Nackte Gefühle im Testfeld

von Ralph Gambihler

Leipzig, 12. Februar 2009. Eugene O'Neill, der psychisch labile Literaturnobelpreisträger des Jahres 1936, notierte in der Widmung zu seinem Familienhölledrama "Eines langen Tages Reise in die Nacht", es sei "geboren aus frühem Schmerz, geschrieben mit Blut und Tränen". So viel Pathos war selbst 1940, im Jahr der Entstehung, nicht alltäglich. Der Verfasser, von einem beginnenden Nervenleiden bereits gezeichnet, war getrieben von der Idee, dass sich familiäre Tragödien schicksalhaft von einer Generation zur nächsten vererben. Der Gedanke lag nahe. Er wurzelte tief in der eigenen Tragödie, und die wird in diesem unverhüllt autobiografischen Stück mit viel Wortaufwand ausgebreitet.

"Eines langen Tages Reise in die Nacht" handelt, kurz gesagt, von einer Katastrophe, die morgens beginnt und um Mitternacht endet. Die morbide Familie des berühmten Schmierendarstellers, Trinkers und Geizhalses James Tyrone implodiert innerhalb von wenigen Stunden. O'Neill hat dieses Stück, das im Kern um das Nichtbewältigen-Können einer schuldhaften Vergangenheit kreist, als großes Enthüllungs-Psychodram geschrieben, geschult an seinen Vorbildern Strindberg und Ibsen, gespickt mit seitenlangen Regieanweisungen, in denen er sogar die Form einer Nase vermerkt wird.

Der Regisseur erklärt sich
Mit den Mühen der Enthüllung hält sich Sebastian Hartmann (Regie) in seiner furiosen Inszenierung am Centraltheater Leipzig keine 60 Sekunden auf. Er hat das Stück radikal auf seinen emotionalen Kern reduziert. Keine Figur muss die Form wahren, um sie bühnenwirksam zu verlieren. Keine bürgerliche Fassade muss einstürzen, keine Taktgefühl zerfallen. Hier gibt es nur eins: die nackte Emotion, roh, rücksichtslos und gespenstisch, entschlüpft aus "diesem verdammten Scheißunglück".

Sebastian Hartmann, nach kontrovers verlaufenden Publikumsgesprächen (wir berichteten) zu ersten Konzessionen in Richtung Saal bereit, geht diesmal auf Nummer sicher. Er lässt vorab eine erläuternde "Reise-Notiz" verteilen. Daraus geht hervor, dass nicht das Säurebad von Dramaturgie und Regie zu diesem Ergebnis führte, sondern der Probenprozess: "Entscheidend in der Auseinandersetzung mit dem Stück war, wie sich die Emotionen der Schauspieler entwickelten: Neid, Liebe, Hass, Misstrauen. In der Regel steigen die Schauspieler in eine Szene ein und werden nach zwei, drei Minuten vom Regisseur unterbrochen, um von ihm Anweisungen zu bekommen. Diesmal spielten sie ununterbrochen, manchmal über zwei Stunden, ehe der Regisseur die Sequenz mit ihnen diskutierte, Vorschläge machte."

Happening reloaded
Der Regisseur als Moderator, der das liebe Schlachtfeld den Darstellern überlässt: Das war einmal eine große Sache, damals in den Theaterhappenings der 70er Jahre, die selbst hinter dem Regiepult deformierende Mächte vermuteten. Die neue Wahrhaftigkeit wurde zwar bisweilen mit Plumpheit oder Albernheit bezahlt. Grundsätzlich dumm war sie aber nicht, und wenn man nun sieht, was in Leipzig daraus geworden ist, muss man sagen: Oh ja! Da geht noch was!

Zumindest beim Schmerzensmann O'Neill. Sein Trauerspiel scheint wie gemacht für ein freies, vor allem schlackenfreies Remake. Erstaunlich, wie dieser verheerende Augusttag im Sommerhaus der Tyrones sofort brutal klar wird und sich dennoch dem sortierenden Blick verweigert. Das Grundmuster ist aber erkennbar: Wo die Figuren in der Vorlage die Wahrheit in Schach zu halten versuchen und am Ende scheitern, bekriegen und traktieren sie sich nun rücksichtslos damit. Das familiäre Trümmerfeld dieses Abends ist auch ein Trümmerfeld der gezielten Enthemmung und Entgleisung. Wer so inszeniert, hat der Welt den Rückzug der Konvention und die Dynamik der Entfesselung abgeschaut und das Individuum in aggressiver Verzweiflung entdeckt.

