Im Land der weißen Westen

22. April 2023. Lars Kraumes Film taucht tief ab in die furchtbaren Fünfziger und porträtiert zwei Juristen, die Nazi-Verbrecher zur Verantwortung ziehen wollen. Aus Kollegium und Gesellschaft kommt starker Gegenwind. Jenke Nordalm inszeniert die Uraufführung des Stoffs und zieht ihn ins Groteske. 

Von Sascha Westphal

"Der Staat gegen Fritz Bauer" © Rolf K. Wegst

22. April 2023. Diese 1950er Jahre in der Bonner Republik: Nichts als alte Nazis, die in Adenauers oder eigentlich Globkes Bundesrepublik schon wieder das Sagen haben, und ewige Mitläufer, die nur an die Segnung des Wirtschaftswunders denken. Überall, in der Justiz und in den Universitäten, in den Ermittlungsbehörden und in den Chefetagen der großen Konzerne und auch in den Ministerien, saßen Männer, die vor der Kapitulation im Mai 1945 direkt und indirekt an den Verbrechen der Nationalsozialisten beteiligt waren. Und für viele war der wirtschaftliche Erfolg der BRD so etwas wie der ultimative Persilschein.

Furchtbar grotesk

Die Fünfziger waren vor allem für Menschen wie den Hessischen Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer eine furchtbare Zeit. Er war kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges aus dem dänischen Exil zurück nach Deutschland gekommen. Voller Hoffnung auf ein neues Deutschland, in dem den Tätern des Dritten Reiches der Prozess gemacht wird. Von dieser Hoffnung ist zu Beginn von Jenke Nordalms Bühnenadaption von Lars Kraumes Film "Der Staat gegen Fritz Bauer" allerdings nicht mehr viel übrig. Der von Roman Kurtz gespielte Fritz Bauer liegt an der Rampe in einer Badewanne und schwebt zwischen Leben und Tod. Zu viel Cognac und zu viele Schlaftabletten – ein Versehen, das seine Widersacher, den Oberstaatsanwalt Ulrich Kreidler und den BKA-Beamten Paul Gebhardt, hoffen lässt, ihn losgeworden zu sein.

Während Bauer in der Badewanne liegt, inszeniert Jenke Nordalm im Hintergrund der Bühne eine parodistische Version eines Waschmittel-Werbespots. Das Ensemble spielt eine Reihe von Pinguinen, die eine Treppe hoch watscheln, an deren oberen Absatz ein Matrose auf sie wartet. Der reißt ihnen die braunen Westen vom Leib, unter denen dann strahlend weiße zum Vorschein kommen. So "weißgewaschen" springen sie vom Treppensatz herunter. Mit dieser Episode, die durchaus auch ein Albtraum Bauers sein könnte, ist so ziemlich alles gesagt, über die 1950er Jahre, aber auch über diese Inszenierung.

Bunte Historienrevue

Jenke Nordalm spürt dem Furchtbaren jener Zeit nicht nach. Sie versucht auch nicht, ihm auf den Grund zu gehen. Sie sieht nur ihre groteske Seite und macht die Verhältnisse, an denen Bauer mehr und mehr zerbricht, lächerlich. Die Bühnenversion des Films, die die Regisseurin gemeinsam mit dem Dramaturgen Tim Kahn erstellt hat, bleibt vordergründig zwar ganz nah an seiner Handlung. Doch von seinem Kern könnte sie kaum weiter entfernt sein. Aus Lars Kraumes düsterem Politthriller, der sich vor dem Genrekino der Fünfziger verbeugt und zugleich die ästhetischen und inhaltlichen Freiheiten, die sich heutigen Filmemachern bieten, kongenial nutzt, wird hier im Theater eine bunte, immer wieder auf schnelle Lacher abzielende Historienrevue.

