttheater als Modell sehr detailliert beschrieben. Aufregende strukturelle Maßnahmen werden konkret benannt und somit für andere Institutionen übertrag- und anwendbar, natürlich in der Hoffnung, dass diese mehr Zeit bekommen, um tatsächlich auch die Früchte tragen zu können.

    Danke Schauspielhaus Zürich, danke Apiyo Amolo und Thomas Schmidt!
    Schauspielhaus Zürich: Aus der Ferne Dank
    Als jemand die leider viel zu selten nach Zürich kommt - und daher die Geschehnisse zumeist nur aus der Ferne verfolgen kann - fand ich diesen Erfahrungsbericht sehr interessant und möchte den Autor*innen ausdrücklich dafür danken.
    "Theater und Risiko sind natürliche Zwillinge. Das Risiko, sich zu exponieren, seine Träume auf die Bühne zu bringen, die Welt verändern zu wollen – und zu seinen Träumen auch noch öffentlich zu stehen. Dazu gehört Mut. Sehr viel Mut." Dem kann ich nur zustimmen.
    Schauspielhaus Zürich: Pathetische Formulierung
    "Dazu gehört Mut. Sehr viel Mut." An einem Theater wie dem Schauspielhaus extrem gut bezahlt Spielplan und Kunst gestalten zu dürfen und sich dabei künstlerisch etwas zu trauen, das ist einfach die Jobbeschreibung, wenn jemand es gut machen will. Es gibt in der Welt Menschen, die bewundernswürdig mutig sind. Vielleicht sollten wir uns so pathetische Formulierungen für diese Menschen aufheben, sonst bedeuten sie irgendwann nichts mehr. Im Theater wird weder am offenen Herzen operiert, noch riskiert jemand Freiheit und Leben für eine Haltung.
    Schauspielhaus Zürich: Mut
    zu 16: Wenn jemand schreibt, es gehöre Mut dazu, dann ist das doch erstmal nur eine Ansicht, zudem gibt es unterschiedlichen Mut. Und ja, Veränderungen in bestehenden Systemen hervorzurufen, zu initiieren, dazu gehört etwas, auch Mut. Das weiß jeder, der sich schon einmal versucht hat selbst zu verändern.
    Ob es Mut ist, oder Lust auf Menschen und Kunst oder Idealismus oder einfach der Wunsch, etwas -in diesem Fall das Schauspielhaus Zürich in eine gute Richtung zu verändern, zu prägen, es bekommt jedenfalls meinen Respekt.
    Da (große) Veränderungen Zeit benötigen und diese Zeit ihnen nicht gegeben wurde, werden sie hoffentlich weiterziehen und ihre Diversitätsideen an einem anderen Ort aussäen. Dazugelernt wurde sicher auf mehreren Seiten.

    Die Zeit in München mit Matthias Lilienthal hat die Stadt jedenfalls bereichert und hinterlässt eine Lücke..
    Schauspielhaus Zürich: Anderes Gesicht
    Kommentatorin #8, Sophie, schreibt:

    "Die schwierigen Erfahrungen von ehemaligen und aktuellen Mitarbeiter:innen mit dieser Intendanz wurden protokolliert und dem Verwaltungsrat bereits 2020 kommuniziert. Zu keinem Zeitpunkt gab es von dieser Intendanz das Bestreben Veränderungen in der Betriebsführung zu implementieren, welche sich durch eine ausserordentlich übergriffige Kontrolle oder schieres Chaos auszeichnete."

    Das erzeugt ein etwas anderes Bild als das bisher gesehene: hatte die Intendanz Stemann/Blomberg nach innen noch ein anderes Gesicht? Eines das sich unterscheidet von dem medial von ihr aggressiv verbreiteten (auch unter Mithilfe von nachtkritk)?

    Würde die Redaktion der Sache dieses Mitarbeiter:innenprotokolls einmal nachgehen?
    Schauspielhaus Zürich: Nur Teil der Geschichte
    Interessant die Solidarität und Unterstützung - kann gemacht werden.

    Dennoch sind auch kritische Fragen zu stellen: Wieso hat die halbe Hausregie (Yans Ross, Leonie Böhm, Alexander Giesche) das Haus mittlerweile verlassen? (...) Wieso ist es in der Stadt kein Geheimniss, dass das Ensemble massiv zerstritten ist und es nicht gelungen ist die Tanzcompagnie mit dem Sprechensemble zusammenzubringen/versöhnen?
    Wieso spricht das Ensemble nicht?

    Grundsätzlich finde ich: sie haben viel versucht und hätten noch mehr Zeit gebraucht. (...)

    Trotzdem: gerade als junger Mensch lieb ich deine Kunst, Schauspielhaus! Und ich bin sehr froh, lebe ich in dieser Zeit in Zürich und befinde ich mich selbst in meiner künstlerisch formativen Phase. Ich kann mir keine bessere Inspiration vorstellen. Danke dafür!

