Aus dem Arbeitsleben einer deutschen Schriftstellerin
Im freien Fall
von Anna Rheinsberg
Mai 2009. Am 8. März 2009, dem Internationalen Frauentag, lasen die in Kassel lebende Schriftstellerin Ingrid Mylo und ich in der Märchenwache in Schauenburg bei Kassel Texte von Autorinnen der Zwanziger Jahre, die von Aufbruch und gleichzeitiger Armut handeln. Wir hatten unserem Rezitationsabend das Motto ARME MÄDCHEN SINGEN gegeben (d.i. die Titelzeile eines Gedichts von Claire Goll aus dem Jahr 1918). Erfreulicherweise waren viele Menschen zu unserer Veranstaltung gekommen, die meisten aus Kassel. Ingrid Mylo und ich nutzten den Abend, um auf die heutige bedrohliche Situation von Künstlerinnen hinzuweisen.
In Zeiten, in denen alle Welt um Opel, also um den VERKAUF von Autos bangt, es in Deutschland anscheinend kein anderes Wollen, Streben und Begehren als KAUF MICH zu geben scheint, in diesen Zeiten ist es um ein Überleben und verdienen mit und um der schönen Kunst willen ganz schlecht bestellt.
Das Schreiben als Laune
In meinem Fall ist es das Schreiben, mit dem ich mich einige Jahre habe durchbringen können. Damals war ich sehr viel jünger, ich werde 53, war gesünder, hatte noch einen passabel verdienenden Ehemann an meiner Seite, der dazu gegeben hat, und ich hatte noch keinen Toten zu beklagen. Das Schreiben hat nie viel gegolten, ging als Laune durch und wurde mir als Zubrot anerkannt. Ich habe 23 Bücher veröffentlicht, nie einen Bestseller gelandet und mich auch nicht in diversen Talkshows nackischt gemacht.
Ich habe lange und richtig gerackert, für den Funk gearbeitet, mehrere Anthologien über Exil herausgegeben, habe vergessene jüdische Autorinnen, gekleidet im Stil der Zeit, öffentlich interpretiert, habe die von mir ausgegrabenen Texte gelesen und über die Frauen und ihr Leben gesprochen.
Ein Monolog von mir wurde 1994 in Berlin an einem kleinen, heute längst vergessenen Theater auf die Bühne gebracht; ich habe in einem Film der österreichischen Video- und Performancekünstlerin und Filmerin Linda Christanell gespielt. Ich habe für Mode- und Tageszeitungen geschrieben, früh für EMMA, auch für die taz und Bücher, auch einen Haufen Bücher rezensiert. Perdü.
Der Knick kam, nachdem ich meinen ersten Roman "Schau mich an" fertig hatte, es waren beinahe vier Jahre, die ich daran schrieb, und wie die böse Fee es wollte, verschwand just in dem Monat, als das Buch erschien, mein Ehemann nach 25 Jahren. Er ging in die Nacht und tauchte nicht mehr auf.
Tingeln auf Flohmärkten
Es folgte eine turbulente Zeit, es ging ganz schrecklich ums liebe Geld, das ich, nun nicht mehr wirklich jung, dazu seit frühester Jugend schwerbehindert, gerichtlich erstreiten musste. Gerichtliche Auseinandersetzungen kosten Nerven. Ich tingelte mit einem wiedergefundenen Jugendfreund auf Flohmärkten, verkaufte auf dem Weihnachtsmarkt Seifen und anderen Kram, fuhr auch im Bus nach Spanien. Daneben schrieb ich mein vorerst letztes, 2004 erschienenes Buch, "Basco". Ich hatte nie eine Versicherung, ich habe kein Handy, keinen Führerschein, das bedauere ich; hätte ich einen Führerschein, könnte ich mir kein Auto leisten.
"Basco" wurde ein Achtungserfolg, doch verkaufte sich nicht. Der Freund, der mich einige Jahre begleitete, erkrankte schwer an einem Gehirntumor und starb. Das hat mein Leben beinahe endgültig ruiniert, an Schreiben war vorerst nicht zu denken. Wieder ging kein Geld, das ich auch nicht bei Rossmann an der Kasse hätte verdienen können. Bei Rossmann sitzen junge Leute, die als Springer für ein paar Euro auch die Waren in die Regale packen und anderes tun müssen.
Für das Schreiben (und Veröffentlichen) gibt es heutzutage so gut wie kein Geld mehr. Ich erinnere mich an eine Talkshow des NDR Kirchenfunks, zu der ich eingeladen wurde, um über meinen verstorbenen Freund und mein Buch "Basco" zu sprechen. Ich fuhr mit Behindertenausweis von Marburg nach Hamburg umsonst; das bedeutet 8 Stunden Fahrt und vier Mal umsteigen. Von der Sekretärin des Pfarrers bekam ich 100 Euro zugesteckt. Offiziell gab es kein Honorar. Davon kann kein Mensch leben.
