Theater in der Finanzkrise I: Ist Wuppertal der Anfang vom Ende?
Das ist der Anfang
von Regine Müller
Nordrhein-Westfalen, 28. November 2009. Von außen betrachtet, befindet sich die Kultur in Nordrhein-Westfalen derzeit in einer absurden Schieflage. Oder sind es gar schon veritable Parallelwelten, die unabhängig voneinander existieren?
Rund ums Ruhrgebiet wird im Moment hektisch für die Kulturhauptstadt Ruhr2010 getrommelt, üppig besetzte Teams versenken unbekümmert Millionen in Leuchtturmprojekte. Die noble RuhrTriennale präsentiert stolze Bilanzen, das Klavierfestival Ruhr wird noch größer und schöner, und die nordrhein-westfälische Landespolitik prahlt mit ihren ambitionierten Kulturprojekten. Ein Schlaraffenland der Kultur? Weit gefehlt. Denn stell dir vor, es ist Kulturhauptstadtjahr – und die Kultur ist weg. Wenn es nämlich so weitergeht, könnte dieses Horrorszenario Wirklichkeit werden, da gleich mehrere der traditionsreichen Theater – und weitere Teile der kulturellen Infrastruktur – in Nordrhein-Westfalen akut in ihrer Existenz bedroht sind.
"Wir sind ratlos"
Ganz böse kommt es nun in Wuppertal. Dort herrscht Schockstarre. Der in dieser Spielzeit mit viel Verve neu angetretene Schauspielintendant Christian von Treskow sagt: "Wir sind ratlos." Keine Rede sei vorher vom drohenden Kahlschlag gewesen, und jetzt sei man plötzlich mittendrin in der Existenzdiskussion. Dabei muss an dem 131 Seiten starken Haushaltssicherungskonzept, das den zynisch klingenden Titel "Sparen, um zu gestalten" trägt, seit geraumer Zeit gefeilt worden sein. Das Papier sieht für den Kulturbereich Kürzungen von 30 Prozent vor, die Wuppertaler Bühnen müssen künftig jährlich mit zwei Millionen Euro weniger auskommen, unter anderem soll das Schauspielhaus ganz geschlossen werden.
Einen derart radikalen Kurs hätte die Politik zu Lebzeiten von Pina Bausch kaum gewagt, so von Treskow, denn: "Sie hat über das Schauspielhaus immer ihre schützende Hand gehalten." Ein internationaler Aufschrei wäre gewiss gewesen, würde Bausch noch leben. Irreführend sei es seitens der Stadt, zu behaupten, es gehe ja "nur" um das Schauspiel, rechnet von Treskow vor: "Auf lange Sicht bedeutet das Sparkonzept das Aus für alle Sparten, denn wir können einfach nichts mehr selbst produzieren. Wir sind jetzt schon so abgespeckt, dass nichts mehr einzusparen ist." Das traditionsreiche Wuppertaler Theater verkäme dann zum Durchlauferhitzer von mittelmäßigen Tourneeproduktionen.
Brot und Butter
Dabei war Wuppertal bislang noch nicht auf der Liste der akut bedrohten Theater. Doch die zunächst noch vereinzelten Kassandra-Rufe aus Hagen, Oberhausen, Krefeld-Mönchengladbach und sogar Essen werden nun zum anschwellenden Strophengesang, in den immer mehr Theater werden einstimmen müssen. 30 Prozent weniger für die Kultur planen auch die Kämmerer in Dortmund, Köln und Mülheim an der Ruhr. Vielleicht auch deshalb ist das Echo auf den Wuppertaler Vorstoß, der womöglich einen Dammbruch auslöst, einstweilen noch verhalten. So, als wolle man den Ernst der Lage noch ein Weilchen ignorieren.
"Wir wollen keinen Sonder-Jammerstatus", sagt von Treskow, denn das "Horrorpapier" betrifft die gesamte städtische Infrastruktur: Bibliotheken, Kindergärten und Bäder sollen geschlossen und dringend nötige Sanierungsprojekte aufgegeben werden. Es drohen Verwahrlosung und Verödung der ganzen, ohnehin vom Bevölkerungsschwund gebeutelten Stadt.
Und die Hefe im Teig
"Ich habe von Gerd Leo Kuck, der die Wuppertaler Bühnen aus der unglücklichen Theaterehe mit Gelsenkirchen herausgeführt und konsolidiert hat, ein kerngesundes Haus mit stabiler Auslastung übernommen", berichtet von Treskow. "82.000 Besucher besuchten in der Spielzeit 2007/08 die Wuppertaler Bühnen, 81.500 waren es in der vergangenen Spielzeit, die ca. 12.000 Besucher der Gastspiele auf benachbarten Bühnen jeweils nicht mit eingerechnet", sekundiert Geschäftsführer Enno Schaarwächter. "Die Zahlen entsprechen einer Auslastung von 80 Prozent im Musiktheater und 60 im Sprechtheater, Tendenz steigend."
Das bedeute einen Zuschuss von 136 Euro pro Theaterkarte, womit Wuppertal sich in der nationalen Statistik im mittleren Bereich aufhalte. Der Vorwurf der teuer bezuschussten Elitekunst für Eingeweihte greift in Wuppertal ohnehin nicht. "Wir machen keine Hochkultur, wir sind die kulturelle Grundversorgung, Brot und Butter", so von Treskow.
So ähnlich hat das einst der gebürtige Wuppertaler Johannes Rau ausgedrückt: "Kultur ist nicht die Sahne auf dem Kuchen, sondern die Hefe im Teig." Er dürfte sich nun im Grabe herumdrehen.
Zehn Prozent für die Kunst
Doch warum stehen plötzlich so viele Theater am Abgrund? Liegt es nur am politischen Willen vor Ort, der den Glamour der Großveranstaltung dem Alltag kontinuierlicher Kulturarbeit vorzieht? Ja und nein. Die Wurzeln des Theaterproblems liegen tief.
Die Theater werden von den Kommunen betrieben und finanziert, die jeweiligen Etats werden zäh verhandelt und auf lange Sicht festgeschrieben. Im Durchschnitt 90 Prozent der Budgets fließen in Fixkosten, die mit der Kunst noch nichts zu tun haben. Schon wenn Tariferhöhungen anstehen, geht's unweigerlich ans Eingemachte, denn auf diesen immensen Mehrkosten bleiben die Theater stets sitzen. Was bedeutet, dass selbige von den mickrigen zehn Prozent für die Kunst bestritten werden müssen.
Auch ohne Finanzkrise und deren fatalen Folgen für die Kommunen, auch ohne Haushaltssicherungskonzepte kochen die Finanzierungsprobleme der Theater deshalb alle Jahre wieder hoch, sinnvoll gelöst wurden sie noch nie. Denn die klammen Kommunen stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand und geben sich handlungsunfähig.
Und jetzt?
Müsste jetzt also nicht die Stunde der nächsthöheren politischen Instanz schlagen? Sollte jetzt nicht schleunigst das Land Nordrhein-Westfalen Flagge zeigen, das sich mit seiner Kultur brüstet, sie als Standortfaktor feiert und zur Imagepolitur nutzt? Das Kultursekretariat NRW hat bereits zu einem Bestandspakt für die Bühnen aufgerufen und das Land aufgefordert, die bedrohten Theater gezielt zu unterstützen. Doch vorerst gibt man sich noch zugeknöpft, und zudem sehen die Kommunen ihre Eigenständigkeit gefährdet.
Die kulturelle Grundversorgung des Landes mit seiner unvergleichlichen Theaterlandschaft und deren Erhalt darf aber nicht nur Sache der Kommunen bleiben und weiterhin der Schacherei kommunaler Kämmerer überlassen werden.
Andernfalls bekäme das Mantra der Kulturhauptstadt "Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel" einen üblen Beigeschmack.
Weitere Informationen zu aktuellen Sparplänen und der Debatte um die finanzielle Situation der Theater und Künstler finden Sie im nachtkritik-krisometer. Ein Bild von der Situation des Mannheimer Theaters und den krisenhaften Verhältnissen im Südwesten hat sich Harald Raab gemacht – und berichtet, dass es auch anders geht, zum Beispiel in Frankfurt am Main.
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Langsam wird es Zeit, dass diese Strukturen sterben und Platz für neue Formen machen.
- Schauspieler
- Sänger
- Handwerker
- Schneider
- Requisiteure
Es müssen nicht an jeder Produktion die gleichen Nasen beteiligt sein! Das ist ganz erfrischend für so ein Haus, wenn freier produziert wird. Zwar prekärer - klar - aber eben freier und nicht unter dem ständigen Druck bestimmte Maßgaben (Zuschauererwartungen, Premieren pro Spielzeit) zu erfüllen.
Es sollte im positiven wie im negativen Sinne mehr Verantwortung - auch finanzielle - an die Künstler gegeben werden, d.h.: Wenn's gut läuft, die Künstler feiern und wenn's schlecht läuft, die Künstler kritisieren. Im Moment kriegt, unter Berücksichtigung der filzigen Strukturen zu Recht, es ja immer das Theater ab. Totaler Unfug!
Was jedoch die Schauspieler angeht, so ist das deutsche Stadt- und Staatstheatersystem doch gerade deswegen so einzigartig. Es wird Kontinuität ermöglicht, die über Jahre hinweg zu hervorragenden Ergebnissen führt. Ein Ensemble, das zusammen gewachsen ist, kann einfach mehr leisten, als eines, in dem sich die Leute immer erst kennen lernen müssen (s. die diversen "Neufehlstarts" dieses Herbstes). Auch deswegen ist es für freie Gruppen (in denen solche Kontinuität sogar auf einer gemeinsamen Entscheidung basiert) so frustrierend, pro Jahr höchstens zwei Produktionen finanziert zu kriegen.
Sicher wäre ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Künstlern und Mitarbeitern fein, dann würden nämlich die ständigen Kürzungen nicht immer zu Lasten der nicht gewerkschaftlich organisierten Künstler gehen.
Die Beschäftigungssituation eines heutigen Theaters mit einem vor hundert Jahren zu vergleichen, ist dennoch unfair. Denn auch die Kunst, das Kerngeschäft, und der Anspruch an sie, hat sich gewandelt. Heute werden nicht mehr sieben, sondern meistens weit über zwanzig Produktionen pro Jahr hergestellt. Unter einer entsprechenden Kürzung würden v.a. die jungen, nicht etablierten Künstler leiden. Und aufgrund der Spielplanvielfalt ist ein Theater in der Lage, mehr zu riskieren und gleichzeitig auch mal einen Flop wegstecken zu können. Aber natürlich ist es bedenklich, wenn sich jeder Intendant seine Referentin und noch eine drieköpfige PR-Abteilung hält.
Und @flimm: wollen Sie wirklich die Zeit vor dem 1. Weltkrieg als Vergleich heranziehen, eine Zeit, in der Menschen keinerlei Schutz vor Ausbeutung ihrer Arbeitskraft genießen durften? Männer als Kanonenfutter herhalten mussten? Und Frauen erst seit kurzem das Wahlrecht hatten? Und die Spezialisierung der technischen Berufe am Theater noch in den Kinderschuhen steckte? Wenn man dem Publikum heute zu gleichen Eintrittspreisen den künstlerischen und technischen Aufführungsstandard von 1914 böte, würde man sich bei den Zuschauern nicht unbedingt Freunde machen. Oder?
Ich habe den Eindruck, in diesem Forum (nicht nur in diesem thread) macht sich so langsam ein als antisystemisch getarnter neoliberaler Denkansatz breit. Umso mehr muss ich trotz allem dem Entgegner von Perpignon zustimmen in Ihrer/seiner Zustimmung zum Ensembletheater. Wenn einmal eine seit Jahren zur vagabundierenden Existenz gezwungene Truppe, die durch gemeinsame künstlerische Interessen zusammen gehalten wurde, sich wieder zu einem Ensemble zusammen schließen kann, und das an einem interessanten Ort mit interessantem Publikum und unter inhaltlicher Prämisse, dann kann jeder Theaterinteressierte dies nur begrüßen, denn dies stellt einen Idealfall der Produktions- und Rezeptionsästhetik des Theaters dar – und hat nichts mit pauschaler Stadttheaterschelte zu tun, wie sie hier manchmal zum Besten gegeben wird.
nein, in die Kulturpolitik werde ich wohl nie gehen, hab ich auch nicht vor.
Ich spreche mich übrigens keineswegs gegen den Gedanken eines Ensembletheater aus. Wenn es funktioniert, kann das eine ganz wunderbare Sache.
Mir geht es um einen anderen Punkt und der ist der hier vielkolportierte der Arbeitsstruktur: Es kann nicht sein, dass das Theater, das sich ja als Kunstinstitution versteht, mit seinen Arbeitsstrukturen sich selbst verunmöglicht. Es steht sich selber im Weg, macht sich lahm und behäbig. Ein fetter, alter Mann, der immer wieder nach Luft schnappt, sich aber zielsicher dem Kollaps nähert.
Ich brauche ein Theater, das Platz hat, Raum bietet und in seiner Struktur flexibel und zugänglich ist. So lange dieser Kropf von Struktur an jedem Theater hängt, wird es sich aufgrund mangelnder Flexibilität zugrunde richten.
Das Schauspiel ist mit bedeutend weniger Menschen zu machen. Meinen Sie das vielleicht? Dann setzen Sie sich für die Abschaffung der Oper ein.
Und @123: Das ist eine sehr genaue Beobachtung der Situation. Seien Sie dennoch versichert, dass meine künstlerische Arbeit von den vielgescholtenen "Strukturen" des "Stadt"-Theaters nicht negativ beeinflusst wird. Im Gegenteil. Aber Sie scheinen andere Erfahrungen gemacht zu haben. Haben Sie am Theater gearbeitet? Waren Sie Regisseur oder Schauspieler? Vielleicht geben Sie sich zu erkennen, dann können wir die Debatte offen weiterführen.
Und @Zuschauer: "Zum goßen Teil an Erfolge in Literatur und Film hängt" Das ist im Theater kaum zu vermeiden, auch Shakespeare war ein erfolgreicher Schriftsteller. Oder stellen Sie grundsätzlich in Frage, dass Theater eine Textgrundlage braucht? Die Antwort wäre: Natürlich nicht. Auch dafür finden Sie in unsrem Spielplan Beispiele, wenn Sie ihn aufmerksam lesen. Oder kommen Sie einfach zu uns ins Theater, Zuschauer. Dann kann ich Ihnen unser Konzept ausführlicher erläutern.
Ein Theaterbetrieb erzeugt aus dem langwierigen, höchst komplexen Zusammenwirken von mehreren hundert Menschen ein ganz und gar vergängliches (an Realzeit) Kunsterlebnis. Vorhang auf - Vorhang zu; dazwischen gibt es das zu erleben, worum es geht. Dieses "dazwischen" zu erzeugen braucht jahrhundertealte/ - lange Erfahrung, ist absolute Kopf- und Handarbeit. Nicht mehr und aber auch nicht weniger.
Dieses Ganze "Urzeitwerk" ohne h ist ganz und gar unter Schutz zu stellen, weil vom Assterben bedroht.
Dieser Kunstbetrieb selbst verhindert sich nicht. Das Umfeld macht ihn immer unmöglicher - weil ein solches System eine kritische Masse hat.
Eine Bühne dieser oder jener Grösse wird immer einen Grundapparat an Menschen beschäftigen müssen, um seinen Betrieb aufrecht zu erhalten: ausgeschlafene, nicht hungrige Menschen zu kreativen Höchstleistungen zusammenzuführen.
Wenn eines der Elemente nicht stimmt. Dann ist der komplizierte Weg zum "Resultat" nicht zu beschreiten.
Wer andere Modelle will, wird Stücke zeigen können wie es sie in Oberhausen zu sehen gibt - im Metronom Theater.
