Nathan der Weise - Nicolas Stemann verschneidet Lessing mit Elfriede Jelinek zum Hörspiel
Die Stehpulte des Stemanns
von Katrin Ullmann
Hamburg, 3. Oktober 2009. Groß und Gelb wie der Mond ist er. Gleitet langsam vom Schnürboden hinab und verharrt mittig und zentral: Der Lautsprecher, das ist schnell klar, spielt die Hauptrolle an diesem Abend. Gegeben wird Lessings "Nathan der Weise" – am Hamburgischen Thalia Theater. Den Grund dafür gibt Intendant Joachim Lux: Er will Gotthold Ephraim Lessing, seine Stücke, seine "Hamburgische Dramaturgie" – kurz: seinen Einfluss – stärker ins Bewusstsein heben. Denn: "Lessing ist der Aufreger, der Stachel (nicht nur) in unserer Stadt."
Doch von stacheliger Aufregung fehlt an diesem Abend jede Spur. Nicolas Stemann hat sich für die Regie von "Nathan der Weise" gemeldet – bereits nach den ersten Minuten allerdings fragt man sich, warum.
Das Toleranzdiskutierstück im Synchronstudio
Vor einer dunklen, weitgehend leeren Fläche, auf der Bühnenbildnerin Katrin Nottrodt nicht mehr als ein Klavier, ein Mischpult, Mikrofone und weiße Kerzen duldet, hängt ein altmodischer Lautsprecher, der die ersten Szenen des Dramas wiedergibt. Später kommen die Darsteller hinzu, zumindest deren Stimmen. Das heißt: Die Schauspieler befinden sich im schummrigen Bühnenhintergrund und lesen an Stehpulten aus ihren Textbüchern. Sicherlich tun sie dies mit einer gewissen Professionalität, aber sie tun dies fast den ganzen Abend lang.
Was zunächst als charmante 50er-Jahre-Tonstudioästhetik durchgehen und den Zuschauer zu einem nachsichtigen "Da hat jemand Lessings Toleranzdiskutierstück ganz trocken und direkt auf den Punkt gebracht" hinreißen mag, setzt sich im Laufe des Abends als recht ideendünner und fürchterlich statischer Abend unerbittlich fort. Fast die gesamten zweieinhalb Stunden lang klebt Stemann seine Schauspieler an ihre Stehpulte und lässt sie Text lesen. Das ist weder cool noch schick.
Denn diese – stark nach Probebühne riechende – Grundsituation ist so statisch, dass die Atmosphäre in einem Synchronsprecherstudio einer Kriegenburg'schen Inszenierungsüberdosis gleichen muss. Ja, liest man später im Programmheft, Stemann möchte Lessings Text vor allem "hörbar machen" und ihn "zum Klingen bringen." Das Stück soll erst einmal "von sich selbst erzählen können" ohne Inhalt, Interpretation oder Aktualisierung.
Goldbarrenballett und Mikrophonsex
Doch in dieser, nennen wir es wohlwollend: radikalen Reduktion wird Lessings Stück um Toleranz und Menschlichkeit, dieses handlungsarme, aber umso thesenlastigere Debattierstück zum überaus inhaltsleeren Hörstück im Halbdunkel. Dass die Lesepulte im Laufe des Abends in Richtung Bühnenrampe gerückt werden, dass Videos eingespielt und ein harmloses Goldbarrenballett gegeben wird, dass Maja Schöne – vorübergehend in der Rolle der Recha – eigentlich ihren Retter, den Tempelherrn, aber tatsächlich ihr Mikrofon fiebrig anseufzt und ansext, und Sebastian Rudolph als Nathan die Ringparabel überzeugend zögerlich erzählt, hilft leider wenig.
Stattdessen wird man den ganzen Abend lang das Gefühl nicht los, dass den Schauspielern der Text mehr aus Versehen passiert. Auch die Sprachbrocken, die aus Elfriede Jelineks Sekundärdrama Abraumhalde offenbar unbedingt mit einfließen mussten, verweisen eher plump auf eine scheinbar zeitgemäße Sinn- und Gottsuche, auf gelebte Intoleranz, islamistische Paradiesvorstellungen und grob geratene Schmerzensmadonnen, als dass sie dem Lessing'schen Drama eine weitere Dimension verliehen.
Im Ergebnis hat Nicolas Stemann – Aus Protest? Aus Mangel an Ideen? Aus tiefer Liebe zur Lessing'schen Sprache? Aus innerer Not? – ein "Nathan"-Hörspiel auf die Bühne gebracht. Ein schrecklich langatmiges noch dazu. Eine Kritik desselben sei gerne den Kollegen aus der Hörspielredaktion anvertraut.