Bauer3 Rolf Ka. Wegst uAuf der Revue-Bühne: David Gaviria (3. von links) als junger Staatsanwalt Karl Angermann © Rolf K. Wegst

Kraume und sein Co-Drehnuchautor, der französische Schriftsteller Olivier Guez, erzählen im Film nicht nur davon, wie Fritz Bauer es dem Mossad ermöglicht, Adolf Eichmann in Argentinien aufzuspüren und nach Israel zu entführen. Sie klagen auch den von den Nationalsozialisten verschärften Paragrafen 175 an, der homosexuelle Männer kriminalisiert hat. Für sie sind der in den 50ern offen zur Schau gestellte Hass auf Homosexuelle und der nur noch anonym ausgelebte Hass auf Juden untrennbar miteinander verbunden. Doch davon ist auf der Bühne nicht viel zu spüren. Aus der Perspektive der Nachgeborenen erheben sich Jenke Nordalm und Tim Kahn über die ganzen alten Nazis und ihre Helfer. Diese Helfer lässt Nordalm meist in Form eines absurden Chors auftreten. So vervierfacht sie Fritz Bauers neugierige, ganz dem Zeitgeist verpflichtete Sekretärin. Daraus könnte ein bedrohlicher Effekt entstehen. Aber dieser Sekretärinnen-Chor tritt – wie alle Figuren außer Fritz Bauer und sein engster Vertrauter, der von David Gaviria verkörperte junge Staatsanwalt Karl Angermann – derart überzeichnet auf, dass es unmöglich ist, das Gewusel dieser vier wandelnden Klischees auch nur für einen Moment ernst zu nehmen. 

Bühne gegen Schauspieler

Zu der plakativen und letztlich herablassenden Komik der Inszenierung kommt noch etwas anderes, das ihr Scheitern verstärkt. Jenke Nordalm versucht auf Hannah Landes so simpler wie funktionaler Drehbühne, die von einer vielseitig einsetzbaren Wand dominiert wird, eine filmische Bildsprache zu imitieren. Immer wieder verschneidet sie räumlich und zeitlich getrennte Szenen miteinander. So gehen die Treffen Karl Angermanns mit der Sängerin und männlichen Prostituierten Viktoria in Szenen in dessen Haus über. Angermanns Geheimnis, seine Homosexualität, die er auf der einen Seite versteckt und auf der anderen versucht, endlich auszuleben, wird damit zu einem Quell szenischer Gags und erwartbarer Lacher.

Das ist nicht nur ein Verrat an einer zutiefst tragischen Figur, die im entscheidenden Moment Größe beweist. Die Inszenierung untergräbt so auch David Gavirias Spiel. Er bekommt nie wirklich die Chance, Angermanns Zerrissenheit, seine inneren Kämpfe, seine Schwäche wie auch seine beeindruckende Stärke, glaubhaft werden zu lassen. Gaviria und Roman Kurtz als Fritz Bauer kämpfen zwar gegen die Vergröberungen der Inszenierung an und bemühen sich, komplexe Figuren zu porträtieren. Aber in dem Umfeld, in dem sie sich bewegen, ist das unmöglich. Also müssen auch sie fortwährend alles vergrößern und vergröbern. 

Bauer2 Rolf K. Wegst uRoman Kurtz als Fritz Bauer, hinter ihm der Chor der Sekretärinnen © Rolf K. Wegst

Dabei gibt es Momente, die einem unter die Haut gehen könnten. Etwa der Augenblick, in dem Kurtz eine Zigarre in seiner Faust zerbröselt, um der Wut Herr zu werden, die Fritz Bauer erfüllt, als er erfährt, dass die Bundesregierung auf keinen Fall einen Auslieferungsantrag stellen und Adolf Eichmann damit niemals vor einem deutschen Gericht stehen wird. Nur gehen diese kurzen Momente von Ernsthaftigkeit in dem abstrusen Treiben unter, das Jenke Nordalm veranstaltet, um sich aller bedeutsamen Fragen über die noch junge deutsche Nachkriegsdemokratie zu entledigen.