Ich kenne die großen Theater Deutschlands aus der Arbeit ganz gut und kann insofern, gerade weil ich viele unterschiedliche Arbeitsstrukturen und Theaterentwürfe kennengelernt habe, glaube ich eine ganz brauchbare Einschätzung abgeben. Die mag Ihnen nicht gefallen, okay, aber sie entbehrt nicht jeder Grundlage.
Meiner Beobachtung nach entstehen die aufregenden, großen Inszenierungen oder Impulse an Theatern, die eine flexible und schnell ineinandergreifende betriebliche Struktur haben. Dies kann unterschiedliche Gründe haben und ich will auch gar nicht sagen, dass die typische Stadttheaterstruktur abzuschaffen ist, sondern vielmehr dass die Vielfalt für Formen der internen Organisation von Theatern unterstützt werden muss. Im Moment ist die deutschsprachige Theaterlandschaft in dieser Hinsicht eine Monokultur. Dazwischen gehen immer mal wieder ein paar Blumen für eine kurze Zeit auf (zB das HAU), die nach ein paar Jahren aber auch wieder verwelken.
Die künstlerischen Arbeitsweisen im Theater haben sich in den letzten 10 - 20 jahren gewaltig verändert und inzwischen ist ganz klar festzustellen: Das gute, alte, deutsche Stadttheater bietet für die vielen unterschiedlichen künstlerischen Ansätze nicht genug Freiraum. Zu viele Dogmen und Traditionen beherrschen die Szene: Klassikerraufundrunterbespielung, 6-Wochen-Probenrhythmus, zu große Ensembles usw...
Letztendlich braucht es, wie ich oben bereits andeutete, eine Verschiebung der Gewichte: Weniger Personal im Theater beschäftigen und mehr Geld den Künstlern in die Hand geben. Die können sich auf diese Weise ihre Arbeitsstruktur viel besser selber erfinden.
Ein Beispiel: Es ist natürlich eine wunderbar-romantische Angelegenheit, dass Theater über Schlossereien oder Kostümfärbereien verfügen (Anachronismus!). Weniger wunderbar ist, wenn aber alle Videoabteilungen der großen Theater dauerhaft unterbesetzt sind (ebenfalls Anachronismus!)! Die Konsequenz: Regisseure bringen ihre eigenen Video-Leute mit. Das ist im Kleinen eine genau richtige und gute Entwicklung!
Lasst die Entscheidungen die Künstler fällen, nicht das Haus. So entstehen flexiblere und freiere Formen der Arbeitsorganisation der Theater, die nicht nur zu Gunsten der Kassen, sondern vor allem auch zu Gunsten der Kunst ausfallen!
Ich meine „ja nur“: Ziehen Sie sich, solange Sie noch können in einen Schutzraum zurück. Schaffen Sie sich eine Insel der „Renitenz“, von der aus Sie ganz anders agieren können. Nehmen Sie auf diese Insel die verbleibenden Subventionen mit, wenn es möglich ist. Verbinden Sie mit dem „Strukturwandel“, falls Sie ihn vollziehen können und wollen, Forderungen. Die Hauptforderung ist: Die Festschreibung der Aufgabe der Kultur und ihrer Finanzierung im Grundgesetz.
obwohl auch ich von einem üppig gesponserten theaterbetrieb abhängig sein werde muss ich hier einmal öl ins feuer gießen.
Sind denn theater in jedem dritten kaff dieser republik überhaupt notwendig, wenn diejenigen, die da reingehen, sich eigentlich nur noch in ihrer eigenen (bildungs)bürgerlichen situation bestätigen und beklatschen wollen? wozu denn noch theater?! jeder tatort an einem sonntag abend macht künstlerisch ja nichts anderes als zum beispiel "hedda gabler" an der schaubühne.
die an theatern landläufig produzierte kultur bricht nichts mehr auf...sie zementiert indem sie sich immer wieder selber bestätigt.
Und man kann ja mal die qualitätsfrage stellen; das sollte man, finde ich, aber nicht davon abhängig machen ob ein abend irgendwie "funktioniert", sondern davon ob dieses oder jenes theater in der lage ist über seine grenzen hinaus an einem gesellschaftlichen diskurs teilzunehmen. dazu wurden diese häuser doch gebaut! und wenn das nicht geschieht...wenn es nur noch live-tatort-abende produziert, dann macht doch bitte ein soziales schwimmbad daraus. soviel ehrlichkeit muss auch sein.
Zu "Perpignon"
"Perpignon" hat recht!
wir brauchen Veränderung im system.
In einer Studie wird bestätigt, was wir alle wissen, aber die meisten nicht wirklich wahrnehmen wollen: Kunst bringt keineswegs Gunst, im Gegenteil – sie führt unweigerlich ins Prekariat. Die Zahl der Beschäftigen am Theater, die in der Stunde weniger als 5 Euro verdienen, ist in den letzten Jahren um 30 % gestiegen. An festen Häusern verdienen 50 % der Theaterkünstler nur 5 bis 10 Euro pro Stunde. Bei einer regelmäßigen Einzahlung in die Künstlersozialkasse über einen Zeitraum von 45 Jahren liegt die zu erwartende Rente bei 447 Euro pro Monat in den alten, bei 408 Euro in den neuen Bundesländern. Die Altersarmut unter den Künstlern der derzeit tätigen Generation ist also vorprogrammiert. Das ist doch niederschmetternd! Die Einkommensverhältnisse haben sich dramatisch verschlechtert und das obwohl die öffentliche Förderung um ein Vielfaches gestiegen ist. Wo versickern denn die mehr als zweieinhalb Milliarden Euro, die sich die Steuerzahler in Deutschland alljährlich leisten, um das „Weltkulturerbe“ Theaterlandschaft zu pflegen? Warum leisten wir uns ein solch unsoziales System? Ein System, das durch Selbstausbeutung geprägt ist, das die Lebenskunst predigt, aber die Lebensverhältnisse unwürdig sein lässt, das die kreativen Potentiale unsere Gesellschaft bei jeder Sonntagsrede beschmust, aber im Alltagshandeln die (Menschen)Rechte der Künstler mit Füßen tritt.
Zweierlei muss doch mal festgehalten werden, gerade denjenigen gegenüber, die sich nach vermeintlich skandalösen oder persönlich als schlecht empfundenen Inszenierungen immer so darüber "bepissen", dass sie diesen Blödsinn auch noch finanzieren müssten (beliebtes Stichwort: Steuergeldverschwendung!):
1. Was wir durch unsere Steuerabgaben zugunsten der Kunst garantieren, ist nicht die Kunst selbst, sonder - ganz pathetisch - die FREIHEIT DER KUNST! Das gerät völlig aus dem Blick und anscheinend sehnen sich nicht wenige nach einer staatlich kontrollierten Kunst zurück, die dem Zuschauer evenbtuell noch ansagt, wer wann und mit wem in welche Vorstellung zu gehen hat. Ich erinnere das noch aus Leipzig und Halle/Saale.
2. Wer von diesen Staatkunst-Vertretern / von uns ist in Relation dazu bereit, auf die Barrikaden zu gehen, angesichts von Fernsehgebühren, die allein auf dem Informations- und Bildungsanspruch der öffentlich-rechtlichen Sender beruhen, Gebühren, die de facto aber zunehmend bis ausschließlich in stupide und volksverdummende Shows, Serien und sog. "Event-Filme" gesteckt werden? Wer tut das? Denn hier wäre es angebracht, Sturm zu laufen. Und das umso mehr, als (...) Roland Koch, seines Zeichens ZDF-Fernsehrat, das "Zweite" am vergangenen Freitag gemeinsam mit seinen CDU-Kollegen im gleich Gremium auf den Weg zum staatlich kontrollierten Sender gebracht hat.
Wir missachten völlig die nicht nur finanziellen Maßstäbe, den allein diese beiden Fälle (Gelder für die Kunst/Gebühren fürs Fernsehen) aufweisen.
Das Problem der Wuppertaler Bühnen im speziellen und ganz vieler Theater im Allgemeinen ist jedoch kein strukturelles, sondern ein budgetäres: Die Wuppertaler Bühnen sind unterfinanziert, und zwar nicht erst seit diesem Jahr. Die Stadt Wuppertal muss sich wirklich fragen, ob sie sich immer mehr in eine Kulturelle Wüste verwandeln will, ob sie den Weg gehen will, den ihre bergischen Nachbarstädte gehen mussten. (Stadt-)Theater kosten Geld, haben immer schon Geld geskostet und werden das auch in Zukunft tun. Und bereits in den vergangenen Jahren musste das Schauspiel in Wuppertal in einem trostlosen Zwischenzustand spielen: es existierte gerade noch so. Und wie "10:2 Mrd" so richtig andeutet: die öffentlich geförderten Theater (und Orchester!!) verbrauchen pro Jahr rd. 0,2 % der öffentlichen Ausgaben. Bei 0,3 % im Jahr müsste hier niemand mehr diskutieren, dann könnten auch wieder Künstler und Nichtkünstler miteinander arbeiten. Aber es geht eben nicht um Banken.
danke für Punkt 1.
@flimm
warum eigentlich immer das Thalia im Jahr 1914? Warum kein Vergleich mit Berliner Theatern Anfang der 30er?? das DT bietet sich an... Warum nicht ein Vergleich Frankfurt/Oder 1989 und heute?? Oder Wuppertal 1985 und heute? Oder Rudolstadt 1976 und heute? Oder das TAT in Frankfurt 2001 und heute?? Seit mehr als 20 Jahren schrumpft in Deutschland die Zahl der Theater und damit die Zahl der an Theatern Beschäftigten. Und: Wenn ein Theater geschlossen ist, dann bleibt es geschlossen!
ein thetaer allein von künstlern getragen...sowas hatte ich mir auch schon mal überlegt.
nur: kann man das auch realpolitisch umsetzen?
geht das?
ich glaube sie haben mich verstanden.
ein blick in viele spielpläne reicht mir zumindest aus.
ab und an gehe ich dann mal hier rein, mal da rein. ich glaube tatsächlich; die meisten stadttheater sind sehr bemüht, nur lässt es z.B. den proleten einfach kalt, weil er sich ausgeschlossen und nicht gemeint fühlt.
hatten sie noch nie das gefühl, in einem theater zu sitzen, gemeinsam mit leuten, die nach diesem besuch nichts anderes machen würden als davor? dass die menschen nicht mehr zum nachdenken gebracht werden, sondern vielleicht "nur noch" zum lachen oder weinen? und wenn sie dann nachdenken, dann über haltungen, die sie eigentlich schon längst kennen? mit den meisten theatergängern ist leider kein aufbruch zu einer anderen welt zu machen. die fühlen sich doch wohl! schauen mal von oben darauf...mal staunend von unten und fühlen sich doch zu selten verunsichert in ihrem lebensentwurf. wann zum henker geht es mal im ganzen saal ums "eingemachte"?! wann wird es mal unerträglich intim für jeden zuschauer oder dröhnend peinlich?! ich glaube z.b. "frühlingserwachen" zu seiner zeit war ein skandal. heute zucken wir nur noch mit den schultern und fragen uns, ob die schauspielerin an dieser oder jener stelle nicht etwas berührender hätte sein können...aber an sich...toller stoff!...eben nicht, weil wir heute schon so verdammt abgeklärt mit den meisten themen von vor hundert jahren umgehen (können)! und viele neue stücke bewegen sich im "well made play". da lob ich mir wirklich dirk laucke, der mal hallenser hools auf die bühne setzt und dann mal schaut, was passiert.
am ende wurde der abend von jener "kulturstiftung" torpediert, die die kohle bereit stellte. das stück vorerst abgesetzt. gab es eine breite lobby für diese art von theater? an entscheidenen stellen zu wenig! leider auch von indirekt beiteiligten am theater.
nein. unreflektierte besitzstandswahrung, eben ohne darauf zu schauen was ich mit theater eigentlich noch in zukunft will, halte ich für gefährlich, weil es dann keinen neuaufbruch sondern nur einen aufschub gibt, der schon im ansatz verbraucht ist.
abgesehen vom finanziellen: was kann das deutsche stadttheater?
danach: Wie?
und danach: Wie teuer ist das?
grüße
Es geht ja keinesweges darum, diese Berufe zu entwerten, sondern um die Frage, ob man Sie als Institution, also als festangestellte Arbeitskräfte braucht. Mein Vorschlag wäre hier tatsächlich wieder, diese Berufe an den Theater sukzessive aufzulösen und das frei werdende Geld konkret den Produktionen zur Verfügung zu stellen, die dann eben selber entscheiden, ob sie dieses Geld für den Perückenknöpfer oder für den Videokünstler ausgegeben wird. Dies wäre ein Anfang um den fetten, lahmen Koloss Stadttheater fit und flexibel zu machen.
Übrigens: Eben dieses Prinzip wird ja bereits an einigen Theatern erfolgreich praktiziert.
Hier gab es alleine mehrere Schneiderinnen und Schneider, die tagtäglich Kostüme für diverse Besetzungen umgeschneidert haben, Kostüme für Wiederaufnahmen aufarbeiten mussten, teilweise auch während der Vorstellung bzw. bei Einspringern am Abend an der Nähmaschine saßen.
Sind sie wirklich so naiv zu glauben, das könne man "outsourcen"? Oder einsparen? Theater und Oper ohne Kostüme eben? Oder mit Videokostümen?
Oder nur mehr Einheitskostüme, dann müssen aber auch die Darsteller Einheitskörper haben. Ich staune vor so viel Naivität.
Welcher nicht fest angestellte Schneider kommt denn am Abend um 20:00 Uhr, um schnell ein Kostüm anzupassen, weil der Einspringer gerade erst im Theater angekommen ist?
Und das ist nur ein Beispiel unter vielen: Sie brauchen schon alleine für die Technik Handwerker, vom Bühnenbild rede ich da gar nicht. Vielleicht sollten Menschen wie sie einmal über den Tellerrand blicken.
Das frei werdende Geld müssen in Ihrem Vorschlag dann die einzelnen Produktionteams, wenn sie uns - das Publikum - nicht visuell und ästhetisch total unterversorgt lassen wollen, am freien Markt dezentral für Bühnenbau, Licht- Videoeffekte, Kostüme etc. ausgeben.
Und die Auswahl fällt dann auf das Unternehmen, das den günstigsten Kostenvoranschlag stellt, den passenden Liefertermin halten kann, sich auch wieder zum Abtransport nach Gebrauch bereit erklärt? Wer frisiert Perücken nach, wer reinigt Kostüme (oder bringt sie man schnell in die Putzerei?)wer verwaltet Requisiten. etc.? Wer macht die Finanzkontrolle? Die Verbuchung?
Meiner Meinung bringt Ihr Modell Chaos pur bei einer Kostenexplosion. Wobei ich auch noch bezweifle, dass sich die Qualität der Ausstattung in dieser dauernd von Fremdfirmen zugekauften Form nur annähernd an die Qualität fixer Theaterwerkstättenarbeit annähern kann..
Man sollte in Wuppertal zunächst die Sanierung einer Imobilie aussetzen und dies zurückgestellte Geld für die Abwickelung der alten Theaterstruktur verwenden, wenn eine solche Umdisponierung funktioniert, um dann eine neue Struktur aufzubauen, die mit 8.9 Millionen auskommt. Hin und wieder in Zeiten der Krise muss man seinen noch verbleibenden Besitzstand auch als Glück empfinden. Das Wuppertaler Theater ist noch lange nicht "arm dran" es ist reich, wenn es seine Gelder richtig einzusetzen weiß.
