Der Kampf des Lebens mit seinem Preis

von Esther Slevogt

Berlin, 14. März 2009. Der Hype war groß, das Premierenpublikum im Berliner Deutschen Theater entsprechend prominent, und es war zunächst einmal das Heranrauschen schwarzer Staatslimousinen, das diesen Theaterabend eröffnete, der das Theaterdebüt von Deutschlands renommiertestem Filmregisseur Christian Petzold ist: mit seiner Inszenierung von Arthur Schnitzlers 1903 entstandenem und im selben Deutschen Theater bereits uraufgeführtem Stück "Der einsame Weg".

Das Theaterdebüt von jenem Petzold also, dessen Meisterschaft darin besteht, die vordergründig profane Tristesse der Bilder, die er von unserer grauen Gegenwart macht, metaphysisch aufzuladen, und dem gespenstisch Immateriellen, das Geld allen Menschen und Beziehungen aufzwingt, die rohe Körperlichkeit der Sehnsucht entgegenzusetzen.

Was das Materielle dem Immateriellen aufzwingt

Doch dann fing auf der Bühne alles ein wenig hölzern an. Ein weißer Kasten, der nach hinten leicht ansteigt und in dem die Menschen, denen man hier im Verlauf der nächsten zwei Stunden begegnen wird, stets wirken, wie in ein Terrarium gesperrt - oder ins Theater.

Da sind zunächst die Geschwister Johanna und Felix Wegrath, von Nina Hoss und Alexander Khuon gespielt, deren Mutter Gabrielle sterbenskrank ist und den ersten Akt nicht überleben wird. Barbara Schnitzler schwebt in grünlichem Jugendstilchiffon schwindsüchtig durch den weißen Kasten. Khuon marschiert in einem historischen, bodenlangen Armeemantel ein, und Nina Hoss trägt zum schwarzen Tüllkleid, über das sie meist einen legeren braunen Angorapullover gezogen hat, schwarze Stiefeletten, die ihrer Erscheinung beinahe etwas Plumpes geben. Es ist insgesamt ein merkwürdiges statuarisches Nirgendwo, das bereits diese Theaterhaftigkeit der Kostüme (Anette Guther) produziert. Aber auch die Figuren wirken im Verhältnis zueinander seltsam unproportioniert.

Es gibt keine Requisiten, nur einmal die unvermeidlichen Mappen, in denen der Künstler Julian Fichtner seine Skizzen verwahrt und die er zückt, wenn im zweiten Akt der junge Felix Wegrath kommt, um ein Bild zu sehen, das Fichtner einmal von seiner gerade verstorbenen Mutter gemalt hat. Felix, der noch nicht weiß, dass der Maler dieses Bildes sein Vater ist, und die Stunde, in der seine Mutter ihm damals Modell gesessen hat, in eine Liebesnacht überging, der er seine Existenz verdankt.

Böcklins Toteninsel

Die Mappe mit dem gemalten Bild der Mutter liegt also zwischen anderen auf dem weißen Boden. Es ist ja ein Dilemma im Theater, dass die verhandelten Dinge und Figuren mitunter wohl auch deren physische Präsenz unvermeidlich machen.

Ein anderes Bild begrenzt den weißen Bühnenkasten nach hinten. Und öffnet ihn: ein Filmbild, das in Echtzeit und in einer einzigen Einstellung von Hans Fromm, dem Kameramann aller Petzold-Filme, gefilmte Berliner Krankenhaus am Urban in der Nacht, dessen V-förmig zum Wasser hin sich öffnende Gebäudeflügel tatsächlich wie eine entzauberte Version von Arnold Böcklins berühmtem Bild "Die Toteninsel" aussehen. Davor sieht man das Becken des ehemaligen Urbanhafens, wo sich im schwarzen Wasser die Großstadtlichter spiegeln.

Das Böcklin-Bild von 1886 liegt dem Programmheft bei und hat eine Scharnierfunktion. Nämlich den lebensmüden wie schwermütigen Schnitzlerstoff in unsere triste Gegenwart zu transportieren, wo inzwischen selbst der Tod seine dunkle Magie verloren hat, die ihm Schnitzler und Böcklin noch zugestanden haben und den Stoff gleichzeitig im Werk von Christian Petzold zu verorten: ihn in ein Verhältnis zu den Gestalten zu setzen, die seine Filme bevölkern, wo sie oft einen Transitraum zwischen Leben und Tod bewohnen.

Gefahrenzone, wo sich die Dinge verwirklichen

Doch das Bild stimmt nicht für diesen Abend. Denn die Menschen, denen wir in seinem Verlauf begegnen, gehen in keinem Moment wirklich auf diese Toteninsel zu und noch weniger auf ihre entzauberte Version, den rationalistischen Betonklotz aus den Sechziger Jahren. Stattdessen leben sie mit einer wachsenden Leidenschaft, die auch die Temperatur dieses Theaterabends langsam ansteigen lässt. Und machen dabei ununterbrochen die Kosten- und Nutzenrechnung über die Entscheidungen auf, die dem Einzelnen auf dem einsamen Weg, der sein Leben ist, stets abverlangt werden: Weil alles seinen Preis hat, Karriere, Familie und auch der Egoismus.

Weil sogar die Träume etwas kosten, und man immer entscheiden muss, ob man ihren Preis wirklich bezahlen will. Wie der Maler Fichtner vor der Bindung mit Gabrielle in ein unbezogenes Leben flüchtet und einer diffusen Sehnsucht nach Selbstverwirklichung folgt, um ein viertel Jahrhundert später festzustellen, dass da möglicherweise nicht viel an Selbst zu verwirklichen war, so flüchtet die sonst eher handfeste Johanna in den Tod.

Und zwar in dem Moment als ihre Träume in die Gefahrenzone ihrer Verwirklichung geraten: wenn Stephan von Sala sie heiraten und auf seine archäologischen Expeditionen in ferne Länder mitnehmen will. Der todkranke von Sala, der möglicherweise einst Frau und Tochter beseitigte, um den Irrtum seiner Verankerung im Leben zu korrigieren, und den bei Christian Petzold Ulrich Matthes mit einer fast sanftmütigen Kälte spielt.