Crash mit letzten Gespenstern
Ein Testfeld also, ein Blick ins Innerste, ein Crash mit letzten Gespenstern. O'Neillsche Charaktere werden darin nicht mehr sichtbar. In den emotionalen Extremkreisen, die auf Hildegard Altmeyers Bühne vor roten Samtvorhängen ausgeschritten werden, haben sie sich eher in ihr Gegenteil verkehrt. Wenn Anita Vulesicas die Mutter und rückfällige Morphinistin Mary als höhnische Furie zeigt, ist die fragile Dame mit den hypernervös flatternden Händen weit weg. Peter René Lüdicke macht aus dem schrecklich robusten Säufergatten James ein Säuferwrack mit benebelten, gewalttätigen und weichen Seiten. Guido Lamprecht spielt als der ältere Sohn Jamie einen großen Aggressiven, in dem ein großer Lieber steckt. Maxmilian Brauer gibt den jüngeren, schwindsüchtigen Brüder Edmund heftig ringend, mal starrstill, mal mit dem Vater schlägernd. Lassen können sie alle nicht voneinander. Nur ohne Zeugen wollen sie am Ende sein: "Wir würden jetzt gerne allein weitermachen!"

 

Eines langen Tages Reise in die Nacht
von Eugene O'Neill, deutsch von Michael Walter
Regie: Sebastian Hartmann, Ausstattung: Hildegard Altmeyer.
Mit: Maximilian Brauer, Guido Lambrecht, Peter René Lüdicke, Henrike von Kuick, Anita Vulesica.

www.centraltheater-leipzig.de


Mehr zu Leipzig? Nach den ersten 100 Tagen seiner Intendanz berief Sebastian Hartmann im Herbst 2008 eine Zuschauerkonferenz ein. Denn er hatte mit seinen ersten Inszenierungen am in Centraltheater umbenannten Schaupielhaus – Matthäuspassion, Macbeth und Publikumsbeschimpfung – sein Theatervolk arg verstört, dem er sogar begleitende Programmhefte zu den Aufführungen verwehrte.

 

Kritikenrundschau

"Alles, was in dem von rotem Theatersamtvorhängen eingefassten Raum passiert, ist in einen wohlkomponierten Spannungsbogen gefügt und aus der Logik des Augenblick begründet", schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (14.2.2009), für den Hartmann in Leipzig das "kleine Wunder" vollbracht hat, sich mit dieser Inszenierung fortzubewegen (und auf seine Zuschauer zu), ohne dabei "schlaffe Kompromisse" einzugehen oder einen "egozentrischen Olymp-Rückzug" zu exekutieren. Stattdessen knalle er mit diesem "Seelendrama", das auch ein "Theaterdrama" sei, sein Intendanten-Dilemma einfach mit auf die Bühne. Denn die im Stück verhandelte Geschichte des künstlerisch am eigenen Erfolg gescheiterten Tyrone und seiner Söhne böte viel Raum für Anspielungen. Dass aber Hartmanns Rechnung tatsächlich so großartig aufgeht, verdankt er nach Ansicht Seidlers hauptsächlich seinen Schauspielerin. "Es ist das Spiel, das diesen Abend zum Schatz macht, dieses durchscheinende, knallwache, entfesselte und durch die Theatersituation immer wieder eingefangene Spiel, dessen hohe Qualen und tiefe Freuden augenblicklich zu nichts zerkrümeln können, das dabei aber nichts an Pathos und Lust, vielleicht auch noch nicht einmal etwas an Wahrheit einbüßt."

"Mutig" und sehr beeindruckend findet Gisela Hoyer in der Leipziger Volkszeitung (14.2.2009) den Abend und protokolliert auch allerlei Jubel um sie herum. Sebastian Hartmann habe für diese Inszenierung "zugunsten größtmöglicher Intimität und Nähe auf wallende Nebel, aufwändige Lichteffekte, dröhnende Beats, Video-Assoziationen und seine berühmten Bilder verzichtet" und triumphiere hier nun auf ganz andere Weise, "aber einmal mehr dank Intensität und Genauigkeit." Intensität und Genauigkeit ergeben sich für die Kritikerin vor allem aus der "schönen Idee", sich dem Stück und seinen Themen auf der Konversationsebene zu nähern, und zwar ebenso respektvoll wie emanzipiert. Dass der Abend dann in derartigem Jubel endete, ist aus Hoyers Sicht aber auch den "wunderbaren Schauspielern" geschuldet.