Ich wünsche mir ein theater, welches sich vielleicht etwas häufiger mit heutigen gesellschaftlichen problemen auseinandersetzt. die heutigen probleme finden sich für mich im bereich der allgemeinen wohlstandsverteilung, damit verbunden: arbeitsverhältnisse, darüber hinausgehend eine liberale moral auf deren folie ausgrenzungen und erniedrigungen stattfinden.
und das theater ist teil dieser liberalen moral, es bestätigt sie in vielen abenden und obendrein, auf eine fast dekadente art und weise, wenn es sich dazu als unverzichtbar betrachtet. eine alleinerziehende mutter mit 900 euro netto hat nun einmal andere probleme als ein fehlendes stadttheater. die fragt sich aber warum sie seit neuestem höhere gebühren für die kita bezahlen muss und die geht auch nicht ins theater. vielleicht weil sie meint, dass sie davon keine ahnung hat. und das liegt leider nicht nur an ihr.
freilich könnte man über eine gerechtere gesellschaft für sie auf der bühne nachdenken. unserem beispiel würde es vielleicht gut tun...aber wer ist bereit solche fragen mit konsequenz zum thema einer spielzeit zu machen?
und wenn wir über "hools" reden, reden wir am ende über die abgehangenen einer gesellschaft. eine gruppe, die ständig wächst. das muss doch thematisiert werden im theater! das sind doch die entscheidenen beobachtungen, die eine gesellschaft beschreibbar machen. deshalb dieses beispiel.
das heutige theater erscheint mir ganz ehrlich als ein privileg der "sich der mittelschicht oder oberschicht dazugehörig fühlenden". sie haben es noch nicht nötig bestehende ungerechtigkeiten ernshaft verändern zu wollen... und so siehts dann auch aus auf der bühne.
Offensichtlich haben Sie sich noch nie mit den Produktionsbedingungen außerhalb des Stadttheaterbetriebs befasst, sonst wüssten Sie, dass in den meisten - und vor allem in künstlerischer Hinsicht erfolgreichen Fällen - dort mehr oder weniger genauso gearbeitet wird. Gucken Sie sich das erstmal an, dann dürfen Sie hier weiter rumblaffen.
Spitze...liebe Redaktion...endlich einmal kommt ein Tippfehler nicht von mir. Die 2 - rr - in der Per(r)ücken-Überschrift gehen auf Ihr Konto. Fast war es mir schon peinlich.
Mit gestärktem Selbstbewusstsein und lieben Grüßen aus Wien.
Antwort der Redaktion:
Ist korrigiert.
Demnach liegt die Rolle der Kunst meines Erachtens darin, auf Ungerechtigkeit verweisen zu können und mögliche Einsatzräume des Politischen hervorzutreiben. Über den abgeschlossenen Raum der Kunst können die symbolischen Körper von den sinnlichen Körpern sowohl der Akteure als auch der Zuschauer getrennt und damit auf die grunsätzliche Gleichheit aller politischen Bürger verwiesen werden. Im Theaterraum können politische Freiheiten immer wieder neu erspielt werden. Schließlich sind Künstler vielleicht auch nur bessere Beobachter des sie umgebenden gesellschaftlichen und globalen Kontexts. Die Möglichkeit der Umsetzung der im Theater gewonnen Erkenntnisse und sinnlichen Erfahrungen in den praktischen politischen Widerstand liegt in den Händen der Zuschauer und Akteure, sobald sie das Theater verlassen haben. Die Kunst gibt keine Garantie auf politische Veränderung, und das ist auch gut so. Ich jedenfalls möchte keine Diktatur der Kunst. In diesem Rahmen stellt sich auch die Frage, wie man das Thema der "hools" thematisiert bzw. wem man damit eigentlich einen Gefallen tut, wenn man sie auf die Bühne holt. Kunst kann auch und gerade dann durchschlagend sein, wenn man die Realität aussen vor lässt.
Ganz nebenbei: das Verdienst von Ariane Mnouchkine ist es, "Mephisto" auf die Bühne gebracht zu haben.
Da mich dieser "Diskussionsstrang" sehr an die Bemerkungen in den Kehlmann-Strängen erinnert hat, möchte ich auch an dieser Stelle anmerken, daß ich die hier häufig zu lesenden Diagnosen zum Leistungs-
stand der deutschen Stadttheater aus eigenem Erleben heraus nicht teile, schon garnicht so weitgehend, daß der Eindruck entstünde, hier würden überall nur SchauspielerInnen entmündigt, herabgewürdigt zu "Rollenfleisch", als müßte allüberall vor einem erzkonservativen und kindhaften Publikum Nichterwachsenes dargeboten werden oder ähnlich.
Herr Goergen nannte es "sadistisch", immer und überall nur den großen Wurf zu fordern, und sagte sinngemäß weiter, daß die vielen mäßigeren Produktionen erst ermöglichen, dann hin und wieder auch wieder einmal "große Kunst" zu erleben.
Das finde ich wichtig, das so klar und deutlich zu sagen, denn das Klima in diesem Lande, immer vom Anderen zu fordern, seien es Geld, Erklärung der Welt, Aufmerksamkeit, steigert sich in allen möglichen Formen von "Raumanmaßung" im alleralltäglichsten Leben geradezu mit "Sucht-Dosen-Dynamik"; "Theaterleute" müssen das natürlich ernst nehmen, sollten aber auch besonnener damit umgehen, als Ihrerseits geradezu masochistisch allen noch so vagen "Erlösungsbedürfnissen" in immer größerer Eile nachzukommen.
Das klingt immer furchtbar angekränkelt : "Wieder "Kabale und Liebe" , noch ein "Kirschgarten", Liederabende noch dazu, "Theater fürs Herz" , zum "Liebhaben"".
Und daß es das gibt, steht außer Frage, und daß auch diese Seiten des Stadttheaterbetriebes unverhältnismäßig wuchern, wenig gewagt wird, nur nach Uraufführungen geschielt wird auf der anderen Seite: das ist "phänomenologisch" gewiß richtig beschrieben ..., und dennoch: Diesen Schieflagen wird an ganz verschiedenen Stellen seit einigen Jahren durchaus begegnet, sowohl von den Theatern aus als auch beispielsweise durch Entwicklungen in der Schulpolitik.
Das Fach "Darstellendes Spiel" hat sich mittlerweile in vielen Lehrplänen erfolgreich etabliert, Klassenzimmerstücke wie "Klamms Krieg" (alleine Daniel Minetti hat den 297-Male gespielt ... und gerne noch
öfter im übrigen) haben Schüler in Hoyerswerda ebenso erreicht wie in Pöseldorf, Theaterpädagogen an den Theatern haben vielerlei Berührungspunkte mit den Stadttheatern erarbeitet (auch das erfolgreich); der Run, an eine Schauspielschule zu kommen, hat sich trotz der allgemeinen Untergangsrufe ("gesunkenes Kulturgut") nicht erst mit "Die Spielwütigen" immer mehr verstärkt: auch das gehört fairerweise in eine Beschreibung zum "state of the art".
Und dann gibt es halt nicht die Entscheidung "Schulaulazweckraum" oder "Stadttheater", dann hat das einzig und allein mit "und" einen Sinn, zumal sich bekanntlicherweise Schülerinnen und Schüler viel zielstrebiger das Gute und Beachtens- und Lernenswerte aus Inszenierungen holen, ... auch wenn es halt solche sein sollten, die der Herr Großkritiker, die Frau Großintendantin nur mit Angekränkeltsein, mit Naserümpfen oder Ähnlichem zur Kenntnis nehmen ansonsten.
Wird das junge Publikum in das "Junge Theater Göttingen" z.B. geprügelt, wird es zu den Pollesch-Sachen hingeschleift, hat Rimini-Protokoll die gleich mitgebracht ???
Und das Stadttheater ist auch auf diese neuen Produktionsformen, auf Stadtteil - oder Fanprojekte, auf Bespielung alternativer Spielorte (in Kiel z.B. "Flächenbrand-Festival") immer stärker zugegangen; obgleich wir alle wohl keinen "Rimini-Protokoll"-Abend zur "Regietheaterdebatte" erleben werden, wobei die Frage schon ulkig sein würde, ob der Experte des Alltags , "Flohbär" (Flaubert ??), die Expertin des Alltags, "Jeanne Dark", das "Intendantendramolett" dann von "Darstellern verkörpert" oder als "Enttarnte" spannender "dargestellt" ausfallen würden ... .
es ging mir gewiss nicht darum soetwas wie eine kulturdiktatur auszurufen. ich wollte im grunde nur bemerken, dass das theater zwar auf auf soetwas wie eine solidargemeinschaft angewiesen ist...sich aber teilweise, in seiner gesammtheit, in eine durchaus elitäre ecke stellt/stellen lässt und sich insgesamt zu wenig um sein natürliches umfeld (seine eigene stadt) bemüht.
der kommentar von bandido bringt an dieser stelle nun wirkliche argumente für ein stadttheater (schauspielpädagogik find ich in dem zusammenhang extrem wichtig, weil sie tatsächlich einen realen beitrag für kinder und jugendliche aber auch erwachsene liefert), ist sich den schwächen aber durchaus bewußt (uraufführungen usw...).
ich finde das irgendwie ehrlich was heiner müller mal gesagt hat: "die theater sollten alle mal ein jahr lang dicht machen und warten ob sie jemand vermisst"
das ist doch eine haltung, die zu einem selbsbewußten künstler dazu gehört. nur warum traut sich keiner zu denken, dass es da....bis eben vielleicht jugendliche und wirklich integrierte mitstreiter... kaum jemanden geben wird, der da aufsteht. das ist doch das problem! natürlich bin ich überall FÜR solidarische einrichtungen, natürlich habe ich KEIN problem wenn auch mal mittelmaß produziert wird. das haben wir alle oft genug gesehen und selber gemacht. und manchmal gings auch gar nicht mehr. aber die frage bleibt: wie machen wir uns unverzichtbar, anstatt eine unverzichtbarkeit zu behaupten, die mit der realität recht wenig zu tun hat.
Ich empfinde es als äusserst problematisch, dass Sie hier jetzt mit Heiner Müller für die Abschaffung des Theaters plädieren wollen. Ich würde auch sagen, dass es Heiner Müller da möglicherweise eher um die Tatsache des Niedergangs einer demokratischen Gesellschaft ging, welche nicht auf einer lebendigen, gestalterischen und solidarischen Kultur aufgebaut ist.
Theaterpädagogik gern, dagegen hat niemand etwas. Aber hier ging es um die Schließung von Theatern. Wenn ein Theater einmal zu ist, dann macht es nicht irgendwann wieder auf, dann ist es weg. Dagegen kann dann auch die angestellte Theaterpädagogin nichts mehr ausrichten. Verstehen Sie, worum es hier geht?
"Darstellendes Spiel und Stadttheater"
abgesehen, dass es ganz toll ist, hier 59 Meinungen zu lesen, möchte ich doch dem "Bandido, Nicht registriert" noch folgendes sagen: Sie haben recht. Auf die Agenda einer neuen Theaterpolitik gehört ganz oben auch eine Theaterentwicklungsplanung. Das ist schon lange kein Teufelszeug mehr, nachdem selbst Hinterbänkler der Kommunalpolitik langsam kapiert haben, dass es sich um konzeptionelle Planungsansätze handelt, die nicht vergleichbar sind etwa mit der kommunistischen Planwirtschaft vergangener Zeiten.
Auch die Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages empfiehlt „den Ländern und Kommunen, regionale Theaterentwicklungsplanungen zu erstellen, mittelfristig umzusetzen und langfristig die Förderung auch darauf auszurichten, in wiefern die Theater, Kulturorchester und Opern auch Kulturvermittlung betreiben, um möglichst breite Schichten der Bevölkerung zu erreichen“.
Und gleich vorweg sei hinzugefügt, dass ein solches kulturpolitisches Instrument nur dann langfristig Erfolg beschieden ist, wenn es kontinuierlich fortgeschrieben wird. Jede kulturpolitische Standortbestimmung muss das gesellschaftspolitische Umfeld und die zeithistorischen Bezüge reflektieren, um die Interessen und Bedürfnisse der Menschen zutreffend erfassen zu können.
Dabei dürfte die alte Spartentrennung zwischen Musik-, Tanz-, und Sprechtheater ebenso ausgedient haben wie die Sektiererei in Puppentheater, Kindertheater oder Kleinkunst. Das gilt natürlich auch für alle Formen der Institutionalisierung. Langfristig darf es keinen Unterschied mehr machen, ob Theater am Staatstheater und Stadttheater oder an der Landesbühne und im Freien Theater produziert wird. Wer öffentliche Förderung erhält, muss sich durch künstlerischen Anspruch und ästhetische Praxis auszeichnen, muss den Auftrag wahrnehmen, den es in Zielvereinbarungen zu formulieren gilt. Dabei gilt selbstverständlich Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes, aber es sollte auch der Grundsatz gelten, dass eine Vielfalt an Produktionsformen eine Polyphonie der Stile ermöglicht, dass Koordination, Kooperation und warum nicht auch mehr Koproduktion kulturpolitisch gewollt sind. Und dass Schülertheater und Studentisches Theater oder Amateurtheater und Privattheater im Netzwerk Berücksichtigung finden. Auch wenn Ensemble und Repertoire zu den Errungenschaften des deutschen Theatersystems zählen, lässt sich nirgends die Verpflichtung ableiten, dass das von Flensburg bis Konstanz und von Aachen bis Dresden auch so zu sein hat. Theater findet auch im Bürgerhaus statt, Theater wird im Theaterhaus ermöglicht und Theater kann auch auf der Straße entstehen.
Liebe George Sand: aber genau darum geht es mir bei meinen Annährungen ans Thema: nämlich ins Theater zu gehen ! Daher stellte ich im Kehlmann-Diskussionsstrang auch die Frage nach der möglichen Kontraproduktivität der Oberender-Aussagen, daher stellte ich "Schulaula" und "Stadttheater" in einem Gedankenspiel gegeneinander, um jetzt hinzuzufügen, daß es der komplette Unsinn ist, einerseits "Darstellendes Spiel" in der Schule zu etablieren, andererseits das nächste Stadttheater zu schließen: auch die Nennung von Nordhausen und Frankfurt an der Oder geschah nicht willkürlich !! Zudem wollte ich den Unkenrufen, die fast so tun, als fände überhaupt kein ernsthaftes Theater mehr statt entgegentreten und nannte auch da ein Beispiel von meiner Schlachtenbummelei in Sachen Theater her: den Völcker/Schlocker-Abend in Weimar ! Ich wunderte mich darüberhinaus offen, daß so wenige SchauspielerInnen und Schauspieler dergleichen Antwerpen-Riga-Sachen weitestgehend unkommentiert durchgehen lassen, wozu ich -wie gesagt- keinen besonderen Grund sehe. Dieses Müller-Zitat kannte ich nicht, habe ich aber ähnlich auch schon benutzt,wenn es mir mit der "Selbstverständlichkeit des Betriebes" wieder einmal zu weit ging. Freue mich, daß Sie, Frau Sand, Herr Sommer und Herr Schneider den Strang hier weitergeführt haben, der Titel "Plädoyer fürs Mittelmaß" geht nicht auf mich zurück und würde mich auch falsch verstehen: Auch das Publikum muß arbeiten, und es muß auch mehr "elitäre Theaterabende" geben: auch das ist meine Überzeugung (siehe das Kersting-Interview in der Deutschen Bühne, Nummer kann ich ggfls. nachliefern), auf die Gefahr hin, den Abend dann nicht zu verstehen !
Zudem entnehme ich Ihrem Kommentar, dass es Ihnen hauptsächlich um die "Schlachtenbummelei" geht. Im Fussballstadion können Sie sich selbst in der Fankurve inszenieren und Ihre Stars auf dem grünen Rasen bejubeln. Auf einen solchen nicht-selbstreflexiven Starkult lege ich im Theater-Kontext allerdings keinen Wert. Denn das Starsystem folgt allein kommerziellen Interessen.
Schließlich würde ich von Ihnen gern noch näher ausgeführt bekommen, inwiefern Sie die Oberender-Aussagen zur Kehlmann-Debatte für kontraproduktiv halten. Ihre Haltung wird da nicht ganz deutlich. Auch das Kersting-Interview müssten Sie genauer erläutern, um verständlich zu machen, um was es Ihnen hier eigentlich geht.