Am langen Arm der Schauspielkunst

Der Abend kämpft lange mit zwei Echtzeiten, die sich als ziemlich inkompatibel erweisen: der Echtzeit des Films im Hintergrund, welcher nie wirklich in eine formale oder inhaltliche Beziehung zum Bühnengeschehen tritt. Und der Echtzeit der Schauspieler, ihrer ununterbrochenen Bühnenpräsenz, die Petzold lange szenisch nicht in den Griff bekommt.

Aber dann kommen Ernst Stötzner und Almut Zilcher – Stötzner, der den gescheiterten Maler Julian Fichtner spielt, und zwar in einem virtuosen Balanceakt aus gnadenloser Selbstironie und Selbstmitleid, der zwischen zwei Worten Horizonte unterschiedlichster Lebensoptionen zu öffnen versteht. Und Almut Zilcher als seine ehemalige Geliebte: ein Resignationsmonster, deren vom Verzicht durchlöcherte Seele sich mit geradezu gespenstischem Hunger auf die verbleibenden Glücksmöglichkeiten stürzt.

Auf einmal entfaltet das Spiel der Figuren, die an den Fäden ihrer Vergangenheit wie Marionetten hängen, einen existenziellen Sog. Ziehen Stötzner und Zilcher mit ihrem Bekenntnis auch zur Physis des Schauspielers in Form von Stimme, Schrei, Umarmung und peinlicher Selbstentblößung den Boden ein, auf dem dann auch die Anderen Tritt fassen können. Am Ende großer Applaus. Der Abend wird seinen Weg finden in die Reihe der DT-Blockbuster. Doch wem Petzolds Filme einmal den Blick auf die Zusammenhänge von Körper und Geld eröffnet haben, der verhungert im Deutschen Theater am langen Arm der Schauspielkunst.

 

Der einsame Weg
von Arthur Schnitzler
Regie: Christian Petzold, Bühne: Henrik Ahr, Kostüme: Anette Guther, Film: Hans Fromm.
Mit: Nina Hoss, Barbara Schnitzler, Almut Zilcher, Jörg Gudzuhn, Alexander Khuon, Ulrich Matthes, Frank Seppeler, Ernst Stötzner.

www.deutschestheater.de


Mehr lesen über Arthur Schnitzler auf den Bühnen der Gegenwart? In Hamburgs inszenierte Michael Thalheimer Anfang März 2009 am Thalia-Theater Schnitzlers Reigen. Luk Perceval zeigte im November 2008 Anatol in der Berliner Schaubühne.

 

Kritikenrundschau

"Wer hier auftritt, hat nichts als seinen Körper und die Sprache" schreibt Katrin Bettina Müller in der taz (16.3.) über die Setzung von Henrik Ahrs Bühnenkasten. "Keine Tricks, keine Illusionen, nur hohe Schauspielkunst!", seien hier möglich – "Was für eine Herausforderung." Wo das Stück auch das Zeug zur Farce hätte, schlage Petzold einen anderen Weg ein und gehe mit Schnitzlers Figuren genauso um wie mit seinen eigenen Filmfiguren, nämlich mit einer "für das Theater heute ungewöhnlich ernsten, ironiefreien und texttreuen Haltung". Einerseits gewissenhaft dem Text gegenüber, setze er andererseits vertrauensvoll allein auf die Schauspieler, das "trauen sich die Theaterleute kaum; nicht zuletzt aus der Angst, gegenüber dem Kino mit einem theaterspezifischen Mehrwert aufwarten zu müssen." Petzold lasse hingegen einfach "die Qualität des ernsthaften Schauspiels" bewundern. Allein Ernst Stötzner entziehe sich "mit gewohntem Understatement und trockenster Diktion ein wenig diesem völligen Aufgehen in der Rolle" und lasse dadurch "ahnen, dass mit dieser Inszenierung das Theater nicht neu erfunden wurde".

Irene Bazinger von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (16.3.) hält Christian Petzolds Engagement als Theaterregisseur am DT hingegen für eine komplette Fehlbesetzung. Da habe wohl jemand Petzolds Film-Erfolge "von der Leinwand auf die Bühne" holen wollen, "wie sie sich das eben manchmal in den Führungsetagen austüfteln, wenn der allzu starre Blick auf Kasse und mediale Aufmerksamkeit jede seriöse Programmplanung über den Haufen wirft". Im Ergebnis hat Bazinger nun Schauspieler gesehen, die wenig bewegt erscheinen, "von beseelt ganz zu schweigen". In den eleganten Kostümen stünden sie "meist wie Kleiderpuppen im hellen Licht herum". Nicht nur die "sträflich unterforderte Nina Hoss", sondern das gesamte Ensemble kämpfe "unverdrossen mit der ausgeprägten Nicht-Regie" Petzolds, der das Stück "arrangiert, nicht inszeniert – und selbst das ziemlich stümperhaft". Eine "solche Blamage" hätte man ihm wie Darstellern und Publikum ersparen können.

Von großer "Subtilität sind die fast unmerklichen Veränderungen" der Figuren für Matthias Heine von der Welt (16.3.). Lange habe man im Berliner Theater nicht mehr "so innerlich gespielt", "als wäre in der Probenarbeit jeder laute Ton und jede heftige Geste weggeschliffen worden." Das überrascht durchaus, schließlich sei "das Exaltierte (...) den meisten Mitwirkenden sonst keineswegs fremd" ("heiligtümelnde Manieriertheit" bei Matthes, "vitale Rampensäuigkeit" bei Stötzner). Doch "nichts davon hier", beide "darstellerisch gefasst und mätzchenfrei". Auch Hoss' "Rätselwesen Johanna" zeige die "produktive Zurückhaltung, die sich hier alle auferlegen", sie beharre "auf ihren Phantasmen mit einer entspannten Standhaftigkeit, die umso unergründlicher wirkt". Exaltiert dürfe und müsse nur Almut Zilcher sein, bei der das "Outrieren zur Rolle" gehöre. "Der Rest ist viel Schweigen. Es musste erst einer vom Film kommen, um die (...) Regieanweisung 'Pause' mal wieder dramatisch ernst zu nehmen." Allerdings, "bei allem Lob und Preis", erreiche Petzolds Theaterdebüt nicht "die Radikalität seiner Filme". "Zu sehr hat die Inszenierung etwas Tastendes. Zu vertrauensselig hat er sich dann doch bei aller Lenkung und Schaumbremsung in die Hand seiner Schauspieler gegeben", sich "in Respekt und Demut" übend.