"Wer hätte gedacht, dass dem Leipziger Centraltheater ausgerechnet mit dieser
traurigen Travestie des klassischen Künstlerdramas nun ein entscheidender
Schritt zur Verständigung mit seinem Publikum gelingen würde?" freut sich Andreas Hillger in der Mitteldeutschen Zeitung (20.2.2009) Und da Hartmann zudem die Spitzen seines Ensembles für diese Expedition ins Ungewisse versammeln würde, sein ein wahres Schauspieler-Fest zu bestaunen.

 

 

 

Kommentare  
Harmanns O'Neill: Wo ist denn ...?
was ist denn das? ein herr-hartmann-hat's-aber-hübsch-gemacht?

was ist denn nun mit der inszenierung, was gibt es denn dazu zu sagen? wo ist denn das theater vor dem theater, das hartmann hier trick für trick abbrennt? wo ist denn die unausweichbarkeit des schmerzes?

der abend gestern war großartig und in vollem maße berauschend. das ist eine gefühlvolle und gleichzeitig herrlich unkitschige ausweidung des stückes.
Hartmanns O'Neill: weinen vor Glück
gestern nacht im centraltheater: nicht uli matthes hat geweint, wir haben jetzt geweint. Hartmann und seine schauspieler sind mutiger als andere, nicht nur in der provinz. Diese aufführung muss jetzt schnellstens zum theatertreffen nachnominiert werden, weil sie echt ist und weil sie einer bornierten jury zeigt wofür theater heute stehen könnte.
Hartmanns O'Neill: ich mach' Dir den Ödipus
Naja, ich sagte ja bereits, daß das Treffen nicht alles ist. (War auch schon ewig nicht mehr auf Klassentreffen). Viel wichtiger sind die Schauspieler. Also was ist ein guter Regisseur ohne gute Schauspieler? Nischt!
Gib mir einen Brad Pitt und ich mach dir den Hamlet. Gib mir einen Christian Bale und ich mach dir den Ödipus.
Ohne diese Leute läuft nix auf der Bühne.
"Der Schauspieler ist die einzige Biene, die Honig
ohne Blumen herzustellen vermag." (Cicero)
Hartmanns O'Neill: unambitionierte Selbstverständlichkeit
Manchmal nur Szenen, kurze Momente, Verblüffung, offener Mund, wir hat der das gemacht, Abschweifen, Blick zur Uhr, ja, wir kennen das, lass es zu Ende sein...
Nicht so gestern bei Hartmann. Spielen die da eigentlich? Hochsensibel. Grausam in dieser leisen unambitionierten Selbstverständlichkeit. Ein filigranes Uhrwerk. Das Team ist der Star (und besonders die Grüne)! Ha. 1 Tisch, 4 Stühle, 1 Sofa. Die könnten das auch ohne.
Atemberaubend!
Hartmanns O'Neill: neues, unbequemes Theater
Selten so intensives Spiel gesehen.Danke an alle! Das war der Abend im Centraltheater,in dem allen der Atem gestockt hat, jung + alten, was nicht heißt, daß es der erste gute, oder der bisher beste Abend gewesen war (Macbeth!). Aber toll war das! Wo sind jetzt die die sich hier sonst einen Wolf tippen, wenns darum geht ein neues, unbequemes Theater niederzuschreiben? In dem sie wahrscheinlich noch nie gewesen sind. Wo seid ihr nach einem Abend, an dem es nichts auszusetzen gibt??? Weiter so, Herr Hartmann, und weiter so ihr die ihr jetzt endlich mal nicht schreibt.
Hartmanns O'Neill: eine Geburt?
Vor 24 Stunden war ich Zeuge einer Auferstehung. Eines theaterhistorischen Ereignisses? Einer Geburt? Der Gnade? Ich weiß es nicht, doch die Bilder blitzen weiter durch das Nervensystem.
Hartmanns O'Neill: ein Fan spricht
Auch ich war beeindruckt von und erfreut über die Inszenierung, mit all den Elementen die bereits anklangen: Das Theater, das Theater kommentiert; die großartigen Schauspielerleistungen aller Darsteller; die wiederum fantastische Musikauswahl, die immer wieder in die Improvisation hineingeschnitten hat und sie darum nur umso dichter werden ließ und natürlich dieses Zugeständnis Sebastian Hartmanns an die Zuschauerkonferenz. Ich bin ein großer Fan der bisher in Leipzig gezeigten Inszenierungen und fand es traurig, dass es hier so viele Menschen gab, die zu keinem Moment bereit waren sich auf das Theatererlebnis, welches ihnen geboten wurde, einzulassen.
Wie Hartmann es geschafft hat, dem Wunsch der Leute nach einem Theater, das sie kennen zu entsprechen und gleichzeitig ein Theater zu machen, das sie noch nie gesehen haben, war absolut faszinierend.