66.: Es geht um die Solidarität mit allen am Theater Beschäftigten. Wie weiter oben bereits benannt, dürfen hier eben gerade nicht Menschen gegen Menschen ausgespielt werden. Nur wenn sich alle gemeinsam ihrer Lage bewusst werden und gemeinsam kämpfen, kann sich etwas verändern. Ein Theater ist wie eine Fabrik, welche ohne die Spezialisierung von Arbeitsaufgaben innerhalb eines Produktionsprozesses nicht funktioniert.
stimmt! Gesagt sei nur, dass hier ein paar wenige versuchen, über das heutige Theater zu sprechen. Das ist gut. Und wird auch gut gemacht. Bloss, die, die hier sprechen (resp. schreiben) füllen die Theatersäle nicht. Daher ist "wuppertaler im exil, Nicht registriert" auf der richtigen Seite. Lasst uns alle dem Oberbügermeister Jung aus Wuppertal den Hinweis geben, dass KULTUR endlich nicht mehr zu einer "freiwilligen" Aufgabe der Städte mutiert. Venceremos!
Zudem, dass der "Tod" der Theater nicht das System retten kann, das genau ist doch der Punkt. Es wird ja immer suggeriert, dass in Krisenzeiten auch an der Kultur gespart werden müsse, obwohl diese wohl kaum zum Platzen der Finanzkapitalblase beigetragen hat.
Im Übrigen ist Ihre Aussage, dass Menschen sich nicht gemeinsam ihrer Lage bewusst werden, eine Setzung. Man könnte ja auch mal wieder die Denkrichtung ändern und behaupten, dass man zu besseren künstlerischen Resultaten gelangt, wenn sich alle an einer Produktion Beteiligten darüber bewusst werden, dass sie in einem gemeinsamen Boot sitzen. Erzwungene Macht- und Herrschaftsansprüche Einzelner, welche sich nicht mehr für die Gesamtheit aller Bürger einer politischen Gemeinschaft bzw. für die Gesamtheit aller am Theater Beschäftigten verantwortlich fühlen, sollten in Frage gestellt werden.
Schließlich halte ich Ihre These einer monopolhaften "Deutungshoheit" darüber, was Theater sei, selbst für ideologisch. Demgegenüber würde ich sagen, dass das Theater sich in seinen Formen und Inhalten ebenso wandelt wie der es umgebende gesellschaftliche Kontext. Es geht um Entwicklungsprozesse, nicht um Dogmen.
Liebe Frau Sand -zunächst nur zu Ihnen- !
Daß Sie das, was ich schrieb oder auch nur andeutete bzw. fragte, so lesen können, daß Ihnen dazu die "Vereinnahmung Andersdenkender" oder der Begriff "Meinungsführerschaft" einfallen ... und welch Licht das so auf mich werfe, und daß Sie aus "Schlachtenbummelei" so einen Popanz von Feindbild aufblasen, sorry, das mag fernerhin Ihre Sache bleiben; ich empfinde das als außerordenlich aggressiv und meinen Zeilen schlichtweg unangemessen !
Gut, ich freute mich "naturgemäß" ,auf meine persönlichen Annährungen und Gedanken zum Thema -wie ich es auffaßte- weitergehende Sichtweisen, Vertiefung und auch -durch Sie "indirekt"- Skepsis zu vernehmen: mehr hatte meine "Aufzählung" jener "Namen" beileibe nicht vor; währenddessen meine offenbare Einmischung in Ihre Zeilen an "Sommer" in der Tat nur meiner Unerfahrenheit mit dem Medium geschuldet ist. Sollte ich hier Regeln verletzt oder mir Raum angemaßt haben, so tut mir das aufrichtig leid.
Allgemein:
Das besagte Kersting-Interview, das ich hier nicht referieren werde, befindet sich in der dritten Nummer der "Deutschen Bühne" des Jahrganges 2006 (mit dem Schwerpunkt "Theater der sozialen Aufmerksamkeit").
Es spitzt sich zu Sätzen zu wie "Und wenn dann diejenigen, die jetzt noch auf das Theater achten, dort dieselbe vulgäre Quotenästhetik wie im Bezahlfernsehen finden, werden sie sich abwenden. Das Theater muß sich darüber klar sein, daß es das Medium einer Minderheit, einer Elite ist. Es muß sich um die bemühen, die über die Intelligenz, den Geschmack, die Bildung, die Zeit und das Geld verfügen, um sich mit theatralischen Mitteln sinnvoll mit der Welt auseinanderzusetzen."
Wohlgemerkt, ich hatte überhaupt nicht vorgehabt, ein "Plädoyer für das Mittelmaß" zu halten, wurde ich da vereinnahmt mit der Zugabe dieses "Titels" ?? -das fragt sich dann komischerweise keiner...?-da sich dieses in der Tat von selbst einstellt und realistischerweise eben auch nicht alle zwei,drei Tage große Würfe entstehen -weder in freieren Gruppen noch in Ensembletheatern eigentlich-(und dennoch ist eben eine breite Mitte die beste Grundlage dafür, daß Spitzenleistungen erbracht werden können und andererseits niemand ausgegrenzt und abgehängt wird) ich sehe sehr deutlich das Problem der "Abiturstücke" rauf und runter, der Liederabende, der Forderung nach "schönen, gewissenberuhigenden"
Theaterabenden, sehe aber nicht minder auch das, was Kersting ebenfalls anspricht, die Tendenz in zahlreichen neueren Stücken bzw. Produktionen gewissermaßen Ideologien zu bebildern, das Stück zum Bestseller, zur "Zeitgeistsau", die durch das Land getrieben wird ("Machen wir mal was zur Integration") oder das Stück zum Mitleiden (mit den Erniedrigten und Beleidigten) zu schreiben; und das zielt dann schon auf die Frage, wann "uns" so zum letzten Mal ein Abend richtiggehend getroffen, infragegestellt, beunruhigt hat,
ja, welche Abende es überhaupt noch riskieren, möglicherweise ein Publikum vor unbequeme Jetztzeit-
befunde zu stellen quasi Aug in Aug ... durch das Spiel
(ein alter Schlegelbegriff vom Schauspiel: "Die praktische Reflektion des Menschen seiner selbst").
In den Stücken von Simon Stephens beispielsweise finde ich dergleichen, was bei Kersting als "Spur des Menschlichen" (der Titel des Interviews ...) erscheint; auch ein Stück wie Lutz Hübners "Für alle das Beste" ist ein gutes Beispiel für heutige Spielchancen für die Theater.
Freilich wird dann wieder jemand einwenden: Komm zum Punkt, und es geht doch um die Schließung von Theatern !!
Ja, geht mir auch darum; und ich habe zumindestens die Kommentatoren "Sommer" und "Schneider" so verstanden, daß sie meinem Gedankengang dieses Bemühen auch "zubilligen" -was Frau Sand offenbar nicht so recht tut-.
Herr Oberender hat in dem Interview mit Peter Michalzik sinngemäß gesagt, "man" müsse (bis auf wenige Ausnahmen) nach Antwerpen oder Riga fahren, um Schauspieler agieren zu sehen, die als erwachsene Menschen behandelt werden, um dann auch wie erwachsene Personen vor erwachsenen Personen (dem Publikum) zu spielen. Ich stellte daraufhin nun an verschiedenen Stellen -wohlgemerkt- die Frage (!), ob dergleichen nicht dazu führen könne, streichungswilligen Politikern wunderbar als Vorwand zu dienen, ihre unverantwortlichen Vorhaben in die Tat umzusetzen (wenn Sie denn überhaupt auf derlei "Vorwände" meinen greifen zu müssen, denn es ist fraglich, ob noch so stichhaltiges Argumentieren in dem einen oder anderen Fall wirklich geholfen hätte haben können, es waren ja auch nicht irgendwelche besonderen "Piefbuden", die da so geschlossen worden sind -ua. das Schillertheater in Berlin und das Kleist-Theater in Fankfurt/Oder - , und ob die Qualitätsfrage da ernsthaft erwogen wurde...).
Im übrigen schätzte ich die Lage für das deutschsprachige Theater auch günstiger ein, bei allen Problemen; und dann freue ich mich schon aufrichtig, wenn an einem so ständig bedrohten Haus wie Rostock ein Abend wie "Alles offen" so außerordentlich gut gelingt, um nicht immer nur diesen Abend in Weimar zu erwähnen ... und sehe meine "Schlachtenbummelei", die alles Andere ist als Starkult, bestätigt (zum Begriff des "Schlachten" (war ja auch ein Theaterabend)-Bummelns gehört dann in Rostock freilich auch das Bummeln (z.B. ein Spaziergang von Warnemünde nach Graal-Müritz oder eine Fährfahrt nach Gedser (auf Falster)): Theaterausfahrten -ein wenig am auswärtsspielreisenden Fußballanhänger orientiert- sind eine feine und ernsthafte Sache zugleich (und es dürfen natürlich alle wieder vollmundig mit allerlei Fußballanalogien kommen, aber dem Bandido wird seine ganz harmlose gleich um die Ohren gehauen: Frau Sand, fragen Sie lieber den Khoun, warum er sich beim DT-Antritt über eine etwaige Wahlentscheidung zwischen Hertha und Union ausläßt, hätte ja auch Türkyemsport, Babelsberg, Cottbus oder -der Gysi saß ihm gegenüber, nahe lag das ja- Dynamo (der Nordosten gefällt ihm doch so gut ...) erwägen können; also kommen Sie dem mit "Ihrem" Starkult) !
Und, warum ich den Kersting-Artikel noch erwähnt hatte, neben der hier im Theater-Schließungsstrang schon desöfter gefallenen "Elite-Problematisierung", war seine Stellungnahme zu allerlei Aussagen , die herbeigeschworen wurden, um das Schillertheater zu retten, Kersting: "Theater sei eine "Form des Einspruchs gegen den Gebrauch der Macht." Theater sei "Erhaltung der Utopiefähigkeit", sei "Schutz vor den Verletzungen des Geistes und des Körpers", sei "moralische Lehre", sei "Eingang ins Zwiellicht des Verborgenen und Unerreichbaren", sei "Überlebensversuch"- also das sind wirklich die Nachklänge einer postmodernen Beliebigkeit: Alles, was einmal mit dem Glanz des Hohen, des Edlen und des Hehren verbunden war, das wurde hier zusammengepackt." ... (und kurz später setzt Kersting hinzu):"Und im übrigen: Kein Politiker läßt sich heute noch von solch hohlen Formeln beeindrucken und davon abhalten, das nächste Theater zu schließen."
Die Gefahr, die im Kersting-Text offen zutage tritt, nämlich die letztlich hilflose Verwendung recht beliebiger Parolen, auf die eben kein streichungswilliger Politiker hören wird, ist vermutlich in sehr vielen gutgemeinten Aktionen gegen Theaterschließungen überaus real; die Verbindung zur Formel der "Schrumpfform linker Ideologien" ist dann auf unangenehme Weise schwer abzuwehren ... .
Die von Ihnen genannten Formulierungen von Kersting, was Theater heute sein könne, empfinde ich nicht als hohl und beliebig. Die Zeiten haben sich gewandelt, in denen das Theater mit linken "Parolen" ideologisierte. Ich halte es für falsch und dem heutigen Gesellschaftskontext auch völlig unangemessen, das Theater als Medium der Imitation oder Antizipation von Politik sehen zu wollen. Nein, die Kunst IST die Politik, insofern sie neue Denk- und Erfahrungsräume des Politischen eröffnen kann. Politische Agitation findet auf der Straße statt.
Frau Sand !
Was "überlang" ist, das wissen Sie offenbar für alle anderen Personen gleich mit; ob die auch anders denken als Sie ??, das denken Sie dann vielleicht auch gleich mit.
Geht mir persönlich, das stimmt, schon etwas allgemeiner nicht "nur" um die Schließung eines bestimmten Theaters; im übrigen wäre es ganz fair von Ihnen, von mir als Frage aufgeworfene Dinge auch dementsprechend zu behandeln und nicht mit allem anderen auf der Suche nach einem "Fokus" zu vermengen, um dann das von mir -ua. Ihnen- zur Antwort (vielleicht zu lang, sei es drum, hier besteht die Möglichkeit, auch umständlich zu schreiben) Gegebene willkürlich -geradezu nach einem Zwangssystem- zu einer Masse einzudampfen, um dann wiederum im Grunde garnicht auf das von mir Gefragte bzw. Geschriebene mit einiger Sorgfalt einzugehen: stattdessen halt wieder der nächste "Gassenhauer": Es ginge mir wohl um Selbstdarstellung.
Wenn aber Sie derlei Gassenhauersprache für angebracht und angemessen und nicht-anmaßend halten, dann wird die "Datenautobahn" an dieser Stelle halt doch sehr schnell zu einer Art "Straße politischer Parolen", wobei ich hinzufügen muß, daß Kersting in dem Text auf die Beliebigkeit dieser Formeln hinweist; und darin stimme ich ihm zu. Die Konsequenzen, die Sie mir in den Mund legen -von allerlei Antizipation und Imitation des Politischen ...-, sind nicht zwingend; die Dramatiker bzw. Dramen, die ich heranzog, sind wohl auch schwerlich in diesem Sinne zu begrenzen. Geben Sie sich mehr Mühe, Frau Sand, Sie hätten auch meinem Verweis zu den Kehlmann-Diskussionssträngen verfolgen können, dann müßte ich mich jetzt nicht annährend wiederholen. Sie geben anderen Personen ja auch Leseempfehlungen; Sie hätten also das Kersting-Interview ebensogut lesen können wie 123 nun den TdZ-Artikel von Ihnen anempfohlen bekommen, vielleicht ja auch schon längst gelesen hat.
Zu 123:
Sie werden mit dieser Phrase von der "leidigen Glorifizierung des Mediokren" -wohlgemerkt, "Plädoyer fürs Mittelmaß" wurde mir beigegeben- schlicht und ergreifend mindestens den drei Theaterabenden, die ich hier stellvertretend für viele andere nannte, schlichtweg nicht gerecht, ... ich hoffe, um es kurz zu machen, daß Ihnen das irgendwann zu Bewußtsein kommt.
@ Bandido: Es ging darum, dass die Länge Ihrer Kommentare das Verständnis nicht unbedingt befördert, jedenfalls für mich nicht. Vielleicht verstehen andere Sie ja besser. Auch kann ich auf Ihre Kommentare nicht genauer eingehen, weil Sie nicht ausführen, worum es Ihnen bei der Nennung der Inszenierungen in Rostock und Weimar bzw. der Stücke von Stephens und Hübner eigentlich geht. Da fehlt mir der Fokus, auf welche übergeordnete Thematik Sie damit hinaus wollen.
Zudem komme ich nicht eben mal an die "Deutsche Bühne" Jg. 2006 heran und kann daher auch nicht besser nachvollziehen, was genau Sie an dem Kersting-Interview für unterstützens- bzw. für kritisierenswert halten.