Nathan der Weise
von Gotthold Ephraim Lessing
mit dem Sekundärdrama "Abraumhalde" von Elfriede Jelinek
Regie: Nicolas Stemann, Bühne: Katrin Nottrodt, Kostüm: Marysol del Castillo, Musik: Thomas Kürstner, Sebastian Vogel, Video: Claudia Lehmann, Licht: Paulus Vogt. Mit: Christoph Bantzer, Philipp Hochmair, Felix Knopp, Katharina Matz, Sebastian Rudolph, Birte Shnölnk, Maja Schöne, Patrycia Ziolkowska.
www.thalia-theater.de
Mehr lesen über Nicolas Stemann? Am Schauspiel Köln kam im April 2009 seine Uraufführung von Elfriede Jelineks Wirtschaftskomödie Die Kontrakte des Kaufmanns heraus, die jetzt vom Thalia Theater übernommen wurde. Mit Schillers Räubern befasste sich Stemann 2008 auf den Salzburger Festspielen. Friedrich Schiller lieferte auch die Basis für Elfriede Jelineks RAF-Stück Ulrike Maria Stuart, das 2007 zum Theatertreffen eingeladen war.
Kritikenrundschau
In seiner "Nathan"-Inszenierung konfrontiere Nicolas Stemann Lessings dramatisches Gedicht "mit geldgierigen Kriegstreibern im Namen ihres Gottes: eine höhnische Satire auf das Scheitern der Utopie von der Menschlichkeit", so Klaus Witzeling im Hamburger Abendblatt (5.10.). Stemann lasse Jelineks "Abraumhalde" und Lessings Text stark gekürzt in einer "Collage aus Stimmenkonzert, Performance, Kaspertheater und Live-Video aufeinanderknallen". Das Theater sei ihm dabei Mittel, zu zeigen, "wie die Dinge laufen, und nicht, wie sein sollten. Schon deshalb ist Stemann das Illusionstheater in Kostüm und Maske ein Gräuel. Es taugt ihm bestenfalls als ironisches Zitat". So nehme er sich zunächst das Lessing-Stück "als 'Lesestoff' wie für ein Hörspiel vor". Er markiere einen "Krieg um das Gold – den eigentlichen Gott". Die Schauspieler probierten "Figuren-Haltungen" aus, stellten den Text infrage und wechselten die Rollen. Der Regisseur und seine Spieler "klittern nicht die Kluft zwischen Lessings Wunschthematik und unserer Wirklichkeit", sondern verschärften die Widersprüche noch.
Auch Heiko Kammerhoff von der Hamburger Morgenpost (5.10.) sieht "die hehre Lessingsche Botschaft der Toleranz zwischen Christentum, Judentum und Islam (...) hart auf den Prüfstein gestellt: Ist sie denn – siehe Nahost – von der Wirklichkeit nicht schon längst abgemurkst worden?" Jelinek bringe in ihrem Kommentar eine "zweifelnde, desillusionierte Stimme wie ein Störfeuer" ein. "Miteinander verwoben ergeben die beiden Ebenen eine clevere, wenngleich etwas statische und kopflastige Inszenierung, die ihre Grundlage – den 'Nathan' – selbst hinterfragt." Stemanns Theater sei, "wenn's auch nicht jedem schmeckt", "Theater total – experimentell und facettenreich".
In der Süddeutschen Zeitung (6.10.) charakterisiert Christine Dössel Jelineks "Abraumhalde" als "zynischen, die Versöhnungsutopie des Stückes zornig aushebelnden Kommentar". Dem "märchenhaften Harmonieschluss des 'Nathan'" setze Jelinek "einen assoziativen Sprachspuk aus dem Menschheitsfamiliengrab entgegen". Jelinek hätte sich gewünscht, ihren Text als Hintergrund einer Aktionskunst der Art Paul McCarthys inszeniert zu sehen. Diesem Wunsch komme Stemann erst am Ende des Abends entgegen, wenn "die Schauspieler auf einer Riesen-Thorarolle Jelineks Textfetzenmittels Live-Video und Pappmasken als ekstatisches Glaubenskampf-Tohuwabohu in der 'Nathan'-Stück einbrechen lassen." Bis dahin "horcht" er den Lessingschen Text auf offener Bühne bloß aus, indem er ihn hörspielartig sprechen lasse. Das sei "ein bisschen spröde", aber vielleicht könne man "Lessings vernunftsoptimistisches Verbrüderungsmärchen mit dem Wissen des 21. Jahrhunderts" wirklich nicht mehr "'spielen'". In jedem Fall leuchte er in dieser Sprech-Fassung "sämtliche Widersprüche" des Textes glasklar aus.
