Berlin Alexanderplatz - Volker Löschs Gefangenenchor orchestriert Döblin
Die im Saallicht sieht man nicht
von Esther Slevogt
Berlin, 13. Dezember 2009. Das Bild ist stark. Und doch fragt man sich von Anfang an, ob seine Wirkung nicht zu kalkuliert, seine Metaphorik nicht zu simpel ist: der Boden des schwarzen Theatersaals der Berliner Schaubühne ist voller glitzernder Geldmünzen, die beim Darüberlaufen ein ungemütliches Knirschen erzeugen. Eine flächendeckende Geld-Schicht mit Dagobert-Duck-Anmutung – die höchste Lust der berühmten Comicfigur von Carl Barks ist bekanntlich, in seinem Geldspeicher in Goldmünzen zu baden. In Leuchtbuchstaben steht hoch über der Szene das biblische Gebot geschrieben: "Du sollst nicht stehlen." Bald aber tritt der Abend den Versuch des Beweises an, dass man sich leider nicht daran halten kann: denn die berühmten Verhältnisse, die sind nicht so.
Der schwankende Grund des Geldes
"Wo tausend leben, wird noch einer leben", sagt der Transportarbeiter Franz Biberkopf, als er aus dem Gefängnis kommt, wo er vier Jahre gesessen hat, weil er aus Eifersucht seine Freundin totgeschlagen hat. Doch wird sich genau diese Hoffnung als trügerisch erweisen. Volker Lösch, der Alfred Döblins berühmten Roman jetzt für das Theater adaptierte, findet gleich ein sehr zwingendes Theaterbild für den schwankenden Grund, den das Geld als Basis aller Existenz bildet: Franz Biberkopf und seine vielen Alter Egos, für die in Berlin ein Chor aus ehemaligen Gefangenen gecastet wurde, geraten beim Versuch, sich zu Fuß auf dem Geldboden fortzubewegen, ins Schwanken. Sie halten sich aneinander fest, aber statt sich Halt zu geben, gerät die Gesellschaft immer stärker ins Taumeln.
Zuvor hatten sämtliche Spieler unter den Zuschauern gesessen, von dort chorisch begonnen, die Geschichte ihrer Straftaten und Verurteilungen zu erzählen. Aus dieser leicht geleierten und buchhalterischen Aufzählung von Delikten und Strafen, die immer auch damit kokettiert, dass es für die Straftaten eine gewisse Berechtigung gegeben haben mag, wächst schließlich die Erzählung Franz Biberkopfs: "Ich habe meine Braut erschlagen ..." Und hier entsteht dann sofort eine Hierarchie zwischen Laien- und Profidarstellung, weil man natürlich gleich merkt: jetzt kommt Döblin, also die Fiktion, der Profischauspieler, der eine Rolle spielt.
Die Kluft zwischen Theater und Wirklichkeit
Genauer gesagt Sebastian Nakajew, der seinen Biberkopf nicht wie üblich als stiernackigen Grobian mit Babyherz, der die Frauen wie Spielzeug zerbricht, sondern als hübschen, strizzihaften Vorstadtmacho anlegt: gegeltes Haar, Lederjacke, extemporiertes Sprechen und erregtes Flackern im Blick. Diese Hierarchie zwischen Profis und Laien wird im Verlauf des Abends, der beständig von oben und unten spricht, bald zum Problem. In acht Stationen erzählen Volker Lösch und sein Team die Geschichte von der Entlassung Biberkopfs aus dem Gefängnis, seinen Vorsätzen, ehrlich zu bleiben, um ihn dann an den Verhältnissen scheitern zu lassen. Orchestriert wird der sehr entkernte Döblin-Plot aus den Jahren der aufziehenden Weltwirtschaftskrise von den heutigen Exsträflingen, die parallel zu Biberkopf im Jetzt ihre Geschichten und oft gescheiterten Integrations- und Resozialisationsversuche erzählen.
Doch wo die "echten" Ex-Knackis den Abend mit Wirklichkeit anreichern sollen, entsteht das Gegenteil: Eine tiefe Kluft zwischen Theater und Wirklichkeit reißt auf. Auf der einen Seite stehen die vier Schauspieler, die Rudimente der Originalgeschichte spielen: Biberkopfs Rückfall in die Kriminalität, seine fatale Beziehung zu Reinhold (David Ruland), der ihn immer weiter in die Tiefe reißt und schließlich zum Krüppel macht, um am Ende auch noch Biberkopfs Freundin Mieze (Eva Meckbach) zu ermorden.
Sind das Ausbeutungsverhältnisse?
Auf der anderen Seite die Laien des Chors, die immer etwas ungelenk die Geschichten ihrer Konfrontationen mit dem Gesetz und der immer undurchlässiger werdenden Mauer erzählen, die sie von der Gesellschaft trennt. Wenn sie sprechen, geht meist das Saallicht an; kommen die Schauspieler wieder zum Einsatz, wird es dunkel, richten sich Spots auf Spieler und Szenen, was irgendwie auf groteske Weise den berühmten Brecht-Satz von denen im Dunkeln, die man nicht sieht, ins Gegenteil verkehrt: die im Saallicht sieht man nicht, sondern nur die, auf die die Theaterspots gerichtet sind. Der Chor verblasst dagegen zum Requisit. Und irgendwann fragt man sich, ob das nicht auch Ausbeutungsverhältnisse sind.