    (Anm. Redaktion: Der Kommentar enthielt einige unüberprüfbare Behauptungen zur Lage der Gewerke und zu Leitungsgebahren, die gestrichen wurden.)
    Schauspielhaus Zürich: Modell
    Liebe Sophie (#8) Den Fokus einzig auf die beiden "Herren" zu setzen, ist nun eine Folge des Führungskults im deutschsprachigen Theaterbetrieb, dem leider sowohl Kritiker:innen als auch Verteidiger:innen des SHZ nun verfallen. Sowohl jene, die nun die beiden "Herren" übermässig loben, als auch jene, diese beiden "Herren" negativ markieren - oder gar zum Abschuss freigeben - folgen also diesem "Führungskult". Thema ist für die Unterstützer:innen die Teambildung, die seit 2019 geschehen ist. Thema sind auch die zum Teil öffentlich ausgetragene und diskutierten Probleme, die neue Modell auch auslösen, nebst den positiven Effekten. Man kann dem SHZ aber ganz sicher nicht vorwerfen, Probleme unter den Teppich gekehrt zu haben - das ist gar einfach nicht richtig, angesichts der vielen Diskussionen (u.a. im Sommer 2022). Was das vorliegende Modell auszeichnet ist eben auch, dass es auch ohne die beiden "Herren" als Intendanz weitergeführt werden könnte. Aber auch mit ihnen. Das macht nun das Schützenswerte des Teams Schauspielhaus Zürich aus. Und dafür wird nun gekämpft, siehe auch die heutigen öffentlichen Stellungnahmen auch von Promis und Häusern. Sich auf interne Zankereien in der Corona-Zeit zu beziehen, ist aber verhältnismässig unfair, denn welche Institution wurde nicht krass überfordert in dieser Zeit. Im übrigen habe ich im Winter 2020 selber die Intendanten massiv kritisiert, als sie einen "Corona-Call" an die freie Szene machten, zu sehr komischen, aus meiner Sicht "neo-kolonialen" Bedingungen. Andere Intendanten hätten nach einem solcher Kritik-Mail mit mir nie mehr gesprochen. Bei ihnen fand ich aber ein offenes Ohr und wir diskutierten meine Vorwürfe aus. Natürlich sind solche persönlichen Geschichten nur Teil der Wahrheit, aber dennoch könnte ich selber nicht sagen, dass die Systemkritik, die an den beiden geübt wurde, dann nicht auch diskutiert worden ist.
    Schauspielhaus Zürich: Hinweis der Redaktion
    Liebe Kommentator:innen, 

    wir prüfen jeden Kommentar auf inhaltliche Korrektheit, bevor wir ihn veröffentlichen. Eine Verifizierung ist uns allerdings in vielen Fällen nicht möglich.

    Wir bitten daher um Verständnis, dass wir Kommentare, die unüberprüfbare Tatsachenbehauptungen enthalten, nicht veröffentlichen, insbesondere dann nicht, wenn diese pseudonym gepostet werden.

    Bei Nachfragen können Sie sich gerne an redaktion@nachtkritik.de wenden.

    Herzliche Grüße
    Die Redaktion
    Schauspielhaus Zürich: Fragt die Mitarbeitenden
    Interessant, dass Tatsachenberichte von der Redaktion offenbar nicht veröffentlicht werden, subjektive Meinungen aber schon.
    Dann kommt hier halt nur eine Meinung: Fragt die ehemaligen Mitarbeiter:innen, wie es wirklich war unter dieser Intendanz zu arbeiten. (...)
    Den Kommentar 8 von Sophie kann ich genau so unterschreiben.
    Schauspielhaus Zürich: Mitarbeiterverzeichnis
    Kommentar #8 sagt, was Sache ist.
    Mensch vergleiche das (via Geschäftsbericht) öffentlich zugängliche Mitarbeiterverzeichnis zu Beginn der Intendanz, mit dem aktuellen: Nicht nur bei der Hausregie, viele Personen sind schnell wieder gegangen.
    @Schwarz: Doch die Herren haben Verantwortung, sie erhalten dafür einen Intendantenlohn.
    Schauspielhaus Zürich: Kommt doch mal aus der Deckung
    Lieber Benjamin, Ja, dann kommt doch mal aus der Deckung raus - und redet mit Klarnamen. Von was habt ihr denn Angst? Dass der Wind dreht, und ihr dann plötzlich als die "Bösen" dasteht (keine Sorge, der Wind wird nicht drehen, FDP und SVP haben gewonnen, die SP ist eingeknickt und folgt den Weisungen des Bürger:innentums).

    Es zeugt schon von einem sehr tiefen Bewusstein für gesellschaftspolitische und kulturpolitische Prozesse, wenn durch solche anonymen Anschwärzungen die Kampagnen von Rechts legitimiert und gestärkt werden. Wer auch nur ein bisschen die Berichte vom Sommer 2022 mitbekommen hat, weiss, dass es Leute am SHZ gegeben hat, die gelitten haben unter den internen Debatten/Diskurse, u.a. heftige Debatten über unbewusste Privilegien, White Fragility etc etc., aber dass diese eben auch wichtig waren für viele Prozesse. Diese Diskussion wurde geführt und jeder und jede war eingeladen sich daran zu beteiligen.

