Andreas Beck – Schauspielhaus Wien, Künstlerischer Leiter

Welches war Ihr herausragendstes, schönstes, beeindruckendstes Theatererlebnis im Jahr 2008, am eigenen Haus oder an anderen Häusern? Und warum?

Meine Lieblingstheaterabende 2008… nun, da wäre vor allem Krzysztof Warlikowskis Inszenierung von Angels in America von Tony Kushner, beide Teile, ein Abend. Sechs, sieben Stunden lang Theater, wie im Traum vergangen, die schöne, fremde Sprache kein Thema mehr, sondern eingetaucht in diese kluge, nachhallende Inszenierung. Und so zeigt sich, dass der engagierte, persönliche Zugriff Warlikowskis aus diesem ehemals viel gespielten Zeitstück einen modernen Klassiker unserer Tage macht – abseits polnischer Wirklichkeit. Nicht mehr akut oder aktuell wirkt Kushners Drama, sondern zeitlos. Für mich eine Wiederentdeckung, und was selten genug einem Film widerfährt, nämlich, plötzlich, als "Klassiker", als "Evergreen" betitelt zu werden, wurde hier zur Beschreibung des Stücks: "Angels in America" ist modern, jenseits des Tagesgeschäfts.

Mein zweitliebster Abend war am Schauspielhaus (auch wenn ich weiß, dass es heikel ist, das hier zu schreiben): Anja Hillings Schwarzes Tier Traurigkeit inszeniert von Tomas Schweigen. Ein heutiges memento mori; eine Geschichte, die uns Menschen in ihrer Verlorenheit, ja Vergeblichkeit, angesichts der tatsächlichen Katastrophe zeigt. Und die dräut allen von uns, unbedacht oder gut verdrängt, bedarf nur eines kleinen Funkens und unsere Welt steht in Flammen und nichts gilt mehr. Ein Abend über uns, unsere kultivierte Sorglosigkeit und Unbedarftheit, das Leben bestenfalls abzufeiern, aber selten genießen zu können. Und darum von unserer Unfähigkeit zu trauern. Ein Abend, den man zulassen muss. An dem mir viel liegt.

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