Auch ist Döblins Roman ja kein Buch über Strafvollzug und misslungene Resozialisierung, sondern es verhandelt das Unbehagen an der Moderne, die Unfähigkeit des Einzelnen, mit der Freiheit umzugehen, verdeutlicht am Exempel des Franz Biberkopf, der sich als Entlassener nach den übersichtlichen und geregelten Verhältnissen im Gefängnis sehnt. Die Sehnsucht nach übersichtlichen Verhältnissen war es schließlich auch, die ein paar Jahre nach Erscheinen des Romans in die Katastrophe führte und ein ganzes Land in ein Gefängnis verwandelt hat.
Vom Panzerknacker-Kostüm zum eleganten Anzug
Lösch stellt nun an der Schaubühne auf der Basis von Döblins zum Sozialreport verzwergtem Stoff ebenfalls recht übersichtliche Verhältnisse her, macht im Prinzip die Gesellschaft verantwortlich und spricht dem Einzelnen tendenziell eigene Steuerungsmöglichkeiten ab. Man hat eben keine andere Wahl, als kriminell zu sein, was als Botschaft reichlich simpel ist. Es gibt schöne Bilder und starke Momente: wenn alle Spieler am Wendepunkt von Biberkopfs Rückfall ins Verbrechertum in Panzerknacker-Kostüm Geldsack um Geldsack mit Deutsche-Bank-Logo auf der Bühne zum Gebirge auftürmen und sich am Ende auf dessen Gipfel drapieren. Man weiß nur nicht, was uns diese humorige Einlage sagen soll.
Am Ende wendet sich Biberkopf aggressiv ans Publikum: Er fordert ein anderes Leben, die Kindheit des einen, die Ausbildung des anderen, die Bankkonten und Aktien eines dritten. Auf welcher Basis er diesen Anspruch formuliert, macht dieser Abend nicht deutlich, der keinen echten Blick auf die Verhältnisse wagt, die er hier anzuprangern vorgibt. Die Laien aus dem Chor haben ihren einzigen starken Auftritt erst, als das Stück schon zu Ende ist und sich die Ex-Gefangenen, deren Geschichten teilweise in Vorabberichten bereits als Sozialreportagen unters Volk gebracht worden waren, in eleganten Anzügen beim Applaus verbeugen und damit zum ersten Mal an diesem Abend die Möglichkeit haben, mit den Verhältnissen auf Augenhöhe zu sein.
Berlin Alexanderplatz
Eine freie Bühnenbearbeitung der Schaubühne Berlin des Romans von Alfred Döblin
Regie: Volker Lösch, Chorleitung: Bernd Freytag, Bühne: Carola Reuther, Kostüme: Cary Gayler, Dramaturgie: Beate Seidel, Maja Zade, Licht: Erich Schneider.
Mit: Robert Elsinger, Lars Götze, Volker Hauptvogel, Andreas Knud Hoppe, Toni Jessen, Para Ndombasi Kiala, Mohamad Koulaghassi, Johannes Kühn, Markus Lamberty, Rose Louis-Rudek, Eva Meckbach, Dirk Muchow, Wolf Nachbauer, Sebastian Nakajew, Paul Peter, Lutz Rinke, Felix Römer, David Ruland, Heather Sacks, Ralph Schacht, Detlef Schnurbus, Uwe Seidel, Felix Tittel, Doreen Zanona.
www.schaubuehne.de
Mehr zu Volker Lösch im nachtkritik-Archiv: Den letzten großen "Skandal" löste seine Inszenierung Marat, was ist aus unserer Revolution geworden? am Hamburger Schauspielhaus aus. Wie die Debatte verlief, können Sie hier nachlesen. Und der ewigen Frage nach Löschs Agitprop widmete sich ein Beitrag im Redaktionsblog.
Kritikenrundschau
Unter den Premierengästen saß auch der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner, weiß Hannah Pilarczyk (Spiegel online, 14.12.). Das sei "eine wunderbare Fügung und rechtfertigt Löschs Regieexperiment von der ersten Minute an". Denn wie für ihn werde die Premiere für fast alle "zum First Contact – und der Theaterabend ein gelungener". Als entscheidend erweise sich dabei das "Konzept des Kollektivs": "Unglaublich präzise haben Freytag und Lösch am Vortrag ihrer Laiendarsteller gearbeitet, sie sind ausnahmslos stark." So fügten sich die professionellen Darsteller eher in ihre Reihe ein als umgekehrt. Und aus "Momenten der Plumpheit" heraus entwickle Lösch "immer wieder überraschende Eleganz". Alles laufe dabei auf die "ultimative Systemfrage" hinaus. Allerdings vergebe die Inszenierung die Chance, "nach dem Verhältnis von gesellschaftlichen Zwängen und individueller Verantwortung zu fragen. Verbrechen wird hier als rein strukturell bedingt dargestellt, wirkliche Schuld trägt nur das System". Leicht mache es sich Lösch also, Volkstheater sei es, was geboten werde. "Ihre Zugänglichkeit kann man der Inszenierung aber kaum zum Vorwurf machen, ist es doch ihr ausgemachtes Ziel, an sozioökonomischen Grenzziehungen zu rütteln."