Der Staat gegen Fritz Bauer
Schauspiel nach dem Film von Lars Kraume, Bühnenfassung von Tim Kahn und Jenke Nordalm
Regie: Jenke Nordalm, Bühne und Kostüme: Hannah Landes, Musik: Ulf Steinhauer, Licht: Jan Moritz-Bregenzer, Dramaturgie: Tim Kahn.
Mit: Roman Kurtz, David Gaviria, Carolin Weber, Nils Eric Müller, Anne-Elise Minetti, Pascal Thomas, Germaine Sollberger, Amina Eisner.
Dauer: 2 Stunden 20 Minuten, eine Pause

https://stadttheater-giessen.de

 

Kritikenrundschau

Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer werde hier von Roman Kurtz bravourös verkörpert, schreibt Thomas Schmitz-Albohn im Gießener Anzeiger (24.4.2023). Diese Rolle sei wieder so eine, als wäre sie ihm direkt auf den Leib geschrieben, "in feinen Abstufungen zeigt er uns einen sensiblen, redlichen, zugleich desillusionierten, dünnhäutigen und wegen seiner Homosexualität auch leicht verletzlichen Mann, der all seine Energie daransetzt, um den NS-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann ausfindig zu machen". Man habe Teil an Fritz Bauers Gefühls- und Gedankenwelt. Die Regisseurin setze sich mit Verfremdungseffekten und parodistischen Einschüben von der Filmvorlage ab. Feindosierte Komik würze das ansonsten ernste Geschehen. "Eine unterhaltsame, kurzweilige Geschichtslektion aus den frühen Tagen der Bundesrepublik", "ein schöner Erfolg für Gastregisseurin Jenke Nordalm", so der Rezensent.

"Regisseurin Jenke Nordalm macht aus der Filmvorlage von Lars Kraume einen umjubelten Theaterabend, der die Ernsthaftigkeit des Themas mit der genau richtigen Portion Unterhaltung, Zeitkolorit und 'Film noir'-Ästhetik verbindet", schreibt auch Karola Schepp in der Gießener Allgemeine (24.4.2023). Die Heile-Welt-Spießigkeit der Wirtschaftswunderjahre und die historische Schuld des Deutschlands komme beides zum Tragen. Der Jubel am Ende gelte dem Schauspieler Roman Kurtz als Fritz Bauer, aber auch dem Ensemble und dem Regieteam.

Kommentare  
Der Staat gegen Fritz Bauer, Giessen: Frenetische Ovationen
Ich kann die Kritik von Herrn Westphal nicht nachvollziehen.
Ich war mit Freunden in der Premiere und wir waren wie ganz offensichtlich die überwiegende Mehrheit begeistert : das Publikum hat die Aufführung und das Ensemble geradezu frenetisch minutenlang mit Standing Ovations gefeiert. Aus meiner Sicht völlig zurecht.
Die schauspielerische Leistung, insbesondere der beiden Protagonisten Roman Kurtz als Fritz Bauer und David Gavirla als Karl Angermann, war beeindruckend. Voller Spannung und Intensität haben sie die Komplexität und Vielschichtigkeit der Figuren, ihre Motivationen, Abgründe, Ängste vermittelt.
Das Arrangement und Spiel der vielen sie umgebenden Figuren war ebenso gekonnt: mit großer Schnelligkeit und Geschmeidigkeit sind die weiteren sechs Schauspieler*innen in die unterschiedlichen Rollen geschlüpft, in absurd überzeichnete Figuren wie die Sekretärin (schnatternd, wuselnd, intrigant, für Bauer ein Albtraum), ernste und bedrohliche wie Bauers Antagonisten, den BKA Chef, und haben so die Geschichte und Zeit lebendig gemacht.
Das alles vor dem Hintergrund einer in ihrer Schlichtheit, Eleganz und Zurückhaltung absolut gelungenen Bühne, die mit wenigen Dekorationen, Elementen oder Drehungen die unterschiedlichsten Räume und Szenerien erschaffen hat.
Die Geschichte und der verzweifelte Kampf des Fritz Bauer gegen das Wegsehen, Weißwaschen, für Wahrheit und Gerechtigkeit, sind hier aus meiner Sicht sehr überzeugend und klug umgesetzt und dank der spielerischen Leichtigkeit und Lebendigkeit zudem auch all jenen vermittelbar, die den Stoff nicht kennen.
Die Inszenierung in Gießen ist nicht der Film, das hier ist Theater, und zwar grosses!
Der Staat gegen Fritz Bauer, Gießen: Verdienstvoll
Wie eng Banales und Bedrohliches, Verdrängung und „Aufarbeitung“ in der bundesdeutschen Nachkriegsära beieinanderlagen, zeigt die Inszenierung von Jenke Nordalm in vortrefflicher Weise. Dabei mutet in der Tat vieles an Zeitzeugnissen aus den 1950er Jahren heute grotesk an, angefangen bei Werbeclips, bis hin zu politischer Wahlwerbung − vergröbernd und plakativ. Dies retrospektiv noch etwas weiterzudrehen, mag man kritisieren, ist aber als Stilmittel nicht nur legitim, sondern auch zweckmäßig, mitnichten jedoch „herablassend“.