Auch nach Meinung von Andreas Schäfer vom Tagesspiegel (16.3.) gelingt Petzold "ein beeindruckend konzentriertes, stellenweise todtrauriges Requiem". Es beginne "holprig", Hoss und Khuon staksten zunächst noch "wie aufgezogene Marionetten durch die Leere". Doch spätestens mit Matthes' Auftritt sei der Abend "auf seiner Höhe. Reduktion, Langsamkeit, intensive Blicke" – mit seinen vom Film bekannten Mitteln schaffe Petzold auch "auf der Bühne etwas Ungewöhnliches: Die Vergegenwärtigung des Gefühls von Gegenwartslosigkeit". Matthes als "Fürst dieses Leiden" gebe dem "Distanzfanatiker" die "analytische Schriftstellerungerührtheit eines Ernst Jünger" und reiße sich am Ende "in einem fulminanten, herzzerreißenden, von sich selbst angewiderten Monolog schließlich die Gentleman-Maske" herunter. Gegen "Matthes’ Konzentration" bleibe Stötzner schwach: "Zu routiniert nuschelt er die Selbstgerechtigkeit" Fichtners herunter, "Manieriertheiten entblößt Petzolds Arbeitsweise der Großaufnahme sofort". Dagegen hätten Zilchers Exaltiertheiten, Methode, hinter der Pose bleibe bei ihr "immer die Panik der kinderlos geblieben Frau sichtbar".

Die Mäntel der Männer zitierten "noch einen Hauch k.u.k" oder "von Graf Dracula", entpuppen sich die älteren Herren doch "als Blutsauger, die sich an der Jugend der Geschwister Wegrat gütlich tun", schreibt Eva Behrendt in der Frankfurter Rundschau (16.3.). Es werde "viel und geschmackvoll (...) herumgestanden". "Bedeutungsvoll zur Wand gekehrte Gesichter signalisieren Weltflucht, pseudo-lockeres Auf-dem-Boden-Lagern entspanntes Lotterleben." Die Darsteller brillierten "beim Spagat zwischen realistischem Sprachgestus und künstlicher Aufstellung im leeren Raum", der Stoff wirke zeitlos, "und doch springt der Funke nicht über". Das ändere sich mit Zilchers "anarchischem Schwung", mit dem sie ins Herrengespräch bratze. Komischerweise sei dieses "überkandidelte Zilcher-Feuerwerk samt elendem Schmerzausbruch glaubhafter als alles andere: Sie knallt als einzige ordinäre Komödiantengegenwärtigkeit in die kollektive Vergangenheitstrance, die natürlich das große Thema ist". Die Gegenwart hingegen vermisst Behrendt, es führe "kein Draht vom heutigen Berlin in das feine, aber bleierne Schauspielertheater".

Wie Vampire schlügen die Alten in Schnitzlers Stück ihre Zähne in die jungen Leute, so Christopher Schmidt in der Süddeutschen Zeitung (16.3.). Petzold setze seine Schauspieler "schmerzend grellem Licht aus, als wollte er ihre Röntgenbilder vor einen Leuchtschirm hängen" und nutze die Tiefe des Raumes, um Gruppen zu staffeln, mit Vorder- und Hintergrund zu spielen, wobei sich mit jedem die Kraftfelder veränderten – eine Choreographie von der "Genauigkeit eines Soziogramms". Eine "äußerst puristische" Inszenierung, "ganz beim Schauspieler und beim gesprochenen Wort", "verlangsamt werden die Sätze gesprochen, gedehnte Pausen erzeugen den Pulsschlag des Abends". Der Kopf von Hoss auf Matthes' Schulter, das sei der "einzige Moment von Nähe und Wärme an einem Abend, der von der Verhaltenslehre der Kälte bestimmt wird". Insgesamt zeigt sich Schmidt überrascht, wie konsequent Petzold auf die genuinen Stärken der Bühne, Wort und Schauspieler, setze. Gelungen sei ihm "die kühle Erkundung einer versunkenen Seelenlandschaft".

Petzold, so schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (16.3.) habe "mit ernstgemeintem Respekt und unverbrauchtem Staunen die von der theaterbetrieblichen Routine patinierten Schätze in die Hände genommen, und siehe da: Das Theater funktioniert nicht nur, es funkelt wie früher und wie neu". Mit "unprätentiöser Klarheit und Ruhe" reduziere er das Stück "auf seine unvermindert brennenden Gedanken" und übersetze "seine analytische Vorgehensweise als Autorenfilmer kongenial für das Theater". Die Spieler nähmen "beredte Konstellationen im Raum" ein, in denen sie "unverblümt miteinander über Wesentliches zu sprechen" beginnen – "es gibt kaum etwas Schwereres, aber auch Würdigeres für Schauspieler". Das "leise Knistern des Dialogs, mit dem sich die zwischenmenschliche Spannung aufbaut und entlädt", werde nicht "durch vorgeführte Einfühlfähigkeit oder ironische Distanznahme illustriert, sondern einfach so scharf wie möglich gedacht". Vor allzu großer Auskühlung schütze Zilcher, die auf Frauen wie Irene Herms "zwischen stolzer Abgewracktheit und verletzbarer Sinnlichkeit, zwischen mädchenhafter Tölpelhaftigkeit und emotionaler Lebensweisheit" spezialisiert sei.