Für Ulrich Weinzierl in der Welt (6.10.) "gerieten die pausenlosen 120 Minuten hinreißend". Nicolas Stemann "gab dem Abend Struktur, Melodie und Rhythmus". "Ungemein differenziert" hätten die Schauspieler "an Stehpulten ihre Rollensätze ins Mikrofon" gesprochen, auf Holzhammer-Zeichen wie den "üblichen Nazi-Judenstern" sei verzichtet, und Jelineks Text, der "auf den Optimismus des späten 18. Jahrhunderts mit Radikalpessimismus" aus dem 21. Jahrhundert antworte, genau in den Kontext eingepasst worden. Gerade diejenigen, die Jelinek sprächen, "schlüpften" in historische Kostüme. Dazu die "Riesenköpfe aus Papiermaschee". "Ist das nicht alles plump und peinlich? Im Gegenteil: Der Hexensabbat, der die Realität des Terrors auf die uneingelösten Hoffnungen der Vergangenheit hetzt, wirkt beklemmend und beschwingt zugleich."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (6.10.) hat Irene Bazinger nach Hamburg geschickt. Diese fand, dass Nicolas Stemann, der gern als "intellektuell-politischer" Regisseur auftrete, von seiner Aufgabe, im Bewusstsein der fortgesetzt "unfriedlichen Koexistenz der unterschiedlichen Konfessionen" von Lessings Utopie zu erzählen, "überrascht bis überfordert" gewirkt habe. Weit davon, das Stück "erst einmal sich selber erzählen" zu lassen, wie er behauptet hatte, teile er "vor allem mit, wie er selbst 'Nathan den Weisen' mit bemüht bedeutsamen Gesten nicht erzählt". Als "routinierter Jelinek-Uraufführer" werfe er dabei "wieder seinen eitlen Assoziationsgenerator" an und lasse mit Masken und Maschinenpistolen herumfuchteln. Ansonsten werde nicht gespielt, sondern zwischen schwarzen Wänden immerzu nur gesprochen oder posiert – "belanglos, uninteressant und ziellos". Das Ensemble zeige "seinen fatalen Abstand zu einem Werk, an das es nicht herankommt, und die traurige Ratlosigkeit einer Inszenierung, die bereits an dessen verbaler Oberfläche scheitert – von den Tiefenschichten ganz zu schweigen".
Ein bisschen gerettet hat Stemann den Start von Lux, schreibt Anke Dürr in der Frankfurter Rundschau (8.10.). Denn der Regisseur bescherte dem Thalia zwei Erfolge an einem Wochenende, erst "Die Kontrakte des Kaufmanns" aus Köln, am Tag darauf den "Nathan", "gepimpt mit einem Einschub von - eben Jelinek." Es beginne denkbar schlicht. Unter der Decke leuchten ein paar flauschige Engelsflügel, "ansonsten ist die leere Bühne dominiert von einem hängenden Lautsprecher." Lange bleiben die Schauspieler hinter den Mikros, "es geht um Inhalte, die Basis der Verständigung: Hört doch erstmal zu." Kaum hat Sebastian Rudolph angesetzt, um die berühmte Ringparabel vorzutragen, bricht die zweite Ebene ins Drama ein. "Eine zweite Recha und eine zweite Daja in historisierenden Kostümen treten auf und unterbrechen die Rede mit Jelineks 'Abraumhalde'. Es geht u.a. um die vielen Jungfrauen, die den Dschihad-Kämpfern versprochen werden." Und "bald gewinnt das Irrationale auch auf der Bildebene: Jelineks Text wird zur Hintergrundmusik."
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Wir haben den Verdacht, dass sie nach der Hälfte einfach gegangen ist und den ganzen Schluss überhaupt nicht mitbekommen hat. Sollte sie da noch im Raum gewesen sein: um so schlimmer! Wie kann ein Kritiker so was unterschlagen?
Die reduzierte Hörspiel-Setzung wird nämlich irgendwann abgelöst von einem wilden messe-artigen Happening mit Jelinek-Texten, um dann wieder ins Stück zurückzukippen. Es gibt offensichtlich zwei verschiedene Figuren-Ebenen (Sprecher in modernen Kostümen und klassische "Nathan"-Figuren). Letztere stören zu Beginn das Hörspiel mit zutiefst verunsichernden Jelinek-Texten, um am Schluss wieder den Bogen zum "Nathan" schließen. Dazwischen ertönt die Ringparabel aus einem KZ-Lautsprecher, während die klassischen Figuren wie Untote in einem Flammenmeer verbrennen. Die klassische Recha wendet sich schließlich verzweifelt an die Zuschauer und erzählt davon, dass es keine Wahrheit gibt, da der Mensch immer der falsche ist. oder Nathan stirbt schließlich, während er vom Tod seiner Familie erzählt und von seiner Angst, Recha zu verlieren - eine Überforderung des Anspruchs auf Vergebung und Güte? Und die Hörspiel-Schauspieler erzählen zum Bild des sterbenden Nathan das Happy-End des Stückes zu Ende. Was all dies im Einzelnen zu bedeuten hat, haben wir auch noch nicht bis ins Letzte durchdrungen - aber es war in seiner Theatralität höchst beeindruckend und zutiefst verstörend. Es ist vollkommen unverständlich und eigentlich eine Unverschämtheit von all dem in der Kritik von Frau Ullmann überhaupt nichts zu lesen!