Kunst – ein absurdes, fantastisches Tun
Mittlerweile habe ich Hartz IV und drohe aus der Künstlersozialkasse nach 25 Jahren Mitgliedschaft rauszufliegen. Die KSK kennt keinen Schutz für Künstler, auch Schicksalsschläge gelten dort nichts. Es ist stur vorgegeben, dass ein Mitglied den von ihm angesetzten fiktiven Jahresbeitrag durch KÜNSTLERISCHE Arbeit erbringen muss. Das wird anhand der Steuererklärungen festgestellt. Selbstredend zahlt man den monatlichen Krankenkassen- und Altersvorsorge/Rentenbeitrag, nur ist es häufig unmöglich diesen durch, in meinem Falle Dichtung, zu erwirtschaften. Die KSK steckt in der Zwangslage. Die Kasse ist dem Bundesrechnungshof unterstellt, und der sieht jedes Mitglied als Belastung, denn das Geld ist alle.
Das sind kleine, nichtige Kümmernisse im großen Weltgeschehen, und noch haben wir Hartz IV, eine böse Angelegenheit, die Gasprom Schröder an seinen eigenen Leuten verbrochen hat. Hartz IV bedeutet immer Gängelung, Bedrohung (je nachdem, wer als "FallmanagerIN" einem gerade gegenübersitzt), und der Antrag muss jedes halbes Jahr neu gestellt werden. Die Bezüge werden einem dann irgendwann gekürzt, wenn man sich weigert, aus der an sich noch recht preiswerten, aber für die Behörde und die Vorschriften zu großen Wohnung, in eine, ich glaube, 35 qm-Behausung, umzuziehen. Kunst in jeglichem Sinne spielt überhaupt keine Rolle mehr. Es scheint ein geradezu absurdes und phantastisches Tun.
Empfangsfrau im Swingerclub
In der Universitätsstadt Marburg, in der ich seit dem Ende meiner Kasseler Schulzeit lebe, ist noch ein klein wenig das Glück zu Hause, denn hier gibt es viele ungewollt arbeitslose Akademiker und viele liebenswerte Spinner, die sich alle irgendwie durchwurschteln. In Marburg gibt es laut Auskunft des Schwerbehindertenreferenten des Kreis-Job-Centers 600-800 arbeitssuchende schwerbehinderte Menschen. Wie auch andere Frauen in meinem Alter und in meiner Situation, alleinstehend, in recht dürftigen finanziellen Verhältnissen kümmernd, das bedeutet, man rechnet in Centstücken, bin ich unaufhörlich mit "Besitzstandswahrung" beschäftigt.
Ich weiss von chronischer Müdigkeit meiner künstlerisch tätigen Freundinnen; immerzu muss frau sich bei diversen Ämtern rechtfertigen, warum sie ausgerechnet einen so seltsamen brotlosen Beruf gewählt hat. In früheren Zeiten galten Künstlerinnen als leichtlebig, nicht besser als Huren. Für die Hurerei ist es für eine Frau in meinem Alter gottseidank zu spät; ich wollte einmal als Empfangsfrau in einem Swingerclub in der Nähe von Gießen anfangen. Ich hatte mich beworben, wurde nicht genommen, da viel zu alt.
Die Liste der in Armut verrückt gewordenen und (früh) gestorbenen Künstlerinnen ist endlos. Zuletzt sorgt kurz der "Fall" der irgendwo in polnischen Wäldern todkrank hausenden Dichterin Helga M. Novak für Aufsehen. Novak wurde, weil isländische Staatsbürgerin, die medizinische Versorgung in der Bundesrepublik verweigert. Ihre Ehe mit einem Isländer hatte es Helga M. Novak möglich gemacht, die DDR zu verlassen. Die DDR-Staatsbürgerschaft, durch die sie nach 1989 automatisch Bundesbürgerin geworden wäre, war ihr wegen regimekritischer Texte aberkannt worden.
Eine merkwürdige Zeitreise
In Österreich starb vor gut 10 Tagen die Schriftstellerin und Tandlerin Elfriede Gerstl. Sie brachte sich lebenslang mit Flohmarkthandel durch; auf einer Zugfahrt 1980 von Wien nach Frankfurt teilten Gerstl und ich das Abteil. Zum Abschied schenkte sie mir ein Paar alte Art-Deco Ohrringe.
Es gibt keine Achtung vor der schriftstellerischen, malerischen, bildhauerischen, tänzerischen oder darstellerischen Lebensleistung einer Frau in diesem Land, dem immerhin eine Bundeskanzlerin vorsteht. In der Bundesrepublik essen, fahren, schlafen, lieben, heiraten alle Menschen AUTOS. Eben will die italienische Mafia groß ins bundesdeutsche Autogeschäft einsteigen.
Es ist eine merkwürdige Zeitreise: Jene Zwanziger und frühen Dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts, über die ich so viel geforscht und geschrieben habe, scheinen im Sauseschritt zu mir zurückzukommen, und wir alle bewegen uns wie auf dem Holodeck des Raumschiffs Enterprise, oder war es auf dem Star Trek Schiff? In nicht allzu ferner Zukunft wird man alte Weiber mit einem Fußtritt in den Wald oder in den Fluss befördern, wo sie untertauchen dürfen. Alohà!
Anna Rheinsberg wurde 1956 in Berlin geboren. Sie veröffentlichte Gedichte ("Annakonda", "Nacrisse Noir") Erzählungen ("Alles Trutschen", "Schwarzkittelweg") Romane ("Schau mich an") und ein Theaterstück ("Shanghai – Erster Klasse"). Als Essayistin setze sie sich immer wieder mit Autorinnen der Zwanziger Jahre auseinander und gab u.a. 1988 im Luchterhand Verlag die Anthologie "Bubikopf" heraus. Zuletzt erschien 2004 im Nautilus Verlag ihr Roman "Basco".