 

Kommentare  
Petzolds Einsamer Weg: blutleer und deutungsarm
lange nicht mehr so blutleeres und deutungsarmes theater
erlebt.die schauspieler verkommen zu stech-und sprechpuppen. der jubel? für mich unverständlich. aber das ist ja auch das schöne am theater. die vielfalt und deren wirkung.
Petzolds Einsamer Weg: Nina Hoss einmalig
Und was sagt uns das: Nina Hoss = wie immer:
einmalig!
Petzolds Einsamer Weg: schreckliche Bühne & Kostüme
Ich muss sagen, nicht nur die Kostüme, auch das Bühnenbild war ja schrecklich. Wie kann ein subtiler Filmemacher wie Christian Petzold, der so viel von Bildern und ihrer Unterwanderung versteht, so etwas Plattes überhaupt zulassen und sich für ein Stück, das "Der einsame Weg heißt" einen Tunnel bauen lassen, der auf eine Toteninsel führt. Genauso platt war, Ulrich Matthes als kranken von Sala zu besetzen. Der wäre viel interessanter als Vater gewesen, statt Gudzuhn, der Knattermime. Auch Nina Hoss war blass, und nicht gut besetzt. Sehr enttäuschend, das ganze. SEHR!
Petzolds Einsamer Weg: ins Auge geschossen
Ich weiß ja, man ist gern Meister der hochkodierten Idee in Deutschland. Durch den Rücken wird ins Auge geschossen. Aber ein leerer Lichtraum (nicht Tunnel) mit einer Krankenhausprojektion im Abgang schon als den Gipfel der Plattheit zu empfinden, find ich etwas platt.
Petzolds Einsamer Weg: endlich mal subtil!
das tolle ist, dass da endlich mal jemand vom film kommt und dem regiegeilen deutschen theaterbetrieb zeigt, was möglich ist, wenn ein regisseur seinen schauspielern vertraut und damit endlich mal etwas subtileres theater ermöglicht. der normale theaterbetrieb hat solche angst vor filmischem spiel, dass er die schauspieler zu dauerndem überagieren zwingt.
Petzolds Einsamer Weg: Bums isse tot!
Stimmt doch nicht. Das war eben gar nicht subtil. Schon die Auf- und Abgänge. Dann diese blöde Szene, als Nina Hoss nach vorne zur Rampe geht, sich fallen läßt: bums isse tot! Ohne Schnitt und Einstellungswechsel eine Szene zu bauen, muß man auch können. Die ganze Ausstattung, das war doch Schillertheater frühe Achtziger.
Petzolds Einsamer Weg: in der todtraurigen Seelenschachtel
also, ich fand das schillertheater in den achtzigern super..
fand den abend insgesamt leise und behutsam, manchmal zähflüssig,manchmal aber gerade deswegen mir diese stimmung dieser nie das glück erreichenden voller sehnsucht schwebenden in ihrer tottraurigen eigenen seelenschachtel verharrenden menschen mir vermitteln zu können...
Petzolds Einsamer Weg: da kann man nur heulen
Es gab ja wirklich in der zweiten Hälfte lange, tolle Strecken, wo man dachte:ja! Hätte sich Petzold bloß nicht so in diese Theaterklischees sprerren lassen, sondern sich seinen einsamen Weg auch in der Ästhetik gesucht - wie in seinen Filmen. Also wer seine Filme liebt, der kann nur heulen nach diesem Abend, der so spießig war, daß solche Kritiker wie Lorenz Tomerius im Standard sich vor Begeisterung überschlagen und Petzold als Retter vor dem Regietheater feiern. Da kann ich nur sagen: an ihren Freunden & Fans sollt ihr sie erkennen.
Petzolds Einsamer Weg: Bravo, bravo, bravo
endllich mal wieder großes schauspielertheater - von einem regisseur zugelassen, der sich traut, sich zurückzunehmen.. einer der ganz grossen abende - endlich mal wieder.. so wie früher in der schaubühne.. leider dort ja seit langem nicht mehr.. bravo, bravo, bravo.. matthes grandios, stötzner phantastisch.. pilcher zum nicht satt-sehen, hören.. und ein unglaublicher alexander khuon, der in seien jungen jahren dagegen bestehen und mehr.. mehr als überzeugen kann.. bravo..
Petzolds Einsamer Weg: Pilcher hat nicht mitgespielt
Wer bitte ist Pilcher? Rosamunde Pilcher hat gar nicht mitgespielt. Ha. Da entlarvt ein Kitscheini sich selbst.
Petzolds Einsamer Weg: Zilcher, nicht Pilcher
Er/sie meinte Zilcher, Almut, nicht Pilcher, Rosamunde. Die Schauspielerin, nicht die Schriftstellerin. War das wirklich so schwer zu erkennen?
Petzolds Einsamer Weg: die Zwänge der Repräsentation
die Aufführung erzählt viel über die Zuschauer und wie sie das Theater für sich benutzen, sollen sie auch gerne, aber ich kann‘s leider nicht. Mir sagt es halt was über die Zwänge, wie eine gute Repräsentation auszusehen hat. Aber wieso sich so ein Mädchen, das kaum mehr ein Mädchen ist, für einen alten Herren interessiert, der ja auch kein alter Herr ist, erschließt sich doch eigentlich nicht. Obwohl er seine kleinen Weisheiten verteilt, wie man sich‘s halt so vorstellt, wies in der Gesellschaft so zuzugehen hätte, da werden eben immer die so stichligen Sätze von den gockligen Männern hin und hergeschoben und dabei darf ich dann merken, wie die einzelnen Figuren so sein müssen, der gute aber blasse (Mantel), den das Mädel übersieht, wo doch die (an der Lüge) sterbende Mutter so sehr weiß, das er mal der Richtige für das Kind wäre, und darf sie halt am Schluss dann nur noch enttäuscht als Leiche in Kleidern sezieren. Und der Beamtenkünstler, den die Kinder verachten, weil er sich selbst so verachten muss, und der große erfolgreiche Schriftsteller mit einer guten Karriere und seinen tollen Ansichten, die noch dazu anständig ausgesprochen werden, auf den deshalb die guten reinen Mädel noch stehen, und der abgewrackte Maler mit einer kaputten Karriere und seinen schlechten Ansichten, die er auch nicht gut ausspricht und seiner kaputten Freundin von einst, die schon beinah im Fegefeuer angekommen ist, weil sie merken muss, wie das ist wenn immer abgetrieben wird, und dem Söhnlein, das so gern eine Klarheit und Ehrlichkeit hinbekommen will, aber dem der kaputte Vater eben auch keinen hohen Geist mitgeben konnte, darf neben dem blassen arztmantelbedeckten Leichnam bedenklich letzte saubere Worte sprechen. Und wir lernen es gibt eine attraktive hohe Sünde mit‘am einsamen schönen ehrenvollem Tod und eine schäbige alltägliche Sünde ohne tödlichen Trost, halt einer recht verdienten Einsamkeit. Und überhaupt sind halt die Männer Egoisten und die Frauen zu leicht schwach, und deshalb muss die Strafe für die großen wie die kleinen Gefühle halt sein. Und wenn‘ma des nachempfindet, dann muss ma eben ganz bewegt und erschauert sein, weil die Sünde halt so schön ist, aber allein bleibt mer halt doch. Triumph. Weil so sauber, so ordentlich und verständlich, ohne den Schmutz und die Sünde zu berühren, halt für den gehobenen Geist und Geschmack über die Bühne gegangen ist. Danke. Wir werden nicht besser aber das Theater schon.
