Medienschau: NZZ – Zur Absetzung von Mouawads "Vögel"

Kein Versöhnungstheater

Kein Versöhnungstheater

24. März 2023. In der Neuen Zürcher Zeitung greift Bernd Noack noch einmal die Debatte um das Drama "Vögel" von Wajdi Mouawad auf, nachdem das Stück am Münchner Metropoltheater nun endgültig abgesetzt wurde.

Der Regisseur Jochen Schölch hatte nach Antisemitismus-Vorwürfen jüdischer Studierender seine Inszenierung am Metropoltheater überarbeitete. Kürzungen würden nun aber vom Verlag, der Mouawad vertritt, untersagt. Das Stück solle "in seiner Gesamtheit im Wortlaut präsentiert werden", damit es "durch ungerechtfertigte Antisemitismusvorwürfe und eine aufgeheizte Debatte in München nicht weiter beschädigt wird".

Noack sieht die Absetzung als "weiteres Beispiel für das bedenkliche Ausmass der Cancel-Culture" und beruft sich dabei auf Stefanie Schüler-Springorum, Historikerin und Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung, die Mouawads Stück zwar selber "konstruiert und auch kitschig" finde, sich aber gegen die Proteste stelle. "Sie fragte sich, was passieren würde, wenn man dem Protest nachgäbe. Theaterstücke, die sich mit dem Nahostkonflikt oder auch mit dem Holocaust befassen, dürften dann wohl nicht mehr in Deutschland aufgeführt werden. Tatsächlich finden die Kritiker, die mit ihrem Protest die offene Auseinandersetzung verhindern, dass die deutschen Zuschauer nicht in der Lage sind, mit der Komplexität der jüdischen und israelischen Geschichte angemessen umzugehen."

Die Absetzung der Metropoltheater-Inszenierung widerspreche "einer lebendigen Erinnerungskultur, die Widersprüche und provozierende Aussagen aushält und die mehr sein will als 'Versöhnungstheater' (wie das Max Czollek in seinem jüngsten Buch nannte)", so Noack.

(nzz.ch / chr)

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