Der Mond ist ja einiges gewöhnt

von Michael Laages

Kassel, 2. Juli 2009. Schlampe, Schnalle, Zickenkrieg, Bla-bla-bla und Laberkram – Wortfindungen von derlei funkelnd zeitgenössischer Brillanz sind Bausteine dieser "neuen" Übersetzung und Bearbeitung des Shakespeare-Textes, mit der die aus Freiburg stammende und inzwischen (auch dank sorgsamer Autorenpflege am Staatstheater in Kassel) ziemlich erfolgreiche Autorin Rebekka Kricheldorf niemandem einen Gefallen getan hat; am wenigsten sich selber. Mit dem Vorschlaghammer hat sie den "Sommernachtstraum" platt gehauen und zurecht gedengelt für modische Bedürfnisse. Und nur das grandiose "Naturtheater" der Karlsaue in Kassel verhindert das vollkommene Desaster.

 

 

Denn der Mischwald ist ja echt, und Bäume an sich sind mit Beleuchtung noch schöner. Nur der Mond, gegen Ende des Stückes (und im ruppigen Dramolettchen der Handwerker) ausführlichst beschworen, spielt naturgemäß nicht mit – und beleuchtet die Szene leider nur von der anderen Seite der Fulda her, im Rücken des Publikums. Der gute alte Partner-Planet ist ja seit den Zeiten der Romantik einiges gewöhnt, und so lässt er auch das Kasseler Spektakel gutmütig über sich ergehen.

Die tut nix, die will nur spielen!

Er sieht eine Aufführung, die "Sommertheater" in tingeltangelhaftester Weise ist – sie stellt sich chronisch noch dümmer als selbst mit dieser "Neufassung" nötig wäre und ignoriert auch wirklich jeden gedanklichen Ansatz. Die tut nix, die will nur spielen – und setzt auf einen Schelm gern anderthalbe. Wo sie tatsächlich mal eine kleine Überraschung birgt, scheint sie es kaum zu bemerken und geht darum auch schnell drüber hin und weg.

Der Bürger Peter Squenz etwa, der später bekanntlich das elende Stückchen für die Handwerker-Laienbühne der Stadt schreibt, ist hier auch der Vater der Hermia, der die Hochzeitsvorbereitungen des Fürsten Theseus stört mit dem Liebes-Leiden seiner Tochter, die nicht den Mann will, den er für sie ausgesucht hat. Wie jetzt? Hermia: nicht von Adel wie die anderen, sondern ein Bürger-, gar ein Handwerker-Mädel? Na, das hätte ja eine richtige Interpretation nach sich ziehen können – Schmalöers Inszenierung sieht allerdings eher so aus, als sei ihr diese fruchtbare kleine Idee irgendwie passiert; sie wird darum auch nicht weiter verfolgt.

Lieblich: Senioren in Glüh-Tütüs

Stattdessen badet sie in Effekten – lieblich anzuschauen, wie Glühwürmchen, rennen die Damen und Herren der S-Klasse, des Senioren-Clubs am Staatstheater, in glühbirnchendurchsetzten Tütüs durch den Wald: als Gefolge der Elfen-Königin Titania. Und im Puck-Outfit werden Batman-Spezialisten ohne Mühe Jack Nicholsons giftgrünes Joker-Face wieder erkennen. Einer weißen Stretch-Limousine entsteigen zu Beginn die Schranzen des Herrn Theseus, der da gerade die schmuck-mondäne, später dann aber (im Angesicht der fatalen Handwerker) überraschend kunstverständige Szene-Schnepfe Hyppolita in den Hafen der Ehe zu chauffieren gedenkt.

Nichts weiß die Inszenierung allerdings mit der bekannt vertrackten Idee des Stückes selber anzufange. Damit, dass Oberon, Titanias Gatte und der Fürst in jener Elfen- und Anti-, Traum- und Alptraum-Welt, die kurz darauf magische Kräfte entfalten wird im Wald und ihn zum Tollhaus für Menschen verwandelt, seinerseits mal was mit eben jener Hyppolita hatte – was schreibt er bloß so einen blöden Kram, dieser Shakespeare!

Dafür darf aber dieser Oberon, hier mit Hirsch-Geweih und allerlei Dekor und Gedöns nach "Herr der Ringe"-Art angetan, eines seiner Zauber-Rituale (mit dem er Menschen in irrsinnig Liebende verwandelt oder aber den Wahn wieder aufhebt) mit einem völlig durchgeknallten Karnevalsgesang begleiten. Dieser Einfall kann nur sehr spät, lange nach der Probe und ganz tief in der Kantine entstanden sein – er ist von unüberbietbarer, durch nichts zu rechtfertigender Idiotie. Und er bleibt nicht wirklich allein an diesem lauen Sommerabend.

Echtes Karrussell mit Dino und Nilpferd

Daniel Roskamp hat die wirklich erstaunlich theaterhafte Lichtung in der Front des Karlsaue-Waldes zum einen mit einem mäßig einfallsreichen Bühnen-Podest möbliert – auf dem zum Schluss aber nicht etwa die Handwerker spielen, sondern die fürstliche Theseus- und "Paaahdiiie!"-Band hockt. Zum anderen ziert die gegenüberliegende Seite der Lichtung ein leibhaftiges Karrussell, sogar mit Dino und Nilpferd drauf – es wird aber quasi gar nicht benutzt! Nur die durch Pucks Wald-Zauber verstörten Liebespaare legen sich gegen Ende darauf schlafen – na gut: im schönen alten Kindertraum vom Glück. Noch so ein Deutungs- und Gedanken-Ansatz wäre das vielleicht, aber auch er bleibt folgenlos. Im übrigen steht da einfach nur ein Augenfänger im Wald herum, für nix und wieder nix, dumm, aber bunt.

Und so ist die ganze Aufführung. Wer von Sommertheater ohnehin nichts erwartet, wird rundum befriedigt. Kassel findet ohnehin alles "köstlich" an diesem Abend. Aber wirklich gut ist nur der Wald.


Ein Sommernachtstraum
von William Shakespeare
neu ins Deutsche übersetzt und bearbeitet von Rebekka Kricheldorf
Regie: Volker Schmalöer, Bühne: Daniel Roskamp, Kostüme: Ulrike Obermüller, Musik: Johannes Winde. Mit: Andreas Beck, Peter Elter, Enrique Keil, Aljoscha Langel, Birte Leest, Hans-Werner Leupelt, Alina Rank, Frank Richartz, Uwe Rohbeck, Daniel Scholz, Christian Sprecher, Thomas Sprekelsen, Anke Stedingk, Uwe Steinbruch, Christina Weiser, Mitglieder der Seniorengruppe S-Klasse und Statisterie des Staatstheaters.

www.staatstheater-kassel.de

 

Kommentare  
Sommernachtstraum in Kassel: treffsichere Kritik!
Eine treffsichere Kritik! Die Plattheit der so genannten Übersetzung wurde nur noch durch die Plattheit der Inszenierung unterboten. Das traumhafte Stück Theater in traumhafter Szenerie wurde geopfert für ein paar billige Effekte und schlechte Witze. Ein großer Abend des Fremdschämens, einzig die Karlsaue ist schön, wie immer. Dafür braucht es aber kein Theater!
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