Hier lesen Sie mehr über die soziale Lage von KünstlerInnen in Deutschland.
Wir bieten profunden Theaterjournalismus
Wir sprechen in Interviews und Podcasts mit wichtigen Akteur:innen. Wir begleiten viele Themen meinungsstark, langfristig und ausführlich. Das ist aufwändig und kostenintensiv, aber für uns unverzichtbar. Tragen Sie mit Ihrem Beitrag zur Qualität und Vielseitigkeit von nachtkritik.de bei.
mehr debatten
meldungen >
- 28. März 2024 Berliner Theatertreffen: 3sat-Preis für Jenaer Arbeit
- 28. März 2024 Berlin/Bremen: Geschäftsführer Michael Helmbold verstorben
- 28. März 2024 Neues Präsidium für Deutsche Akademie der Darstellenden Künste
- 26. März 2024 Günther-Rühle-Preise vergeben
- 26. März 2024 Mülheimer Theatertage: Preisjurys berufen
- 26. März 2024 Theatertreffen der Jugend 2024: Auswahl steht fest
- 26. März 2024 Schauspieldirektor Maik Priebe verlässt Neustrelitz
- 25. März 2024 Dramatikerpreis für Correctiv-Autor:innen L. Lax und J. Peters
neueste kommentare >
-
3sat Preis Frage
-
Reise des G. Mastorna Wahnsinn
-
Reise des G. Mastorna, Heidelberg Bildgewaltig
-
Medienschau Volksbühnen-Chance Basel-Modell statt nur Namen
-
Medienschau Volksbühnen-Chance Dreamteam
-
Biedermann & Brandstifter, Zürich Stemann pur
-
Preisjury Mülheim Zeit für Neuanfang
-
Orpheus steigt herab, Wien Unruhe
-
Medienschau Volksbühnen-Chance Ostereier und gutes Doppel
-
Der große Wind der Zeit, Stuttgart Nachfrage
Im Theater fließt mehr Geld und deshalb ist es zu einer Grundlage für bürgerliche Existenzen geworden, auf Intendantenseite sowieso, aber auch auf Autorenseite. Von vielen Jungautoren würden wir wenig Dramatisches lesen, wenn das Theater nicht relativ gut bezahlen würde. Aber wer sie sich kein anderes Standbein sucht, kann hier schon mal lesen, wohin die Reise geht.
--- ich wünsche ihnen von herzen alles beste, frau rheinsberg..kämpfen sie weiter, den ersten schritt haben sie ja mit diesen zeilen schon getan....ich denke an sie..."leider" bin ich auch "nur" ne frau...aber haben sie mut, mut ,MUT!!
ich würde diesen text nicht als mutig bezeichnen. dann doch eher als armselig.
entweder sie kritisieren die allgemeine situation schwerbehinderter frauen, die sich als "autoren" versuchen aber leider scheitern, was an mangelndem talent oder an den ansprüchen der leser scheitert oder aber auf bild-niveau mit schlechten vergleichen über hartz-IV. beides zusammen hört sich doch derbe nach "ich will mitleid" an.
schon heftig, was sie alles erleiden mussten, das leben ist eines der schwersten, aber wenigstens haben sie sich nicht... "nackitscht (?)" gemacht. oh moment, doch, mit diesem text!
wofür also?
sie beschweren sich darüber, dass man von 100€ nicht leben kann und ich muss kotzen.
denn mit welchem verdammten recht nehmen sie sich die frechheit heraus, ansprüche zu stellen? nur weil sie schwerbehindert sind und einen wichtigen menschen verloren haben und ihr mann abgehauen ist, was alles schlimm ist und mir leid tut, sind sie noch lange nicht besser als andere. sein sie froh, dass sie mit ihrem behindertenausweis 8 mal umsteigen durften und halten sie verdammt nochmal ihren mund und nehmen sie hin, wenn ihnen jemand aus reiner menschenliebe 100€ zusteckt. ich glaube es hackt.
schade, dass sie keinen bestseller "gelandet" haben. so wie 90% ihrer "kolleginnen" und "kollegen" auch nicht. dabei haben sie ja, und so böse und zynisch funktioniert der mainstream-markt eben, und ein bestseller ist mainstream (merken, wird nochmal wichtig), alle voraussetzungen für einen mitleids-erfolg. aber offenbar reicht das nicht.
mit interpretationen vergessener, jüdischer schriftstellerinnen erreicht man den massenmarkt nicht, den man braucht, um einen bestseller zu landen. das bücherbusiness ist genau so ein mistbusiness wie das der musik, der filme und der wertpapiere. und da geht es um packende stories, die man verkaufen kann. und nicht um die romantischen vorstellungen des armen poeten sondern um verkaufsränge, plakate und fernsehwerbung, um hollywood-verfilmbarkeit und "coole" cover. schade aber so ist das nunmal.
zum abschluss will ich sagen - wer schreiben als laune sieht und sich nur so zum spaß ein bisschen beschwert wie traurig und scheiße sein leben ist, hat es gar nicht verdient, erfolg mit dem schreiben zu haben. wahrlich nicht. denn schreiben ist hartes, heftiges steineschleppen.
viel glück noch in ihrem leben. alles gute.
schreiben ist der ausdruck der seele. nur das. nicht mehr. nicht weniger.
wo ist ihre geblieben?