Petzolds Einsamer Weg: sie wollen das Schlimme
Naja, für mich ist es verdammt schwer, das zu beurteilen, denn ich finde die Geschichte so was von krass, das ich sie gut finde, auch wenn sie langweilig dargeboten wird. Das ist was komisches. Vielleicht weil ich es kenne, ich kenne diese Macht-Männer, die sind alt und eigentlich unattraktiv und trotzdem vermitteln sie eine höhere Sphäre, ein mehr an Welt und Wahrheit, weil sie an Macht Teil haben, weil sie Erfolgreich sind und für Ansprüche stehen und für die gibt es spezielle Opfer-Frauen, die das Mega geil finden wenn sie diesen Männern vermitteln, das sie ihren zarten, schwachen, zu schützenden Kern lieben. Das ist so ein Hochgefühl und wirklich riskant. Und wenn du das siehts, erschauerst du echt. Das siehst du in der Aufführung natürlich nicht. Dieses Paar ist so antiseptisch, so, ich weiß nicht was, ich denke jedenfalls nicht an Erotik oder irgend was in der Art. Genauso könnte sie sich in den durchgeknallten Fernsehpfarrer vergaffen und der Fernsehpfarrer in eine Kandidatin beim Top-Model Wettbewerb, wobei das ja noch süß wäre (als Komödie). Aber egal, so sehr die da eine Welt spielen, die sie überhaupt nicht kennen und auch nicht repräsentieren können, so klar wird trotzdem was passiert. Wenn ein Stück gut ist kann es ruhig von den falschen Leuten gespielt werden, das macht nichts, das vergisst du. Du kapierst, was der Autor sagen wollte und wenn der einen richtigen Punkt trifft, ist der nicht so leicht zu ruinieren. Vielleicht ist es sogar ein Vorteil wenn es idiotisch gespielt wird. Würde es tatsächlich von einem Paar gespielt, das diesen Abgrund vermittelt, würden die Leute davon laufen und es nicht aushalten. Wie immer im Theater, sie wollen das Schlimme, aber nicht schlimm.
Petzolds Einsamer Weg: Grundkurshaßlektüre
lieber toni von dr' alm..warst du überhaupt in dem stück in berlin - oder erzählst du uns nur deine blaß erinnerte deutschgrundkurshaßlektüre nach?
Petzolds Einsamer Weg: von allen Subtilitäten befreit
toni du bist doch meine dramaturgin nich? du hast den schnitzler so schön von allen subtilitäten befreit. damit schaffen wir ihn in 20 minuten. genial.dafür kriegen wir 10 theaterpreise. freu mich schon.
Petzolds Einsamer Weg: sagenhaft modern
nun, teile deine Begeisterung für die Story überhaupt nicht, aber das wir daran liegen, dass ich so etwas nicht kenne. Hässliche alte Macht-Männer die hübsche junge Mädchen für sich sterben lassen. Das ist für mich ein Klischee, und auch als Thema eher was für den Tatort, aber da Mattes als seine eigene Hoger auftritt hat sich das ja auch erledigt - nein, aber was anderes ist schon richtig, dieses unglaubliche Bedürfnis nach Sauberkeit, in Bild und Sprache, das ist wirklich etwas was den Zuschauern recht was bedeutet. Das überwiegt doch auch in den vielen So positiven Beurteilungen. Die Zuschauer wollen was sauberes sehen, Hochkultur eben, daher ja auch die Vergleiche mit der alten Schaubühne. Und so was muss halt auch ernst genommen werden. Da kommt der gute alte Form-Inhalt-Teufel noch mal hervorgekrochen. Es müssen klare, formale Zeichen gesetzt sein, die anzeigen, das ein guter hoher Inhalt ansteht. Und nicht die Geschichte. Die Geschichte ist immer gleich. Das Leben ist schwer, aber wir können das wenigstens anständig empfinden. Brandauer wäre natürlich ein noch grandioserer Sala, mit Stein: in Originalbühne - da wären die Dienstboten nicht gestrichen, da wäre auch für kleinste Charakterzeichnung noch Platz, da gäb‘s dann auch eine süße Anfängerin, die herzzitterbewegd unter echten Tränen verkündet, sie könne kein Leid ertragen. Deshalb ist der Petzold ja so sagenhaft modern, weil keine Kulisse, keine Dienstboten, keine historischen Kostüme, das schafft halt den Gegenwartsbezug, da hat der Thalheimer eben eine Schneise des Fortschritts ins deutsche Theater hinein geschlagen. Schneller zur Moral kommen!
Petzolds Einsamer Weg: Frage an Toni
liebe toni du hast doch in deiner zusammenfassung des stückes deine verachtung für die geschichte hinreichend deutlich zum ausdruck gebracht. warum bezichtigst du jetzt andere, sich nur an der form zu berauschen und die dir angeblich so wichtige geschichte zu vernachlässigen?
Petzolds Einsamer Weg: gutbürgerliches BRD-Theater
Das war endlich wieder mal schönes, gutbürgerliches BRD Theater !
Petzolds Einsamer Weg: jugendfeindlich verstaubt
einfach nur platt wie leider doch viel zu oft in letzter zeit am deutschen theater! ein theater was doch sehr jugendfeindlich ausgerichtet ist in seiner alten verstaubtheit.
Petzolds Einsamer Weg: Wo drückt der Gegenwartsschuh?
… anders gesagt, mein ich halt, dass die Zuschauer im Theater etwas klares, helles, sauberes, anständiges sehen möchten. Wo anständige Leute, anständige, vielleicht sogar hohe Konflikte haben, diese Melodie gefällt denen, und wenn die erklingt sind sie glücklich, auf die Geschichte achten sie gar nicht so genau, denn würden sie das, dann müsste sie ja merken, was da wirklich geboten wird. Von Verachtung meinerseits aber würde ich keinesfalls sprechen, weder für den Autor noch für seine Bewunderer, es ist doch mehr so ein Staunen über ein Sujet das doch hübsch in die Jahre gekommen ist oder wo drückt dort der Gegenwartsschuh? (doch wenigstens in der Form, dass ich begreif, weshalb ich mich mit den schierchen Todgeweihten Kavalieren & Ludern abgeben soll). Hab ich was entscheidendes übersehen? Überhört?