Leider muss ich aber auch sagen, dass die Pause mir vieles kaputt gemacht hat. Die emotionale Ebene die durch die erste Hälfte bei mir aufgebaut wurde, der immerwiederkehrende Einbruch der Schuldgefühle und -zuweisungen in die permanent scheiternden Versuche "Normalität" oder zumindest einen Moment der Ruhe zu erleben, nichts davon konnte leider in die zweite Hälfte gerettet werden. Wenngleich, das furiose Spiel und die nun auftretenden Momente in denen Hartmanns Handschrift - die immerwieder zitierten Bilder - durchaus zu sehen war, nach wie vor fesseln konnten und zu keinem Moment der entlarvende Blick auf die Uhr notwendig wurde, so war für mich doch die Intensität der ersten Hälfte weg.
Sehr schade, denn dadurch war es für mich kein unglaublicher, sondern "nur" ein sehr sehr guter Theaterabend. Danke dafür an die Schauspieler, das Team und natürlich Sebastian Hartmann.
Hartmann O'Neill: Kunst und Künstlichkeit
Wer kennt denn die Textvorlage und sieht deren Potential? Erzählt Theater eine Geschichte oder bietet es eine Reflektion über einen Text, den man kennen muss um die Inzenierung zu verstehen?
Der Theaterabend war kein emotionaler Höhepunkt, das Potenzial des Stückes verschenkt, gezierte Schauspieler, unklare Assoziationen, billige Effekte wie Schnee und schwankende Leuchter. Besonders geschockt hat mich die Erläuterung, die ich nach dem Abend als Kopie gelesen habe. Improvisation, freies Laufen, eine immer neue Reise, Schauspieler, die selbst gestalten? Eine schöne Utopie, leider in der Ausführung total gescheitert, es ruckt und stockt im Zusammenspiel, keine Spielfreude oder-leichtigkeit. Bis zur Pause soweit so gut und dann wars vorbei, rutschte ab und kann nur Menschen gefallen, die Kunst mit Künstlichkeit, Verstelltheit des Sinns verwechseln.
Hartmanns O'Neill: life und live
kaya kann man nur zu seiner/ihrer weisheit gratulieren, daß er/sie kunst nicht mit künstlichkeit und verstellung verwechselt. mensch, was seid ihr doch alle dumm, die ihr den leipziger o´neill so gut fandet! und gut, daß es wenige wie kaya gibt, die uns dann wieder auf den boden der tatsachen holen und eben ansagen, was sache ist. danke, vielen dank! und jetzt noch was ganz, ganz dummes: die inszenierung ist absolut der hammer, so konzentriert, daß man meint, man säße mit am tisch, mit auf der couch. und das tut man eigentlich ja auch. der text zum abend ist gut und notwendig. oder um es mal für uns dumme zu sagen: es gibt keinen unterschied zwischen kunst und künstlichkeit, aber es gibt einen unterschied zwischen life und live, und der kommt hier großartig zum tragen. es knistert im saal. wer das `aushält´ wird zeuge eines grandiosen abends.
Hartmanns O'Neill: wir haben verstanden
na ja, und die sache mit dem verstehen...und mit dem text, den man gelesen haben muss...um zu verstehen.warum so kleinlaut? Erwartest du von theater dass es dir erklärt was du selbst nicht finden kannst und fühlst du dich allein gelassen wenn du ohne erklärung ins theater musst? Also: wir haben die inszenierung verstanden. Wir haben uns aber auch nicht dümmer gestellt als wir sind.
Hartmanns O'Neill: blödes Statement
wer sind wir? der papst? was ist das denn für eine blödes statement? sie haben verstanden? da sind wir ja froh, dass sie so ein kluges bürschen sind! oder vielleicht am ende doch bloß einer, der sich für klüger hält, als er ist.
Hartmanns O'Neill: guter Gosch
guter gosch abend. gratulation.
Hartmanns O'Neill: gut gestrichen
hach, sind wir alle klug und weise!
natürlich hatte das, was auf der bühne stattfand, mit dem urstück nicht mehr viel gemein. und ja, das ist mir aufgefallen, weil ich das stück mitsprechen kann; aber wen im zuschauerraum hat das denn wirklich gestört? die streichungen waren gut gewählt, und dadurch wurden neue schwerpunkte gesetzt.