Ihre persönliche Situation ist sicher schwierig, aber leider keine Ausnahme.
Dass Schriftsteller es schwer haben, von ihrer Kunst zu leben, ist indes nichts Neues.
Jeder, der sich aufs Schreiben einlässt, weiß das aber doch spätestens, wenn er einen Verlag sucht!
Wenn er dann einen gefunden hat und feststellt, dass eine 10.000er Auflage mit einem VK von 10,00 pro Stück und einem üblichen Honorar von 7-10 Prozent maximal ein Jahr lang für die Miete reicht, ist erneut ernüchtert.
Ich las mal, dass man zehn lieferbare Titel am Markt haben muss, um als Einzelperson in bescheidenen Verhältnissen vom Schreiben zu können.
Das kommt hin, denke ich. Wer aber hat schon zehn lieferbare Titel...
Sie beschweren sich oben: "...In Zeiten, in denen alle Welt um Opel, also um den VERKAUF von Autos bangt, es in Deutschland anscheinend kein anderes Wollen, Streben und Begehren als KAUF MICH zu geben scheint, in diesen Zeiten ist es um ein Überleben und verdienen mit und um der schönen Kunst willen ganz schlecht bestellt."
Liebe Frau Rheinsberg: Genau das wollen Sie aber doch auch?! Dass man Ihre Bücher kauft und dass Sie daran verdienen!
Ich jedenfalls möchte das.
Ein Schriftsteller ist in gewissem Umfang Dienstleister - jedenfalls, wenn er will, dass jemand Geld für seine Kunst bezahlt.
Ein Schriftsteller soll unterhalten oder informieren oder beides. Wenn ihm diese "Aufträge" egal sind und er nur für sich schreibt, über Themen, die nur ihn (oder sie) interessieren, dann darf er auch nicht jammern, wenn er es alleine lesen muss.
Angebot und Nachfrage regeln auch in der Kunst den Markt.
Natürlich kann ich schreiben, was ich will - und wie ich will, und worüber ich will. (Tue ich auch, glauben Sie mir!)
Aber wenn das niemand anderen interessiert, dann muss ich damit leben.
Das ist in jedem anderen Beruf genau so. Und wenn ich von diesem Beruf, den ich selbst wähle, zu dem mich niemand zwingt, nicht leben kann, dann muss ich nebenbei anderer Arbeit nachgehen, auch wenn sie mir nicht gefällt.
Dass Sie schwerbehindert sind, macht natürlich den Verdienst des täglichen Brotes nicht einfacher, das steht für mich außer Frage.
Aber jammern, wenn sich unsere Bücher nicht verkaufen, das sollten wir nicht. Wir sollten einfach bessere schreiben als bisher.
Und unter uns, Frau Rheinsberg: Ist Schreiben nicht viel mehr als nur schreiben?
Kopf hoch und weitermachen!
Carla Berling
www.carla-berling.de
die einen schreiben, weil sie der mcdonalds konsum und marketinggesellschaft unterworfen sind..wenn sie schreiben, um sich einem markt zu unterwerfen, sich selbst sogar als dienstleister zu sehen, dann hat das in meinen augen überhaupt nichts, aber auch gar nichts mit schreiben zu tun.. sondern mit einer fließbandarbeitshaltung, selbst wenn ihre texte ihnen spaß machen..das ist kein schreiben.. schreiben ist meiner ansicht nach ein bedürfnis, erstmal nicht auf die leser und den absatsmarkt schielend, sondern,weil man schrieben muß, genau diese zeilen hier, jetzt, einsam,. aus ienem inneren drang heraus.. der verkauf ist zweitrangig, das publikum auch.. schreiben ist ein einsamer beruf, der mit einem potentiellen publikum zuallererst nichts zu tun haben sollte... vielleicht wird man ja in zweihundert jahren gelesen, wer weiß.. viele vergessene schriftsteller in der vergangenheit waren soapstars, niemand interessiert sich heute mehr für sie, ich denke da an justinus körner z.b.-- da hatte der markt nichts mit der qualität zu tun, und andere, die nur für sich schrieben, sind heute entdeckt und geschätzt..
frau rheinsberg schreibt auch , glaube ich, gar nicht von der art und weise, in der sie schrieben will und MUSS...sondern von etwas ganz anderem: vom bedauerlichen zustand unserer deutschen gesellschaft, innere werte und menschen, die diese werte mit-teilen könnten weniger staatlich , d.h. gesellschaftlich fördern zu wollen als z.b. opelkonzerne, die durch eigenes verspekulieren ihre inhalte in den sand gesetzt haben, da sind plötzlich millionen da..und menschen, die seelische werte teilen könnten, muessen am bettelstab gehen...ein geistiger text sollte nicht mit euro aufgewogen werden, das ist eine falsche rehcung, amn kann geist nicht kaufen und bezahlen..darum kann ein schriftsteller niemals ein dienstleister sien..wer will den preis eines inneren bildes bestimmen?? einer phantasie, einer komposition aus silben?? das wäre doch immer eine geschmacksache, ein falscher codestrang...
unterwerfen sie sich ruhig dem marketing , frau berling, für mich sind sie allerdings dann keine schriftstellerin,sondern allenfalls eine werbe-texterin, eine journalistin, ein worthandwerker...keine künstlerin..
freundliche grüße!!