    Ich habe am SHZ mehrere Intendanzen erlebt, auch als Mitarbeiter und kann manches Lied singen von System-Macht, Intrigen, Sexismen, Herabsetzungen, Mobbing. Diese schlimmen Vorgänge ensprangen alle der hierarchischen Stufungen, welche von den Setzungen des deutschen Stadttheaterbetriebs kommen - und überall an diesen Theatern anzufinden sind. Was ich aber nie erlebt habe in all den Intendanzen seit 1995, dass gewisse Kernfragen angegangen wurden, wie unbewusste Rassismen, latenter Sexismus, koloniale Setzungen usw. Das hat das Team seit 2019 Neues probiert - und wie auch Tobi Müller sagt - in dem NK-Podcast- bricht dann - auch wegen dem "Tocqueville-Paradox" - sehr oft erst Recht Unfrieden aus. Aber auch das wurde breit und offen diskutiert, flankiert von einer historischen Anti-Woke-Kampagne rechtsbürgerlicher Kreise.

    Wer also auch nur ein bisschen Zivilcourage hat, soll sich doch jetzt äussern, wenn er/sie so überzeugt ist von dem Flop, den unnötigen Versuchen dieser Team-Arbeit. Das betrifft auch Teile der technischen Belegschaft. Äussert euch doch, anstatt anonym rumzugiften. Und, wie ich oben schon sagte, was hier aufgesetzt wurde, ist nicht abhängig von Stemann/von Blomberg. Die haben es initiert, aber was hier zur Debatte steht - und verteidigt wird - ist das ganze Team, welches hier neues probiert hat. Wenn ihr nun alle wieder in die Neunziger des 20 Jhd zurückwollt, gut, dann macht das. Ihr habt die Schlacht gewonnen. Bravo.

    Ich denke aber nicht, dass eurer Sieg der Jugend, dem Theaternachwuchs - und insbesondere einer diverseren Gesellschaft - einen Gefallen tut.
    Schauspielhaus Zürich: Welche Stimmen?
    Es ist schon ein auffälliger Widerspruch, dass hier flache Hierarchien gelobt werden, aber die Stimmen und Erfahrungen einer Reihe von Mitarbeitenden, die das Haus verlassen haben, offenbar nicht eingeholt wurden. Was hier als ‚Insiderbericht‘ daherkommt und eine Sorge für die Belange der Mitarbeitenden suggeriert, zeugt in Wirklichkeit von Ignoranz und Sorglosigkeit - und manifestiert damit die bestehenden Hierarchien. (...) Dass die Nicht-Verlängerung unter Umständen als politisch motivierter Rollback in ‚gute alte Zeiten‘ zu lesen ist und die Kulturlandschaft Zürichs zurückwirft, steht auf einem anderen Blatt.
    Schauspielhaus Zürich: Stimme von Wu Tsang
    Eine weitere Stimme der Hausregisseurin Wu Tsang. Sie spricht in der New York Times unter anderem auch über das Schauspielhaus Zürich.

    https://www.nytimes.com/2023/02/20/arts/wu-tsang-moby-dick.html
    Schauspielhaus Zürich: Betriebsklima
    Kann mich Jane nur anschließen, der Text oben ist eher "nacht" als "kritik", eher PR als Journalismus.

    Oder um es mit Anna #22 zu sagen: «Fragt die ehemaligen Mitarbeiter:innen, wie es wirklich war unter dieser Intendanz zu arbeiten.»
    Schauspielhaus Zürich: Das relevante Blatt
    @nicolaus. Du schreibst: 'Dass die Nicht-Verlängerung unter Umständen als politisch motivierter Rollback in ‚gute alte Zeiten‘ zu lesen ist und die Kulturlandschaft Zürichs zurückwirft, steht auf einem anderen Blatt.'