Obwohl kraftvoll inszeniert und souverän choreographiert "insgesamt kein analytischer, kein großer Abend," findet Hartmut Krug im Deutschlandfunk (14.12.) "Auch wenn Texte vorgetragen werden, in denen Döblin den von einer Dampframme erschütterten und von Menschen überwimmelten Alexanderplatz beschreibt oder das Töten eines Kälbchens und eines Stiers im Schlachthof, schafft Lösch weder eine Stadtreportage noch die Darstellung eines allgemeinen gesellschaftlichen Lebensgefühls." Was Lösch biete, sei ist eine Sozialreportage über Knackis, die sich nach ihren Gewalttaten und Erfahrungen vom Knast selbst als Opfer sehen würden. Dabei interessiert sich die Inszenierung aus Krugs Sicht ebensowenig für die Opfer der Straftäter, wie die Täter zeigen Reue oder Mitleid zeigten. "Was bleibt, ist Wut auf eine Gesellschaft, in die man nicht wieder hinein kommt. Folgerung: man selbst kann letztlich nichts tun, als kriminell zu werden. Und Franzens trotz bester Vorsätze Scheitern, wird zum Exempel verengt."
Aber wie ist es, fragt Ulrich Seidler (Berliner Zeitung, 15.12.), dekorieren die Ex-Häftlinge Löschs Inszenierung mit Authentizität oder "dekoriert das auf ein paar melodramatische Kernsätze zusammengestrichene Werk Döblins den Auftritt des Straftäterchors? Oder dienen beide nur als Dekoration einer politisch-moralischen Botschaft?" Und, fragt Seidler weiter, "hat sich seit damals wirklich nichts getan? Dass Franz, dieser proletarische Hiob aus dem Berlin der 1920er-Jahre, gleichgestellt wird mit den wieder in die Gesellschaft einzugliedernden Straftätern unserer Tage, ist eine von Löschs wirkungsvollen Vereinfachungen, mit denen er das Publikum dazu bringen will, sich ins Verhältnis mit der Wirklichkeit zu setzen". Dabei sei "seine Mitteilungsform die des Eintrichterns und Einhämmerns. Er lässt einem, was man ohnehin schon weiß, wiederholt und variantenreich ins Ohr und ins Gewissen brüllen. Auf dass man endlich handle, vielleicht?" Stattdessen erwische man sich immer wieder bei der "trotzigen und unfreiwilligen Verteidigung der bestehenden Verhältnisse". Und "muss man sich solchen doch ziemlich enervierenden Theaterabend, muss man sich den anschließenden Ärger mit dem Gewissen wirklich antun? Es schadet sicher nicht."
"Verachtet mir die Knackis nicht, und ehrt mir ihre Kunst!" ruft dagegen ein begeisterter Ulrich Weinzierl in der Welt (15.12.). Denn dieser Abend werde "auf seltsame, auf ästhetisch kluge Weise dem Geist von Döblins Werk gerecht, gerade indem sie sich davon scheinbar weit entfernt". Weinzierl hat einen "perfekt gedrillten Laien-Sprechchor" aus "leibhaftigen Kriminellen" gesehen, "also Leuten wie du und ich, die im 'Agitpop'-Künstler Lösch, das fehlende 'r' ist wichtig, ihren Anwalt fanden". Vom Lokalkolorit des Molochs Berlin fange die Inszenierung nicht das Geringste ein, "ebenso wenig von der Vielfalt der Textebenen, der Mischung aus Bibel, Bänkelsang und Brecht. Sie versucht es gar nicht, und solche Abstinenz, die Konzentration auf eine einzige, markante Linie, bewährt sich". Denn der Berliner Dialekt genüge als sprachmusikalisches Kunstmittel durchaus. "Das Schlusswort hat der Chor, jetzt in Business-Anzügen. Leise preist er gerne Verschwiegenes: die kriminelle Lust."