Sehr geehrter Herr/Frau anonymus
Sicherlich ist Ihnen beim Lesen des Beitrages von Frau Berling entgangen, dass diese sich mitnichten gegen das innere Bedürfnis eines Autors/Schriftstellers ausspricht schreiben zu müssen.
Es geht um die Vergütung der Werke, auf die sie sich bezieht, und darum geht es ja wohl auch Frau Rheinsberg.
Richtig ist, dass man sich gut darüber echauffieren kann, dass der Staat Opel Milliarden an Steuergeldern hinterherwirft.
Auch ich halte das für falsch. Für genauso falsch halte ich es aber auch Künstlern Geld hinterherzuwerfen.
Zum einen, liebe Frau Rheinsberg und Frau/Herr Anonym leben wir in einer (sozialen) Marktwirtschaft. Gut das Soziale beschränkt sich zwischenzeitlich auf Hartz IV und einige sonstige Vergünstigungen (z.B. für Schwerbehinderte). Ändern Sie dass, indem Sie sich in dieser Gesellschaft engagieren und/oder andere als die Regierungsparteien wählen.
Zum anderen stellen Sie sich mal vor es gäbe tatsächlich Geld für Kunst: Wer wollte denn entscheiden was Kunst ist und wer wie viel aus dem großen Topf bekäme? Was glauben Sie denn wie schnell es Millionen dünner Heftchen mit mehr oder weniger sinnigem Inhalt gäbe, deren "Autoren" nach Staatsknete riefen?
Nein. Das kann es nicht sein. Ich stimme Frau Berling zu: Schreiben kann und darf jeder. Wer davon leben will, der muss akzeptieren, dass wir in einer Marktwirtschaft leben.
P.S.: Satzzeichen sind keine Rudeltiere.
ich ziehe aus Ihrem bewegenden Schreiben die für mich naheliegendste Konsequenz. Ich werde mich jetzt mit Ihren Büchern befassen, einige (vier), die mich vordringlich interessieren, intensiv lesen und sie - wenn von ihnen und durch sie überzeugt - jedem in meiner Reichweite anpreisen, der sich für lesenswerte Literatur interessiert und doch Ihre Bücher leider noch nicht kennt, so wie bisher ich. Immerhin: Ihr Name war mir durchaus geläufig. Mit allen guten Wünschen und herzlichen Grüßen!
künstlerisches schreiben ist etwas anderes als schmale hobbylyrikheftchen. menschen sind durchaus - auch abseits des mainstreams, in der lage, dies zu erkennen, jenseits von geschmacksrichtungen.
in skandinavien bekommen künstler, die als solche anerkannt worden sind, nicht durch den markt, sondern durch eine lobby der ausübenden künstlern, eine schmale rente jeden monat, die sich klar von sozialhilfe abgrenzt , sondern ein staatliches künstlergehalt ist..der einzige deal ist, daß der staat jedes jahr ein vo ihm ausgewähltes kunstwerk, oder theatersück oder buch oder musikstück dem staat schenken muß, alles andere,was er sonst einnimmt oder erwirtschaftet oder schafft, ist in seinem eigenen ermessen..so hat er zur not, und wenn er sich dem mainstream nicht unterwirft, immer die möglichkeit, ein bescheidenes, aber künstlerisch abgesichertes leben zu führen..durch die jährliche einmalige arbeitsabgabe bleibt er auch regelmäßig im gespräch mt der öffentlichkeit und seiner kunstszene. - gut, es gibt weniger menschen in skandinavien, aber vielleicht wäre das trotzdem ein interessantes ländermodell..
p.s. satzzeichen sind taktstöcke. rhythmusloops.
p.p.s. ich bin übrigens keine schriftstellerin.
Zu Ihrem skandinavischen Modell: Es gibt auch in der Bundesrepublik Deutschland viele, viele mit Geld honorierte Literaturwettbewerbe, Stipendien es gibt den Literaturfonds und und und. Nur, und das schrieb ich schon oben, es gibt das Problem, dass man als förderungswürdig anerkannt werden muss. Hier, wie in Skandinavien. Ich halte das, und bei dieser Meinung bleibe ich, systemisch für falsch (siehe Opel).
Wer Künstler (Schriftstellern gehts noch gut im Vergleich z.B. zu bildenden Künstlern) werden will hat 3 Möglichkeiten:
1. Armer Poet (mit über 700 € Förderung vom Staat, immerhin)
2. Nebenberuflich oder mit verdienendem Partner
3. Erfolgreich
Zum Leben gehört Scheitern, egal ob als Autor, Bäcker, Rechtsanwalt... Wer scheitert, muss in diesem Land nicht verhungern, erfrieren oder an behandelbaren Krankheiten sterben. Aber soll der Staat einer Kaste - den Künstlern - wirklich das Scheitern abnehmen?
(Anmerkung der Redaktion:
Es sind mehr als fünf Bücher von Anna Rheinsberg über Amazon bzw. andere Händler neu bestellbar.)
Manche Bücher, die es verdienen, wie die von Ludwig Winder, sind heute kaum bekannt, geschweige denn verbreitet.