(…)
Dr. A. + H. Rüdiger, Kiel
(Klarstellung der Redaktion: Katrin Ullmann hat natürlich nicht den halben, sondern den ganzen Abend rezensiert.)
Geht in die Theater rein!
Alles was an diesem Abend grausam verstörend wirkt, ist die Art tolle Schauspieler so feindlich zu behandeln...
Dass Ullmann diesem "Nathan" nichts abgewinnen konnte, darf ihr zugestanden sein. Ich selbst schätze Stemanns Ästhetik sehr. Aber - wie heißt es - er "polarisiert". Und das ist auch gut so.
Deswegen muß man aber weder auf der Kritikerin herumhacken noch sie verteidigen. Sie fand, was sie fand und es wäre nicht der erste Justizirrtum in der Geschichte. Hamburg jedenfalls ist mehrheitlich begeistert. Schön, aber auch kein Beweis für oder gegen irgendetwas.
Wichtiger ist die Sache selbst: seit mindestens 20 Jahren sagen alle, daß dieser Text tot ist und nicht mehr geht und jetzt zeigt einer, daß das Unsinn ist, daß er sogar sexy ist. Gewissermaßen ein Urahn der Hybridkultur von heute. Was will man mehr?
übrigens ist es eine legende, dass das erste bild bei schleef eine halbe stunde stand. es war bei der premiere etwa 10 minuten lang, beim theatertreffen wurde es auf etwa 20 minuten ausgedehnt. die kritiker neigten schon damals zur übertreibung, mich wundert es, dass niemand schrieb, das erste bild habe einen tag lang gedauert.
"Das Theater ist gegenwärtig ein psychopathisches Unternehmen, das maßgeblich von Illiteraten bestimmt wird, die überhaupt gar nichts lesen, nicht einmal das Stück, das sie gerade inszenieren." Botho Strauss (2000)
Keinem Stück müsste ein solcher Ansatz so gut zu Gesicht stehen wie Lessings Nathan, dieser Utopie einer besseren Welt, eines Miteinanders der Religionen, der heute fast noch mehr als damals von nicht wenigen jeglicher Realitätsbezug abgesprochen wird. Als naiv empfinden wir die simpel anmutende "Versöhnungsideologie" (Stemann), das so leichte Wegwischen mörderischeren Streits, die so einfache Überbrückung tausendfach todbringender Konflikte. Wer heute Nathan auf die Bühne bringt, hat Jahrhunderte blutiger Geschichte gegen sich, als Beweismittel gegen ein Stück, das schon lange auf der Anklagebank pragmatischer Vernunft sitzt.
Stemann verhehlt seine Abneigung nicht - gegen die einfache, alle wirklichen Konflikte ausblendende Versöhnungsbotschaft, die naive Annahme, die Vorführung der Versöhnung könne den Menschen zur Umkehr und Einsicht verleiten. Eine denkbar schlechte Voraussetzung für eine Inszenierung, die Lessings Stoff nicht nur hinterfragt, sondern auch ernst nimmt.
Und doch tut Stemann genau das. Er wolle, so sagt er im Programmheft, den Text zum Klingen bringen, die Geschichte sich selbt erzählen lassen. Und so wird zunächste ein Lautsprecher auf die leere Bühne heruntergelassen, durch den wir den Text hören, wie Lessing ihn geschrieben hat. Und siehe an, er beginnt zu leben, tastend, suchend, noch unsicher vorgetragen von den unsichtbaren Schauspielern. Ohne visuelle Unterstützung fängt der Text tatsächlich an zu klingen, sucht eine Melodie zwischen Zweifel und Affirmation, Ablehnung und Zuversicht. Der suchende Zuschauer und die tastenden Sprecher beschreiten gemeinsam einen Weg, auf den der Text sie führt und von dem keiner weiß, ob er tragen wird.
Irgendwann hebt sich ein Vorhang und die Darsteller werden sichtbar, zunächst halb versteckt von den Mikrofonen. Und je sicherer sie werden, je heimischer sie werden im Text, desto mehr trauen sie sich hervor, bis Nathan, unsicher noch, am Bühnenrand steht, um die Ringparabel vorzutragen. Hier jedoch bricht der Emanzipationsfluss des Textes, Nathan rezitiert den Text als sei es der eines anderen, er spricht eine Rolle, mit wachsender Skepsis ihrer Wahrheit gegenüber.
Und plötzlich steht da ein zweiter Nathan, in historischem Kostüm, später auch eine zweite Daja, eine zweite Recha, wie Verkörperungen des wachsenden Zweifels. Und wenn sie sprechen, spricht aus ihnen die Skepsis an der Wahrheit dieser zentralen Rede des Stückes und diese Skepsis hat die Worte Elfriede Jelineks, deren "Sekundärdrama" Abraumhalde, den dunklen Raum öffnen will, den Lessing zugeschüttet hat, und dem Stück, wie Stemann sagt, den Hass zurückgeben soll. Und so zerfällt die Ringparabel zur Frage, zur immer schwächer werdenden These, attackiert von Gegenthesen, bohrendere Fragen, ein Spiel von Aussgae und und Kreuzverhör. Ein zweites Mal wird sie versucht, als fernes Echo, eher um Gehör flehend als Anerkennung fordernd.