Laut Christopher Schmidt wiederum (Süddeutsche Zeitung, 15.12.) macht Volker Lösch "seine Stoffe mit dem Holzhammer platt, um unterkomplexe Botschaften darauf zu plakatieren. Lösch ist so etwas wie der Oskar Lafontaine des Theaters, ein Populist, der gezielt Feindbilder schürt und von diffuser Politikverdrossenheit und der Sehnsucht nach einfachen Wahrheiten profitiert". Auf Landesebene sei das bisher gut angekommen, "jetzt hat Löschs Agit-Prop also Berlin erreicht. Und Löschs Mittel haben sich am Ku'damm nicht gerade verfeinert." Bereits die Bühne sei "Bekenntnis zur Anti-Subtilität". Und Biberkopf, "der beim Versuch, neu anzufangen, nach und nach alles verliert (...), verliert bei Lösch auch noch das Letzte: seine Geschichte. Er wird zum Zeugen der Anklage degradiert". Biberkopf sei hier nur eine "beliebige Münze im Klimpergeld eines Regisseurs, dessen Weltbild in die Hosentasche passt". Die Vorlage werde somit zum "Drei-Groschen-Roman, der mühelos durch den schmalen Schlitz der Demagogie passt". Und wo bei Döblin "ein religiöses Erweckungserlebnis" folge, setze Lösch einen "Anfall von Sozialneid". "Statt aber ihre Freiheit zu demonstrieren, haben sich die Ex-Knackis die unsichtbare Fußfessel eines Regie-Konzepts anlegen lassen."
Diese Inszenierung verschärfe die Romanvorlage "absichtsvoll auf einen Aspekt hin", auf "jene unbarmherzigen Mechanismen der Sozialausgrenzung, die Vorbestrafte treffen", schreibt hingegen Dirk Pilz (NZZ, 15.12.). Die Wirklichkeit des Überlebenskampfes werde einem dabei "mit rauer Energie um die Ohren gehauen, auch wenn dieser Chor in Sachen Variabilität und Dichtheit nicht zu Löschs besten gehört". Leicht lasse sich, auch diesmal, Löschs Verfahren platt schimpfen, "allerdings nur unter Absehen von ebenjener platten Wirklichkeit, von der dieser Abend kündet – der Sozialkampf ist auch heute noch Realität. Nicht die Kunst ist für Lösch in Unordnung, sondern die Welt".
Die Geldmünzen auf dem Bühnenboden, sind "billige Attrappen, aber der Aufführung geben sie eine echte, so giftige wie kraftvolle Spannung", meint Irene Bazinger (FAZ, 15.12.). Und die Ex-Häftlinge "verleihen Biberkopfs Einzelschicksal den aktuellen sozialen Kontext, ohne ihre eigenen Geschichten vergessen zu lassen". Die Aufführung sei körperlich geprägt, "oft laut und aggressiv, auch durch die schroffen Lichtwechsel sehr ungemütlich". So einfach "Toleranz und Erbarmen mit Döblins fiktivem Biberkopf aufzubringen sind, so deutlich verspürt man als Betrachter Reserviertheit und Bangigkeit gegenüber den realen Ex-Knackis". Neben dieser Lektion gelinge Volker Lösch "mit seiner durchdachten, herausfordernden Inszenierung außerdem ein packender Theaterabend, was sich nicht zuletzt daran zeigt, wie gut der Laienchor und die Schauspieler harmonieren". Dies sei "keine leichte, dafür wichtige Kost, rasant wie risikofreudig aufbereitet".
Von Döblins epochalem Roman ist in diesen zwei Stunden "wirklich nicht die Rede", sagt Rüdiger Schaper (Der Tagesspiegel, 15.12.). "Das Buch bleibt fest geschlossen, Döblins schreckliche Heldin, die große Stadt Berlin, tritt gar nicht erst in Erscheinung. Dieser Alexanderplatz ist ein Gemeinplatz (...). Und wieder passiert es, dass man mehr über Volker Lösch spricht als von dem Feuer, das er entzünden will." Lösch hole ja "Menschen von der Straße auf die Bühne, die in einem durchästhetisierten Betrieb nicht wahrgenommen werden, die nicht mehr auftauchen als Figuren im Repertoire". Und auch dem jetzigen Chor würde man zuhören, "wenn Lösch sie nur reden ließe!". Die "Typen bleiben Typen, und anonym". Löschs Theater habe dabei "etwas Dekoratives". Am Ende ist Lösch eher ein Installateur als ein Regisseur, einer, der Menschen hin- und Empörung ausstellt". Es werde "immer auf demselben Level gespielt – hektisches Brüllen. Kraftmeierei". Die Schauspieler und der "Sprechtrupp" kämen so nicht zusammen: "Die scheinbar mutige Versuchsanordnung läuft glatt und öde durch, die Risiken, die in dem gemischten Ensemble liegen, sind auf ein Minimum reduziert. Ein Theater der kalkulierten Erregung."
"Löschs Methode ist genau dort angekommen, wo sie rauswollte: im geschlossenen Theaterbetrieb", bemerkt Peter Hans Göpfert (Berliner Morgenpost, 15.12.). Döblins Roman diene der Inszenierung dabei nur als "Vorwand". Denn Lösch organisiere sich seine eigenen Gedankenverknüpfungen. Und "was diesem Abend seine Energie gibt, ist einzig der Sprechchor mit seinem kanalisierten Originalton. Eine tatsächlich politische und soziale Stoßkraft gewinnt die Inszenierung nicht. Zu Recht werden die Choristen am Ende kräftig gefeiert. Niemand regt sich über das, was sie herausschreien, auf. Alle fragen sich: wie werden diese Seiteneinsteiger des Theaters mit ihrer deklamatorischen Aufgabe fertig? Und schau: sie sind höchst engagiert bei der Sache." Die Aufführung bleibt damit "klischeehaft und trivial".
