Für Geld geht alles

von Jan Oberländer

Berlin, 7. Juli 2007. Als die beiden Boulevard-Bühnen Komödie und Theater am Kurfürstendamm Ende 2006 von Schließung und Abriss bedroht waren, gab es aus der Öffentlichkeit, aber auch aus der Politik zahlreiche Solidaritätsbekundungen für die traditionsreichen Spielstätten. Im Hinblick auf den Einsatz des Regierenden Kultursenators Klaus Wowereit meint nun die Grünen-Abgeordnete und Vorsitzende des Kulturausschusses Alice Ströver im Gespräch mit nachtkritik.de: "Alles Krokodilstränen".

Denn durch Strövers mündliche Anfrage am 5. Juli im Berliner Abgeordnetenhaus wurde bekannt, dass der Berliner Senat alle Sonderrechte, die die Theaterbauten schützen sollten, bereits 1998 gegen Zahlungen von damals 8 Millionen Mark aufgehoben hat. (Siehe auch die entsprechende nachtkritik-Meldung.)

Das Parlament hat nichts erfahren
Die Vorgeschichte: Als das Land Berlin im Jahr 1990 das Ku’damm-Karree, den Gebäudekomplex, in den die zwei Theater eingebettet sind, für 30 Millionen Mark an eine Privatperson verkaufte, war ein Katalog von Vereinbarungen aufgestellt worden. Dessen zentrale Punkte, so Ströver, seien ein 20 Jahre lang geltendes "komplettes Rückkaufrecht" sowie eine ebenfalls auf 20 Jahre ausgelegte Existenzgarantie für die beiden Bühnen gewesen.

Diese Regelung habe allerdings nur bis 1998 Gültigkeit gehabt: "Als der neue Eigentümer die Immobilie weiter verkaufen wollte, ist er zum Land Berlin gegangen und hat gesagt: Diese Regelungen will ich nicht mehr im Vertrag stehen haben. Nehmt sie raus, und ich gebe euch dafür Geld.“

Das Land schlug ein. Vertraglich wurde vereinbart, dass 2 Millionen Mark sofort gezahlt würden; als der Privatinvestor die Immobilie im Jahr 2002 dann tatsächlich verkaufte, nämlich an die Deutsche-Bank-Tochter DB Real Estate, flossen noch einmal 6 Millionen Mark in die Landeskassen, "ohne dass wir als Parlament jemals etwas davon erfahren hätten", so Ströver.

"Es wundert einen überhaupt nichts mehr"
Die Ku'damm-Bühnen, die Mieter der theatergeschichtlich bedeutenden Häuser, waren ebenfalls nicht informiert. "Wenn so etwas herauskommt", sagt Theaterchef Martin Woelffer, "ist das natürlich schockierend. Andererseits erklärt es sehr viel. Es war doch immer ein bisschen verwunderlich, dass wir von den Politikern immer öffentlich unterstützt wurden, aber gleichzeitig faktisch kaum etwas passiert ist." Woelffer war bei der betreffenden Sitzung anwesend, Alice Ströver hatte ihm ihre Anfrage angekündigt. "Wenn der Vorgang so ist, wie er sich darstellt", so der Theaterdirektor, "ist er skandalös. Es wundert einen wirklich überhaupt nichts mehr."

Auch Alice Ströver hat sich lange Zeit über das Verhalten der Politik gegenüber den Ku’damm-Bühnen gewundert. Und irgendwann hat sie angefangen zu suchen. "Meine Ausgangsfrage war: Warum ist bei der Abrissgefahr der Denkmalschutz nicht wirksam geworden?" Die Denkmalbehörde stelle oft Gebäude wegen Nichtigkeiten unter Denkmalschutz, "aber diese Bühnen nicht." Ein dreiviertel Jahr lang habe sie recherchiert, sagt Ströver. Akten gewälzt im Bezirksamt, im Grundbuchamt, im Liegenschaftsfonds, in der Denkmalverwaltung und der Senatsverwaltung. Im Archiv der Finanzverwaltung stieß sie schließlich auf die Dokumentation des Schutzrechteverkaufs.

Wowereit bleibt dabei: Kein Schutz!
Für Ströver sind die Konsequenzen aus dem Fall klar: "Wenn der Senat jetzt nicht den Hintern hoch kriegt und etwas tut zur Sicherung der Häuser, dann weiß ich auch nicht. Wir müssen auf jeden Fall den Denkmalschutz sofort nach der Sommerpause im Parlament beschließen. Die Grünen werden den Antrag stellen, und wir hoffen, dass die rot-rote Koalition endlich mal die Traute hat und mitzieht."

Klaus Wowereit sagte indes im Berliner Tagesspiegel, die Häuser würden nicht unter Denkmalschutz gestellt: "Das haben wir schon hundert Mal diskutiert, auch im Parlament." Man wolle Schadenersatzforderungen des Immobilienbesitzers vermeiden.

Für die Ku’damm-Bühnen geht es "um Leben und Tod", wie Martin Woelffer sagt. Schließlich würden seine Häuser nicht subventioniert. Nach dem Hin und Her in der letzten Zeit werde es immer schwerer, die Leute in die Theater zu bekommen. "Es ist ja nicht so, dass alle sagen: Komm, da gehen wir schnell Karten kaufen, die Armen werden von den Großkonzernen verschaukelt."

Notfalls Theaterbesetzung
Ende 2006 hatte die DB Real Estate das Ku’damm-Karree an den Private-Equity-Fonds Fortress verkauft. Jetzt steht wieder ein Besitzerwechsel an, ein Bieterverfahren läuft. Mit dem Käufer entscheide sich die Zukunft der beiden Boulevard-Bühnen, so Woelffer: "Entweder will er umbauen, oder er will die Theater halten."

Eines stehe aber jetzt schon fest: "Wir werden nicht ohne weiteres rausgehen, auch wenn der Mietvertrag ausläuft." Eine Theaterbesetzung? "Sozusagen. Ich denke, dass da auch einige Prominente mitmachen würden. Aber das ist natürlich der worst case. Da kommt’s vielleicht gar nicht hin."

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