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Höhepunkte der Saison 08/09: Münchner Kammerspiele, Gosch, Jelinek, Minichmayr
Das Erscheinungsbild des deutschen Theaters
Berlin, 28. August 2009. Wie dem heute erscheinenden Jahrbuch von Theater heute zu entnehmen ist, wurden die Münchner Kammerspiele bei der jährlichen Kritikerumfrage mit 16 der 41 Kritikerstimmen zum Theater des Jahres gewählt. Mit 5 Stimmen folgt auf Platz zwei in dieser Kategorie Matthias Lilienthals Berliner HAU.
Weiter gibt Theater heute auf seiner Website bekannt:
"Fast so einig wie im Fall der Kammerspiele waren sich die Kritiker beim Bühnenbild des Jahres, das, belohnt mit 15 Stimmen, Andreas Kriegenburg als rotierendes, gekipptes Auge für seine eigene Inszenierung von Kafkas Prozess an eben jenem Münchner Siegerhaus entwarf. Zweiter wurde mit fünf Voten Martin Zehetgruber mit seinen bühnenfüllenden Baumästen für Martin Kusejs Inszenierung des Schönherrschen Weibsteufels an der Wiener Burg.
Ebenfalls 15 Kritiker riss als Nachwuchsschauspielerin des Jahres Kathleen Morgeneyer mit ihrer "sperrig entrückten" Nina hin, ein Spiel, ermöglicht vom verstorbenen Jürgen Gosch, der mit der Möwe am Deutschen Theater zum vierten Mal seit 2004 mit 13 Stimmen die Inszenierung des Jahres geschaffen hat. Vier Kritiker gaben ihre Stimme Christoph Schlingensief für die Ruhr-Triennale-Inszenierung Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir, zwei weitere für die ReadyMadeOper Mea Culpa an der Wiener Burg.
Das deutschsprachige Stück des Jahres schrieb zum vierten Mal seit 1994 Elfriede Jelinek mit Rechnitz (Der Würgeengel), der wortmächtigen Erinnerung an ein NS-Massaker an 180 Juden (13 Voten), ergänzt um drei weitere Voten für ihr Finanzkrisen-Stück Die Kontrakte des Kaufmanns. Christoph Schlingensiefs Fluxus-"Kirche der Angst" galt fünf Kritikern als bemerkenswertestes deutsches Stück. Ausländisches Stück des Jahres ist Dennis Kellys Polit-Farce "Taking care of baby" (Kindersorgen), das sechs Kritiker zum Sieger kürten (plus eine Stimme für Kellys Geld und Liebe. Auf Rang 2 mit vier Stimmen Tracy Letts' Osage County/Eine Familie, je drei Kritiker konnten Simon Stephens' Harper Regan und Yael Ronens Dritte Generation für sich einnehmen.
Ein eindeutiger Fall ist 2009 die Schauspielerin des Jahres: Elf Stimmen brachte "Weibsteufel" Birgit Minichmayr hinter sich, mit je drei Voten folgen Corinna Harfouchs Arkadina in Goschs DT-"Möwe" und Sophie Rois in René Polleschs Wiener Fantasma. Nicht ganz so eindeutig die Voten bei den Herren: Mit fünf Stimmen tänzelte Alexander Scheer als Kean in Frank Castorfs gleichnamiger Volksbühnen-Boulevardeske nach Alexandre Dumas nur knapp an Joachim Meyerhoff vorbei, dem vier Kritiker begeistert bei der Lesung seiner biografischen Erinnerungen Alle Toten fliegen hoch an der Wiener Burg lauschten, wenn sie ihn nicht als Schlingensief-Alter-Ego in "Mea Culpa" bestaunten.
Bleibt noch das Ärgernis. Auch das fiel dieses Jahr bemerkenswert eindeutig aus: Ein knappes Viertel der Stimmberechtigten, nämlich 10, versammelten sich in der Erregung über das populistische Fernsehformat, das sich 3sat zur Verleihung seines mit 10.000 Euro dotierten Preises beim Berliner Theatertreffen hat einfallen lassen: Vier Juroren streiten sich öffentlich im Preiskampf, den Dieter-Bohlen-Macho gab erfolgreich Claus Peymann. Gegen den alten Provokateur hatte der neue keine Chance: Abgeschlagen landete Volker Lösch, der Volkes Stimme einen wütenden Marat-Chor gab, mit 5 Nennungen auf dem zweiten Platz."
(Theater heute /sik)
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Alles andere kommt relativ unüberraschend.
ein trinkspruch aus der theaterszene, den ich immer wieder angebracht finde...
und schlingi der schlingel hat ja auch wieder mal abgeräumt und gepunktet mit seiner oper und der kirche der angst.
da könnte auch ein trinkspruch draus werden:
schlingi schlingi sief sief sief!
und Respekt und Sympathie allen, die unerwähnt oder unberücksichtigt blieben.
Letzteres ist die größere Herausforderung! und für mich daher der interessantere Menschenschlag.
Bravo auch an meine(n) VorrednerIn, der oder die sich endlich von einem nutzlosen Ballast befreit hat!