(Stadtbibliotheken - nicht bloß Verlage und Buchhandlungen auf ihre Weise - scheiden Bücher oft aus und verscherbeln sie, wenn sie nicht häufg genug ausgeliehen werden. Sogar hier zählt die Quote, die Verkaufs- und Ausleihquote, nicht die Qualität. Das müsste so ausschließlich nicht sein.)
natürlich haben es fast alle Künstler schwer!
Beispiel:
Ein Freund von mir ist Schauspieler, mit Ausbildung, Talent und Erfahrung. Er ist ganz gut gebucht.
Aber zwischen den Engagements ist er arbeitslos.
Und da er nie länger als ein paar Monate für ein Gastspiel oder eine Filmproduktion engagiert wird, ist sein durchschnittliches Einkommen oft unter Hartz IV Niveau. Arbeitslosengeld steht ihm nach so kurzen Festanstellungen nicht zu.
Dennoch ist er mit Leib und Seele Künstler - freiwillig.
Um das sein zu können, synchronisiert er manchmal drittklassige Filme, souffliert im Theater oder macht sonstwas für kleines Geld.
Ein anderer Freund ist Maler.
Seine Arbeiten werden mit 5000 - 10.000 Euro gehandelt. Was glauben Sie, wie viele Bilder er im Jahr verkauft? Zwei, manchmal drei. Wenn er sein Einkommen nach Abzug seiner Arbeitsmaterialien versteuert hat, ist er auch unter Hartz IV Niveau.
Auch er liebt seinen Beruf, gibt an der VHS Malkurse für Kinder und Senioren und bietet Workshops für therapeutisches Zeichnen an.
Damit er Künstler sein kann.
Ich schreibe Bücher und nehme Geld für Lesungen. Den oben genannten Vorwurf, keine "echte" Schriftstellerin zu sein, weise ich von mir.
(Das kränkt mich, zugegeben.)
Was ist falsch daran, diszipliniert und fleißig jeden Tag zu arbeiten?
Was ist falsch daran, bei der Auswahl meiner Themen zuerst zu prüfen, ob sich je ein Verlag finden wird, der sie als Buch an den Leser bringt?
Was ist falsch daran, als Schriftsteller unterhalten oder informieren zu wollen, eine Geschichte erzählen zu wollen?
Ich habe mich lange im Verband Deutscher Schriftsteller engagiert.
Solange wir eine Gruppe waren, in der alle nur in sehr kleinen Verlagen veröffentlicht hatten und vom "großen Deal" träumten, waren wir alle gleich.
Als ich - nach einigen schlechten und zu Recht erfolglosen Büchern! - zum ersten Mal vierstellig veröffentlicht wurde, sank ich in der Achtung derer, die davon noch träumten.
"Die verkauft sich... die machts für Geld..."
Ja, Herrschaftszeiten!
Ein Schriftsteller braucht und will Leser.
Ohne Verlag findet er die nicht.
Ein Verlag braucht Geld, denn die Maschinerie der Literaturproduktion verschlingt Unsummen.
Der Autor will Geld, der Lektor, die Grafiker, die Druckerei, die Marketingabteilung, die Werbung, der Vertrieb, der Buchhandel - alle müssen an diesem Buch verdienen.
Mir ist klar, dass ein Verlag vorwiegend veröffentlichen muss, was auch gelesen werden wird.
Ich bin froh, dass Dieter Bohlen und Konsorten viel Geld einspielen, denn dadurch können Verlage sich ab und zu auch die Veröffentlichung eines No-Name-Autors leisten.
Ich schreibe seit fast zehn Jahren Bücher.
Inzwischen mache ich nichts anderes mehr.
Ich will das sein: Schriftstellerin. Nichts anderes.
Ich war zuletzt 1992 im Urlaub, ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich habe kein Haus und kein Auto und trage seit Jahren nur Second-Hand-Klamotten.
Ich nehme auch Nebenjobs an, wenn es zu eng wird, natürlich. Auch welche für fünf Euro die Stunde.
Und?
Ich habe meinen Traumjob - und weil er langsam erfolgreich zu werden beginnt, muss ich mich weder schämen noch verachten lassen.
Das Problem liegt meiner Meinung nach ganz woanders:
Im Neid. Sonst nirgends.
Carla Berling
Wirklich abstoßend sind diese Marktradikalen, die meinen, ein Arbeitsloser etc. hätte dankbar zu sein, dass er nicht verhungert - und Kunst, die keiner kauft, sei nichts wert. Nur zu, bin sehr dafür, dass die FDP dann ab Sept. mal "Lösungen" präsentiert, scheinen ja erstaunlich viele zu glauben, dass die es hervorragend können.
"Scheitern" als Künstler....................
welche Schobermichel wollen denn bitte DARÜBER befinden? Und woran messen? Am VERKAUF?!
Muuaaahhhhhh.....!
Guten Morgen zusammen,
jetzt fühle ich mich doch genötigt, angesichts des sehr aggressiven Tones, der mir da entgegenschlägt einiges richtigzustellen.
1. Ich schrieb nichts zu Amazon (und kann deswegen mit obigen Artikel nichts anfangen)
2. Es scheint mir da ein (interessantes und bezeichnendes) Missverständnis bei manchem Diskutanten zu geben: Geld=Wert. Das ist mitnichten so. Es ging mir nie um den ideellen Wert, und, ich glaube, Frau Rheinsberg auch nicht, sondern ganz prosaisch um Vergütung.