was die "billigen" effekte angeht: auch die hatten für mich ihre berechtigung. hartmann hat meiner meinung nach genau das mit dem stück gemacht, was es eben gerade ausmacht: er hat billiges, schlechtes schmierentheater daraus gemacht, und da dürfen auch theatergläser, ein schwankender leuchter und kunstschnee nicht fehlen. natürlich sind das abgegriffene bilder ohne jeglichen neuwert, aber manchmal darf man sich auch mit den kleinen dingen zufrieden geben.

(mit gosch hatte der abend im übrigen doch herzlich wenig zu tun.)
Hartmanns O'Neill: Gosch-Hype schleierhaft
wenn dieser hartmann ein gosch war, dann war es der beste gosch seit langem. der goschhype ist mir total schleierhaft.
Hartmanns O'Neill: Angst
Diese kleinschreibenden leipziger Schreihälse machen mir irgendwie Angst.
Hartmanns O'Neill: alle anderen Schreihälse?
natürlich: sobald es mal eine meinung gibt, die nicht dem landläufig verbreiteten 08/15-theaterschubladendenkmuster entspringt, sind alle anderen "schreihälse".

aber was red ich; die perlen und die säue ..
Hartmanns O'Neill: Kritikaster in den Regiestuhl
@agnes: ( ... ) du kannst den text mitsprechen? tooooll! - und das berechtigt dazu, aus einer guten eine "billige" inszenierung zu machen, die deinen hohen ansprüchen nicht genügt? neben der - natürlich - originalversion in deinem hellen köpfchen kann jede andere nur billig sein? kritikaster wie du gehören nicht in den zuschauerraum, sondern einmalig in den regiestuhl - um kläglicher als kläglich, peinlicher als peinlich abzusaufen. soll mir recht sein, ich gucks mir an. hauptsache, schwätzer(innen) wie du geben anschließend ruhe. der rest ist schweigen, heißt es bei hamlet - sogar im original!
Hartmanns O'Neill: weg von der Metaebene
Das ist schon schade. Da habe ich eine Inszenierung nicht gesehen und versuche jenseits der Zeitungs/Internetkritik einer Diskussion zu folgen. Leider wird wenig zur Inszenierung, viel über andere Meinungen geschrieben. "Kritikaster", schon zu Zeiten der DDR ein mißbrauchtes Wort, oder ironische Zitate. Reicht es nicht eine Begeisterung oder Entsetzen mitzuteilen? Wäre schön sich einfach von der Metaebene zu entfernen und einfach zu zu hören.
Hartmanns O'Neill: und so sensibel
um zu hören: es war einfach sensationell! ein bühnenbild - und fast drei stunden hochspannung. die schauspieler, ja natürlich großartig, aber wie wären sie, wenn hartmann sie nicht so hätte spielen lassen. also, ich bin sehr dankbar, dass er da ist und uns mit seiner unkonventionellen art und sichtweise "zu schärfen versucht". Besonders beeindruckend: die sensibilität, die spürbar ist. man ist gefangen im spiel, fast mit drin in der geschichte - beeindruckt!
und ich frag mich: was will die lvz mit ihrer berichterstattung bezwecken? hat das jemand erkannt? oder sind es redakteure, die nur herrn engels inszenierungen (jetzt wieder) gut finden?
Hartmanns O'Neill: billig ist teuer
@salo: na ja, die deutschen und leseverständnis, nech? ist dir vermutlich entgangen, aber: die interpretation, das dreckige innerfamiliäre theater genau so auch auf die bühne zu bringen, war für mich gerade der punkt, der den abend ausgemacht hat. ich hab ihn genossen, sogar sehr und wirklich. "billig" ist ein wort, das nicht per se negativ konnotiert ist, lernt man in gutem deutschunterricht.