Und so beginnt ein zweites Stück, in dem Jelinek die Oberhand gewinnt. Da werden die Gegenpositionen durchgespielt als grotesker Maskenball, da wird verkleidet und mirt Requisiten gespielt, Video- und Standbilder aufgenommen und projiziert, ein Suchen auch dies, ein wilderes anarchischeres diesmal, nicht nach einer harmonischen Ordnung, sondern nach den Stellen, an denen diese fragiele Ordnung bricht und das Chaos hervortritt. Wo Lessing affirmiert, negiert Jelinek - und Stemann findet Rhythmus, Bilder und Klang für beide. Der ruhige Fluß, das geordnete Hineintasten in den Text steht dem wilden, ungeordneten, ausufernden Sprachgebäude Jelineks gegenüber.
Es gehört zu Stemanns Verdiensten, dass er den Zweifel, die Ablehnung ga, die Widerlegung zulässt, Lessings Text aber nicht über den Haufen wirft. So bricht sich Nathan zum Ende wieder Bahn, wenn auch nicht so wie bei Lessing. Während im Hintergrund die allzu simple Auflösung der Familienverhältnisse heruntergerasselt wird, liegt vorn der historische Nathan regungslos auf der Bühne, umringt von Daja und Recha, eine Dreifaltigkeit, welche die Schlussszene ebenso hinter sich lässt wie die blosse Negativität des Jeninek-Textes.
Dieser Nathan ist kein naiver Versöhner, sondern ein zweifelnder, vielleicht auch ein gebrochener Mann, der Hoffnung und Hoffnungslosikeit zu gleichen Teilen ist, kein strahlender Sieger, ein Verlorender vielleicht, aber einer, der seine Würde bewahrt. Die Botschaft des Nathan ist nicht gescheitert, sie ist durch die Konfrontation mit ihrem Gegenstück, vielfältiger geworden, fragiler auf den ersten Blick, vielleicht aber auch stärker am Ende. Nathan liegt am Boden und steht doch aufrechter, als er es in Lessings Text vermochte.
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In diesem Sinne habe ich das Ende der Inszenierung auch nicht so eindeutig und zudem ganz anders gelesen als Sie. Die einen vereindeutigenden Sinnzusammenhang und in historischen Kostümen repräsentierenden Theaterfiguren Nathan, Recha und Daja liegen am Boden. Ja. Aber heisst das jetzt wirklich, dass die am Boden liegende "Dreifaltigkeit" (Ihre Begriffswahl) gesiegt hätte? Ich würde das bezweifeln wollen. In meiner Perspektive spricht am Ende allein der projizierte Lessing-Text, und zwar in der Differenz zu den realen Schauspielerkörpern im Hier und Jetzt bzw. zu dem, was uns in der aktuellen aussertheatralen Realität im Kontext der politischen Instrumentalisierung von Religion umgibt. Die Schrift kündet möglicherweise von der Versöhnung, sie generiert in der Anschauung bzw. in der Imagination des Zuschauers einen Möglichkeitsraum der Versöhnung. Aber die Versöhnung kann nicht als Ist- bzw. Sollzustand auf dem Theater repräsentiert werden. Das wäre die reine und meines Erachtens gerade dadurch gefährliche Illusion und Verblendung.
Insofern und solange sich Religionen, und auch die zukünftige Heilserwartung revolutionärer Ideologien gehört dazu, zum Herrn und Herrscher über das gegenwärtige und konkrete Leben von Menschen aufschwingen, sind sie bereits pervertiert. Das zeigt das groteske "Zwischenspiel" von Jelineks "Abraumhalde" auf eine sehr drastische Art und Weise. Hier verwandelt sich das, was vormals noch als "reine Idee" vorhanden war, plötzlich in eine dreckige, obszöne und ver-rückte Realität, welche von der ursprünglichen Idee nur wenig übrig lässt.
Statt Lessings allseitiger Umarmungen, könnte für mich daher auch ein (auf einer Postkarte entdecktes und ungefähr folgendermaßen lautendes) Jelinek-Zitat stehen: "Nein, verherrlichen tun wir das Göttliche nicht, aber wir wollen es uns wenigstens einmal anschauen." Wobei die Anschauung im Rahmen der Vorstellungskraft verbleiben sollte. Sobald sie ver-herr-licht wird, ist sie bereits zur wirklichkeitszersetzenden Ideologie pervertiert.
Es kommt drauf an, zu hören, was ein Text uns heute noch zu sagen hat. Und es kommt drauf an, aufzustehen (Wider-Stand) und trotz des radikalen Zweifels an die Möglichkeit einer Versöhnung zwischen unterschiedlichen Menschen, welche nicht allein auf ihren Glauben reduziert werden können, zu glauben.