Petzolds Einsamer Weg: Zuschauer sind drauf eingestiegen
Irgendwie klingt das zu zynisch, na klar läßt sich immer alles in so einer Verallgemeinerungssoße tauchen, nach der dann auch alles gleich fade und abgestanden schmeckt, aber so ist es ja nicht. Selbst wenn alle Zuschauer nur einer Blase von Verwicklung zugeschaut haben, was zählt ist, ob sie davon etwas hatten, und die Zuschauer, die in der Vorstellung waren, die ich gesehen habe, die waren sehr dran und sind auf die Geschichte eingestiegen, und es spricht auch für sie, dass sie sich eben nicht zurückgelehnt und innerlich blockiert haben, mit einem fetten, glaub ich nicht! Wenn die Schauspieler meinen, sie wären jetzt diese Leute mit den krassen Ansichten, dann spielt eben auch das Publikum mit, und sagt, okay, dann seid ihr das jetzt, mal mehr mal weniger, anders geht doch das Ganze eh nie. Wenn immer alle allen alles total glaubhaft machen müssten, wäre doch schlimm. Ich denke, die Dankbarkeit der Zuschauer kommt auch einfach daher, das sie das konnten, sie konnten Folgen und verstehen und manches glauben und einiges annehmen. Das langt. Und in mir sind auch Bilder gekommen, dachte: Zeug, irre. Der Sohn. Du merkst du bist der Sohn von einer coolen Null. Hart. Aber da sind sonst auch nur Nullen. Der andere Vater, eine schlaffe Null und der große Autor, eine Verantwortungsnull, beschläft mal eben die Schwester, obwohl, oder gerade weil er weiß, er muss bald den Löffel abgeben, er tut ihr ja einen riesen Gefallen, sie liebt ihn immerhin. Wenn mein Lover stirbt, sterbe ich auch, sagt sie. Super. Wenn das Leben eh so düster ist, dann ist sich lieben und sterben eine Option. Insbesondere wenn als alternative nur gefahrloses Altern geboten wird, an der Seite von anständigen Nullen.
Petzolds Einsamer Weg: Erneuerung des Knigge
das mit den mächtigen alten und den jungen mädchen, die glauben, dadurch mächtiger zu werden.. das gibt es durchaus noch.. überall..das ist überhaupt kein klischee.. man muß nur die augen aufmachen.. und umgekehrt funktioniert es auch schon: mächtige alte frauen und jugendliche männer..auch das geht inzwischen, das ist die einzige form, der emanzipation, die seit den achtzigern geschehen ist: die umkehrung, aber nicht die erneuerung und demokratisierung des geschlechterkampfes..das ist hochaktueller stoff und keine verstaubtheit..-- die mittel der reduzierung auf die ästhetik, die feine glattheit, das paßt doch ebenfalls zum stück.. das ist inhaltlich begründet, man muß sich nur umsehen in diesen kreisen der macht, design, glatte ungangsformen, formvollendete klamotten, erneuerung des knigge, das ist hochmodern. übrigens finde ich brandauer widerlich..und tausendmal falscher als matthes, bin froh, daß es matthes spielt..dem brandauer glaube ich doch kein wort..inzwischen..
Petzolds Einsamer Weg: Wem glaubst du was?
Also, des geht hier ums Sterben-wollen, um den ganz großen Liebestod und nichts Geringeres. Das Drama wäre durchaus auch was spannender geworden: ein junger Mann, der den Tod wählt, um seiner altersschwachen und kranken Geliebten vorauszueilen, damit er ihr Erinnerung sein kann. Na klar, spätestens mit der Raufaser ist das Weiß als Flagge zur Demokratie dazugekommen. Aber wollen denn Probleme so wirklich gesehen werden. Die Schnittpuppen vor weißem oder grauem oder schwarzem Grund sind halt der Standard, das ist eh klar, das alles wie in einem Fotostudio gemacht dreinschauen muss, aber des is so was von nix Bewegendes, des is bloß der normale Kram, wie du ihn immer siehst wenn‘s vornehm dreinschauen soll, aber es ist total bekannt. Und frag di halt mal, warum du wem was glaubst oder nicht. Am Schauspieler was glauben? Und einem anderen was nicht. Was sind denn da so die signifikanten Zeichen, die in dir den Schalter umlegen, ja super glaubwürdig, na des glaub ich jetzt halt nicht. Hast dem Mattes geglaubt, dass recht scharf ist auf die Hoss und dass sie ihn recht liebt, ja? Bitte gerne. Dem Brandauer trau ich schon zu, das er eine rechte Sau sein kann. Aber so was is eh Geschmacksache, denn du glaubst halt das am liebsten, was dich bestätigt und zu deiner eigenen Eitelkeit gut passt. Nur würde mich jetzt auch einmal interessieren, wie du diese seelenlose Veranstaltung für dich auslegen tust.
Petzolds Einsamer Weg: Insel der Seligen
der einsame weg führt vielleicht zur toteninsel, oder zur insel der seligen. ich bin kein meister der hochkodierten idee in österreich. wird jetzt durch den rücken ins auge geschossen? wohin ist deutschland und die welt gekommen? das licht am ende des tunnels? eine krankenhausprojektion? ich selbst bin ein gescheiterter maler wie julian fichtner, ich kannte früher eine schöne schauspielerin, die nicht auf ihre karriere pfiff und nicht drauf pfeift wie irene herms, denn sie hat noch immer ihren lebensunterhalt zu verdienen damit, bis das alter sie davon befreit. auf den einsamen weg bringt, doch hoffe ich, nicht als ein resignationsmonster, deren von verzicht durchlöcherte seele sich mit geradezu gespenstischem hunger nach leben auf verbleibende glücksmöglichkeiten stürzt, den einsamen weg und die toteninsel vor augen.
wenn ich von irene und julian bei schnitzler lese, dann scheinen mir solche theateraufführungen in deutschland am sinn des stückes vorbeizugehen. ich weiß nicht, wie man in deutschland lebt. jedoch spiegelt das deutsche theater wahrscheinlich nichts anderes als das innere leben in dieser zeit zeitgemäß wieder. also postdramatisches, outriertes theater, gut oder schlecht gemacht und gespielt.
sieht es mit der österreichischen seele anders aus?