aber jemand fremdem erst einmal irgendwas in den mund zu legen, damit man wieder rumblöken kann, ist und war ja schon immer viel leichter als einfach zu lesen. du machst dich als schwätzer viel besser als ich.
Hartmanns O'Neill: moderner unter Engel
jetzt kommt wieder die ehrgeizige leipziger claque aus ihren ecken. eine frage: war leipzig unter engel mit thalheimer, henkel, petras etc. nicht schon mal moderner, als mit diesem elenden 90er jahre stadttheater schrott?
Hartmanns O'Neill: nicht kirre machen
Oh ja, es war so wahnsinnig modern und toll und immer ausverkauft und immer gesellschaftskritisch und immer anregend und aufregend - dass in den fünf Spielzeiten, die ich als Abo-Inhaber miterlebt habe, teilweise Premiere vor 100 Zuschauern gespielt wurden! So modern war Engel - so modern war Leipzig, die Provinz! Hartmann u. Mannschaft: schön, dass ihr da seid! Lasst euch nicht kirre machen von den Claqueuren, die Eure zahlreichen Unterstützer "Claqueure" schimpfen!
Hartmanns O'Neill: modern?
modern ist doch eine völlig hohles wort, lächerlich, henkel ist einfach nur sehr sehr gesinnungsdunstdümmlich, wie thalheimer doch auch. musik an und dann so tun, als würden auf der bühne die gültigen zeitgeistzeichen verschoben, als wären ausgerechnet die ewig nachhinkenden theaterleute, die immer nur schielen, was in der großen echten kunst - oder dem kino - gerade angesagt ist, und dann spielen, auch sie seien kritische zeichen setzer für leute die erwarten, ausgerechnet das theater bildet die speerspitze der m o d e r n e, nö einfach blödes normales theater langt schon, wird nicht besser durch kunstgetue und krampfi einfälle haben.
Hartmanns O'Neill: Provinz
@ dieprovinz

Zu deiner Frage:
Warte...lass mich kurz überlegen... :
Nein.
Fühle mich komischerweise mehr zum Theater hingezogen als vorher!

P.S.: In welcher Provinz bist du denn nach Engel gelandet? Ja, das Schaustellerleben!
Hartmanns O'Neill: formlos, epigonal, 90er
bei engel gab's für die schauspieler wenigstens was zu spielen - viele leipziger ensemblemitglieder gehen spazieren, weil einfach zu wenig (und immer mit denselben) produziert wird.
man merkt es deutlich an den beiträgen zu leipzig in diesem forum - es geht eigentlich nur um hartmann - das leipziger ensemble ist aber ziemlich groß - besteht also nicht nur aus lawinky, lüdicke und ihrem verwirrt-genialischen intendanten