Was an meinem Begriff der "Selbstdarstellung" allerdings so gassenhauerisch sein soll, dass entzieht sich meinem Verständnis. Ich hatte bloß den Eindruck, dass es Ihnen hier gar nicht um das Theater geht, sondern um Ihre eigene persönliche Situation, welche Sie auf den heutigen Bühnen zu wenig berücksichtigt finden. Und schließlich sind das eben doch ästhetische Fragen und darum sollte es beim Thema der drohenden Schließung von Theatern gerade nicht gehen, denn die Kunst ist frei.
wie ich sehe haben sie sich schon in viele andere diskussionen verstrickt...
ich wollte zu dem was sie da schrieben auch kaum noch etwas sagen, ärgerte mich dann aber doch darüber, dass sie es "bedenklich finden" wenn ich heiner müller in diesem zusammenhang zitiere... ich zitiere also falsch.
das gegenteil ist richtig. im vollen satz heißt es darüberhinaus : "die künstler sollten in sich gehen und warten..."
wie finden sie denn die tatsache, dass b.brecht zu beginn seiner arbeit eine art von arbeitertheater vorschwebte und praktizierte. die schauspieler arbeiteten nebenbei um ihr leben zu finanzieren.
der festangestellte schauspieler ist also erstmal eine maßnahme des bürgertums woraufhin der schauspieler verbürgerlichte und von da an (meistens) in einer welt lebt, die mit der normalen arbeitswelt recht wenig zu tun hat. zudem wurde er in ein haus gesperrt und war von da an vom zuspruch! des bürgertums abhängig.
warum muss theater immer in solchen seltsamen häusern stattfinden?
wäre es nicht sogar hilfreich für einen schauspieler und regisseur sich unabhängig vom zu oder widerspruch machen zu können... dass man also die situation vermeidet, dass nichterfolg zur existenzbedrohung wird.ist nicht erst dann wirklich "kunst" möglich weil sie erst dann ein ernsthaftes,freiwilliges!, interesse voraussetzt?
man könnte doch in diesem zusammenhang vom jetzigen theatersystem auch von einer hochsubventionierten unterhaltungsindustrie reden. aber dann sollte man auch ehrlicherweise damit aufhören immer so moralisch den deutschen künstler zu schützen. der setzt sich sowieso durch wenn er es ernst meint mit sich.
Brechts inhaltliche Verortung im marxistischen Diskurs ist mir natürlich bekannt, aber hier stellt sich für mich die Frage, ob man im aktuellen Kontext überhaupt noch ungebrochen von der kommenden proletarischen Revolution sprechen kann.
Ausserdem, Ihre Idee in Ehren, aber ich würde sagen, dass das heutige Theater nicht ohne eigens dafür ausgebildete Schauspieler und weiterhin am Besten im abgeschlossenen Raum funktioniert. Das hat für mich auch nichts mit Ihrem altbackenen Feindbild des "Bürgertums" zu tun. Sie sind doch auch Bürger der Sie umgebenden Gesellschaft, oder?
Schließlich, lassen wir die vierte Wand lieber stehen, denn, Zitat Carl Hegemann: "Ich glaube der Wunsch, die vierte Wand zu durchbrechen, ist auch ein narzißtischer. Regisseure, die nicht nur auf der Bühne inszenieren wollen, sondern über die Bühne hinaus wirksam sein wollen, sind noch narzißtischer als Regisseure gewöhnlicherweise schon sind." Also nicht sozialistischer Realismus, sondern Realität, welche über den Prozess des Spiels auf der Bühne allererst hervorgebracht wird und alternative Denkräume des Politischen eröffnet (wie oft soll ich das noch schreiben, bis es stimmt ;-).
@ 123: Jetzt werden Sie bitte nicht naiv. Warum plötzlich diese unreflektierte Vorwandhaftigkeit in Ihrer eigenen Argumentation? Damit entlarven Sie sich nur selbst in Ihrer eigenen Intoleranz und Ihrem fehlenden Respekt gegenüber Andersdenkenden. Zudem folgt die Oper doch weniger dem Prinzip der Repräsentation, als vielmehr dem Gefühl (Musik, Gesang). Gegen die reine Vernunft, mehr Emotion!
-123 und Frau Sand, ich werde mich zu Ihren neueren und für mich immerhin wohltuend als "freundlicher" empfundenen Einträgen an mich noch gesondert -und möglichst fokussiert- befassen, ... muß aber gleich zur Nachtschicht, und auf dem Fußweg zu ihr gingen mir Ihre "Fabrik" und Ihre "Geige" nicht aus dem Kopf-
"Extrakt" aus Dostojewskijs "Dämonen" in etwa:
Titel: "Das Werchowenskij-Gambit" oder "Eine Geige namens "Pollesch"
Motto: "Shakespeare, was sollen wir mit Shakespeare, was die Leute brauchen, das sind Schuhe, also gibt es ab morgen nur noch Schuhe"
Theater sollten sich wohl in der Tat mehr miteinander kurzschließen und solidarisieren: Mag sein, daß die nicht streiken dürfen: Aber Stücke ab- oder aussetzen und andere spontan ansetzen, das können sie: Also: man könnte ja auch an allen Stadttheatern eine "konzertierte Aktion" starten und überall versuchen, nur noch Pollesch-Abende spielen zu lassen -bis die Wuppertaler Streichungs- und Schließungspläne vom Tisch sind. Das würde dann gewiß auch nicht lange gut gehen, ... man würde aus allen möglichen Städten der Republik Politiker immer dringlicher auf die Verantwortlichen in Wuppertal einreden hören: "So laßt dann halt die Finger weg vom Schauspiel, ist eh unfair gegenüber einem neuen Intendanten, dann haben wir den Pollesch wieder in Berlin, wo er gut ist, und hier, wo er mittelmäßig ist, haben wir ihn vom Hals."
- Frau Sand: Auf "Schuhe" kam ich im Zusammenhang mit fabriktechnisch hergestellter Alltagsware; in Dostojewskijs "Dämonen" sagt diesen Satz Piotr Werchowenskij zu seinem "altliberalen" Vater. Und ich will auch nicht ernsthaft, daß überall Pollesch gespielt wird, zumal seine Stücke wohl an ihn gebunden sind ...,
ich wollte die Frage in den Raum stellen, ob es eine ernsthafte Solidarität der Theaterhäuser untereinander gibt oder an dieser Stelle wirklich jeder lieber sein eigenes Süppchen kocht; und ich wollte, ein wenig naiv im Vorschlag sicherlich (aber der ließe sich möglicherweise, um einmal Druck auf die Politik aufzubauen, -z.B. auf NRW-Theater begrenzt und nicht unbedingt mit "Pollesch"-Stücken als "Waffe"-modifizieren -zudem wollte ich mal eine Geige im "Sumpf" etwas anders aufbauen, mag sein, "selbstdarstellerisch") wieder auf Wuppertal und auf die Frage zurückkommen, was wir alle (als Einzelne und/oder sich/einander Findende) tun könnten, um da ganz konkret zu helfen !
Mitunter erscheint es mir ja eher so zu sein, daß sich die Häuser in etwa so beäugen wie die antiken griechischen Stadtstaaten !
Ich denke jedoch, wir (!) täten gut daran, unverantwortlich agierender Politik ein starkes Zeichen zu setzen: unter der Zurückstellung sonstiger theaterpolitischer Interessen (vom "konservativen Backlash" wie es an anderer Stelle, einem anderen Thread, heißt, bis zu den Aktivitäten der sogenannten "Gießener Schule" (die aber wohl doch überall irgendwie Postdramatik sehen will, ... oder).
Und dass jedes Theater sein eigenes Süppchen kocht, das ist kein Geheimnis. Finde ich auch schade. In der umgebenden Gesamtgesellschaft verhält es sich für mich allerdings genauso. Irgendwie kocht doch auch da jeder sein eigenes Süppchen, indem er zum Beispiel den eigenen Arbeitsplatz ängstlich gegen die Konkurrenz verteidigt. Dabei könnte man sich ja auch solidarisieren und eine gerechtere Verteilung von Arbeit und daran anknüpfender Entlohnung als politische Forderung aufstellen. Ein immer größer werdender Anteil von Menschen arbeitet in prekären Jobs, wohingegen andere das Geld für sich arbeiten lassen, woraus dann diese komischen Seifenblasen entstehen, welche natürlich irgendwann zerplatzen müssen und alle anderen mit sich in den Abgrund reissen. Finanzkrise und Casinokapitalismus. Man könnte sich weiter fragen, in welchem Verhältnis Profit und Verlust hier zueinander stehen bzw. wie diese Parameter in Bezug auf alle Bürger einer politischen Gemeinschaft verteilt sind. Wenn der Anteil der Anteillosen immer größer wird, na dann gute Nacht. Raus aus dem Topf!
ganz ehrlich...ich hab jetzt keine lust mehr groß inhaltlich zu diskutieren. auch nicht mehr mit ihnen herr sand. die argumente wurden ausgetauscht und damit gut.
mein gefühl sagt mir nach wie vor, dass es falsch ist so zu produzieren...für diese art von publikum zu produzieren...und nur wegen panikatacken aus sorge um die eigene existens werde ich für diese form theater zu machen nicht demonstrieren oder mobil machen.
es gab mal einen aufkleber da stand drauf "theater muss sein". ich glaube theater ist freiwillig.
hört sich irgendwie positiver an...lustvoller...kreativer.und so kam ich auch dazu; im grunde aus notwehr gegenüber allem was mich störte.
und wenn das bei mir nicht da ist, wenn da nur UAs von uns jungen gemacht werden sollen, wenn da angefangen wird zu vermarkten oder für die kantine oder die "Theater Heute" zu produzieren kann ich eh nicht arbeiten.
also s..... drauf!
- Frau Sand !
123 hat etwas zu einer Geige im Sumpf geschrieben, und ich habe dieses Bild gewendet: Wenn Sie das nicht zu lesen verstehen, wird es schwierig. Die "Dämonen" passen da wirklich vortrefflich, zumal "Ursache" und "Wirkung" in dieser Debatte manchmal sehr merkwürdig durcheinandergehen: Durch das "theaterpolitische Milieu", in das ich mich zu meinem Eingang in diesen "Thread" leidlicherweise wieder einmal - siehe Kehlmann! - versetzt sah (im übrigen begann bereits Herr von Treskow, sich (meineserachtens) zurecht entschieden gegen das Stadttheater-Bashing auszusprechen, das sich schon sehr früh in diesem Strang abzeichnete) entsteht so ein Grundgefühl, nach dem "man" seine Brille sich zweimal aufsetzt ... .
Glauben Sie ernsthaft, dem Wuppertaler Theater solidarisch gegenüber sein zu können, indem Sie sich lieber so verhalten, wie es sonst so üblich ist, also z.B. wie bei Zehntausenden, die im Stadion, und Millionen, die vor den Bildschirmen, einem perversen Totenkult huldigen...???: gerade gegen diese Üblichkeiten haben Sie doch zuvor geschrieben - ... und da soll einer nicht auf die
"Dämonen" kommen (aber kurz nach dem TdZ-Artikel, den Sie erwähnten, läßt sich Showcase beat le Mot über das "satanische" Medium Theater aus ...: also wiederum, warum darf nur der "Bandido" nicht ??).
- Herr Sommer !
Fände ich auch schade, wenn Sie jetzt gehen, zumal Ihre Argumentation ja nicht tot wäre, wenn zuvor das Wuppertaler Schauspiel gerettet sein würde (was natürlich ein wenig übertrieben erscheint, daß dergleichen aus diesem Thread heraus bewerkstelligt werden könnte ...). Aber ganz wasserdicht ist das "Lieschen-Müller"-Argument nun auch wieder nicht: Was soll eine Hartz-IV-Empfängerin mit dringenderen Problemen sich mit Theatern bzw. deren Schließung beschäftigen, hat ja sonst nichts mit ihr zu tun ...: also das ist barer Utilitarismus (wenn das "Sommer"-Theater, das dann gewissermaßen nach dem Stadttheater zu denken ist, so ansetzt, dann ist mir die größte Stadttheater-Piefbude lieber): Haben auch die meisten Menschen nichts mit höchstseltenen Krankheiten zu tun, ob Ackermann oder Hartz IV, haben diese Krankheiten nichts mit dem Alltag der allermeisten Menschen zu schaffen im Grunde; dennoch wird zum Glück - aufwendig und teuer und Fortschritte erzielend in diesem Zusammenhang geforscht ... .
Wie entstehen eigentlich solche "Weltbilder", ohne noch den einzelnen Menschen dahinter sehen zu wollen? Sie entstehen über Projektion der eigenen ideologischen Sicht auf Andere, ohne dass man sich tatsächlich mal mit den Argumenten der Anderen auseinandersetzt. Pollesch parodiert diese ideologischen Blickschranken, indem er schreibt: "Du hast ein ganz anderes Leben / und das macht mich fertig!" Ja, respektieren Sie die Differenzen zwischen allen Bürgern einer politischen Gemeinschaft, welche trotzdem für dasselbe Anliegen kämpfen können. Wenn Sie die Beziehungen zwischen Menschen allein von deren Liquidität abhängig machen, dann betrachten Sie sie allein vom monetären Gesichtspunkt ausgehend. Aber genau dagegen wollen Sie doch angeblich ankämpfen, gegen diese Prägung unserer Beziehungen allein durch materielle Werte. Ich finde, das klingt paradox, aber machen Sie ruhig weiter so. Solidarität funktioniert so allerdings gerade nicht, wenn Sie hier von vornherein manche Menschen von der bürgerlichen Fähigkeit zur Solidarität ausgrenzen wollen. Wechseln Sie doch mal wieder die Denkrichtung!
Das Showcase Beat le Mot-Interview habe ich übrigens auch gelesen. Da wird das Satanische allerdings mit "Uneindeutigkeit" verbunden, das heisst, dass sie sich als Performer eben gerade nicht auf eine Seite (zum Beispiel die kapitalismuskritische) schlagen. Sie arbeiten mit Begeisterung für "das Böse", distanzieren sich aber zugleich davon. Lesen Sie genauer!
2.-wo das "Kontraproduktive" so lauert
1: -Liebe Frau Sand !
Gegen den Eindruck, daß Sie und ich ganz offenkundig Texte anders lesen, anders verstehen, kann ich nichts sagen: das ist wohl so.
"Uneindeutig" und "Satanisch", bedingt einander dergleichen ?, finde ich gerade nicht ...; vermute sogar, daß eher wirkliche Ideologen bzw. Dogmatiker derlei Zusammenstellungen begünstigen oder dabei verkrampfen. Mich betrifft das nicht ! Und von "Wir-Arbeiter" und "Ihr-Bürgerlichen" war bei mir nicht im Ansatz die Rede: das ist ein Sturm im Wasserglas, den Sie da entfachen, schade, denn ich vermute nach wie vor, daß uns eines verbindet: daß es uns um diese Theaterschließung geht !!
2.: - Lieber "Wuppertaler im Exil" !
Als Sohn eines Exil-Bulgaren verstehe ich Ihr Diktum "Lieber Herr Treskow, ... es lohnt sich nicht... !" nicht.
Erstens denke ich, daß es nicht eine Intendantin, nicht einen Intendanten hierzulande gibt, der auf nachtkritik de. eines Vorkosters bedarf.
Zweitens finde ich es befremdlich, den Begriff des Kontraproduktiven (den ich nicht gepachtet habe) hier und angesichts eines Diskussions- und Themenannährungsstranges (wie ich ihn auffasse) zu finden und nicht zu all den "Oberendereien" ("Flohbär" läßt sich im Kehlmann-Strang beispielsweise auch dazu vernehmen) im Umfeld.
Dabei ist vermutlich gerade Ihr pragmatischer Ansatz vonnöten, nach dem der Bürgermeister von Wuppertal in der Tat einen politischen Druck erfährt, am besten von mindestens allen "Ruhr-Intendanten" -insofern ist der Hinweis auf Gewerkschaften in diesem Thread ganz angebracht, denn was dergleichen Drücke auf Politiker angeht, können Theaterleute vermutlich dort einige Dinge lernen !, und, um sich einen Lokalpolitiker so vorzustellen, mag "man" ja noch einmal den "Wallenstein" von Rimini Protokoll befragen, auch, um da nicht ganz so hasenfüßig reinzugehen, wie es mir bislang allenthalben vorkommt.