    Das ist genau das relevante Blatt. Wenn ein Team von der Stadt in den Wald geschickt wird. Und dann inmitten dieser gemeinsamen Suche die Übung zu früh abgebrochen wird, ist das eine Art Menschenexperiment. Selbstverständlich fallen dann alle übereinander her. Diese Selbtzerfleischung, inklusive Findungskommissions-Wahnsinn und Neuausmessung der gesamten Belegschaft ist was nun zu kritisieren ist. Es ist menschenverachtend. Vorwürfe gegen Einzelne sind hier nicht angebracht. Die Vorwürfe sind alle an die Stadt zu richten. Gebündelt.
    Schauspielhaus Zürich: Missgunst nervt!
    Also ich verstehe nicht, was hier alle für ein Problem mit diesen Text haben. Es wird doch offen kommuniziert, dass die beiden für das SHZ gearbeitet haben und aus einem bestimmten Blick mit teilweiser Innensicht schreiben. Im übrigen ist der Text überhaupt keine Beweihräucherung, sondern durchaus auch kritisch. Wird das einfach überlesen, um möglichst schnell einen bösen Kommentar hinterlassen zu können. Ich finde grade sowas tolll bei nachtkritik, Einblicke, Diskurse, Debatten, Sichten. Die Kritiken allein reichen doch nicht für eine solche Plattform, und auch die könnten noch mehr auf Arbeitsweisen eingehen und die Häuser thematisieren, wo etwas besprochen wird , anstatt nur eine Kritikform des letzten Jahrhunderts zu kopieren.
    Der Versuch in Zürich wurde abgewürgt und es betrifft nun mal nicht nur die Intendanz, sondern alle, das ganze Team, die sich dafür in die Arbeit gestürzt hat und sicher auch einiges aushalten müsste. All das wird jetzt einfach von einem konservativen Meinungsflügel wegdiskutiert. Sehr schade. Man macht es sich damit auch sehr einfach.
    Schauspielhaus Zürich: Fragt die Mitarbeitenden
    Erfahrungen werden nicht veröffentlicht, somit schliesse ich mich an liebe Anna:

    Fragt die Mitarbeitenden!
    Fragt die (jungen) Frauen!
    Fragt Gewerke!
    Fragt!
    Schauspielhaus Zürich: Normaler Vorgang
    Die aktuelle Zürcher Schauspielhaus-Intendanz scheitert an ihrem eigenen Unvermögen und an ihrer Unerfahrenheit. Die problematischen Punkte lassen sich leicht aufzählen, sie reichen von der ungünstigen innerbetrieblichen Stimmung und eine unglückliche Ensemblepolitik über den wenig einfallsreichen Spielplan und ein zu schmales Themenrepertoire bis hin zum unbeholfenen Auftreten nach außen.
    Ich glaube nicht, dass Verschwörungstheorien mit der Realität sehr viel zu tun haben, das gilt auch in diesem Fall. Und es ist nicht hilfreich, dass nun auch schon Fakten auf realitätsfremde Art interpretiert werden. Die aktuelle Intendanz wird nicht vertrieben oder vorzeitig beendet, sondern der fünfjährige Vertrag wird einfach nicht verlängert. Das ist ein völlig normaler Vorgang. Fünf Jahre müssen prinzipiell genügen um zu zeigen, was man kann. Die meisten Schauspieler etwa haben etwa nur jeweils ein Jahr Zeit, ihr Potenzial zu demonstrieren, mit ihnen werden keine Fünfjahresverträge geschlossen. Sollte eine Intendanz zehn Jahre verlangen oder benötigen, um erst wirklich beurteilbare Leistungen vorweisen zu können, würde irgendetwas falsch laufen. Klar ist: Nach fünf Jahren einer als unbefriedigend empfundenen Intendanz sind Korrekturen möglich, nach zehn Jahren hingegen könnte der gesamte Betrieb des Hauses irreversibel gefährdet sein. Im übrigen beträgt, so ich richtig gerechnet habe, die durchschnittliche Länge aller bisherigen Intendanzen rund fünf Jahre. Was bisher offenbar keinen Skandal dargestellt hat.
    Natürlich kann man nun die Schuld auf lauter konservative, reaktionäre Feinde schieben. Mit der Realität im schon lange rotgrün regierten Zürich hat das nichts zu tun, es sei denn, man stuft neuerdings alle, die nicht ausschließlich auf Diversity, Inklusion, Gender und Identitätspolitik fixiert sind und dies dominant im Spielplan verankert sehen wollen, als konservativ oder reaktionär ein. Sorry, aber das ist wirklich zu simpel. Und es gibt eben noch ein paar andere, mindestens ebenso wichtige Themenfelder in der Welt, etwa Krieg, Inflation, Klima, Wohnungsnot, KI oder Migration.
    Dem Schauspielhaus und der Zürcher Politik wünsche ich eine rasche und gute Entscheidung für eine Zukunft, die dem früher exzellenten Ruf des Hauses angemessen ist. Es wird vielleicht nicht ganz einfach sein, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Das verdeutlicht das Beispiel München, wo die Kammerspiele erst langsam wieder Fuß fassen.
    Übrigens: Das sehr ungünstige Agieren der Intendanz bei dem von ihr forcierten, stark in die historische Bausubstanz eingreifenden Umbau des Pfauen wird interessanterweise selten erwähnt, gehört jedoch zentral zum Gesamtgeschehen. Hier hätten bei Blomberg und Stemann die Alarmsirenen losgehen und sie hätten realisieren müssen, etliche Bürger nicht auf ihrer Seite zu haben. Was haben sie dann getan? Mein Eindruck: nichts. Das war mehr als ungeschickt. Aber das ist leider nur ein Punkt unter vielen anderen Punkten, die belegen: Man beginnt eine Intendantenkarriere lieber nicht gleich an einem renommierten Spitzenhaus mit langer Tradition. Dabei können nämlich alle Beteiligten Schaden erleiden (siehe auch die Berliner Volksbühne in den letzten Jahren).
    Schauspielhaus Zürich: Krise, statt Neuanfang
    Die Münchner Kammerspiele sind das schlechteste Beispiel für diese Gegen-These. Enen wird auch eine Krise angeschrieben und diese werden gerade von rechts-idenditären Kreisen ins Visier genommen, mit den gleichen 'Argumenten'. Ein bisschen mehr internationale Theater-Solidarität wäre der Debatte durchaus zu wünschen. Was den Pfauen-Umbau betrifft. Hier hatte die Leitung Rückendeckung vom Präsidialdepartement der Stadt. Fehleinschätzungen auch da aus dem Herzen der Stadt. Und wegen Corona hatte die Leitung, wie auch jene der Gessnerallee und jene des Neumarkts, mehr als zwei zwei Jahre Krisenbetrieb. Alle hören auf. Das kann nicht am Unvermögen dieser Leitungen liegen, sondern an kulturpolitischen Zermürbungen und Rochaden innerhalb der Verwaltung.. Alles neu auszuwürfeln macht aktuell nur diesen Happy-Fews Spass. Für alle anderen ist das kein Neuanfang sondern Krise
    Schauspielhaus Zürich: Verkehrte Tatsache
    Lieber Visconti! Ich würde Ihnen ja gerne folgen, aber Ihre Argumentation baut leider auf einer verkehrten Tatsache auf, dass nämlich Intendantenverträge bereits nach 3, und in diesem Fall nach 4 Jahren verlängert bzw nicht verlängert werden.
    Schauspielhaus Zürich: Verkehrt?
    #33: inwieweit ist das eine „verkehrte Tatsache“? Was glauben denn Sie, wann eine solche Entscheidung normalerweise getroffen wird? Erst im Jahr des Vertragsendes? Und wie soll dann Ihrer Meinung nach ggf. ein/e NachfolgerIn gefunden werden? Und wieviel Zeit bliebe dann dieser Person zur Vorbereitung der neuen Intendanz? Oder verstehe ich irgendetwas an Ihrem Post nicht? Ich kann Ihnen aus zwanzigjähriger Theatererfahrung jedenfalls berichten: am Zeitpunkt der Nichtverlängerung wäre in diesem Fall rein gar nichts ungewöhnlich. Und im übrigen: handelt es sich denn überhaupt um eine Nichtverlängerung? Oder haben nicht beide Intendanten entschieden, dass sie aufgrund geplanter Kürzungen nicht mehr weitermachen wollen? Das ist ja schon auch noch mal ein Unterschied, zumindest rechtlich gesehen…
    Schauspielhaus Zürich: Real Wahrgenommenes
    Sind es nicht immer wieder die gleichen Sätze, die wir bei nicht ganz oder gar nicht freiwilligen Intendanten/Intendantinnen/Direktionen/Kollektiv-Wechseln schreiben. Interessant wären Sammlungen von individuellen/gemeinschaftlichen Wahrnehmungen, die sich während der vergangenen Aufführungen in unseren Erinnerungen/Körpern eingegraben haben, so dass sie das eigene Handeln in Frage stellten oder gar veränderten. Haben sie sich wegen eines internen Verhaltenskodex', der angestrebten Diversität, Inklusion so tief eingeprägt?
    Schauspielhaus Zürich: Fünf Jahre
    Re #31: "Fünf Jahre müssen prinzipiell genügen um zu zeigen, was man kann."