Und Eva Behrendt in der Frankfurter Rundschau (16.12.) schreibt, Lösch habe nun auch diesen Stoff auf die Neiddebatte heruntergebrochen. Was auch das einzige sei, das an diesem Abend funktioniere: Wenn ein straffällig Gewordener jemandem aus dem Publikum direkt in die Augen schaue und sage: "Deine glückliche Kindheit hätte ich gerne." Ansonsten "liefert der Abend keine Analyse, keine Lösung, keine Anklage des Strafvollzugs und wenig wirkliche Konfrontation. Selbst Löschs erwartbare Lieblingsthese, dass Banker & Co. ein mindestens ähnliches Verbrecherpotenzial aufweisen wie kleine Schufte, verpufft in ein paar Randbemerkungen und im einzigen wirklich inszenierten Bild, bei dem der Chor als Panzerknacker verkleidet mit "Deutsche Bank"-Logo versehene Säcke auf einen Haufen schichtet."
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Natürlich ist das Gefallen eines Stückes eine Frage von Geschmack. Darüber lässt sich durchaus streiten. Jedoch zu behaupten, der Regisseur interessiere sich nicht wirklich für die Probleme der Ex-Knackis, der soll nicht über Dinge schreiben, von denen er nichts weiß.
Die Leistung des Chores wird eben darin deutlich, die Basis für das Spiel der Hauptdarsteller zu bilden und dabei present und nicht aufdringlich zu sein. Der Kritikerin kann versichert werden: Jeder Laie ist bei seinen Straftaten Hauptdarsteller gewesen! Und jeder Betroffene fühlte sich vom Spiel verstanden.
Wenn Herr G. Friedrich das Stück für Verblödung höchsten Grades hält, muss er tatsächlich schon so verblödet sein, dass er Verblödung nicht mehr erkennen kann.
jede literatur dient ihm als material für die illustrierung seiner recht schlichten these das an wirklich jedem problem die gesellschaft schuld ist.
individualität und damit individuelle verantwortung auch individuelles leiden, fehler, irrtümer, trauer, sehnsucht... existieren für ihn nicht. wir sind ein spielball des systems das uns vor sich hertreibt.
das er immer den chor einsetzt der folgerichtig aus laien besteht deren künstlerische gestaltungsmöglichkeiten extrem limitiert sind ist inhaltlich sehr konsequent. noch konsequenter wäre wenn er sie völlig ungesteuert hilflos durch seine inszenierung irren lassen würde.
ich habe tiefes mitgefühl mit herrn lösch wegen dieser paranoiden zwangsvorstellungen. ich verstehe nur nicht ganz warum er mehrere inszenierungen macht. eine würde völlig ausreichen da sie inhaltlich und auch in ästhetik und art der darstellung völlig identisch sind.
wie Ihnen vielleicht bekannt sein sollte, gibt es aber doch einen Unterschied zwischen einer theaterästhetischen bzw. -kritischen Betrachtung eines Abends und dem subjektiv erlebten Kontext der Entstehung ("Wie sich alle so in der Produktion fühlen.").
Ich denke, man sollte die Frage der Intentionalität bzgl. Lösch hier nicht diskutieren, weil sie nicht weiterführt, d.h.: Lösch nicht unterstellen, dass er irgendwen ausnutzt oder sich nur an bestimmten sozialen Topics entlanghangelt. Eher glaube ich, dass er dies (teilweise!) tut ohne es selber zu merken. Insofern ist er weniger ein Bösewicht als vielmehr ein Naivling!
In seinem Theater geht es ja nie um die Darstellung komplexer Zusammenhänge, sondern immer - ganz im Sinne Brechts - um eine etwas grobschlächtige, holzschnittartige Vereinfachung von Themen.
Durch diese Vereinfachung und Reduktion von Komplexität entsteht auf der einen Seite eine verhältnismäßig große Dynamik auf der Bühne und in den Reaktionen der Zuschauer, und andererseits eine gefährliche Art von Unreflektiertheit bzw. mangelnde Political Correctness. Auf diese Gratwanderung begibt sich Lösch mit fast jedem seiner Abende und genauso kann man auch immer wieder das selbe loben ("aufrührerisch", "provozierend" etc.) wie auch das selbe kritisieren ("mangelnde Reflektion", "unterkomplex").
was ist denn das reiche, nichtpolemische, richtige, gute, nichtfaschistische theater? luc bondy? castorf? claus peymann?
und was ist "schlüssig"?
was ist ein "alibi"?
und was "Denunzierung"?
versagen ... es ist wie in der Schule: lösch, du hast versagt. das finde ich irgendwie, auch voll schulmäßig, thema verfehlt.
