Christian Stückl – Münchner Volkstheater, Intendant

Welches war Ihr herausragendstes, schönstes, beeindruckendstes Theatererlebnis im Jahr 2008, am eigenen Haus oder an anderen Häusern? Und warum?

Welch schwierige Frage, die einem die nachtkritik-Redaktion da stellt. Für mich als Intendant – der selbst Regie führt – ist es oft bedauerlich, dass ich viel zu wenig in die anderen Münchner Häuser, geschweige denn in eine andere Stadt, in ein anderes Theater komme. Viel zu oft überlässt man das "Theaterschauen" seinen Dramaturgen. Bedauerlich und manchmal auch ein wenig ignorant. Aber eigentlich sind es ja nicht wirklich die herausragenden Inszenierungen wie Kriegenburgs "Prozess" (sehr beeindruckend) an den Münchner Kammerspielen, die einen am Theater halten, sondern es ist die eigene Arbeit, der eigene Prozess, dieses immer wieder von vorne beginnen, diese Ungewissheit, ob einem eine Inszenierung gelingt oder ob sie in die Hose geht.

Das schönste Erlebnis ist für mich immer (und dies nicht nur im Jahr 2008), wenn ich merke, dass nach achtwöchiger Probenzeit die Lunte, die man gezündet hat, zur Flamme wird und diese Flamme auf das Publikum überspringt. Und dies nicht nur bei den eigenen Arbeiten, nein, auch wenn ein Regisseur, den man ans Haus geholt hat und in den man Vertrauen gesetzt hat, das Publikum und die Schauspieler, die man ihm anvertraut hat, mitreißt. Mit zu den schönsten Erlebnissen gehört für mich, wenn ich neue, oft sehr junge Schauspieler auf die Bühne hole und sie dort zu fliegen beginnen. Überhaupt, der Findungsprozess reizt mich jedes Jahr aufs neue. Das Finden von Schauspielern, das von Stücken, von Regisseuren und Bühnenbildnern.

Manchmal ist man gezwungen, auf Platzauslastung und auf Einnahmen zu achten. Das gehört sicher zum Job eines Intendanten, aber viel wichtiger ist es, wenn ich nach einer Vorstellung im "Volksgarten", unserem Theaterlokal, mitbekomme, dass die Zuschauer mit einem heiteren oder manchmal auch einem ernsten Gesicht beim Wein sitzen und sich angeregt über ein Stück unterhalten. Vor kurzem haben zwei etwa fünfzigjährige Damen so sehr über Simon Solbergs "Faust" gestritten – die eine hat in der Pause das Theater verlassen, die andere bis zum Schluss ausgeharrt –, dass ich zwischen den beiden Freundinnen vermitteln musste. Die eine fand es einen schrecklichen, die andere einen herausragenden Theaterabend. Ich fand den Streit der beiden ein beeindruckendes Erlebnis.

Am Ende möchte ich gar keine einzelne Produktion als herausragendste oder beeindruckendste hervorheben. Wir, die wir am Theater arbeiten, haben einen der schönsten Berufe, die es gibt. Das ist herausragend, und in diesem Sinn werden wir ins Jahr 2009 starten und alles daran setzen, dass gute Geschichten auf die Bühne kommen. Doch sicher wird uns die eine oder andere nicht gelingen – aber das gehört auch dazu und spornt uns zum Weitermachen an.

 

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