    Wobei es in diesem Fall nicht wirklich fünf reguläre Jahre waren. Die Spielzeiten 20/21 und 21/22 waren überall stark geprägt von der Corona-Pandemie, das sollte man vielleicht bei jeglicher Beurteilung im Bewusstsein behalten.
    Schauspielhaus Zürich: So einfach ist es eben nicht
    Alles immer auf rechtskonservative Kreise zu schieben, ist nicht der Weisheit letzter Schluss.
    Das impliziert doch das alle Zuschauer und Kritiker denen das Programm nicht gefällt, dorthin zu stecken sind!?
    Vielleicht gefällt das Programm ja einfach nicht. Wo bleibt es denn,, das neue, junge Publikum? Vielleicht ist die Qualität halt doch einfach wichtig.
    Ich habe das Gefühl, die Kunst entwickelt sich immer wieder in eine Richtung, in der sie nur noch sich selbst dient und das Publikum mehr und mehr unwichtig wird. Fakt ist: Es kommt zu wenig Publikum. Dadurch wird zu wenig eingenommen. Irgendwann hat man die Budgets ausgeschöpft und die Subventionen reichen nicht mehr aus. Fakt ist auch: Es wurde haarscharf an betriebsbedingten Kündigungen vorbei geschrammt. Frei werdende Stellen werden nicht mehr nachbesetzt, die Arbeitsbelastung der verbleibenden Mitarbeiter steigt enorm und Burnouts nehmen zu.
    Auch ich sage immer wieder: Macht eine Umfrage bei den Mitarbeitern, fragt wie es ihnen geht. Das Publikum wurde ja schon befragt.
    Vielleicht ist der Spielplatz für die Kunst zu groß, die Budgets zu hoch. Vielleicht entsteht wirklich gute Kunst eben nur aus dem Mangel.
    Viele Themen die die neue Intendanz angehen wollte, sind absolut richtig, wichtig und dringend. Leider glaube ich, das sie damit vielerorts gescheitert sind.
    Ich hoffe sehr, der Kurs in Richtung mehr Diversität und Offenheit wird fortgeführt. Ich hoffe aber auch auf wieder mehr Tiefgang, Qualität und ein Theater das für das Publikum spielt.
    Ich persönlich will im Theater endlich wieder berührt werden. Wo ist der Zauber hin, die Faszination, die Begeisterung?
    Ich finde die Entscheidung der Nichtverlängerung richtig und notwendig. Ich denke das Vertrauen das sie es finanziell wieder hinbekommen, ist einfach nicht mehr da.
    Schauspielhaus Zürich: Aus dem Mangel
    Liebe Esmeralda,