"Es gibt Politik somit nur, wenn sich die polizeiliche Ordnung über die Einrichtung eines Teils der Gesellschaft, der keinen Anteil an ihr hat, eines Anteils der Anteillosen, konstituiert und dieser die Aufteilung durch die Demonstration der fundamentalen Gleichheit aller Beliebigen in Frage stellt. Die Deklaration eines Unrechts, das dem Anteil der Anteillosen widerfährt, richtet eine polemische Gemeinschaft, ein polemisches Allgemeines aller auf, in der die Gleichheit IN ACTU erscheint, da sie keine Möglichkeit zulässt, den Konflikt diskursiv oder polizeilich zu schlichten."
Hieran anknüpfend könnte man mit Brecht danach fragen, in welchem Verhältnis der Einbruch in eine Bank zur Gründung einer (Investment-)Bank steht. Möglicherweise eröffnet die ästhetische Situation den Ex-Strafgefangenen genau den Artikulationsraum, welcher Ihnen ansonsten kaum zugestanden wird, da sie gemeinhin als "dem Milieu" zugehörig abgestempelt und stigmatisiert werden. Ohne Hoffnung und Perspektiven wenden sie sich auch in ihrem eigenen Milieu oftmals nur noch gegeneinander (Beispiele: Bordellbesitzer und Drogenmafia). So schreitet die Entsolidarisierung zwischen den Menschen fort, allein das Geld regelt die Beziehungen.
Und lässt sich die Frage nach dem Widerspruch zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung nicht ebenso an einen Bankmanager oder Politiker richten? Wird da wirklich im Sinne einer Verantwortung für die Gesamtgesellschaft gehandelt?
Das Absurde daran ist tatsächlich, dass die kleinen Fische für Ihre Verfehlungen bestraft und weggesperrt werden, wohingegen die großen Fische munter weiterschwimmen dürfen und sich zudem weiterhin der medialen Aufmerksamkeit gewiss sein können. Niemand aber schenkt denen soziale Aufmerksamkeit, welche als "Dreck" an die Ränder des öffentlichen Diskurses verschoben werden. Ist das gerecht? Sobald sich diese Menschen aber als stimmkräftige Masse formieren, inwieweit kann sie dann noch im öffentlichen Erscheinungsbild verleugnet werden? Vielleicht gibt es zuviele solcher blinder Flecken. Am Ende müssen es womöglich alle teuer bezahlen.
Wer diese Inszenierung als nur sozialtherapeutische Maßnahme abtun will, der will vielleicht gar nicht wirklich sehen oder verstehen. Das Politische daran ist doch, dass auch diese Menschen denkende und politische Bürger der umgebenden Gesellschaft sind. Das wird nur allzu gern vergessen und verdrängt, vielleicht, um sich dadurch nicht im nur vermeintlich sicheren Gefühl, der bürgerlichen Mittelschicht anzugehören, nicht irritieren zu lassen.
Im Übrigen habe ich ja nicht gesagt, dass dieses Theater gleich eine Revolution entfachen würde. Nein, es ging mir um den Gedanken der alltagspraktischen Solidarität bzw. um strukturelle Reformen. Und das geht nur, indem man sich vereinigt. Auch in der Weimarer Zeit scheiterte die konstruktive politische Veränderung letztlich an der Zersplitterung des linken Parteienspektrums.
Vor diesem Hintergrund verweist die Lichtregie möglicherweise darauf, dass es normalerweise die professionellen Schauspieler sind, welche im Spotlight des vermeintlichen "Theaterstars" das Leben der Anderen bzw. "das Elend" nur vorführen, ohne selbst davon betroffen zu sein. Dagegen zeigt der Chor der Ex-Strafgefangenen in seiner voll ausgeleuchteten Kraft, dass es hier nicht allein um den Schein des Spiels geht, sondern zugleich um das existentielle Sein, Teil einer "Masse" mit ähnlichen Lebenserfahrungen zu sein.
Das Wesentliche ist hier also, dass das Spiel neue Möglichkeiten eröffnet, sowohl für die "Ex-Knackis" als auch für die "Schauspielstars", welche darüber eine reflexive Distanz zu ihren jeweils ganz unterschiedlichen Leben aufbauen können.
ich traue mal den teilnehmern zu, dass sie sich selbst dazu entschlossen haben mitzumachen und auch jeder zeit aussteigen können. vielleicht traue ich ihnen zu viel zu, aber ich trau ihn lieber mehr zu als mir anzumaßen über sie zu urteilen, wozu sie angeblich nicht in der lage sind. machen wir sie damit nicht per se zu opfern, so wie wir da im publikum sitzen und gaffen und sagen: ja das sind wirklich opfer, vor allem die opfer volker löschs?
auch frage ich mich, warum gerade die inszenierung an irgendetwas, sei es nun kapitalismus, neoliberalismus oder genauso ne phrase wie "die verhältnisse" ne kritik sein soll? ist das nicht ein ganz komisches denken? am ende ist franz b. wieder in "seinem element" und bekennt sich dazu "ein lude" zu sein. ist das nicht ne möglichkeit? wenn ich selbst kein "kapitalist" oder einfach besitzer größerer mengen geld werden kann, dann entzieh ich mich auch dem system? dann nehm ich daran gar nicht teil?
ist es nicht viel neoliberaler/bürgerlicher/kapitalistischer... zu sagen: der arme franz b. jetzt muss er wieder stehlen, jetzt muss er wieder köppe einschlagen?
zugegeben, das ist vielleicht auch platt, aber ich hab das gefühl, dass wir viel zu schnell in schubladen denken, begriffe werden gar nicht mehr geklärt, neu erfunden, verworfen, sondern alle jonglieren damit selbstverständlich herum. ich weiß gar nicht, was das sein soll kapitalismuskritik, jedenfalls kein orden, den man sich ans jäckchen pinnen kann.