Auch ist der Vorwurf Sascha Westphals, dem „Furchtbaren jener Zeit“ werde nicht nachgespürt, nicht nachvollziehbar, denn der auf den Protagonisten Bauer und Angermann lastende politische und soziale Druck ist ebenso allgegenwärtig wie ihre bisweilen lähmende Angst vor dem Scheitern an den eigenen hehren Zielen und Ansprüchen. Die Kraft der Restauration ist geradezu erdrückend.

Den von Westphal an der Verfilmung gelobten Grundton des „düsteren Politthrillers“ gleichwohl nicht einfach nachzuahmen, ist eher Stärke denn Schwäche der Inszenierung, zumal das Düstere keineswegs zu kurz kommt! Interessanterweise attestiert eine andere Kritik der Inszenierung Versatzstücke des Film Noir. Die Kritik Westphals ist auch insofern inkonsistent, als er zunächst die Vorzüge des gleichnamigen Films preist, sich dann aber an der Technik der Überblendung im Bühnenbild stört, die eben jene filmischen Anleihen macht und für Dynamik und Tempo des Geschehens auf der Bühne sorgt.

Der Inszenierung eine Auseinandersetzung mit den „bedeutsamen Fragen über die noch junge deutsche Nachkriegsdemokratie“ abzusprechen (ohne hinreichend zu benennen, was man denn selbst dafür hält), ist so falsch wie unredlich. Vielmehr ist es erforderlich, sich jenseits der durch die Verfilmungen des Stoffes bereits entstandenen Vorerwartungen („Der Staat gegen Fritz Bauer“, „Die Akte General“) auf einen etwas anderen Zugang zum Thema einzulassen. Die von den acht Schauspielerinnen und Schauspielern jeweils geleistete Darstellung zahlloser Männer- und Frauenrollen etwa entfaltet im Kontext des unsäglichen Paragrafen 175 StGB und der aktuell geführten gesellschaftlichen Debatten um persönliche und sexuelle Identität und Selbstbestimmung jedenfalls eine eigene, besondere Stärke und Relevanz. Besonders gelungen im Sinne der Aktualität (digitale Hetze) waren auch die aus dem Parkett während der Pressekonferenz Fritz Bauers heraustönenden Pöbeleien und verbalen Anfeindungen, die erschreckend gegenwärtig schienen.

Das Publikum war angesichts des großen Beifalls anlässlich der Uraufführung des Stücks offenkundig überaus angetan von der Inszenierung Nordalms und der schauspielerischen Leistung des Ensembles, allen voran Roman Kurtz. Dass dies in der Kritik von Sascha Westphal unerwähnt bleibt, ist abermals unredlich, es sei denn, man stellt sich „herablassend“ auf den Standpunkt fehlender Urteilskraft des üblichen Premierenpublikums.

Statt einer „Vergröberung“ der Inszenierung drängt sich hier eher der Eindruck einer – zurückhaltend gesprochen − vergröbernden Kritik auf, die Versatzstücke aus dem germanistischen Oberseminar für Verrisse aufgreift, mit Begrifflichkeiten wie „Verrat“ und „Scheitern“, und in ihrem Bemühen um ein möglichst scharfes Urteil letztlich maßlos wird und an der Sache vorbeigeht.