Es gibt Menschen, denen ist ihr Tagebuch (welches noch niemals von jemandem gelesen wurde) das WERTvollste in ihrem Leben. Dieser Wert steht außer Frage und er kann nicht in Euro und Cent beziffert werden.
3. @Jeanne d'Arc: der Staat nimmt dem Bäcker, Fleischer, Rechtsanwalt das Scheitern ja gar nicht ab. Ich verstehe nicht, was Sie damit meinen? Aber falls Sie sich auf Opel etc. beziehen sollten: Ich schrieb bereits, dass ich das für falsch halte.
Prinzipiell bitte ich aber genau zu lesen, wer welchen Artikel verfasst hat. Bezugsfehler finde ich auch in Büchern immer sehr verwirrend.
Beste Grüße und Ende
Ich hatte es nicht.
Obwohl ich mein Studium geschmissen habe und zum Theater gegangen bin, obwohl ich nach meiner Rückkehr ins Studium viel geschrieben (und nichts davon veröffentlicht) habe, obwohl ich viel Zeit und Kraft in meine freie Theatergruppe investiert habe (mit der ich dann auch einiges veröffentlicht habe) und meine Liebe zum Schauspiel nie verloren habe, obwohl ich mich auch heute lieber den ganzen Tag mit Theater und Schreiben beschäftigen würde, habe ich mich dennoch am Ende für eine Familie und zu deren Finanzierung für meinen Ausbildungsberuf entschieden.
Heute arbeite ich als Rechtsanwalt und habe eine tolle Familie (mit zwei sensationellen Jungs!). Ich kann mit meinem Beruf 4 Personen ernähren und wir fahren in den Urlaub nach Dänemark. Wenn ich im Theater sitze (was häufig vorkommt) und eine richtig gute Produktion sehe (was leider nicht so häufig vorkommt) wird mir etwas wehmütig ums Herz. Aber sonst bin ich glücklich und zufrieden.
Aus meinem Freundeskreis sind mir die (insbesondere finanziellen) Sorgen und Nöte von Kunstschaffenden nicht unbekannt und als Fachanwalt für Sozialrecht ebenfalls die der Arbeitslosengeld II (Hartz IV)- Empfänger. Im Übrigen auch die Freuden und Freiheiten. (Ist es nicht so, dass wir immer das wollen, was wir gerade nicht haben?)
Ohne jeden Zweifel gibt es in unserem Land Menschen, die unverschuldet oder durch unglückliche Umstände in Not geraten und auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Ich weiß auch, dass der Regelsatz von 351 Euro nur unter großen Verzicht zum Leben ausreicht. Für diejenigen, die keine Wahl haben, ist das kein leichtes Leben, wirklich nicht.
Alle anderen sollten sich glücklich schätzen und mit Stolz auf ihre Arbeit schauen, unabhängig davon, ob man damit viel Geld verdienen kann oder weniger.
Es ist eine freie Entscheidung!
So wies am Buchmarkt ausschaut ist mit Literatur, zumal deutsche, wenig zu verdienen. Amerikanische Literatur verkauft sich besser. Französische und amerikanische Literatur ist interessanter als deutsche Literatur! Möglich deutsche Autoren schreiben etwas am Markt vorbei. Nur wenige zeitgenössische Autoren klingen authentisch. Um über das Leben zu schreiben reicht Gymnasium und Uni nicht ganz aus und dadurch sind viele Autoren schnell leer geschrieben. Madame Duras schrieb z.B. meist über Ihre Erlebnisse in den Kolonien Frankreichs. Das spürt man halt im Roman Heisse Küste, ihr Erstling, dass sie das erlebt hat. Nicht zu Unrecht hat Reich Ranitzki gesagt, der Spiegel sei interessanter als deutsche zeitgenössische Literatur. Man kann noch ein Beispiel geben: einen deutschen Hollebeque sehe ich weit und breit nicht.
Vermutlich liegt das an der deutschen Traditionen sagen wir der Goetheromantik: Nichtssagend, vielsagend, bloss nichts sagen, immer die Mitte bewahren, genau wie in unserer Konsensgesellschaft. Lieber ne Blume metaphernhaft beschreiben als die Regelblutung einer Frau.
Ohnehin in der Kunst gibt es kein garantiertes Einkommen und Sozialfälle sind bekannt:
z.B. in der bildenden Kunst das Genie van Gogh, oder in der Literatur Bukowski, oder Henry Miller. Henry Miller hatte sehr spät ein Einkommen, Bukowski auch. Jahrestage von Uwe Johnson würde es nicht geben ohne die 2000 Mark, die Unseld jeden Monat überwies.
Die Lösung für eine zukünftige Gesellschaft wäre ein Bürgergeld, das jeder bekäme. Dies müsste über dem Satz von Hartz IV liegen. So ein Bürgergeld wäre nicht so entwürdigend wie Hartz IV. Zudem könnte man dadurch Arbeits- und Sozialämter zumindest verkleinern, wenn nicht ganz abschaffen. Dieses Bürgergeld könnte dann auch die zu erwartende Mindestrente sein.
Momentan besteht durch die Bankenkrise für den Mensch die Chance Dinge zu ändern, aber es schaut so aus als geht es weiter wie gehabt, bloß den Status Quo behaupten.