Da wird endlich der Bogen zum anderen Theaterereignis dieser Woche in Berlin geschlagen, der heiligen Johanna am DT. Wann bekommt man schon 2x die Woche seine Vorurteile um die Ohren gehauen und so viele Reflexionen im Theaterforum? Alles Scheindebatten. Also Raus aus dem Forum auf die Straße. Schütteln Sie die Hände der Biberköpfe und Luckerniddles. In diesem Sinne frohes Fest.
Sie haben mich gründlich missverstanden. Ich will nichts geben, weder materiell noch irgendwelche moralischen Botschaften. Ich meine nur, wenn nach der Diskussion alle wieder brav nach Hause gehen, bleibt alles wie es ist. Die Entsolidarisierung der Gesellschaft schreitet voran und die Faust bleibt wieder mal in der Tasche. Das war es, was ich meinte mit Hände schütteln, symbolisch natürlich.
gut, dann haben Sie mich auf Ihrer Seite. Denn genau das ist die Problematik, welche auch ich sehe, dass Volker Löschs Arbeiten letztlich eben doch nur einer Art Zoobesuch gleichen könnten. Menschen-Tiere-Sensationen, meine sehr verehrten Damen und Herren, hier sehen Sie echte Arbeitslose, Strafgefangene bzw. die "Ränder der Gesellschaft", welche der kurzweiligen Abendunterhaltung des Zentrums/der bürgerlichen Mitte dienen und kaum noch jemanden aus dem (Noch-)Wohlstands-Trott herausreissen. Ich hoffe natürlich weiterhin, dass das Theater diese wohlig-warme Selbstgewissheit über den eigenen Platz im Leben auch nur ein wenig irritieren könnte. Es könnte aber eben auch leider in der zunehmenden Entsolidarisierung enden: "Beklage dich nicht, / wenn du im Leben zu kurz kommst. / Dafür geht es anderen ja besser." (Robert Gernhardt)
Im Zusammenhang mit Schleef bezog ich mich auf seine Tagebücher aus den 50ern und 60ern. Aber Sie haben Recht, es kann nach Hans-Thies Lehmann "gerade die Demontage der 'guten' Ideen sein, der Mut, sich unheimlichen und gefährlichen Verhaltensformen und Wünschen zu nähern, was zum authentischen künstlerischen Kampf gegen bedrohliche soziale Tendenzen von 'rechts' in der Realität taugt."
Da sind sie wieder einmal: die Benutzten, die Erniedrigten, die
Ausgestellten, das "Rollenfleisch" ... .
Scheint -menschlich gesehen- ja tatsächlich mittlerweile so zu sein, daß da allerlei Perversion sich tummelt auf den deutsch-
sprachigen Bühnen: Theater, das große "Massakerspiel".
Dabei ist es doch, bin dann wohl auch ein "Naivling", so rein "commonsensetechnisch" hoffentlich immernoch so, daß da wirklich niemand auf die Bühne gezwungen, gezerrt wird, und ich hoffe darüberhinaus, daß nicht alle Männer im Publikum da nur von ihren Frauen hingeschleift werden, weil es so "hipp" ist,
sich zum "Alexanderplatz" beim "Lehniner Platz" zu treffen.
Ich muß einer Person wirklich schon sehr eigenartig entgegen-
treten, um ihr nicht prinzipiell zunächst zuzutrauen, daß sie sich einigermaßen bewußt und selbstverantwortet im öffentlichen Raum bewegt. Warum dem Chor das absprechen, warum den "Panzerknackern"?? Dann läßt sich natürlich weitergehend danach fragen, was sich die allerlei verschiedenen Beteiligten davon versprechen, worin sie den spezifischen Wert ihrer Arbeit ausmachen; und gelegentlich werden dann gewiß die Antworten so ausgefallen sein, daß diese nicht unbedingt mit den Absichten, Werthaltungen, politischen oder ästhetischen Wirkungen übereinstimmen, welche professionelle Künstler damit eigentlich verbanden.