    "Vielleicht entsteht wirklich gute Kunst eben nur aus dem Mangel." schreibst du.

    Sag das mal dem Schweizer Film, der seit 100 Jahren unterfinanziert ist (im Vergleich zum Ausland) - und in 100 Jahren nur drei Oscars gewinnen konnte, zwei davon gingen an den Drehbuchautor Richard Schweitzer, der nebenbei auch Dramaturg am Schauspielhaus Zürich war (und sich trotz Oscar-Erfolg später das Leben nahm). Dass gute Kunst aus Mangel entsteht ist genau das, was man in rechtsbürgerlichen Zürcher Zeitungen in diesen Tagen lesen kann. Subventionskürzungen täten der Zürcher Kultur grundsätzlich gut. Wenn das also der Schluss ist, den du ziehen willst aus der Geschichte: Nur zu. Dann freu dich.
    Schauspielhaus Zürich: Teamzeit
    @Artikel: Die "Teamzeit" heisst übrigens "timezeit", wie auf ganz vielen Plakaten in beiden Häusern angeschrieben ist... und ist nur für Mitarbeitende ab 50%-Anstellung, was schon nicht ganz "alle" sind...so der guten Recherche halber...

    @Schwarz: Woher wissen Sie denn, dass "wir" nicht tagtäglich mit unserem Gesicht und unserem Namen unseren Abteilungsleitenden und den beiden "Bigbosses" ins Gesicht sagen, was "uns" stört? Wo "wir" Angestellte Probleme sehen, vielleicht sogar Vorschläge machen, was anders gemacht werden könnte, Abläufe verschlanken, Geld einsparen? Und die Antworten darauf nicht umbedingt sehr positiv oder konstruktiv sind?

    "Wo Demokratie draufsteht, muss garantiert Demokratie drin sein." Kim Jong-Il

    Die Worte, die von der Intendanz kommen, waren und sind schön. Doch Worte auf Papier sind noch keine Arbeitsrealität. Vielleicht hat mensch höhere Erwartungen an jemanden, der behauptet, die Hierarchien abschaffen zu wolllen, als an jemanden, der sich selber von Anfang an als der grosse Chef bezeichnet? Wieso auch nicht? Natürlich gibt es eine rechtsbürgerliche Kampagne, die sich auf alles einschiesst, was ihr nicht passt und insbesondere auch auf die Finanzfrage. Aber hat irgendwer was anderes erwartet? Hat das etwa kulturpolitisch strategisch denkende Menschen überrascht? Es hat erstaunlich lange gedauert, bis sie gekommen ist... passend zu den Wahlen natürlich.