früher nannte man österreich eine insel der seligen, es kam mir jedoch stets wie eine insel der unseligen vor, ein zerstörtes weites land der vielleicht einst seligen? kann man als ein kulturarbeiter gegen diese zerstörung, diesen kulturellen verfall in der modernität überhaupt etwas tun? österreich und deutschland sind kulturell nicht wieder aufgebaut worden und es war wahrscheinlich in der modernität nicht möglich. in meiner malerei sehe ich nur den allgemeinen kranken zustand der gesellschaft und dieser zeit. die welt ist ein krankenhaus geworden, wenn nicht gar schon ein tollhaus. und auf den bühnen agiert man meist wie geisteskranke, also tollhäusler.
wohin führt der weg, für alle nur zur toteninsel? münden alle wege denn in schwarze verwesung, als allgemeiner kulturzustand? braucht man kultur überhaupt noch?
österreich ist ein kulturland, behaupten viele österreicher. welcher kultur? der vergangenen? ich habe schnitzler nie gemocht, und habe nie auf julian fichtner und irene herms geachtet. nun hat mich aber die schauspielerin almut zilcher auf die spur des malers und der schauspielerin gebracht: wie vereinfacht doch alles bei diesen erscheint, wie kompliziert hingegen ist das wirkliche leben eines malers und das einer schauspielerin und ihrer beziehung in der vergangenheit!
wie könnte es in seiner tiefe dargestellt werden?
dramatiker wie schnitzler reichen da nicht heran.
daher habe ich früher arthur schnitzler schnitz-leer genannt, er möge es mir vergeben. ich kenne aber den briefwechsel zwischen ihm und adele sandrock, und dieser zeigt mir viel mehr von seinem, ihrem und dem damaligen leben, als alle seine stücke. diese briefe sollten einmal als ein schauspiel auf die bühne gebracht werden. schnitzler erweist sich in den briefen und den tagebuchaufzeichnungen bezüglich der sandrock als ein nicht achtenswerter, betrügerischer mensch und liebhaber, doch vielleicht sind wir alle mehr oder weniger betrügerisch geworden was die liebe betrifft. für die betrügerische adele sandrock aber, war schnitzler die große liebe. wie arm sind julian fichtner und die irene herms doch ausgestattet. das wirkliche leben und die liebe sind genial, auch im niedergang, auch in unserer zeit. was haben uns die modernen dramatiker schon zu bieten, wenn man ein beobachter des menschlichen lebens sein kann, und wie ich es sein darf und meinem wesen nach sein muß?
vielleicht aber tue ich dem arthur schnitzler unrecht, und ich habe ihn nicht in seinem wahren wert erkannt, weil ich keine sympathie für ihn habe, und weil ich wien - nicht lieben kann, und wahrscheinlich nie lerne zu lieben ...
Petzolds Einsamer Weg: Tod trifft alles und alle
Ja, ja, die mächtigen Alten und die jungen Mädchen, die so hübsch den Alten entgegen blühen - wenn man nur mächtig wäre und schon alt. Glauben junge Mädchen, dass sie durch eine Beziehung mit einem Alten mächtiger werden? Die Liebe einer Tochter zu ihrem Vater, dem Übermächtigen - übertragen auf einen Alten, der das für sich durchaus verwenden kann, wenn es ihm nur entgegengebracht wird. Hat man als Thema wieder einmal mit Psychoanalyse zu tun? Arthur Schnitzler und Sigmund Freud (beide Ärzte); was der eine als Wissenschaft versuchte, hat der andere gedichtet. Ist Schnitzler ein Dichter, oder nur ein Schriftsteller der Jahrhundert = wende?
Immer haben anständige Leute, anständige, am Ende gar hohe Konflikte, und unanständige Menschen, leider vor allem nur niedrige, mit denen sie sich vor lauter Niedrigkeit nicht auseinandersetzen wollen - oder gar nicht können, weil sie unanständig und eben nur niedrig sind. Da kann man eben rein gar nichts machen. Lieben die Niedrigen (die in der Überzahl sind und die Masse ausmachen), anders als die Anständigen, die anständige und hohe Konflikte haben? Könnte es nicht sein, dass hohe Sünden oft schwerer wiegen als niedrige, die in der Menge untergehen? und wir allemal christlich geprägte, unchristliche Sünder sind, hoch und niedrig, dumm oder hoch-intelligent.
Die menschliche Dummheit scheint ewig zu sein, und sie macht auch bei den Höheren nicht halt...
Ich sehe zu wenig anständiges Theater, welches von vorgestern ist, sondern überall immer mehr unreines, unanständiges, postmodernes Theater in der deutsch=sprachigen Theaterlandschaft. Da hat wenig Ewigkeitswert und Dauer, und vielleicht gar nichts.
Schnell sind unsere Zeiten vorüber, und die Leute, also auch die Schauspieler, altern schnell, damit die jungen Mädchen um so rascher immer wieder aufblühen können in ihrem Frühling des Lebens, und ihre Herzen sind jung und froh, und die alten und mächtigen Vaterfiguren auf der Bühne des Lebens, trauern bereits, und sind auf dem einsamen Weg ins Alter. Der Gott des Lebens bewahre sie vor Krankheit und langem Siechtum.
Vor dem Tod aber kann niemand bewahrt werden...
Der einsame Weg, Berlin: Frage
Wieso spielt Jörg Gudzuhn nicht mehr mit? Er ist doch noch am DT, hat ja demnächst sogar eine Premiere...
Der einsame Weg, Berlin: vom DT verabschieden
@Kai: Jörg Gudzuhn will sich mit seinem letzten (Solo)-Stück "Der Heiler" von der Theaterbühne und dem DT verabschieden.Daher spielt er m.E. auch in den anderen Stücken nicht mehr mit (siehe auch Interview mit ihm in der aktuellen Ausgabe des "Zitty")
Der einsame Weg, Berlin: Gudzuhn einer der ganz Großen
Ein Jammer, wenn's stimmt. Er ist einer der ganz großen deutschen Schauspieler unserer Zeit - und gerade 65 Jahre alt. Sein Dorfrichter Adam hält jeden Vergleich mit gefeierten Nachfolgern in dieser Rolle aus. Gudzuhn ist einer von jenen Ossis, die in der veränderten Situation nach der "Wende" unter Wert wahrgenommen wurden.
Der einsame Weg, Berlin: Abschiede
Alles richtig, aber ich finde er hätte so viel Anstand haben können, Stücke, die sich noch im Repertoire befinden, bis zur Absetzung weiter zu spielen. Eine Umbesetzung in die Wege zu leiten trotz guter Gesundheit usw. finde ich schwach von ihm.