Ja, wenn es gelingt, hat Stemanns Theater eine anregende und inspirierende, auch irritierende, Offenheit, die nicht durch inhaltliche Leere erkauft ist.
Zu meiner Auffassung des Endes. ich sehe Nathan nicht als siegreich im herkömmlichen Sinne, seine Versöhnungsmission, die nie seine war, sondern von Lessing vorgegeben, aufgestülpt, ist gescheitert. Aber er hat seine Würde wiedergefunden, und diese Würde gewinnt auch die wahre Botschaft dieses Nathans. Er ist ein Versöhner aber kein Ausblender, einer, der den schweren steinigen Weg geht. Seine Würde liegt gerade in der Verweigerung einer zu simplen Versöhnung. Und ja, er liegt am Ende reglos am Boden, Recha und Daja an seiner Seite jedoch nicht. Für mich spricht aus dem Schlussbild Akzeptanz der Wirklichkeit ohne Aufgabe der Hoffnung auf Besserung.
Ich kann am Ende von Stemanns Inszenierung nach wie vor nichts davon sehen, dass Nathan seine Würde wiedergefunden hätte (warum eigentlich wiedergefunden?) oder einen - wie Sie schreiben - "schweren steinigen Weg geht". Wie kann man denn einen Weg gehen, wenn man am Boden liegt? Wie kann man anders am Boden liegen als reglos? Und dass Recha und Daja da irgendwie noch rumzappeln, davon habe ich auch nichts gesehen.
Zudem ist Nathan natürlich eine von Lessing erfundene Figur und keine reale bzw. historische. Warum also schreiben Sie, dass Lessings Versöhnungsmission eine übergestülpte sei? Natürlich ist diese Moral übergestülpt. Dem Leben übergestülpt. Das ist es ja gerade! Lessing schreibt im Sinne einer "bürgerlichen Mitleids- und Versöhnungsideologie" (Stemann). Das heisst, wir sollen im Theaterraum eine bessere Welt vorfinden, als ausserhalb des Theaterraums. Und das ist verlogen. Denn auch ausserhalb des Theaterraums scheitert der Dialog zwischen den Kulturen und Religionen leider nur allzu oft. Es gibt den unversöhnlichen Hass. Und es gibt die Pervertierung religiöser Toleranz:
Beispielsweise schreibt Slavoj Zizek zum Thema der Pädophilie in der katholischen Kirche vom
"Opus Dei, die 'weiße Mafia' der Kirche, eine (halb) geheime Organisation, die gewissermaßen das reine Gesetz jenseits geltender Rechtsordnungen verkörpert. Dessen oberste Regel ist der unbedingte Gehorsam gegenüber dem Papst und die rücksichtslose Entschlossenheit, der Kirche zu dienen, mit welchen Mitteln auch immer. [...] Der eigentliche Kern der 'Passion des Realen' ist diese Identifikation - diese heroische Gebärde der unumschränkten Annahme - mit der dreckigen, obszönen Unterseite der Macht; die heroische Haltung, die sich sagt: 'Irgendwer muss die Drecksarbeit machen, also machen wir's'[...]."
Jan Kott verweist in seinem Buch "Gott - Essen" ebenfalls auf die in Jelineks "Abraumhalde" aufgezeigte tragische Kehrseite der Verzückung am Absoluten und der vermeintlichen Auflösung aller Grenzen:
"Die Verzückung am Absoluten ist eine gefährliche Erfahrung. [...] für die Steigerung aller Sinne zahlt man mit dem Verlust der Selbstkontrolle. [...] Die Auflösung im Kosmos kommt der wahnsinnigen Verherrlichung des eigenen Ich häufig verblüffend nahe. Dionysos verspricht Erlösung von der Entfremdung und Befreiung von allen Fesseln, doch die wahre Freiheit, die endgültige Freiheit ist nur die eine: es ist die Freiheit zu töten."
Schließlich ist im Rahmen der Pervertierung religiöser Toleranz beispielsweise auch noch die islamistische Djihad-Verheißung der 72 Jungfrauen zu nennen.
OK, ich versuche noch mal, mich verständlicher auszudrücken (ich verstehe die Hälfte meiner Postings auch nicht. Ich probier's mal fragmentarisch.
Das Ende: Nathan liegt am Boden. Aber gibt es nicht auch eine Würde in der Akzeptanz der Niederlage? In der Akzeptanz, dass der leichte Weg der Versöhnung, den Lessing vorzeichnet, nicht der richtige, nicht der gewinnbringende ist? Dass auch Opfer nötig sind auf diesem Weg und vielleicht ist ja Nathan ein solches Opfer. Recha und Daja dagegen liegen eben nicht am Boden, sie sind nicht geschlagen und vielleicht willens und in der Lage den Weg weiterzugehen. Das Schlussbild verbindet Verzweiflung und Niederlage (Nathan am Boden) und Hoffnung (Daja und Recha). Das ist nicht besonders originell, aber um Lichtjahre ehrlicher als Lessings Umarmungsorgie.
