Die Berlin-Köln Connection

von Regine Müller

Köln, 15. Januar 2009. Immerhin, mit Machtpoker im großen Stil kennt er sich aus: Peter F. Raddatz, der soeben überraschend zum Chef der Berliner Opernstiftung ernannt worden ist, hat in seiner Theaterkarriere mehrfach mit spektakulären Schachzügen bewiesen, wie man der allerorten entscheidungsfeigen Kulturpolitik Dampf macht.

Als langjähriger kaufmännischer Geschäftsführer des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg war er 2001 mit einer vorzeitigen Vertragsauflösung erstmals politisch aufgefallen. Die bereits gärenden Zweifel am Intendanten Tom Stromberg nahmen durch Raddatz' wohl inszenierten Ausstieg erst richtig Fahrt auf. 2003 musste Stromberg tatsächlich gehen.

Raddatz indes wechselte geschmeidig nach Köln als Geschäftsführer von Oper und Schauspiel. Doch auch dort drohte Verdruss: bereits 10 Monate nach Raddatz' Berufung und noch vor seinem offiziellem Dienstantritt flirtete er derart zielbewusst mit dem Zürcher Schauspielhaus, dass von dort bereits Vollzug gemeldet wurde, bevor Raddatz "April, April!" rief und doch in der Domstadt blieb. In Köln hatte man sich unter dem Druck seines drohenden Abgangs mit Zusagen in letzter Minute seiner Dienste erneut versichert.

Christoph Marthaler, damals Intendant in Zürich umriss mit den Worten "grausames Spiel" treffend den Stil des erfolgreichen Täuschungsmanövers. Die folgenden Jahre in der Schlangengrube der kölschen Kulturpolitik, die an Peinlichkeiten und bösen Überraschungen die Berliner womöglich noch übertrifft, waren für die Kölner Theater höchst unrühmlich.

Im Kölner Stahlbad fit für Berlin gemacht

Glücklos wirtschafteten Marc Günther im Schauspiel und Christoph Dammann an der Oper das verbliebene Niveau in den totalen Niedergang herunter. Beide mussten gehen, die stets öffentlich breit getretenen Nachfolgediskussionen sorgten weiter zuverlässig für Wirbel, Zu- und Absagen reihten sich in munterer Folge.

Endlich sorgt nun Karin Beiers furioser Neubeginn am Schauspiel für Aufwind und keimt auch fürs Opernhaus mit dem designierten Uwe-Eric Laufenberg wieder Hoffnung am Offenbachplatz. Doch wollen in den nächsten Jahren die Sanierung des Opernhauses und der Neubau des Schauspiels überstanden sein. Raddatz zieht nun jedoch den Berliner Schleudersitz-Posten der weiterhin schwierigen Gemengelage in Köln vor. Bestens vorbereitet auf die schwer durchschaubaren Hauptstadt-Verhältnisse wird er durch das Kölner Stahlbad ja sein.

Aber noch etwas macht nachdenklich: beide Kulturstandorte scheinen so etwas wie das Trainingslager für den jeweils anderen zu sein. Der amtierende Kölner Kulturdezernent Georg Quander war einst Intendant der Lindenoper, aus der Kölner Findungskommission für die Oper musste er aussteigen, da er – Überraschung! – plötzlich selbst Interesse an der Intendanz anmeldete.

In jener Kommission saß, na wer wohl, neben Raddatz der gebürtige Kölner Jürgen Flimm, der nun in Berlin am selben Tag als neuer Staatsopernintendant bestätigt wurde, an dem Raddatz als Stiftungsboss verkündet wurde. Ein Schelm, der Böses dabei denkt?

 

Mehr über Stefan Rosinski, Raddatz' Vorgänger an der Spitze der Berliner Opernstiftung und seit September 2009 Chefdramaturg der Berliner Volksbühne, lesen Sie im nachtkritik-Archiv.

 

 

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