Außerdem scheint Constaze Becker sich mehr und mehr mit ihren Gastauftritten vom DT zu verabschieden; ihre (Haupt-)rolle in "Die Ratten" wurde aus "persönlichen Gründen" umbesetzt, was auch immer das heißen mag, "Ritter, Dene, Voss" läuft im Februar zum letzten Mal und "Onkel Wanja" nur noch äußerst selten (auch wenn diese Inszenierung schon älter ist und oft gespielt wurde, ist sie immer ausverkauft)
Der einsame Weg, Berlin: Jörg Gudzuhn
Liebe Diskutanten,

das Deutsche Theater erklärt auf Nachfrage von nachtkritik.de: Jörg Gudzuhn ist seit dieser Spielzeit offiziell in Rente, muss folglich nicht mehr spielen. Er darf und soll aber gern weitermachen, wobei er selbst schon signalisiert habe, eher kürzer treten zu wollen.
Der einsame Weg, Berlin: das Theater wird ohne solche Künstler ärmer
Es geht ja hier nicht um Schuldzuweisung. Aber man darf doch wohl bedauern, wenn Schauspieler, die man schätzt, aus welchen Gründen auch immer von der Bühne verschwinden. Das Theater wird ohne Künstler wie Jörg Gudzuhn, Bruno Ganz und andere ärmer, egal ob sie nicht mehr spielen wollen (z.B. weil sie sich mit jüngeren Regisseuren nicht anfreunden können), oder ob man ihnen keine angemessenen Angebote macht. Jedenfalls bewegen mich solche Nachrichten mehr als die Geburt eines Schlagersängernachwuchses oder die Scheidung eines Filmsternchens.
Der einsame Weg, Berlin: Film auch mit Ganz ohne Glanz
@ Th. Rothschild
Das Theater wird ohne Bruno Ganz ärmer, der Film dagegen scheint MIT Bruno Ganz ärmer zu werden. Die Klamotten, für die sich Ganz hergibt (vor allem die Oberklamotte "Der Untergang"), kämen zwar ganz und gar nicht ohne Ganz aus, aber auch mit Ganz fehlt ihnen jeder Glanz. Ganz hat wohl einen ganz ausgesucht schlechten Filmgeschmack. Wenn Ganz wieder Theater spielte, so würde mich diese Nachricht mehr bewegen als 1000 Kitschstreifen, in denen Ganz ganz unwürdig und gänzlich unter seinem Niveau verschwendet wird.
Der einsame Weg, Berlin: Talent im Film verschwenden
Das mag ja alles stimmen, verehrtes Filmsternchen, aber dann dreht Angelopoulos mit Bruno Ganz "Die Ewigkeit und ein Tag", und ich verzeihe ihm jeden Schmarrn. So oder so: ich vermisse Ganz auf der Bühne. Darauf können wir uns doch einigen? Und darum ging es hier. Dass viele grandiose Schauspieler ihr Talent im Film und mehr noch im Fernsehen verschwenden, ist ein Thema für sich - und mir fielen krassere Fälle ein als Bruno Ganz.
Der einsame Weg, Berlin: ... und das DT ließ sie gehen!
Gudzuhn, Schorn, D. Mann, Grashof... alle nicht mehr am DT! Und das DT ließ sie gehen! Dafür "Thalia"-Rentner (nicht abwertend gemeint) mitgenommen wie Müller-Elmau oder Katharina Matz.

Lebinsky, Gerber, Huth, Gabriele Heinz, Bendokat... auch bald in Rente?


Lasst sie doch alle mal in einer Inszenierung spielen. Zum Beispiel "Romeo und Julia" oder "Sommernachtstraum". Wäre doch mal ein tolles Konzept, wunderbare Schauspieler/-innen sind es allemal.
Der einsame Weg, Berlin: anhaltende Zilcher-Verehrung
Ich kann nicht anders
ich muss Almut Zilcher
nochmals meine Verehrung zu Füßen legen.
Solch eine dauernde Verehrung
ist vielleicht langweilig für die Anderen (und unzeitgemäß),
mir aber
bedeutet sie doch etwas
Un-Verborgenheit
in der Distanz
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