Nathan: Ich denke, wir müssen unterscheiden zwischen Lessings Nathan und Stemanns (vielleicht gibt es noch einen von Jelinek, aber dafür sind ihre Texte einfach zu selbstverliebt). Lessings ist der "Ausblender", der die großen Konflikte einfach wegwischt, nicht akzeptiert, dass sie Wurzeln haben könnten, die nicht so einfach ausrottbar sein könnten durch eine simple Botschaft. Stemanns Nathan dagegen ringt sich zum Versöhner durch, aber nicht, ohne die Schwere, ja vielleicht Unmöglichkeit seiner Aufgabe anzuerkannen. Und er ist dadurch für mich die stärkere Figur.
Lessing und Jelinek: Die Nutzung der Jelinek-Texte hebt Lessing nicht auf, sie verstärkt eher seine Botschaft, in dem sie ihrer Umsetzung die leichtigkeit nimmt und den zu lösenden Konflikte ihre Schwere, ihre Substanz, vielleicht eine Form vomn Berechtigung zurückgibt. Durch diese Ebene gwinnt das Stück Spann und Reibungsfläche zurück. jelinek demontiert Lessing nicht - dazu sind die Texte auch zu selbstverliebt und oberflächlich - aber sie bringt - in Stem,anns Worten - den Hass zurück in des Stück. Und ohne Hass keine Versöhnung.
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Unterseite der Toleranz? Befindet sich letzlich nicht auch Stemann selber dort, an dieser Unterseite? Mit seiner merkwürdigen Pappfigur, die (mit glitzerndem Dollarzeichen am Ohr und stürmerhafter Judennase) neben dem Papst (Christ) und Osama Bin-Laden (Muselmann, wie es bei Lessing heißt) den Juden verkörpern sollte, bzw. dessen Zerrbild. Das war so hochgeradig ambivalent in die Klischeekiste gegriffen, dass kaum deutlich wurde, ob Stemann hier ein kollektives Unbewußtes zitiert oder am Ende doch nur ein Bild für sein eigenes Vorurteil schafft. Man scheut sich, gerade in Stemanns Fall solche Fragen überhaupt aufzuwerfen. Brennen tun sie aber doch nachhaltiger, als man nach der Aufführung zunächst hoffte, und so müssen sie hier doch gestellt werden.
Und Jelinek demontiert Lessing doch. Sie zeigt, dass Menschen neben der von Lessing übergestülpten allumfassenden Wahrheit, Schönheit und Güte immer auch egoistische Interessen verfolgen. Zitat:
"Sie können doch nicht wie Geld in den Sack, wie Geld aufs Konto, wie Geld in die Aktie, Sie können doch nicht die Wahrhheit einstreifen wie Geld! Sie können die Wahrheit nicht einmal anstreifen, die Wahrheit ist nämlich richtig, nur Sie sind leider der Falsche, die Wahrheit will zu jemand anderem, für den sie richtig ist! Sie sind es, der falsch ist, Sie sind fehl am Platz hier!"
Darauf verweist auch Stemann, indem er die Klischees und die Vor-Bilder bzw. Vor-Urteile, welche wir uns von "dem Juden", "dem Christen" und "dem Moslem" machen, bis zur Karikatur überzeichnet und verzerrt (die überdimensionalen Pappköpfe). Und indem Stemann diese drei Figuren mit fetten Goldbarren in ihren Händen jonglieren lässt, stellt er die Frage, ob es in vergangenen und gegenwärtigen Religionskriegen möglicherweise eben nicht nur um "den richtigen Glauben", sondern vielmehr immer auch um handfeste ökonomische Interessen ging bzw. geht.
1. Inwiefern verliert das Stück seine Allgemeingültigkeit? Inbdem er ihm sein Fundament zurückgibt, baut Stemann erst wieder eine ernstzunehmende Allgemeingültigkeit ein.
2. Was Sie als Schwäche interpretieren, ist m.E. eine große Stärke der Inszenierung: die Abwesenheit eines klaren fassbaren eindeutigen Standpunkts. Die Inszenierung verweigert eben das Schwarz und Weiß und enthebt den Zuschauer eben nicht der Notwendigkeit, sein Hirn einzuschalten.
3. Lassen Sie uns doch diskutieren :-)
Bitte versuchen Sie meine Beiträge nicht absichtlich misszuverstehen. Nathan als Opfer zu sehen liegt angesichts des Schlussbilds nahe und das ist nicht meine Meinung sondern meine Interpretation von dem, was Stemann möglicherweise sagen will. Und gern können Sie mir erklären, was Versöhnung soll, wenn kein Hass da ist. Was soll man da versöhnen.