    Wenn mensch nun sogar auch gerne hierarchiefreies Theater hat, gerne jüngere (und noch ältere), andere Stücke und Menschen auf der Bühne sieht? Wenn mensch nun Worte und Werte, die ihm etwas bedeuten, verwendet und gebraucht sieht, aber in so entstellender Art und Weise, dass es weh tut? Darf keine Kritik mehr an herrschendem Unrecht geübt werden, nur weil ein vom wem auch immer erwarteter Burgfrieden es verlangt?
    Schauspielhaus Zürich: Abhängigkeit
    @benjamin: Dem Schauspielhaus ZH "Ageism" vorzuwerfen, ja, das wäre richtig gewesen. Habe ich übrigens auch gemacht. Ich habe vermisst, dass auch gestandene ältere Schauspieler*innen mehr präsent waren. Wie auch die Saison-Eröffnungs Plakate zeigten setzte das SHZ auf junge Spieler*innen und die älteren konnten (mit ein paar Ausnahmen, beispielsweise der grossen Karin Pfammatter) oft nur mehr in den Kulissen - oder neben einer Bassgeige mittel-pittoresk rumstehen. Aber auch diese Kritik wurde deponiert, öffentlich verhandelt. So habe ich das wahrgenommen. Es ist einfach kulturpolitisch nicht sonderlich klug, nun seine eigenen kleinen Frustrationen mit der Systemmacht Stadttheater und Intendanz(en) auszutragen - eine Systemmacht, die es seit mehr als 100 Jahren gibt - und nun gegen einzelne zu schiessen, anonym. Das zeugt von einer viel zu grossen Abhängigkeit von dieser Systemmacht. Es braucht nun öffentlich Namen und Gesichter und Institutionen, die sich offen für ein Verbleiben des Teams aussprechen - oder eben dagegen. Aber diese Anonymität ist nur Bestätigung, wie sehr ihr scheinbar dieses Stadttheater-System braucht für eurer Mindset. Es geht wirklich in der Tat um mehr, um die ganze nachpandemische Kulturförderung, um die freie Szene. Und wie die Stadt nach Gutdünken Leitbilder verkündet und dann mit Handlungen zertrümmert. Das macht sie auch in der freien Szene.
    Schauspielhaus Zürich: Haus bleibt stumm
    Fragt die Mitarbeitenden! Hört euch um. Bevor ihr den offenen Brief unterschreibt. Aus dem Haus bleibt es stumm, während drumherum die Medienmaschine auf Hochtouren läuft.
    Schauspielhaus Zürich: Vergleich mit 2002
    Liebe Fragenstellende, Ja, das Haus bleibt stumm. Natürlich ist es nicht stumm, es äussert sich hier durchaus in den Kommentar-Spalten. Ein grosser Teil der Erstunterzeichnenden, inkl mir, hat mit sehr vielen Mitarbeitenden gesprochen. Unter anderem auch im Sommer 2022, als die Debatte aufkochte nach den Statements von Sebastian Rudolph, die wichtig waren und für ihn sprechen, weil er eine wichtige Debatte angerissen hat (aber nicht davon ausging, dass die so missbraucht wird). Da wurde sehr heiss diskutiert. Auch jetzt. Und viele von uns Unterzeichnenden haben seit Jahren unsere Mühe mit dem Stadttheater-System, haben uns jahrelang daran aufgerieben und wissen sehr viel über Systemmacht - und versuchen uns auch davon zu distanzieren, in dem wir andere Produktionsformen als dieses Intendanz-System aufziehen. Wie man an den vielen Testemonials aber auch erkennen kann, geht es hier um den Schutz der Debatten und Modelle, die angerissen wurden. Niemand sagt, alle seien glücklich am Schauspielhaus. Sehr viele berichteten, auch Unterzeichnende - öffentlich und nicht öffentlich - wie anstrengend dieses Suchen nach einem neuen System ist und wie widersprüchlich das ist. Wenn nun die Mitarbeitenden eine andere Sicht haben - und froh sind über den Neuanfang mit mehr "Quotendenken" - dann können sie das nun auch sagen. In internen Mediationen, als auch öffentlich. Sie haben die Mehrheitgesellschaft auf ihrer Seite. Es ist auch möglich zu sagen: Dieses Team hat das richtige probiert, ist aber an den hohen Zielen gescheitert. Alles erlaubt. In vielen anonymen Kommentaren bricht aber - leider ist das auch eine Tatsache - eine Art Hass durch über die Tatsache, dass nun mehr gesellschaftliche Gruppen Repräsentanz fordern als noch vor 20 Jahren (als wir für Christoph Marthaler ähnlich engagiert auf die Strasse gingen) - Diese Leute setzen heute für den Ausdruck ihrer Solidarität auch andere Mittel ein als noch vor 20 Jahren. Der Strassenprotest für das Verbleiben von Christoph Marthaler war 2002 für die Polizei lustiger aber durch und durch harmloser "weisser" Dada-Karneval - inkl Abriegeln des Ratshauses. Würden jene, die sich nun in dem offenen Brief für das aktuelle Team einsetzen, das gleiche machen, würde die Polizei - so wie sie im Alltag "Racial Profiling" betreibt, weniger belustigt reagieren. Die Mitarbeitenden haben durchaus mit uns gesprochen und wir mit ihnen. Aber ihre Argumente haben - mich zumindest - nicht überzeugt, dass ihr subjektives Empfinden/ihr Unwohlsein gegenüber dem System nun plötzlich eine Folge von Systemdruck sein soll - während dem die vormalige Leitungen unter B. Frey und anderen - unkritisiert bleiben. Man kann es nur wiederholen. Das Schauspielhaus vor dem heutigen Team war immer klassisches Patron-System/Patron:innen-System. Mit rigider Hackordnung. Wir Unterzeichnenden sind froh über die aktuelle Öffnung. Und dafür stehen wir nun öffentlich ein. Was ist falsch daran?
    Schauspielhaus Zürich: Nicht gut genug
    Auch wortreiche Debattenbeiträge und erstaunliche Begründungen - mit Corona als gern benutzter Ausrede - werden nichts daran ändern, dass die Anfänger-Intendanz Blomberg/Stemann einfach nicht gut genug war. Weiter oben habe ich die wichtigsten Punkte schon erwähnt: ungünstige innerbetriebliche Stimmung, unglückliche Ensemblepolitik, wenig einfallsreicher Spielplan, zu schmales Themenrepertoire mit den Lieblingsthemen Diversity, Inklusion, Gender und Race, unbeholfenes Auftreten nach außen.
    Diese Intendanz wäre überall anderswo genauso gescheitert. Am Wiener Burgtheater etwa hat ein sehr erfahrener Mann wie Martin Kušej wesentlich bessere Arbeit geliefert und wurde auch nicht verlängert (durch ein grüne Kulturstaatsekretärin). Was meines Wissens bisher keinen Grund für Legenden oder Verschwörungstheorien geliefert hat. Man möge davon auch bezüglich Zürich endlich Abstand nehmen und akzeptieren, dass 5 Jahre Lehrzeit für Anfänger genügen müssen. Daran ändert auch ein Protestbrief nichts, obwohl es interessant ist, dass so manche Unterzeichnerin den praktischen Theaterbetrieb höchstens aus der Entfernung kennt. Aber es können sich ja die Unterzeichner zusammentun und ein eigenes Theater bzw. eine eigene Theatertruppe gründen - erstaunlich, dass diese Idee noch nicht geäußert wurde. Selbst aktiv etwas zu tun wäre vielleicht hilfreicher und glaubwürdiger als immer nur Forderungen an andere zu richten.
    Der Zürcher Politik - die erhebliche Mitschuld an der Situation trägt, weil sie die Bestellung dieses Intendanten-Duos ermöglicht und keine präzisen Erwartungen oder Leistungsvereinbarungen getroffen hat - wünsche ich eine glückliche Hand bei der Suche nach einer geeigneten Nachfolge. Meine Tipps: Nehmt erfahrene Profis, die zudem Zürich und das Haus kennen. Nehmt keine Leute, die Zürich nur als Durchgangsstation für höhere Weihen in Deutschland sehen. Lasst euch kein Theater einreden, das nicht einmal in Berlin erfolgreich wäre.
    Schauspielhaus Zürich: Übel mitgespielt
    @visconti: nomen est omen (als Angehöriger einer Adelsfamilie, Theatermann und seit 1976 tot, müssen Sie es ja ganz genau wissen). Leider erfahren wir von Ihnen nicht mehr als Gemunkel über unglückliche innerbetrieblicher Stimmung, missglückte Ensemblepolitik, etc.
    Dazu muss ich entgegnen, dass Corona der damals neuen Intendanz sehr wohl übel mitgespielt hat.
    Was meinen Sie, wie es mit Corona an vielen anderen Häusern "innerbetrieblich" rumort hat? Haben Sie da an der Burg oder in Berlin auch ganz genau mal hingehört? Ich trete ja hier mit Klarnamen auf, caro signore, spreche aber mit der Stimme von Gustav Gründgens.
    Schauspielhaus Zürich: Merkwürdigkeiten
    Hallo Samuel,