Die Inszenierung zeigt die Tragik der Figur(en) sehr deutlich und plädiert gleichwohl unverhohlen für das tägliche innere und äußere Ringen um Menschlichkeit, Recht und Demokratie, ebenso wie für die Notwendigkeit der Kritik an Institutionen und vermeintlicher Staatsräson − in Zeiten einer politischen Debatte um Postdemokratie (Colin Crouch) ein mehr als verdienstvoller Beitrag.
Der Staat gegen Fritz Bauer, Gießen: Standing Ovations
Auch ich halte die Kritik aus mehreren Gründen für nicht sehr stichhaltig.
Die Kritik an der Groteskhaftigkeit der Inszenierung ist meines Achtens nicht gerechtfertigt, denn es lässt sich wohl kaum bestreiten, dass den Alt-Nazi-Figuren aus heutiger Perspektive sehr wohl etwas Groteskes anhaftet. Dies zu überspitzen, führt keinesfalls zu lächerlichen, nicht ernstzunehmenden Figuren, sondern dient eher einer Veranschaulichung. Das Groteskhafte der Verhältnisse, gegen die Fritz Bauer kämpft, zu inszenieren, ist nicht Ausdruck einer herablassenden Haltung gegenüber den Nazi-Figuren, es ist schlicht Ausdruck der Tatsache, dass diese Verhältnisse einen heutzutage nur fassunglos den Kopf schütteln lassen.

Auch der teilweise humoristische Charakter der Inszenierung (von "schnellen, erwartbaren Lachern" kann nicht die Rede sein) steht nicht im Gegensatz zur ernsthaften Thematik des Abends. Humor und Ernst haben sich noch nie ausgeschlossen und in der Inszenierung vollziehen sich diese Übergänge auf durchaus lässige Art und Weise. Der Inszenierung hätten sogar noch mehr Szenen, die die Absurdität des Werbespots am Anfang aufnehmen, nicht geschadet.

Durch den absurden Chor, der die Sekretärin darstellt, wird diese Figur wirklich ins Lächerliche gezogen, aber diese Überspitzung ist gleichzeitig ihre Rettung, denn diese groteske Darstellung entlarvt den damaligen Sexismus, der sich in der Figur einer neugierigen Sekretärin wiederfindet, und steigert ihn ins Unerträgliche.

Außer Acht gelassen wurde bei der Kritik außerdem die Tatsache, dass es vom Publikum einen begeisternden Applaus mit Standing Ovations gab - und zwar von einem Publikum, von dem Einige der Generation angehören dürften, die die Nachkriegszeit, die Zeit Fritz Bauers, miterlebt haben. Von ihnen scheint niemand eine Arroganz in der Inszenierung bemerkt zu haben.
Der Staat gegen Fritz Bauer, Gießen: Was für ein Abend!
Die Erfahrungen von Herrn Westphal decken sich nicht mit meinen Eindrücken. Ich erlebte einen zutiefst bewegenden, berührenden, politischen und wichtigen Theaterabend, der seinesgleichen sucht. Das Lachen blieb mir nicht nur beim erwähnten Persilwerbespot zu Beginn im Halse stecken. Auch sonst hatte dieser Abend den nötigen Tiefgang und zeigte bravourös den unrühmlichen Umgang unseres Landes mit unserer Vergangenheit auf.
Besonders beeindruckend für mich war das Zusammenspiel zwischen Roman Kurtz als Fritz Bauer und Davíd Gaviria als Karl Angermann. Beiden gelang eine vielschichtige, sensible und authentische Darstellung ihrer Rollen bis in kleinste Gesten und Mimiken hinein. Als Angermann angsterfüllt um seine Zukunft und sein Leben kämpfte, weil seine Homosexualität ans Licht kam, spielte Gaviria das so fein und eindrücklich, dass ich im Parkett körperlich mitgelitten habe. Kurtz gelang es, seinen jungen Wegbegleiter zu ermutigen.
Die gemeinsamen Szenen auf Augenhöhe zeigten was Theater kann.
Aber auch das übrige Ensemble war bestens aufgelegt, voller Spielfreude und stürzte sich mit Wucht in diesen Abend. Die ineinander übergehenden Szenen boten Tempo und einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte. Bühne, Spiel, Text, Regie wirken nach. Und ich bin bereit, mich weiter für Gerechtigkeit einzusetzen. Das hat dieser Abend mit mir gemacht. Wenn das grotesk ist - gerne.
Kommentar schreiben