Redaktionsblog - Über Verwechslungen
Aus dem Leben der Nachtkritiker
13. Januar 2009. Als die Nachtkritiker noch klein waren, passierte es ihnen schon einmal, dass sie vor den Pforten des Paradieses abgewiesen wurden. In Wien, wo der große Luc Bondy, mit dem auch sehr großen Gert Voss den noch größeren "König Lear" inszenierte. Als die Nachtkritiker noch klein waren, schickten sie einfach ihren Premierenbericht von vor den Pforten des Paradieses. Dass sich im Paradies wenig Paradiesisches abspielte, konnten später alle sehen, als der große Gert Voss im kleinen Fernsehkasten bei der Lear-Übertragung pathetisch sich das Hemd vom Leibe riss.
Jetzt sind die Nachtkritiker groß. Aber sie werden trotzdem verwechselt. Manchmal bricht auch das Bett unter ihnen zusammen, nachts im Hotel nach der Vorstellung. Oder die virtuell-materielle Kommunikation per mail versagt und die Kritiken, die morgens im Süden abgeschickt wurden, treffen erst nach Mitternacht im Norden ein. Oder Nebel. Oder Schnee. Oder Eis.
Aber am schlimmsten ist es doch, wenn die Nachtkritiker verwechselt werden: Dann erhalten sie Zahlungsaufforderungen, die eigentlich für Menschen anderswo, aber mit demselben Namen bestimmt waren. Oder der Inkasso-Dienst steht vor der Tür, in Gestalt zweier sinistrer Herren, Format russische Mafia. Oder das Finanzamt.
Am ärgsten aber trifft es den Nachtkritiker, wenn die Telekom seinen Anschluss der eigentlich gar nicht sein Anschluss, sondern der eines Mitmenschen mit demselben Namen ist, kündigt. Dann findet er sich eines Tages abgehängt, ausgeschlossen, tot gelegt. Nothing goes anymore. Dann kreist er in der Telekom-Warteschleife wie Gagarin im Weltraum, nur dass Gagarin dabei nicht schwarz wurde vor ohnmächtigem Zorn. Und warum? Weil ein anderer seine Telekom-Rechnung nicht bezahlt hat. Dieser andere, so wird sich später herausstellen, wenn der Nachtkritiker nach Wochen seinen Anschluss wieder bekommen hat, natürlich mit einer neuen Nummer, und jetzt müssen alle, alle Bekannten benachrichtigt werden, juchhu!!, dieser andere also hat auch einen Beruf, stellt sich heraus. Er ist Schauspieler.
(jnm)
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