    ich frage dich als so erfahrenen Theatermacher: Kommt es dir nicht eigenartig vor, dass niemand oder kaum jemand aus dem Ensemble den offenen Brief unterschreibt? Was ist mit der Dramaturgie? Was ist mit der Öffentlichkeitsarbeit? Was ist mit den dauernden Abgängen und der hohen Fluktuation von Mitarbeitenden, die sich im Personalverzeichnis ablesen lässt? Alle die im täglichen Nahkontakt mit der so hochgelobten Intendanz waren, halten sich momentan bedeckt. Wer sich einmal mit missbräuchlichen Arbeitsverhältnissen beschäftigt hat, weiss, dass genau dort hinzuhören wäre.

    Dass diese Entscheidung aus politischen Gründen getroffen wurde, ist überdies eine Spekulation. Wahrscheinlicher ist, dass die Realität komplizierter ist…
    Schauspielhaus Zürich: Corona potenzierte Probleme
    Hallo Meret Hottinger, danke für die Reaktion! Ich stimme völlig zu, dass Corona eine erhebliche Herausforderung für das Schauspielhaus war. Aber das gilt für alle Theater und Ensembles. Da haben manche sowohl innerbetrieblich wie auch in der Außenwirkung besser agiert und andere schlechter, abhängig zumeist von den jeweiligen Führungsqualitäten und der Erfahrung der Verantwortlichen an der Spitze. In Zürich lief es leider nicht gut, und Corona hat die bereits vorhandenen Probleme noch potenziert. Aber auch ohne Corona hätten das viel zu enge Themenkorsett, der nicht gerade vom Hocker reißende Spielplan und die unbeholfene Kommunikation nach außen vermutlich rasch ein Problem dargestellt. Ich bin überzeugt, Leute mit Intendanz-Erfahrung hätten in dieser herausfordernden Situation anders und geschickter agiert. Und deswegen ist auch eine erhebliche Mitveranwortung der Zürcher Stadtpolitik ganz klar festzustellen, man kann nicht jetzt die alleinige Schuld auf das Intendanten-Duo schieben (auch wenn dieses Verhalten durchaus zum etablierten Repertoire politischer Verantwortungsträger zählt).
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