In meiner Lesart zielen Showcase Beat le Mot aber auf etwas anderes ab. Sie wollen den Zuschauer nicht von vornherein in der Sicherheit eines ideologisch eindeutigen Weltbilds wiegen, nach dem Motto: Diese religiöse Sekte ist böse und wir entlarven das. Sondern sie zeigen das Absurde solch totalisierender Weltverbesserer, welche das Böse als ein Mittel sehen, um das Gute herbeizuführen. Erzieherisch betrachtet, wären das die Schläge als Strafe, welche angeblich nur aus Liebe zum Kind erfolgen. Politisch gewendet, wäre das der deutsche "humanitäre" Kriegseinsatz in Afghanistan, über welchen demokratische Strukturen herbeigebombt werden sollen. Ähnlich verhält es sich mit Obamas Friedensnobelpreisrede ("Das Böse existiert in der Welt"), wonach Krieg ein notwendiges Mittel der Politik sei und die Bewahrung von Frieden und Recht die Anwendung von Gewalt rechtfertige. Ich würde stark bezweifeln wollen, ob das wirklich die richtigen Strategien sind.
Deweiteren frage ich mich, ob Ihr Anliegen der Rettung der Stadttheater nicht vielleicht doch nur ein verschleiertes Argument ist, um für mehr gesinnungsrichterliche Kehlmann-Ästhetik zu plädieren. In diesem Falle möchte ich mich nicht mit Ihnen solidarisieren, denn wie gesagt, die Kunst ist frei und autonom.
Liebe Frau Sand !
"Lagertheorie": das war so ein Begriff von Heiner Geißler ..., zielte damals auf die beiden Volksparteien (plus Anhängsel)
ab; ich bin zwar orthodoxer Christ (wie nicht wenige Bulgaren), aber das hat nur wenig mit dem zu tun, was Sie hier -noch nicht einmal Westroms Christen annährend gerecht werdend, könnte ich ein wenig frotzeln- so mutmaßen. Überhaupt kommt da jetzt allerhand zusammen: "Selbstdarsteller", "Unreflektierter Starkult-Anhänger", "Jemand, der sich und seine Probleme im Theater nicht behandelt findet", "Klassenkämpfer", "Bush-Christ". "Showcase" mögen ebenso berechtigt auf "Ihr" Satanisches kommen wie ich ganz harmlos und legitim zu meinem Zitat aus den "Dämonen" gekommen bin , - angesichts Ihrer Einlassungen wäre mir es jetzt allerdings lieber, das hätte im "Jüngling" gestanden, so wie Sie so lesen hätten Sie darin vielleicht ein Kompliment gesehen, weiß der Geier ... .
Allerdings fürchte ich beinahe, ich muß "Showcase" nur in den Mund nehmen und es läuten bei Ihnen allerlei Alarmglocken: das fänd ich dann bedenklich, zumal mir derlei "Alarmglocken" hoch vertraut sind -aus Bulgarien-: Wenn Lieschen Müller da nur ein wenig "Dummtüch" gelabert hat (wie es hier im Norden heißt), dann haben es die Stalinisten einfach nicht fertiggebracht, den gefährlichen Staatsfeind von Lieschen Müller zu unterscheiden (für einige gefährliche Staatsfeinde war das möglicherweise auch eine Art sehr zweifelhaften Glückes...), sprich: es fehlte der Dimmer !!
Nein, ich bin nicht auf Kehlmanns Seite, Frau Sand ...: ich meide weder Stemann- noch Polleschstücke, würde auch "Showcase"-Stücke nicht meiden: mein Wort drauf.
"Obame Dich unser !" Sie liegen da ganz auf meiner Linie, glauben Sie mir: finde ich ganz furchtbar, daß da erst Belgrad halb-platt gemacht wird, um ein Sprungbrett für die jetzigen Kriege zu haben ..., ganz und gar beschämend, welche Rolle das re-militarisierte Deutschland dabei spielt; und dennoch: Ich kann Frau Srbljanovic und Herrn Handke gut zusammendenken:
das können ganz viele hier, ich bedauere auch dies, nicht.
Und zu Pollesch: Ich find den gut ! Obgleich ich Herrn Michalzik -möglicherweise aus fehlendem Einblick- an anderer Stelle eher "angreife", ich sehe es wie dieser: "Dem Pollesch ist es ernst mit dem, was er tut." Und ich sehe Pollesch wie dieser als Romantiker, sogar als "Frühromantiker". Und wenn Sie den zitieren, fällt mir nur eine "Schwärmervariante": "Aber liebe Frau Sand, Pollesch-Zitate sind der größte Feind des Pollesch-Theaters, sind totes Pollesch-Theater, Verwesungs-
rückstände." (Diskurs- , Konkurs-, Diskontkursmasse)
Und warum sollten bei mir in Bezug auf Showcase denn die Alarmglocken läuten? Entweder, Sie verstehen mich nicht oder Sie lieben es, einem die Argumente im Mund herumzudrehen. Ist doch alles nur Spiel und verweist zugleich auf die Realität.
Weiterhin, wie kommen Sie jetzt auf dieses Stalinisten-Bashing? Da geht wohl einiges durcheinander in Ihrem Kopf, oder?
Schließlich, wenn jetzt schon die CDUler den Pollesch gut finden, dann ist der jetzt wohl tatsächlich bereits zum harmlosen Hofnarren mutiert bzw. wird auf diese Weise von den CDUlern vereinnahmt. Zitieren heisst denken!
"Bulgarisch-Orthodox" heißt nicht "CDU"
Liebe Frau Sand !
Es tut mir leid, aber der Begriff "Stalinisten-Bashing" bringt das Faß zum Überlaufen: Falls Sie es nicht wissen, die haben Millionen von Menschen bespitzelt, drangsaliert, weggesperrt, ins Exil gezwungen und nicht zuletzt ein "bißchen" umgebracht -um da einen Ansatz von mitzubekommen: Gehen Sie in den "Heimkehrer-Heimwerker"-Abend in Weimar, den ich schon erwähnte (oder lesen Sie zunächst in TdZ 11/09
darüber: auch der Rostock-Abend "Alles offen" wird dort besprochen) oder in "Hundeherz" am bat, wenn das noch läuft (ich fürchte, daß dies nicht der Fall ist, glaube, Horst Rödiger sprach von letzter Vorstellung). Auch meine Familie ist durch diesen, ich habe für die kein anderes Wort, Mörderhaufen immer wieder schwer getroffen worden,... also wirklich: Scheiß auf Ihr "Bashing" !!
"Gesinnungsrichter" und "CDU"-ler kommen jetzt als "Rollenvorschläge" von Ihnen noch hinzu: Mancher Schauspieler würde sich über eine solche Fülle an Angeboten gewiß freuen: Versuchen Sie es bei denen.
Ich habe allerlei versucht; aber das Gespräch mit Ihnen: Davon verspreche ich mir nichts: "Stalinisten-Bashing", geht's noch ?? Hoffe natürlich, noch etwas zu Wuppertal zu vernehmen und werde mich da noch näher informieren. Ich hoffe, Sie werden es ähnlich halten, mache mich jetzt aber mal ein paar Tage rar-zumindestens in diesem Thread.
Zurück zum Wuppertaler Theater.
Liebe(r) "Form/Function" !
Es tut mir tatsächlich leid, daß die "Wortwechsel" mit Frau Sand an dieser Stelle offenbar strapazieren dürften, muß andererseits das "Nichterträgliche" darin wiederum gequält belächeln: Sie sind sicherlich des Quer- oder Überlesens fähig, also machen Sie zur Not davon Gebrauch! Ich kann mir schwerlich vorstellen, immernoch nicht!, daß sich ernsthafte Personen, denen es hier um die Schließung von Theatern oder eines Theaters geht, durch "Frau Sand" und "Herrn Bandido" und ihre etwaigen "Mediokritäten" abhalten lassen, auch an dieser Stelle für Ihre Sache zu kämpfen und einzustehen. Also, warum Leuten eine Schutzbehauptung liefern, sich wieder zu verschanzen, gar Grabenkämpfe aufnehmend. Der Spaten der Diskussion war schon auf Stein gestoßen, bevor Frau Sand und ich hier überhaupt "auftraten": auch das bitte ich zu bedenken. Selbst die Richtung "Stadttheaterschelte", "Theaterreform" (siehe z.B. "Spartenauflösung", "Künstlertheater", "Theatermonopol"), gar "Gewerke gegen Künstler ?", sogar "Pollesch"
fielen vorher. Bei diesem Thema scheint es also ohnehin überaus kompliziert zuzugehen, so daß nach Maßgabe einfacher Ja- und Neinhaltungen -wiederum- schwerlich verfahren werden kann. Ich sehe zwar eine Möglichkeit einer Prioritätensetzung, die wirklich ersteinmal in die Richtung geht, die Politik in die Pflicht zu nehmen (siehe meinen Einwurf an "Sommer"), ... aber eben nur diese ... und noch viel zu vage, das muß ich einräumen. Werde mich also wirklich noch mehr in das Thema einrbeiten, um in der Sache weiterzuommen.
Stellen Sie sich nur vor, Frau Sand und ich wären eigentlich das Oberbürgermeisterpaar von Wuppertal und feixen uns jetzt was ("Wir haben den Thread gewonnen"), und nutzen Sie dann Ihre vermutliche Wut zu mehr, als an dieser Stelle über Form und Funktion nachzudenken, könnte das ja auch im "Andere-über-uns"-Strang passieren: Wieso kurz vor Wuppertal ??
@ Ich: Harald Schmidt findet René Pollesch wahrscheinlich deshalb gut, weil Schmidt eher der unterhaltsamen Revue bzw. der Operette als dem Schauspiel zuneigt. Das heisst, bei Schmidt soll das Publikum - laut SZ-Interview - "voll eingeseift" und "emotional" von der Realität ausserhalb des Theaterraums "weggerissen" werden. Vielleicht findet Schmidt das in Pollesch' Bildern, ohne dabei wirklich mitzudenken und auf den Text zu hören. Denn er ist ja "Musical-Fan", für ihn "ist das Westend und der Broadway maßgeblich." Und für ihn "steht die Kunstfertigkeit der Leute, die auf der Bühne sind, eindeutig über dem Inhalt."
Schließlich, Schmidt wird für seine Enterainment-Qualitäten und seinen Starstatus geliebt. Mehr nicht. Marktradikalismus pur.
-Liebe Frau Sand !
Der "Jüngling" ist auch von Dostojewskij und gehört nicht nach Wuppertal jetzt.
Das mit Handke und Srbljanovic würde zu weit führen, aber was Frau Srbljanovic in "5 Jahre danach" Ihrerzeit in der TdZ über Presseeinseitigkeiten schrieb, das kam
mir dann doch vertraut vor (Handke !).
-Allgemein:
Zwei-Wuppertal-Linien, hmm, finde ich auch nicht sonderlich geschickt.
Was sich aber rausgeschält hat, ist doch vermutlich, daß das Staatsziel "Kultur" im GG vorangebracht werden muß, daß es jene "Strukturentwicklungsplanung" (siehe Beitrag 60) in diesem Zusammenhang leisten muß, gewisse Anachronismen im Stadttheater-
betrieb zu hinterfragen sowie neue Modelle zu entwickeln und zu probieren, daß dies allerdings Zeit benötigt, die Wuppertal jetzt garnicht hat, zumal sich nicht alles von heute auf morgen (siehe laufende Verträge) ändern läßt.
Und Claire (Beitrag 28) und Ödön (mehrere Beiträge in beiden Strängen) liegen meineserachtens richtig:
Es geht bei der staatlichen Finanzierung um die "Freiheit der Kunst", bei staatlicher Förderung der Forschung geht es ja auch um die "Freiheit der Forschung", auch wenn da an Projekten gearbeitet und geforscht wird, für die eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger nicht votieren würde, würde die Mehrheit lieber jeden Monat ein "Begrüßungsgeld" extra erhalten wollen: ist es jetzt undemokratisch, das auszuschlagen
oder undemokratisch -wie in "Manderlay" (Lars von Trier)-, nicht über die Uhrzeit abzustimmen? Es wird im Vergleich mit den Lichtspieltheatern etc. im anderen Strang ja glatt so getan, als hätten diese Institutionen eine irgendwie auch nur annährend ähnliche Geschichte und historische Rolle gespielt wie die deutsche Theaterlandschaft. Die Diskussion ist ua. "historisch verwickelt" ...: das kommt mir mitunter zu
kurz !
Auch das von mir genannte Kersting-Interview läßt da keinen Zweifel aufkommen: Der Staat vernachlässigt schlichtweg eine Pflicht, wenn Theater der öffentlichen Hand geschlossen werden müssen. Ausgaben für Bildung und für Theater gegeneinander auszuspielen, ist absurd: beide Bereiche sind notorisch unterfinanziert !
Was "123" und "Sommer" immer wieder leidenschaftlich
anmerken, ist, glaube ich, sehr wichtig für jene "Strukturentwicklungsplanung" (nach dem Staatsziel !):
Dann nämlich müßten auch zeitnah neue Formen eines Stadttheaterbetriebes ausprobiert werden; dazu öffnet "man" am besten wieder geschlossene Häuser, so sie noch stehen. Auch Hochschulstudenten in Schauspiel und Regie müßten früher die Möglichkeit erhalten, ein Großes Haus zu bespielen (z.B. die Bühne in Karlshorst),
schon um den Zettel derjenigen, die überhaupt Große Häuser zu bespielen verstehen, zu bereichern und dem "Tourismus der großen Regiemarken" entgegenzuwirken.
Peymann in Stuttgart und Bochum, Flimm in Köln, Baumbauer in Hamburg, Stein an der Schaubühne - aber durchaus auch Häuser wie Moers, Tübingen in "ihren Epochen" usw.) und etwas analysiert, erkennt man schnell, was für Eigenschaften und Kombinationen diese Strahlkraft hervorbringen.
Die Stadttheater sind entstanden als Orte urbaner Repräsentation. Sie sind entstanden in einer Zeit, in der das Theater die einzige Darstellungsmöglichkeit dramatischer Kunst (also es gab kein Fernsehen, keinen Film, kein Internet) war und in der ein enormes Bedürfnis urbaner Selbstdarstellung bestand.
Stadttheater sind heute in der Regel Orte, in denen mehr die Angst als die Kühnheit zu Hause ist. Im Zuschauerraum: Der Zuschauer, der mit schlechtem Gewissen von seiner Frau hereingeschleift wird, weil sie auch mal was zusammen erleben sollen, hinter der Bühne fürchtet der Schauspieler den Oberspielleiter, der Oberspielleiter den Intendanten, der Intendant den Verwaltungsdirektor, der Verwaltungsdirektor den Personalrat, und alle fürchten die Politiker, und die Dramaturgen fürchten, daß keiner sie ernstnimmt. Auf der Bühne - vor der Bühne Ängstlichkeit. Dafür geht man nicht ins Theater. Es gibt eine wunderschöne Geschichte über das deutsche Theater in Kasachstan.
Willy Brandt vereinbarte Anfang der siebziger Jahre mit Breshnew die Gründung eines deutschsprachigen Theaters für die deutsche Minderheit in Kasachstan.
Der Gebrauch der deutschen Sprache war dort aber seit Kriegsbeginn verboten - man holte also Bauernkinder aus den Dörfern, lehrte sie in Moskau die Grundregeln des Theaterspiels und schickte sie wieder zurück nach Alma Ata, wo sie mittels phonetischer Umschrift sich deutschsprachige Theaterstücke einbimsten. "Der Zerbrochene Krug" eines Ensembles, das kein Deutsch verstand vor einem Zuschauerraum, der kein Deutsch verstand.
Ja, es ist schade um die Theatervielfalt, aber kann man diese Theatervielfalt wirklich lebendig nennen? Ist das wirklich lebendig, was einem die Spielpläne im Großraum NRW bieten, was einem der zufällige Theaterbesuch an einer beliebigen Bühne dort zeigt?