und warum hartmanns formlos-epigonaler frank-castorf-in-den-neunzigern-regiestil modern sein soll verstehe ich beim besten willen nicht.
Hartmanns O'Neill: Mottenkiste
@die peripherie, du scheinst ja auch nicht allzu viel zu tun zu haben, dass du auf der straße dauernd schauspieler triffst! geht es bei den einträgen hier nicht meistens um regisseure, so wie in kritiken eigentlich immer? soll man das dann dem regisseur ankreiden? oder den leuten, die ins forum schreiben? wenn einem aber sonst nix einfällt, dann wirft man dem regisseur halt noch vor, dass er im gespräch ist. meine ich ganz allgemein. und was hartmann betrifft: wahnsinnig gehalter vorwurf, das mit castorf, 90er jahre. gääääähn! sonst noch kritik aus der mottenkiste? dann doch lieber wieder spazierengehen! vielleicht triffste ja schauspieler.
Hartmanns O'Neill: mehr Strenge, mehr Inhalt, mehr Klasse
stil im theater so was lächerliches, 90er jahre, na und? was wirkt, was spass macht darum gehts - neufindungen im theater ! man glaubt es nicht ! was sich die leute denken - wo sieht die einer - beschreib mal so eine hübsche neufindung - alles mixe, bezüge, anknüpfen, nachmachen, dazutun - mehr strenge, mehr inhalt mehr klasse wär gut - hat aber nix mit neu zu tun oder gar originalität, sondern mit denken und loslegen.
Hartmanns O'Neill: peripherie heute, gestern act up
Die Peripherie war hier dereinst als Act up unterwegs. Neuer Name altes Programm: Alles Zerreden, komme was da wolle. Selbst wenn's ein großer Wurf ist.
Hartmanns O'Neill: Erinnerung an Engels Theater
@dieprovinz:
also was unter engel "moderner"(wenn man mal dieses Attribut verwendet, dass tatsächlich so wenig greifbar ist)gewesen sein soll,stellt sich mir nicht dar.ich habe mehrere inszenierungen von ihm gesehen (Faust. Wallenstein, Schiff der Träume,etc)und fand es sehr texttreu und dadurch von uns entfernt.dann gab es immer irgendwelche ortswechsel, trommelgruppen, reiter, drehbühnen...etc.und mit meinen damaligen theatererfahrungen fand ich das eigentlich auch ganz gut-aber, da kannte ich hartmanns theater noch nicht! und so kommen mir die engelstücke doch eben einfach "nur" klassisch gespielt mit hier und da einem plautz und peng vor und texten, die zu verfolgen oft manchmal schwer fiel-aber hartmann holt dich ins jetzt.
die frage:was soll theater erreichen?originalstücke, die die sprache,unsere kultur,weitertragen sollen oder stücke, die vom original etwas in unsere zeit herübertransportieren-hier und da originalzitate,aber auch äußerungen aus dem hier und jetzt, so dass du ganz nah dran bist.und noch dazu: eine nachwirkung, ein sich-außeinandersetzten, ständig bilder dieser vorstellungen im kopf und den vorsatz:ab morgen versuch ich noch mehr für diese welt zu tun...
gib beispiele, was du mit moderner meinst!
Hartmanns O'Neill: nicht ohne meinen Regiefurz
was, das alles soll theater? meinungen bilden? statements verbreiten?
mein gott, wann werden die verfechter dieser ideellen verklärungsbonbonfarbenromantik endlich mal wach und lassen hirn und seele einfch mal zu hause?
unsere jetzige kultur kann mich ml, und ich will auch keine pseudogeistigen regisseure vor mir haben, die mich mit ihren brigitte-lebensweisheiten bewerfen.

theater ist all das, aber theater darf auch mal das genaue gegenteil sein: protz und prunk, technik, 'ne geile bühne, ästhetik, der geruch der nebelmaschine ... einfach mal zurücklehnen im gepolsterten sesselchen, den verstand ausschalten und nicht bei jedem regiefurz gleich alle rädchen in bewegung setzen und nach ideen und interpretationen suchen. das publikum sollte sich auch einfach mal für dumm verkaufen lassen.