Ich würde vorschlagen:
A Aufhören zu jammern.
B Den Literaturbetrieb ignorieren.
C Einsetzen für das Bürgergeld.
D Eine neue Partei gründen
wahrscheinlich werden Sie das Gefühl bloß nicht los, weil Sie sich so gut damit gefallen. Ihre schlichten Kategorisierungen werden weder meiner Person noch dieser Debatte gerecht. Ich habe nie behauptet, dass sich Kunst und Familie ausschließen. Das Thema hier ist hier aber: wo kommt das Geld (für beides) her?
Wenn Sie sich ernsthaft und konstruktiv an dieser Diskussion beteiligen wollen, erzählen Sie uns, wie sie von dem Thema betroffen sind oder was für Lösungen sie haben.
Alles andere ist blanker Zynismus!
Statt nur zu hoffen, kann man auch etwas tun. So hat sich Heinrich Böll im Jahr 1969 vorgestellt, was eigentlich geschähe, wenn alle Autoren in Deutschland streikten: jeder Drehbuchschreiber, jede Sachbuchautorin, jeder Lyriker, jede Romandichterin, jeder Dramatiker, jede Kinderbuchautorin, jeder Hörspielschreiber, jede Essayistin, einfach alle. Plötzlich hätten die Verlage nichts mehr zu tun, die Fernsehsender könnten keine Filme mehr drehen, schnell fehlte es den Buchhändlern an neuen Büchern, die Kritiker hätten nichts mehr zu kritisieren. Kurz: Der ganze Literaturbetrieb wäre lahmgelegt. Dann müssten die Schreibenden nur noch bessere Vertragsbedingungen fordern und höhere Löhne.
Nun sind Schriftsteller aber in der Regel Einzelgänger. Sie sitzen höchstens mal zu zweit oder dritt an einem Buch, meist jedoch allein. Viele sind sogar ein wenig eigensinnig und meinen, sie seien als »Künstler« etwas ganz Besonderes und hätten zum Beispiel mit »einfachen« Drehbuchschreibern nichts gemein. Heinrich Böll wollte das ändern. Dabei verdiente er zu dieser Zeit mit seinen Erzählungen und Romanen sehr gut, weil sie sich zu hunderttausenden verkauften, in Dutzende Fremdsprachen übersetzt wurden und oft als Hörspiele gesendet oder gar verfilmt wurden. Später bekam er dann den Nobelpreis, der ihn zum Millionär machte. Obwohl er also sehr berühmt und wohlhabend war, vergaß er nicht, dass er selbst früher am Hungertuch genagt hatte und zahlreiche seiner Kollegen immer noch. Tn einer großen Rede vor dem Schriftstellerkongress, die dann auch in der Zeitung gedruckt wurde, forderte er deshalb 1969 das »Ende der Bescheidenheit«. Sehr deutlich formulierte er die Probleme: »Hin und wieder mögen wir ganz kluge Leute sein, als Vertreter unserer Interessen in einer Gesellschaft, die von Interessenvertretern dirigiert wird, sind wir wie Schwachsinnige ... Ich fürchte, wir sind sehr feine Idioten.« Und dann rechnet Böll vor, dass die Autoren mit ihren Büchern einen Umsatz von Milliarden ermöglichen. Das waren damals Deutsche Mark, es gilt heute für Euro immer noch: Aktuell verdient die Buchhandelsbranche in Europa ein Mehrfaches der Filmbranche. Die Honorare für Drehbücher liegen jedoch um ein Vielfaches höher als die für normale Bücher. Nun, Böll rechnete seinen Kollegen und der Öffentlichkeit vor, wie wenig ein Autor verdient. In heutiger Währung ausgedrückt: Von einem gebundenen Buch, das im Laden 20,00 Euro kostet, bekommt er etwa 1,86 Euro, den Rest teilen sich der Staat, der Buchhandel, der Zwischenhandel und der Verlag. Bei einem Taschenbuch, das 15,00 Euro kostet, bekommt er nicht einmal 70 Cent. Dann weist Böll darauf hin, dass Autoren in anderen Ländern wie Schweden besser bezahlt werden. Und die Verlage oder die Buchhandlungen gehen dort auch nicht pleite.
Böll hielt diese Rede, als der »Verband deutscher Schriftsteller«, der auch eine Art Gewerkschaft und Interessenvertretung sein sollte, gegründet wurde. Eine ganze Reihe von Verbesserungen haben dieser Verband und andere Autorenverbände erreicht, eine grundsätzliche Änderung der wirtschaftlichen Lage allerdings nicht.
Woran das liegt? Das ist nicht so einfach zu beantworten, aber auf jeden Fall hat es etwas damit zu tun, welches Image Literatur und Bücher überhaupt haben. Einerseits gelten sie als wertvoll, andererseits sollen sie nicht viel kosten. Die gleichen Leute, die für ein tolles Essen oder Popkonzert 30,50 oder auch manchmal 100 Euro ausgeben, regen sich auf, wenn ein Buch mehr als 40 Euro kostet. Dabei geht ein Konzert oder ein Essen in zwei Stunden vorbei, ein Buch hat man sein Leben lang und kann sich so oft man möchte und für viele Stunden darin vergnügen. Die meisten Waren werden von Jahr zu Jahr teurer, für Bücher gibt man vergleichsweise weniger aus als vor dreißig Jahren.