Ist das meiste nicht Mittelmaß, Kompromiß? Ist es nicht Zeit,daß die Theater und die Theaterleute sich offensiv mit einer völligen Neuorientierung auseinandersetzen, viel flexibler werden (nicht im Sinne von neoliberalen Vorgaben-herrgott,was soll immer dieser Begriff?), sondern sich Gedanken machen über ganz neue Strukturen.Diese Debatte läuft nun über zwanzig Jahre, es gibt Rückzugsgefechte, aber ganz selten neue Impulse (Moers unter Greb mit der Demenzkampagne hat so einen Impuls gegeben, der nicht aufgegriffen worden ist zum Beispiel) - Abnutzungserscheinungen allerorten, Kraftlosigkeit, Suche nach Schuldigen, eingeklemmte Ängstlichkeit! Offenbar gebiert jedes System seine Kreaturen. Könnte man nicht überlegen, ob man jenseits der vier, fünf Leuchttürme die Etats der vielen,vielen nordrheinwestfälischen Stadttheater in einem großen Fond zusammenfaßt und daraus Truppen subventioniert, die herumreisen - vielleicht jede an einen Ort gebunden. Ein paar Operngruppen können auch dabei sein. Und ein kleiner überschaubarer Arbeit aus hochmotivierten Technikern, Requisiteuren, Verwaltern.
Wenn "Flimm" (wer auch immer das ist) das Verhältnis von künstlerischem zu nichtkünstlerischem Personal von 1914 mit heute vergleicht - dann will er (oh Himmel, wieso kann ein Schauspieldirektor, der sich gerade um den Erhalt seines Haus kümmert nicht in Analogien denken?) keine Diskussion anregen über die "gute alte Zeit", sondern über eine gewachsene Disproportionalität, die natürlich nicht nur in finanzieller, sondern auch in künstlerischer Hinsicht die Arbeit extremst belastet.
Der Theateralltag beschäftigt sich hauptsächlich mit den Ansprüchen des nichtkünstlerischen Personals.
Gerade hat mir eine junge Studentin aus dem Lande Brandenburg von ihrer mehrjährigen Arbeit bei einer niederländischen Kompanie als Praktikantin/und dann Requisiteuse vorgeschwärmt - hoch motiviert, verantwortungsbewußt - sie schwebte geradezu: ich weiß ungefähr, wie sie in gleicher Funktion an einem deutschen Stadttheater zermürbt, abgerieben, energielos jetzt aussehen würde.
Alle die professionellen Leser dieser Seite: Erinnern Sie sich an den Enthusiasmus, mit dem Sie nach einem Studium oder einer Ausbildung ein deutsches Stadttheater betraten und erinnern Sie sich, was diesen Enthusismus langsam aufgefressen hat, und haben Sie nicht die vielen Angefressenen und Zermürbten in den Kantinen, die mal mit großer Begeisterung den Beruf begonnen haben? Und dann schaut man in andere Länder mit sehr viel schmaleren Theateretats und erlebt so viel mehr an Leidenschaft auf der Bühne und hinter der Bühne.
Vielleicht ist es an der Zeit über dieses Mißverhältnis mal nachzudenken und daraus Schlüsse zu ziehen und die Krise für eine Neubesinnung zu nutzen.
Guten Morgen!
Ich bin ein Teilnehmer dieser "Wuppertal-Linie" aus dem Publikum, nicht aus dem Betrieb, und ich muß bei den hier geschriebenen Äußerungen über den Betrieb und aus dem Betrieb auf meine Ohren, mein Herz, vertrauen, um für mich dann wieder gewisse Schlüsse zu ziehen (um dann wieder mit etwas grober "Modellbildung") fragend, mitzudenken versuchend zurück zu kommen. Die "Strukturfrage" nach einem ausgeglicheneren Verhältnis von nicht-künstlerischen und künstlerischen Mitarbeitern scheint in der Tat dringlich zu sein. Der Betriebsrat z.B. des Lübecker Stadttheaters (das zu 90 % ausgelastet ist) wird von nicht weniger als vier verschiedenen Gewerkschaften gespeist; und wer den Betriebsrat fragt, der wird von ihm sehr wohl vernehmen, daß er sich sehr wohl dafür (mit-)verantwortlich zeichnet -in der Ablehnung eines hauseigenen Tarifvertrages nämlich-, daß der Intendant nun zu dem ungewöhnlichen Mittel gegriffen hat, den Mietvertrag für sein Haus aufzukündigen; denn in Lübeck ist das Stadttheater Mieter des "eigenen" Hauses. So leidig und unangenehm also diese
Gewerke-Künstler-Debatte zu Beginn dieses Threads war, sie auszuklammern, hieße wohl, nicht phänomengerecht zu diskutieren. Ich sehe allerdings immernoch den "Leistungs- und Zerknirschtheitsstand"
der Stadttheater ein wenig anders als 114/115, was wohl vergleichbar mit der Tatsache sein könnte, daß meine Frau mich keineswegs ins Theater schleift: ich habe gar keine; dafür habe ich meine theaterfernere Mutter ein wenig dafür interessieren können -gerade darin liegt auch die Chance des Faches "Dastellendes Spiel", daß Kinder auf diese Weise ihre Eltern "anfixen"-. Auch sehe ich desweiteren das mit der "historischen Verwickeltheit" der deutschen Theaterlandschaft anders als 114/115 (ein Stichwort dabei ist ua. die Entwicklung einer einheitlichen deutschen Amtssprache, die durch das Theater angeregt und entwickelt wurde). Davon ganz zu schweigen, daß all jene Sachen, womit sich Städte und Regionen heute so hervortun meinen zu müssen,... ich erinnere nur an die versenkten Millionen eingangs der Debatte, desmeist ungleich teurer geraten als es das propotionskränkelndste Stadttheater jemals könnte. Die Politiker für solche "Fonds" wie in den beiden genannten Beneluxstaaten
dürften hierzulande auch nicht von den Bäumen abzupflücken sein; ... es geht Zeit ins Land und weitere Theater sind geschlossen; darauf läuft es jetzt hinaus: und daß die Lage ernst ist, wenn in Köln es so vernünftige Ansichten wie die Frau Beiers so schwer haben oder ein Haus wie Lübeck so ungewöhnliche, eigentlich garnicht so feige, Schritte einleitet, liegt immer mehr auf der Hand.
Gerade weil Ihre Beiträge (und die von "bandido") in dieser Debatte einen Qualitätssprung einläuten, hätten Sie allen Grund, Ihren Klarnamen zu nennen. Leider ist es meistens so, dass hier Leute von Ihrem Recht der Meinungsfreiheit Gebrauch machen, ohne für die Folgen ihrer Äußerungen einstehen zu wollen. Sich an dieser Stelle mit Klarnamen zu outen, ist eine Frage der demokratischen Reife. Anonymität befördert eine Heckenschützen-Mentalität, die die Debatten ausufern und verlottern lässt.
man kann von einer Braut enttäuscht sein, weil sie einen zurückgewiesen hat, aber auch weil sie sich nicht verändert oder weil sie sich unangenehm verändert hat.
Die Versuche, auf flämische (d.h. erwachsene) Weise miteinander Theater zu produzieren, lassen sich an einer Hand abzählen - wenn man die großen Häuser miteinbezieht vielleicht auch an zweien.
Immer wieder aber (wie bei ihrem ehemaligen Kombattanten Ostermeier) hilft die Hybris, daß sich die "bewährten" alten (Hoftheater-)Kindergartenmodelle
durch die Hintertür wieder einschleichen: Die Strukturen machens möglich.
Nein, ich kann mein Inkognito jetzt nicht mehr ablegen - dann hätte ich mich bei meinen ersten Ausführungen mehr anstrengen müssen - einerseits und andererseits: Die alte Geliebte hält mich ja immer noch aus (in beiderlei Bedeutung des Wortes) und sie rächt sich immer fürchterlich.
- Lieber Herr von Treskow ! Lieber TheaterEnttäuschter !
Da ich in den "Betrieb" nicht verwickelt bin und auch ansonsten keine Verantwortung für ein spezielles Theater zu tragen habe, die über das nötige Engagement eines halbwegs ernsthaften Zuschauers hinausgeht, wird die Nennung meines Namens, Arkadij Horbowsky, der in Theaterkreisen völlig unbekannt sein muß geradezu, nicht viel bewegen, und insofern stimmt "Bandido" schon ganz gut, weil es schon heikle Unternehmungen sind, sich seine "Irgendwies irgendwo irgendwie" zusammenzureimen, um dann hier zu versuchen, konstruktiv und gleichzeitig phänomenologisch lernend mit Intendanten und langjährigen Profis ins "Gespräch" zu kommen. Aber das mit den "Heckenschützen" empfinde ich ähnlich ... .
Dennoch: Sehen Sie in mir eher so eine Art "Trofimow" oder jemanden, der gerade ein wenig aus seinem Kellerloch rausgestiegen ist: als Theatergefährten ! Es könnte die Zeit kommen, daß ich mich noch anders äußere: Bitte, lassen Sie mir Zeit; daß ich mich "Bandido" nenne, ist "selbstironisch" (und etwas weiningerumwittert, stochern Sie nicht nach !!), und "öffentliche Selbstironie" klingt wohl immer etwas falsch
(Ausdruck "klingt falsch" von Blixa Bargeld).
Daß mein Gespür nicht unbedingt immer versagt, denke ich, beweist nahezu, daß Sie, "TheaterEnttäuschter", sich hier sehr sehr ähnlich äußern wie Herr Oberender in dem von mir eingangs meiner Teilnahme hier zitierten
Michalzik-Interview: Riga und Antwerpen, Erwachsene !!
- Liebe Frau Sand !
Sie haben mit Ihrem Exkurs genau das getan, was die allermeisten Menschen in diesem Land nicht tun; Sie haben Frau Srbljanovic und Herrn Handke "zusammen- und auseinandergedacht" -ich halte beide Züge für einen Gewinn-: Frau Srbljanovic hat sich anläßlich der Absetzung eines Handke-Stückes in Paris in der TdZ erneut geäußert: "Jeder hat das Recht auf seine Verwirrung"; "Ich frage mich, ob es in dieser ganzen Angelegenheit (Handke,Absetzung ...) keine Mitte gibt";
"Gebt uns (Serben) das Recht auf unseren Namen zurück ..." -ich habe den Text gerade nicht vor mir, "zitiere" etwas stegreifartig-: Frau Srbljanovic fährt fort, daß sie während der Trauerfeierlichkeiten für "Slobo" (ich verstand Peter Handke da auch nicht ganz)
auf einer Art "Gegendemonstration mit "Gleichgesinnten"" gewesen sei. Schneit bei uns hier im Norden (Großraum Hamburg), muß wieder zur Schicht:
das Wetter wird wieder ein kleines Chaos auslösen.
-Lieber Herr Treskow !
Ich werde alles mir zur Verfügung Stehende tun, Ihnen zur Seite zu stehen, ich hoffe, Sie glauben mir das !!
Ceterum censeo, teatrum wuppertalensis non esse delendum
"'Geschlecht und Charakter' ist der Versuch einer Auslöschung. So kommt Weininger ein halbes Jahrhundert vor Jacques Lacan zu dem Schluss: 'Die Frau also ist nicht.' Schön wärs. Und wahr ist es: Frauenhass ist, wie jedes Ressentiment, reine Projektion, Frauen kommen nicht vor in 'Geschlecht und Charakter', Weininger kennt gar keine Frauen außer sich selbst, Weininger, W., der verzweifelten Monade.
Doch es geht noch weiter. Der erlösende Satz 'das Weib muss als solches untergehen' erinnert in seiner Radikalität an Meister Eckharts Predigt 'Beati pauperes spiritu', in der er zum Zwecke der mystischen Vereinigung Gott bittet, 'daß er mich Gottes quitt mache', denn Gott ist so sehr alles, dass er nichts ist. An diese Stelle hat Weininger, der Frauenhasser, das Weib gesetzt."
(Andrea Roedig, "Das Zölibat des Mister W.", in: "der Freitag" vom 9.5.2003)
Bei einer solchen Beschreibung dachte ich immer an alte Schauspielerinnen wie Inge Keller. Heute sollte man wohl auch Frau Bendokat nennen und viele andere. Aber eine junge Braut, die einen zurückweist oder in die man triumphal eindringt, während man von neoliberalen Heckenschützen bedroht wird, dies ist mir völlig neu.
Vor zehn Jahren hätte ich mir noch die Mühe gemacht, dieses Bild zu analysieren. Heute denke ich: Es spricht für sich. – Wollen Sie mit diesem Blubblabla wirklich Ihr Theater retten?
-Liebe Frau Sand !
Genau, ich meinte in der Tat Otto Weininger - es gehört im übrigen zu den interessanteren Phänomenen, wie intensiv die Weiningerauseinandersetzung z.B. in Bulgarien und "Jugoslawien" bis zum heutigen Tag ist, ein ähnliches Phänomen ist z.B. Carl Christian Friedrich Krauses "Wirkung" in Spanien und/oder Südamerika (Krauses Begiff "Panentheismus" mag Ihnen etwas sagen, sei es drum): Gehen Sie nach Belgrad oder Sofia und reduzieren Sie Weininger auf seinen "Frauenhaß" - es wird Sie (vermutlich zu recht) in dieser Frage niemand mehr ernst nehmen. Ihr "Nachtarrocken" in dieser Angelegenheit ist überaus bedauerlich; es bezeugt meineserachtens einigermaßen sicher, wie es so um Ihr Einfühlungsvermögen bestellt ist ("man" ist ja geradezu versucht, der krudesten Holzhammerlesart "Weiningers" in Ihrem Falle zu folgen,
erstens, weil Sie sich hiernach - quasi nach Weiberart - immer merkwürdig reaktiv gebärden (also immer warten, bis "Sommer" oder ich oder "Humpty Dumpty" etwas Neues einzubringen versuchen) und offenbar mit "diebischem Vergnügen" sich dann in allerlei Exkursen ergehen
(und sonst nichts!!!), "Zitatenreigen" auf "Zitatenreigen" arrangieren, "hohe Ironie" pflegen ("Stalinistenbashing"), wo die Verständigung zwischen uns schon vorher schwierig sich gestaltete, "Wohlverhalten" vom Gegenüber erwartend, selbst aber in tausend "Rollenvorschlägen" sich ergießend (denen "weibisch" ersichtlich jener "Fokus" fehlt, um den Sie, noch "weibischer", nicht umhinkönnen zu flittern und zu flattern), zweitens weil Sie sich - ich sehe das so-, unflexibel, eigenständig kreativ nach vorne Denkwagnisse zu vollziehen (nach der kruden Lesart, wohlgemerkt, auch nicht der Weiber erste Sache)- nicht die Mühe machen,
den "Kellerlochmenschen" und einen "latenten Selbstvorwurf", geradezu "verbrecherisch" mit seinen Möglichkeiten im eigenen Leben umgegangen zu sein, darum ging es mir nämlich, zur Kenntnis zu nehmen, im "Rahmen" des Pseudonymenproblemes", das hier auftauchte; ich wollte zwar an dieser Stelle nicht jammern, aber hinsichtlich von "Klarnamennennung" zu bedenken geben, daß die Nennung meines Klarnamens an dieser Stelle wenig bringt, zumal ich hier gewissermaßen "erste Schritte" tue, mich (siehe Rohmers "Sommer") an dieser Stelle "zum Teil realisiere, wenn es ganz nicht geht" (oder Handke: "Ein Teil von mir, der immer wieder auch für mein Ganzes steht" ... - der verbindliche Begriff dazu in etwa: Skrupel). Ja, und ich bedauere es wirklich ziemlich, nicht erheblich früher mich bei weitem intensiver mit all diesen "Theaterdingen" beschäftigt zu haben ...: Sehen Sie, Sie "toughe Frau", das als "typischen männlichen Katzenjammer", aber treten Sie nicht nach der Katze. Warum gehen Sie nicht auf den "TheaterEnttäuschten" ein; haben Sie Angst vor dem, scheint - ich sehe die W O W - Levels der Avatarspieljugend stets in einer "Hirschanalogie" - ein ziemlicher "Achzigender" zu sein; warum nicht auf Herrn von Treskow ?? Mir sprachen Sie es doch ab, daß es mir ernstlich um Wuppertal geht; denen werden Sie es nicht absprechen, oder wollen Sie mich erziehen ??? Mein wirklicher "Frauenhaß" hält sich im übrigen dann doch in gediegenen Grenzen, obschon immer auch die Gefahr besteht, von seiner "jeweiligen Frau" ins Theater geschleift zu werden, selbst wenn ich da auch so hingegangen wäre.
