Ehen auf dem Drehstuhl

von Eva-Maria Klinger

Wien, 27. November 2009. Nun haben die drei Einakter von Neil LaBute, unter dem Titel "Der große Krieg" zusammengefasst, auch in Österreich Einzug gehalten. Allerdings am kleinstmöglichen Ort, dem "Schwarzen Salon" des Volkstheaters, einem Probenraum unter der Kuppel des Hauses, der höchstens 40 Stühle fasst. Neil LaBute hat diese drei Einakter im Vorjahr für die Schauspielerin Birte Schrein geschrieben, Ensemblemitglied am Schauspielhaus Bonn. So eine ist bei der österreichischen Erstaufführung nicht dabei.

Bar jeglichen Bühnenzaubers stehen Claudia Sabitzer, Angela Šmigoc und Patrick O.Beck gnadenlos unter Beobachtung der sie hautnah umgebenden Zuschauer. Das Trio spielt nach Anleitung der Jung-Regisseurin Katrin Hiller die Rollen gut, allein man merkt die Bemühung, gut spielen zu wollen.

Meister der Camouflage

Der 46jährige Neil LaBute schlendert seit Jahren grinsend durch die Beziehungshöllen. An das Gute, Wahre und Schöne mögen andere glauben. Als sei Liebe nur ein Wort, verhandelt er einzig ihren Missbrauch. Auf Verrat, Täuschung und Verletzung baut er seine trickreiche Dramaturgie. In keinem Stück ist ihm der kalte Blick auf Liebesverrat besser geglückt als in "Das Maß der Dinge", in dem eine junge Frau ihren Lebensabschnittspartner hinterhältig für ein Kunstexperiment manipuliert.

Neil LaBute beherrscht die Methoden der Camouflage, als ein Meister der verblüffenden Wendung, des Knalleffekts erweist er sich in all seinen Boulevardstücken. Doch welche Sprengkörper können nach Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf", nach Strindberg, Ingmar Bergman und Lars Noren im Tretminenfeld der Liebe noch explodieren? Was kann nach diesen Sezierkünstlern, die jede Facette des qualvollen Zusammenlebens mit Stahlpinzetten freigelegt haben, noch Neues geschrieben werden?

Hoffnung auf was Ernstes

Neil LaBute kann tatsächlich immer noch mit einigen durchgeknallten und abgründigen Varianten erfrischen. Am wenigsten gelingt ihm dies im letzten, nur wenige Minuten dauernden Monolog "Was Ernstes". Eine Frau wird am ersten Jahrestag ihrer Beziehung die Hoffnung auf "was Ernstes" wohl begraben müssen. In einem Lokal wartet sie vergeblich auf ihren Geliebten,- aber vielleicht kommt er ja, nur wie immer zu spät.

Im Einakter "Der große Krieg", wonach der Abend benannt ist, verhandelt ein Paar nach neun Jahren Ehe die Restbestände ihres Zusammenlebens. Mit höhnischer Herablassung demütigt Claudia Sabitzer ihren Noch-Ehemann Patrick O. Beck, der nach einer möglichen Lösung sucht. Bei der Aufteilung der Güter stellt sich plötzlich heraus, dass keiner der beiden die Kinder möchte.

In die Ecke gekrochen

Auch im dritten Einakter "Furien" geht es um Trennung. Der Mann kommt in Begleitung seiner durchtriebenen Schwester, die ihm die schlimmsten Bosheiten gegen seine trennungswillige Freundin einflüstert. Der Mann bliebe sonst wohl im teuflischen Seelengefecht der Überrumpelte. Zwar sitzt den Figuren von Neil La Bute der Schalk des Boulevards im Nacken. Aber unvermutet kann ein Schock eiskalt die Kehle zuschnüren. Solchen Attacken ist man im Schwarzen Salon des Wiener Volkstheaters nicht ausgesetzt. Leider.

Die Arrangeurin der eineinhalbstündigen Darbietung befindet sich auf dem Sprung von der Regieassistenz zur Regie. Ihr Zugriff auf die Interpretation des Textes ist zaghaft und bieder. Sie hätte eine Entscheidung treffen müssen zwischen schneidend zynischem Seelen-Striptease oder emotional aufgeheizter Kampfarena. So aber sitzen zwei (oder drei) Personen in einer schwarz gestrichenen Ecke, rotieren auf Drehstühlen und rühren den Text zu Brei.


Der große Krieg
Deutsch von Lothar Kittstein und Jennifer Whigham
Regie: Katrin Hiller, Ausstattung: Stefan Röhrle.
Mit: Claudia Sabitzer, Angela Šmigoc, Patrick O.Beck.

www.volkstheater.at


Mehr zu Neil LaBute im nachtkritik-Archiv: Die deutschsprachige Erstaufführung von Der große Krieg mit der Schauspielerin Birte Schrein in der Hauptrolle fand am Theater Bonn im Dezember 2008 statt.

 

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