das macht ja pollesch zum beispiel ganz ausgezeichnet: nichts zu sagen haben, aber das immer und immer wieder, unermüdlich.
hartmann macht das übrigens genauso.
Hartmanns O'Neill: die getroffene Meute
is ja wirklich niedlich.kaum ist mal jemand der meinung das,dass was hartmann macht nicht gut ist,fängt die getroffene meute an zu heulen.
mit kritik möchte man auch umgehen können!und in leipzig sind ja nun wiklich viele mit der momentanen situation am theater unzufrieden.
Hartmanns O'Neill: geht einfach mal hin
Stimmt, dass es auch Unzufriedenheit gibt. Aber eher unter den Jammerlappen, Miesepetrigen, Konservativen, Bedenkenträgern und ähnlichen Langweilern. Geht einfach mal hin und macht euch selbst ein Bild. Ich war letzte Woche in "Eines langen Tages Reise in die Nacht" und bin immer noch ganz angetan. War ein sehr emotionales Erlebnis.
Hartmanns O'Neill: Menschen verschiedenen Alters
unter engel wurden wenigstens(von denen die da waren)eine breite bandweite verschiedener menschen, verschiedenen alters angesprochen.und nicht bloß so ein paar pseudo-intellektuelle-möchtegerns.
@line: was versuchst du denn noch mehr für diese welt zu tuen?
Hartmanns Dramaturgie: zurück in Sebis Meck-Pomm-Haus
Gott ist das hier langweilig geworden. Nur noch Hartmanns Dramaturgie liest doch noch nachtkritik, oder? Geht doch noch mal zurück in Sebis Meck-Pomm-Haus, hausphilosophiert euch dort zu, gründet euer eigenes Internetforum (was wir anderen aber nicht immer lesen müssen), sagt euch, wie toll ihr in Leipzig wart auch wenns und weils keiner sehen wollte und schreibt einen Theatergeschichtsband "Shakespeare, Artaud und wir". Und dann zurück mit euch ins Offoffoff-Theater, die Dramaturgieseminare oder nach Oslo.
Hartmanns O'Neill: offenbar gesteuert
@ Nora: Welches Meck-Pomm-Haus? Von welchem Theater ist denn hier die Rede?
@ scholli schlüssel: Ich fände negative Kritik am Centraltheater mit seinen ganzen Umbrüchen gar nicht schlimm, wenn es denn mal Kritik wäre. Es ist eigentlich immer nur Polemik und man hat, wie ja hier von verschiedenen schon geäußert, den Eindruck, dass da vor allem persönliche Befindlichkeiten eine Rolle spielen und die Versuche, Hartmann-Inszenierungen schlecht zu schreiben, daran scheitern, dass sie ganz offensichtlich gar nicht gesehen wurden. Was soll das ganze dann? Als Leipzigerin und brennend theaterinteressiert habe ich den Umbruch auch immer skeptisch gesehen, sage aber auch, dass ich jetzt, wo sich die vielen Ankündigungen mit Leben, also mit Inszenierungen, Hausphilosophie, Filmreihe etc.) füllt, sehr angetan und, ja, begeistert bin. Also nichts gegen negative Kritik, aber es müßte dann auch mal das Niveau von Kritik erreichen. So ist es billig und ziemlich offenbar gesteuert.
Hartmanns O'Neill: mit einem Schulterwurf flachlegen
Weiter, immer weiter meine Kinder! "Mit einem Ignoranten disputieren wollen ist wie der Versuch, unter Wasser mit einer Hand ein Stück Seife zu fangen oder ein Nilpferd mit einem Schulterwurf flachzulegen." (Gundis Zambo)
Hartmanns O'Neill in Leipzig: ohne Temperatur
Zugegeben; ich bin voreingenommen.
Neben der Affinität zu O'Neill wäre da auch noch die Erinnerung an die Inszenierung in den Kammerspielen des Deutschen Theaters, 1 1/2 Jahre zuvor.
Damals fühlte ich mich wie ein Voyeur, der den Alltag eines längst gebrochenen Familienkonstrukts betrachtete; immer auch dem Sprung "Aber!" zu rufen. Ich schaute wie im Fieberwahn.
Hier, ich sah das Gastspiel am 24. Juni 2010 im Gorki, wartete ich vergebens auf Temperatur. Ich war einer von vielen Zuschauern einer Vorabendserie, die vielleicht in den Vereinigten Staaten, vielleicht in Deutschland-Halle spielte.
Gut; nehmen wir den Charakteren ihre egozentrischen Züge, lassen wir sie alle eher Opfer, zerzaust, bewaffnet, laut, lauter, am lautesten, schreiend, spielen - und dabei den Text des Pulitzer-prämierten Autors über Bord werfen. Ich lauschte geholperten Improvisationen, es tut mir leid - es wirkte verloren.
Nichts gegen Schlüpfer am schwingenden Leuchter, unsinnig kichernde Dienstmädchen, Kinder auf der Bühne und Schreckschusspistolenschüsse. Doch einer ging hier unter: der Hauptcharakter, James Tyrone.
Ich danke der Pianistin, die diesem Abend Schwung verlieh, außerdem der glänzenden Darstellerin der Mary, die ich in einem anderen Stück in jedem Fall erleben möchte.
Ich hoffe, ich glaube, da kann noch mehr kommen, von Leipzig in die Welt.
Kommentar schreiben