Diesbezüglich würde ich dem TheaterEnttäuschten zustimmen, dass die Angstthematik ein ganz entscheidender Punkt ist. Auch ich frage mich, wie die immer schon kollektive Theaterarbeit (Stichwort: Utopie Ensemble!) weiterhin funktionieren soll, wenn es mit den Jahren der Abnutzung und Abschleifung des Enthusiasmus des Beginns nicht mehr um eine kollegiale und von Vertrauen geprägte Zusammenarbeit geht, sondern letztlich nur noch um den ängstlichen Kampf um Posten bzw. Machtpositionen. Wenn diese freiheitliche Basis nicht mehr stimmt, wirkt sich das unzweifelhaft auf die künstlerische Arbeit aus. Und am Ende bleiben die Zuschauer weg.
Ein guter Intendant trägt die Verantwortung für alle Mitarbeiter seines Theaters und macht notwendige Strukturveränderungen und Anpassungsmaßnahmen transparent bzw. stellt sie zur Diskussion. Diese Öffnung und Fairness gegenüber allen Mitarbeitern ist die Bedingung und Voraussetzung dafür, dass Mitarbeiter ihrerseits selbstverantwortlich Ideen einbringen können und wollen. Die informationelle Einbindung aller Mitarbeiter fördert die Mitverantwortung für das Ganze. Das ist mittlerweile sogar in Studien aus dem Wirtschaftsbereich belegt. Hierarchien müssen nicht schlecht sein, insofern sie durchlässig und dialogisch bleiben.
Sie bringen da latent den Begriff "Neid" ein, indem Sie von abgewiesenen Liebhabern sprechen. Es handelt sich aber schlicht und ergreifend nur um Andersdenkende, und die sollte man nicht in falsche Bilder hineinzerren, um sie zu Teilen zu disqualifizieren und zu diskreditieren. Das ist im Grunde ganz schlechter Stil. So wie Sie diese Andersdenkenden weiterhin der Verantwortungslosigkeit verdächtigen, indem Sie meinen die Anonymität sei eine Form der Verantwortungslosigkeit: "Leider ist es meistens so, dass hier Leute von Ihrem Recht der Meinungsfreiheit Gebrauch machen, ohne für die Folgen ihrer Äußerungen einstehen zu wollen." Tatsache ist, dies ist ein freies Forum und die User stehen nicht in der Verantwortung für das Wuppertaler Haus, sondern Sie. Das entbindet die User natürlich nicht, sich "vernünftig" zu äußern. Ein Generalverdacht ist jedoch nicht gerechtfertigt, ein Vergleich mit Heckenschützen schon gar nicht. Heckenschützen waren in Sarajevo wohl eine Gruppe derer, die in unseren Gedächtnissen als die Gemeinsten der Gemeinen hängen blieben, und ich weise diesen Vorwurf entschieden zurück.
Und um einmal in Ihrem Bild der "Braut" zu bleiben: Merken Sie gar nicht, dass die Braut Sie ebenfalls gerade zurückweißt, beziehungsweise nach kurzer Ehe Ihnen die Haushaltskasse enorm zusammen streicht, weil sie in Wahrheit in Abhängigkeit zu politischen Mehrheiten steht, wie man gerade in Köln sehen konnte? Natürlich merken Sie das. Ich weiß. Aber dann wären Sie ja in Ihrem eigenen Bild ein betrogener "Bräutigam". – Lassen wir das, obwohl ich schon andere Äußerungen Ihrerseits "verdächtig" fand. Wenden wir uns der zentralen Frage zu: Wenn Sie die Vorschläge hier nicht aufgreifen wollen, was schlagen Sie dann vor? Denn hier sind viele tatsächlich ganz verantwortlich an dieser Debatte beteiligt, und mich machte sie heute zu einem echten Frühaufsteher, da mir das Schicksal der Theater in dieser Form der politischen und wirtschaftlichen Umklammerung wirklich Sorgen bereitet. Auch ich bin, wie Frau Beier, von den Grünen in Köln enttäuscht, denke aber darüber hinaus, dass man auf all diese Vorgänge von der Bühne aus und künstlerisch reagieren sollte. Und hierzu müssen die betroffenen Häuser von den Verantwortlichen und Entscheidungsträgern möglichst schnell wieder handlungsfähig gemacht werden. Und an diesem Punkt sind Sie gefragt.
(Musil: "Die Schwärmer")
"Kleine Umfrage gestartet"
An alle, die das hier lesen: Habe nur ich das Gefühl, daß hier bestimmte Personen "alles dürfen", was sie im nächsten Moment anderen Personen vehement nicht zubilligen ??
Jedenfalls habe ich da mittlerweile keine Zweifel mehr, daß es genauso zugeht: ... lasse aber jetzt erst einmal ein wenig wirken das, damit ich, ich werde darauf zu sprechen kommen, wer hier für mich auf welche Weise aggressiv ist oder wer weniger oder garnicht ..., an dieser Stelle möglichst niemanden beeinflusse, ... obschon "man" meinen Beiträgen freilich wird ablesen können in etwa, woran ich dabei denke: wenn denn "gelesen" und nicht gleich wieder zugerichtet wird: "Gefühlskonten" mögen schon etwas für sich haben, aber wer sagt eigentlich, daß "man" nichts Anderes damit anfangen könnte, als sie zu fälschen, ... mögen "Lügen" auch nichts sein, frei nach den "Schwärmern", die es im Januar in Bochum gibt -endlich mal wieder !!-, ansonsten aber alles. Das Wesen des "Verbrecherischen" -nach Weininger !!!-: Geschichtsfälschung.. Ich habe auch in unserer Schicht Leute angesprochen, die sonst so gut wie nichts mit Theater am Hut haben, ... was für ein Bild sie von diesem "prototypischen Thread" (??) haben.
Auf ihre Reaktion bin ich gespannt. Zur Strukturdebatte nur kurzer Hinweis: Jahrbuch Theater Heute von 1993 (S. 61 ff.) !! (to be continued)
"Zwei Hinweise": ja. "Kleine Anfrage gestartet" und
"Hinweis": auch ja..
Ich habe mich in Punkt 128 ebensowenig beschwert wie sich der "TheaterEnttäuschte" in seinen Kommentaren für eine Nachfolge am BE beworben hat, um es etwas humorvoll zu nehmen, wenn jetzt "Geschlecht und Charakter"-Fomalisierungen ("A und B") fast schon polemisch zu "Kommentarüberschriften" ("Beschwerde und Hinweis") sich wandeln: Ich kann mir vorstellen, welches "Bild" damit bedient werden soll, kann mir etwas schwerer vorstellen, daß kein Bild damit bedient werden soll, sei es drum: Wenn ich mich beschwere,
dann ganz direkt, 1:1, bei jemandem, und zwar, weil ich ungefähr davon ausgehe, daß mir aus seinem Verhalten heraus ein Anrecht dazu erwachsen ist (zumeist auch ein rechtlich umschriebenes), meiner Beschwerde nachzukommen.
So ein Anrecht besitze ich gegenüber den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieses Diskussionsstranges nicht; und selbst der Hinweis, daß ich mit der Formulierung "Plädoyer fürs Mittelmaß" oder "Beschwerde und Hinweis" nicht unbedingt "glücklich" bin, ist keine Beschwerde.
Hingegen höre ich hier -von 1,2,3- ,deren Engagement ich auch aus anderen Threads mittlerweile ein wenig schätzen gelernt habe (wie auch das Beispiel für nicht mittelmäßiges Theater in der "Stadttheaterprovinz", ich sehe meinen "Weimar-Abend" eben ganz ähnlich; ... die
5 Schauspieler, der Dramatikerin, die Regisseurin würden sich gewiß auch "flämisch" ganz gut machen, arbeiten aber -offenbar erfolgreich- in Weimar) durchaus hin und wieder tatsächlich Sätze in Beschwerdeform, obgleich das eigentlich einer Verkennung des hiesigen "Sprachspiels" gleichkommen dürfte, und ich zudem stark davon ausgehe, daß "123" das weiß. Eigenartig aber schon, daß das dann bei mir "Beschwerde" heißt, oder ??
Ich habe mich jetzt auch einmal näher mit dem Spielplan in Wuppertal beschäftigt:
1.Peter Hacks
2.Internationale Camus-Tage (parallel zu den Bochumer "Schwärmern", also irgendwie schon ein Reiz, den die Region da ausstrahlt ...)
Klingt nicht so übel.
Bleibt zunächst nur zu hoffen, daß der offensichtliche "Abbruch des Threads" (merkwürdigerweise korrespondierten hier 131 Einträge mit jenen unheilvollen 131 Seiten, welche die Diskussion ausgelöst haben ...) einen positiven Hintergrund hat, der sich in der Folge der Aussagen des Kulturstaatsministers immerhin abzeichnet ...; wäre mir sehr lieb, an irgendeiner Stelle zu vernehmen, wenn sich Entscheidendes in Wuppertal
tut, ... obgleich ich wohl tatsächlich im Januar in diese Region fahren werde -... ich deutete dies schon an. Guten Rutsch allen "Wuppertalern" hier oder im "Exil" !
Lesen Sie bitte ganz genau, was Herr von Treskow im
Artikel 117 geschrieben hat ! Ich werde mich gewiß noch zu Ihren Ausführungen äußern - im Zusammenhang mit den sehr unterschiedlichen Kritiken zu nachtkritik de., die sich hier häufen: Schmierfinken,
Pitbuls !
Da Sie mich als "Schmierfinken" bezeichnen, dem es nicht um das Theater zutun ist, wäre es ganz erfreulich, Sie könnten das etwas konkreter darstellen:
mag ja sein, daß ich mich irgendwo im Ton vergreife und das zurechtgebracht werden muß. Nur so viel, Herr von Treskow sprach von einer Qualitätssteigerung der Diskussion durch den "TheaterEnttäuschten" und "Bandido" (mich) und insistierte auf "Klarnamen" hin, weniger in meinem Falle: Ich habe daraufhin meinen Namen genannt, auch wenn das nicht sonderlich helfen
muß, aber es steht in diesem Zusammenhang !!
Im Oberhausenstrang unterstützen Sie meine Argumentation, nennen es aber unklug, Herrn Decker
in diesem Zuge zu zitieren: ich bitte, auch dieses noch einmal zu bedenken. Ich spreche nicht für
"123", das kann sie selbst (und gut !), aber ihr Anliegen ist mir schon deutlich und nachvollziehbar geworden: das ist ehrlich und fernab jeder Pitbulhaftigkeit !
Auch Ihre Auswahl ist schon merkwürdig: "George Sand", den "TheaterEnttäuschten", den "Flamenfreund"
beispielsweise hätten Sie die nicht ebensogut nennen
können ?? Und auch denen gegenüber, in einer Linie
"Postdramatik"-"Salzburger Festspiele"-"Steirischer Herbst" ..., wäre ihr Statement gegenüber äußerst un-
verständlich meineserachtens: Haben Sie sich die diversen Leipzig- und Bochumthreads einmal genauer angesehen ? und sich da ähnlich empört ??, da wäre es gewiß angebrachter, ... denke ich (!).
Mir geht es jedoch, wie gesagt, um Wuppertal und sein Theater, gestern postete ich das im Oberhausen-Strang, und deswegen bin ich jetzt genau dort, d.h. aktuell schon wieder auf dem Weg zur "Schwärmer-Premiere" in Bochum (poste aus Dortmund). Herr von Treskow stand gestern selbst auf der Bühne (die Rolle der Smeralda in Goldonis "Diener zweier Herren" aufgrund einer Erkrankung der Darstellerin einlesend, wenn Sie so wollen als "Extremzofe"): eine ordentliche,
leichte und lichte Inszenierung durch Herrn von Treskow, zweifellos ein schöner Theaterabend. Und wenn ich in diesem Thread den Eindruck vertrat, die Stadttheater verhielten sich zueinander eher wie griechische Stadtstaaten, so wurde ich jetzt in Wuppertal sowohl der diversen Intendanten-Solidaritätsaddressen für Wuppertal gewahr als auch der Tatsache, daß die Stadt- und Landestheater vollzählig am 30.1.2010 um 15 Uhr in Wuppertal zugegen sein werden, um gemeinsam mindestens Zusammenhalt zu demonstrieren. Mag sein, daß es noch "gewerkschaftlicherer" Methoden bedarf in der Zukunft: die Entscheidung um die Sparankündigungs-
pläne wird gegen Juni des Jahres fallen. Bis dahin sollten alle, denen es um diese Bühnen geht, weiterarbeiten, auch mit dem Risiko, sich -wie ich ein wenig hier und da- zu verrennen oder zu "verzetteln" !!
Der eine Stadtteil heißt übrigens "Hatzfeld" und nicht "Hatzberg", für solche und andere Fehler bin ich natürlich immer "gut": aber Neid, Haß, ... weil ich mein Gekritzel nicht verkaufen kann gar ?? Lachhaft, sorry !.
Die soll am 25.1.2010 stattfinden, und das Solidaritätsschreiben
von Sebastian Hartmann (!!) deutet an, daß es dabei ua. auch um die jüngsten Entwicklungen hin zu Theaterschließungen geht.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal der Hoffnung das Wort reden, daß Ergebnisse solcherlei Konferenzen z.B. auch ihren Einzug in diesen Thread haben werden, denn der kann bis Juni hin noch einige sachliche Denkanstrengungen begünstigen, ja:
zeitigen. Mittlerweile habe ich mir persönlich einen Eindruck von den Häusern in Wuppertal und Oberhausen gemacht: Es lohnt sich, sich für diese Schauspielhäuser stark zu machen oder immerhin mindestens zu stärken! Ihr Horbowsky
was sie gelernt hat (und warum sie mittlerweile viel mehr als "Solidaritätsreflexe" einer
ominösen "Kulturszene" in der Tat zu erwarten hat/hätte ..., oder schreibt Herr Fuhr
hier ein wenig apodiktisch oder im Sinne Schernikaus etwa (irgendwo schreibt einer
eine Gegendarstellung, dann noch eins, zwei, und dann ist das Thema begraben, ...
so ähnlich heißt es da ...), um alle Welt einzuschläfern oder doch für Drittmittel ???), seine "Vision" ist größtenteils sehr schön, das Ende sollte teilweise befragt werden:
"Die einzige Hand, die sich Treskow rettend entgegenstrecken könnte, ist die öffentliche. Es kann durchaus sein, daß das am Ende auch passiert. Denn eine
Lektion (sic !, AZ) haben die Politiker auf allen (wow !, AZ) Ebenen inzwischen
gelernt: Die Kultur ist ein kleiner Ausgabeposten. Bei den Kommunen macht er zwei bis drei Prozent des Gesamthaushaltes aus: Beim Sparen ist dort nicht viel zu holen,
aber unverhältnismäßig viel kaputt zu machen. Ein einmal geschlossenes Theater
wird nicht wieder eröffnet."
Vielen Dank, Herr Fuhr, jetzt steht ganz zurecht auch dieser schöne Teil Ihres Beitrages hier auf nachtkritik de., und ich möchte hinzufügen, was ich unter Punkt 1.
im Podiumsthread verpaßte zu erwähnen: Herr Pilz verwies ausdrücklich auf Frankfurt (Oder) -es habe die Schließung des Kleist-Theaters dort nichts gebracht,
ein Besuch im Kleist-Forum lohne auch heute noch, diesen Schaden zu begutachten-, danke auch an Herrn Pilz, ich hatte ja mehrere Male danach gefragt in
diversen Threads !!