Und selbst wenn man etwas anderes besser findet, so what? Dann soll man doch selber Kritiker werden, wenn mans immer besser weiß. Hallo? Es handelt sich um eine "Kritikerumfrage" nicht um den Nobelpreis.
Aber schön, dass Theater noch so aufregen kann!
diejenigen, die das plastikgoldenen jahreskrönchen aufgesetzt bekkamen, kratzt das sowieso nich tmehr, da sie ja schon zehn andere in der vitrine stehen haben...das alles dient doch nur zur auflagenstärke eines immer mehr zur hochglanzbuntengalatheatervermarktungswerbeblättchen, das ich mittlerweile enttäuscht nicht mal mehr auf dem klo lesen möchte...alles beste, natürlich noch denen, die sich über ihren siegerkranz freuen werden. ich gönn es euch ja. wirklich. falls..ihr euch freut...dessen bin ich mir eben nicht mal so sicher...
'diejenigen, die das plastikgoldene jahreskrönchen aufgesetzt bekamen, kratzt das sowieso nicht mehr, da sie ja schon zehn andere in der vitrine stehen haben´
ich könnte auch ganz vulgär sagen ´der teufel scheißt auf den größten haufen´ aber darf solche fäkalsprache in diesem gehobenen forum zur sprache kommen?
joe
"Beklage dich nicht, / wenn du im Leben zu kurz kommst. / Dafür geht es anderen ja besser." (Robert Gernhardt)
Merke: Wenn du wirklich gehört werden willst, brauchst du vor allem erstmal einen Sinn für Humor und Selbstironie.
dass ich da nicht selber drauf gekommen bin.
da muss so eine heldenhafte xanthippe mir erstmal richtig humor und selbstironie verklickern.
oder dieser robert, der kann mich mal gernhaben.
ich schlage jeanne für die nominierung zur lachsalve des jahres vor.
joe
Wieso sollten denn die Leute von der Welt - eine der wenigen Zeitungen, die sich noch reisende Kritiker leistet - nur sehen, was auf dem Theatertreffen eingeladen war? Der eine hat u. a. die Mannheimer Theresia Walser genannt, die nie in Berlin gezeigt wurde. Viel problematischer wären in diesem Sinne doch Lokalkritiker aus der Schweiz, Österreich oder Süddeutschland, die es oft nicht mal zum Theatertreffen schaffen und ganz gewiss niemals in den deutschen Osten gelangen. Aber die sind ja gerade dazu da, den Berliner Blick zu korrigieren - was sie auch tun. Dass Stadelmaier nicht dabei ist, ist seine eigene Entscheidung, keine Zensur von Theater heute. Ansonsten gilt: Fast jeder, der hier als fehlend genannt wurde, taucht in der Liste auf, aber er hat eben keine 15 Stimmen auf sich vereinigen können wie die meisten Sieger. Ich kann tatsächlich viele Theater miteinander vergleichen und muss sagen: Die Kammerspiele waren in diesem Jahr mit ihrer Qualitätsdichte mal wieder einfach unvermeidlich. Sollte man denn aus Mitleid oder Originalitätssucht die Besten ignorieren? So richtig doof und knapp war's dieses Jahr doch eh nur beim Schauspieler des Jahres. Und die von einigen vermisste "Wunschkonzert"-Inszenierung wurde ja beim Theatertreffen gezeigt - aber da waren alle ziemlich angeödet. Genau wie letztes Jahr von Signa.
ach ja,der schutzgott der schauspieler heisst hysterion.
und ihrer aller gemeinsame schwiegermutter hybris.
hihihi
erstens mal heißt die Frau aus dem Wunschkonzert Wieninger - mit ie - weißt du. Dann weiß ich nicht, warum man eine Schauspielerin dafür ehren soll, dass sie einmal von der Regie zurück gedrängt wird, einmal nicht plump entfesselt daherpoltert, wie es sonst ihr Brauch ist. Ich habe Julia Wieninger hier in Köln mehrfach spielen sehen, mehrfach vorführen sehen, wie ihr der Körper irgendwie im Weg ist, wie die Sprache sie irgendwie überfordert, wie ihr die Mittel fehlen, sich in einer Inszenierung, in einer Interpretation zurechtzufinden. Im Faust, in Iphigenie und besonders als Célimène in Karin Henkels Menschenfeind, in dem sie in ein viel zu enges Glitzerkleidchen gepresst über die Bühne stakste.
Und auch wenn meine Sympathien für Frau Minichmayr nicht so dolle sind: nie und nimmer hat Julia Wieninger in einer Diskussion um die beste Schauspielerin der vergangenen Spielzeit irgendwas verloren.
bin nicht so der tippheld, ei und ie ist leicht zu verwchseln...trotzdem wußten alle, wen ich meine, oder??
Der deutsche Geisteskleingärtner wird nicht aussterben, er steht blind und taub Posten. Gründet eine Partei, das wirft dann auch noch gut was ab. PS, wir werden immer von Euch hören, das weiss ich, aber ernst nehmen kann ich Dich einfach nicht.