Ich sehe nach wie vor nicht, dass Jelinek Lessing demontiert. Zum einen, weil sie es schlicht nicht kann, vor allem aber, weil Stemann sie nicht lässt. Vielmehr nutzt er Jelinek um einen Unterboden einzuziehen und Nathan zu vervollständigen. Nur durch den Einbruch des Hasses, des zu Versöhnenden, ist die Versöhnung überhaupt notwendig.
Ich habe den Goldbarrentanz eher als Parodie auf verbreitete Klischees gesehen, weniger als Erklärungsversuch. Aber auch hier können wir "agree to disagree".
Wie gesagt, es sind Zerrbilder. Beispielsweise fungiert "der reiche Jude" als antisemitisches Zerrbild im Kontext der Finanzkrise. Osama bin Laden fungiert als islamistisches Zerrbild des ideologischen Feldzugs von US-Präsident Bush gegen die Achse des Bösen, wovon ohne Zweifel vor allem die amerikanische Rüstungsindustrie profitiert hat und profitiert. Der Christ fungiert als Zerrbild einer "Wir sind Papst"-Ideologie. Whatever.
Die eigentliche Frage müsste hier doch vielmehr sein, was diese Projektionen eigentlich noch mit dem vorurteilsfreien Glauben zu tun haben, welcher eben allzu oft politisch instrumentalisiert wird.
Und warum sollte Jelinek Lessing nicht dekonstruieren können? Meines Erachtens kann sie es. Denn der Exzess ist allen angeblich so reinen Religionen und Ideologien als Identifikation mit der obszönen Unterseite der Macht eingeschrieben. Kein Mensch ist immer nur gut, selbstlos und voller Demut.
Und was sind "Verkörperungen" von Projektionen? Ich habe das eher so gelesen, dass es "verkopfte Projektionen" sind. Also in dem Sinne, dass die Vorurteile gegenüber dem Juden, dem Christen und dem Moslem im Kopf der diese Figuren Betrachtenden entstehen. Und anscheinend ist es tatsächlich nicht ganz einfach, sich davon zu lösen.
Warum Sie den Judenkopf mit Dollar und Ami assoziieren, da steh ich irgendwie auf der Leitung. Könnten Sie das nochmal erläutern, bitte? Ich sah bloß die stereotype "Judennnase" sowie den glitzernden Ohrring. Worin sahen Sie Dollar und Ami?
Zizek hat angesichts seines neuen Buches "Auf verlorenem Posten" in einem Fernsehinterview auf die Gefahr hingewiesen, dass im Zuge der Finanzkrise ein dumpfes antisemitisches Ressentiment wiederaufleben könnte, welches nur nach Sündenböcken suche. Gegenüber dem Judentums als Religion werde nun wieder auf das ideologische Zerrbild "des korrupten Juden" verwiesen, welcher das Geld des einfachen Volkes verzockt hätte.
Warum es gerade diese drei aktuellen männlichen Repräsentanten (Benedikt, bin Laden, Greenspan) sein mussten? Möglicherweise, weil in jedem Klischee und Vorurteil vielleicht auch ein Körnchen Wahrheit steckt. Und zwar in dem Sinne, dass der freie Glaube in paternalistischen Institutionen wie der christlichen Kirche, der islamischen Moschee bzw. der jüdischen Synagoge nicht selten zum herr-schaftlichen Zwang mutiert und zudem AUCH von Geldinteressen geleitet wird - nicht nur im Fall des Zerrbilds des "reichen Juden". Hier jonglieren alle mit fetten Goldbarren in der Hand.
Möglicherweise habe ich mich problematisch formuliert. Es geht mir im Zusammenhang mit Greenspan, bin Laden und Benedikt nicht um die Suche nach Sündenböcken im Sinne von Schuldigen. Sondern es geht mir um die Verantwortung von Menschen für andere Menschen. Ein junges Mädchen wird von einem jungen Mann aus dem Feuer gerettet. Das ist der Ausgangspunkt von Lessings "Nathan der Weise". Dann aber kommt es zu Verwicklungen, weil Menschen sich offensichtlich nur schwer als Menschen betrachten können, sondern ihnen da immer die (verzerrte) Rolle repräsentierender Funktionsträger einer bestimmten Religion in die Quere kommt. Und deshalb ist Versöhnung wohl auch so schwierig, weil es immer wieder zu Missverständnissen kommt.
Greenspans Rolle darf man natürlich nicht mit seinem persönlichen Glauben identifizieren, darauf wollte auch ich hinaus und darin stimme ich Ihnen unzweifelhaft zu. Gleichwohl trägt er als ehemaliger US-Notenbankpräsident meines Erachtens eine Mitverantwortung für die Finanzkrise. Das ist nicht zu leugnen, sondern das orientiert sich an Tatsachen.
Dass nun aktuell jüdische Einrichtungen in den USA zum Ziel terroristischer Anschläge werden, das ist nicht zu billigen. Es hat tatsächlich entsetzliche Folgen, wenn Kritik und die Einforderung von Verantwortung mit Gewalt an Menschen verwechselt wird.