Geld allein macht auch nicht unglücklich

von Tomo Mirko Pavlovic

Gomaringen, 25. Juni 2009. Geld. Geld. Geld. Zwischen Himmel und Erde existiert für den durchgeknallten Johannes Fuchs nichts anderes. Das viele Geld, es ist seine Obsession, sein Lebensquell. Die ganze Welt ist eine Ladentheke. Dinge oder Menschen: Fuchs schaut einem geradewegs in die Augen, sehr lange, sagt dann "Alles ist meins!" - und dann zeigt er mit dem Finger auf dich. Geld ist Macht, und Geld macht geil.

Dabei kassiert Fuchs - das wirklich Reizende an diesem stinkreichen Musterhausschwaben - dort ab, wo es eigentlich nicht weiter fehlt und weh tut: beim kleineren Gauner. Bei korrupten Kaufleuten, Aktionären, Anwälten. Bei all den kapitalistischen Fruchtfliegen also. Sie umschwirren ihn täglich, machen ihm Geschenke, warten auf seinen Tod und ein günstiges Testament. Doch Fuchs, dieser perverse Robin Hood, zockt sie alle ab. Bis auf einen, der von unten kam: Geherda, sein stets ergebener Diener.

Krise der betrogenen Betrüger

"Volpone oder Der schlaue Herr Fuchs" ist ein Lustspiel zur rechten Zeit am rechten Platz. Die schwäbische Bearbeitung dieses alten, guten Ben-Johnson-Stoffes von Hartwin Gromes und Felix Huby trifft im pekuniär irritierten Ländle auf ein sensibilisertes Identifikationspotential.

Schließlich erzählt dieser Volpone auch die Geschichte von der Krise der betrogenen Betrüger. Das Leben als vielfache Kopie des Klischees: Hinter der Fassade der bescheidenen und fleißigen Tüftler verbirgt sich gerne mal sinnloser Reichtum ohne Stil und Klasse gepaart mit provinziellem Geiz und Allmachtsfantasien. Und diese Fassade zeigt Risse.

Wenn demnach zum Auftakt des Gomaringer Theatersommers unter schweren, aber fast tropfsicheren Wolken einer der Erbschleicher, dieser zotteligen Rabe, als morgendliches Heuchelpräsent dem Volpone eine kümmerliche Porsche-Aktie vorbeibringt, dann kichern sogar jene im Premierenpublikum, die den aktuellen Tageswert dieses Papiers auswendig aufsagen könnten.

Personifizierte Bad Bank

Volpone aber spielt auf einem anderen Level. Er will nämlich: alles. Und so gibt sich die personifizierte Bad Bank sterbend, um noch mehr zu raffen - den letzten Krümel Würde all dieses Heuchler und Schleimer. Mit Hilfe seines gewieften Butlers und Consultant Geherda (Gerd Plankenhorn in Hochform) bringt er den alten Kräh dazu, seinen Sohn Boris zu enterben, treibt den mit Goldtellern um sich schenkenden Winkeladvokaten Geier in den Ruin.

Am schlimmsten aber trifft es den besagten Rabe, der für die erhoffte Unterschrift im Testament seine begehrenswerte Gattin Celia opfert, sie dem lechzenden Geldsack Volpone zuführt wie eine Bauer seine unwillige Kuh dem vermeintlich kraftlosen Zuchtbullen. Die Vergewaltigung landet schließlich vor einem bestochenen Gericht.

Der Regisseur Albrecht Hirche schickt als Volpone den wunderbaren Oliver Moumouris auf die hellen Holzbretter des abgeschrägten Bühnenovals, einen dieser Schauspielertypen, die einen kompletten Abend alleine schmeißen können, sogar in irgendeiner Raststätte auf der A 8 kurz nach Mitternacht.

An seinen schnell dahinschwäbelnden Lippen und gefletschten Zähnen kleben die Zuschauer wie zähe Marmeladereste: "Älles isch meins!". Eine Monsterfelljacke in Pink, dazu die Flauschemütze und halterlose Strümpfe in grellem Orange unterstützen seine herrlich dekadenten Auf- und Abtritte, die bei Jonsons Dramaturgie hausgemacht unter einem Textmangel leiden: Volpone ist nämlich meist nur stiller Beobachter seiner eigenen perfiden Kunst der rhetorischen Simulatio und Dissimulatio. Er reckelt sich, er stöhnt, er krümmt sich, spreizt die Beine, gafft der versauten Spendensammlerin Ariane unter den Rock.

Gewalt wird ausgeblendet

Trotzdem braucht es mehr, dachte sich klugerweise die Regie und bedient sich vor allem bei den beiden kleinen Helfern und Conferenciers des Abends Hano (Linda Schlepps) und Nano (Philipp Becker) bei der Commedia dell’ Arte, unterlegt die eine oder andere Geste punktgenau mit kreischiger Blasmusik, hüllt die Darsteller in Trash-Kostüme.

Das Übrige erledigt ein überbordender, dialektaler Wortwitz, der kein banales Volkstheater produziert, im Gegenteil. Wenn eine Maus mit verweinten Augen aus der Kammer eines Geizhalses wegrennt, ist es eines jener Sprachbilder und Vergleiche von Huby und Gromes, für die man gerne mal den Jonson für Augenblicke vergisst.

Und doch vermisst man bei der durchweg starken Ensembleleistung des Melchinger Theaters einen härteren dramaturgischen Zugriff für den Volpone, der zwar am Ende an der eigenen Habsucht zugrundegeht, sich mit englischen Zitaten effektvoll sanft in der sechsten Zuschauerreihe vom Leben und dieser humorvollen Revue verabschiedet.

Aber im Grunde bleibt vom zynischen Selbstekel im Gomaringer "Luschtspiel" wenig übrig, von einer bataille’schen Lust am Tod und der moralischen Grenzüberschreitung ganz zu schweigen. Die Nötigung der Frau geschieht hinter einem Vorhang, die Gewalt, das Ätzende und das Rohe aus Ben Jonsons Vorlage "Volpone, or the Fox" werden einfach ausgeblendet. Man ahnt lediglich, wozu manche dieser Schwaben vor Umsatz und Steuer wirklich fähig sind.

 

Volpone oder Der schlaue Herr Fuchs
Lustspiel von Hartwin Gromes und Felix Huby
Frei und schwäbisch nach Ben Jonson
Regie und Kostüme: Albrecht Hirche, Bühne: Katrin Busching.
Mit: Oliver Moumouris, Gerd Plankenhorn, Berthold Biesinger, Moritz Brendel, F. Xaver Ott, Renate Winkler, Gina Maas, Linda Schlepps und Philipp Becker.

www.theater-lindenhof.de
www.youtube.com
www.gomaringen.de

 

 

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