Ein Projekt A könnte vom Künstler B ja sogar in naiver Verkennung der "gesellschaftlichen Ausbeutungsüblichkeiten"
-wenn es sie gibt , oder doch "nur (naive wiederum)" Vernutzungsgewohnheiten, die immer verstärkter in die "Masse" drücken, das Einzelne, den Einzelnen einkassieren,
ein "Volk der Mäuse" erzeugend ...- (wie "Naivität" dann ohne Rückgriff auf etwaige -vermutete !- oder öffentlich verbal bezeugte... Intentionen rekonstruiert werden kann, bleibt derweil das Geheimnis von "Form und Function") ausfallen, so daß es möglicherweise naheliegt, auf "Ausstellung" und "Sensationalismus" (trat jetzt bei "Rimini Protokoll" der "Mörder" des "Schleifer-Vorgesetzten" auf ... ??) zu sprechen zu kommen, was sicherlich einen Sinn entfalten kann; der "ehemalige Inhaftierte" C mag sich wiederum ebenso "täuschen"
oder sogar seinerseits das Instrument "eher sozialtherapeutisch" verstehen oder sonstwie sich etwas davon versprechen (ich gehe jedenfalls davon aus, wohlgemerkt, daß sich jeder Einzelne den Gang auf die Bühne überlegen konnte,
daß auch die Vorbereitungen auf Stück und Auftritt, die Probenzeit, nur schwerlich zu vergleichen sind mit Formaten wie
"Bärbel Schäfer"). Angenommen, so ein "Panzerknacker" verfolge noch die "Verbrecherlogik", daß Verbrechen geradezu darauf fußen, daß sich die Menschen so an allerlei Regeln halten ..., sie also gerade in ihren ""blind"-regelfolgenden Gewohnheiten" vom Verbrecher erst "einplanbar" werden, dann mag doch so ein Auftritt im Theater wieder einen ganz spezifischen Reiz ausmachen, oder ? Aber, ich sehe durch den löschschen Aufbau derlei Ausbeutungen, offen gesagt, überhauptnicht sonderlich begünstigt oder ermutigt, der Anlage nach eher einen ziemlich überschaubaren, nicht sonderlich spannenden Rahmen für eine immerhin aktive Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen "state of the art", der auf allen Seiten der Beteiligten hoffnungsvoll und freudig vollzogen wurde (wie immer wieder "erste Schritte").
Natürlich, um im Bild zu bleiben: Volker Lösch ist eine Art "Wiederholungstäter", ... "Chormanierismus" deutet sich an und ein gewisses Umkippen in "Selbstgefälligkeiten" (auch immer wieder in den diversen Chören).
Nur: Wenn "man" denn Volker Löschs Inszenierung -in ihrer Anlage und darüberhinaus- kritisieren möchte, dann wäre meines-
erachtens ein wenig "Donaldismus" schon angebracht (zumal das alles offenbar "anregend" genug war, daß ich mir dann -nach der Lektüre der Kommentare 1-43- in einer schlaflosen Nacht selbst eine Inszenierung taggeträumt habe mit Silvio Berlusconi als Claas Clever und Maybritt Illner als "Gundel Gaukelei" in einem auf der Bühne und Leinwand gedoppelten Aufbau der "Publikumsbeschimpfungsbühne" der Hartmannschen Inszenierung (Hamburg-Leipzig-Transfer)).
1. So mancher "Bankraub" oder z.B. die "Kaufhauserpressung"
durch "Dagobert" (sic !) "spielt" sich ja tatsächlich auf einer Comic-Folie ( zudem: Karstadt erpressen ...: was für ein "Anachronismus"; ... das kauft jetzt der "Bürgerchor in spe" ganz legal geradezu doppelt aus) ab; zudem wird das "Biberkopfthema" des "Erwischtwerdenwollens" durch die Panzerknacker sehr wohl befragt: Bei ihnen ist das geradezu "Lebensform" geworden: Warum noch aus den Knastklamotten raussteigen: Erstens läßt sich in ihnen immernoch die Wahrheit am besten lügen ("Herr Biedermann, wir sind Brandstifter" ...); zweitens gehört "Erwischtwerden" geradewegs dazu.
Im "Hauff-Film" ("Endstation Freiheit")schafft die Politik, laut Aussage des Protagonisten, sogar bewußt die Freiräume, kanalisiert die Verbrechen ... .
2. Natürlich läßt sich auch die Frage nach den jeweiligen persönlichen Gelingens- bzw. Miß- lingensbedingungen und -"setzungen" eines "rationalen Lebensplanes" durch, nennen "wir" ihn mal so, den "Kürschnergesellen Alias II" fragen ...:
Da hilft es dann wenig, vier andere Kürschnergesellen auf die Bühne zu stellen, wo dann der eine sagt: "Ich habe mich, seit der Klimakatastrophe auf Eisbärenfälle spezialisiert,
verrecken sonst eh auf ihren Eisschollen, erbärmlich ...", der andere "Ich mich auf Marderhunde, ... sind ne Plage für die heimische Tierwelt" ... .
-Lieber Herr "Sebi" !
Stellen Sie sich nur vor, sie lägen ganz richtig mit Ihrer "Vermutung", ich sei der Mann von der "Prüfgesellschaft für Sinn und
Zweck" und "man" hätte mir die Pistole an den Kopf gesetzt: ...
und nun die Panik ! Warum einem so armen panischen Wesen noch nen Hieb nachversetzen ? Also wirklich, fein ist das nicht.
Was haben Sie gegen "Tagträume" ? Ich habe Sie doch sogar mit näheren Einzelheiten verschont, zumal ich gestehen muß, daß ich nun schon zum dritten Male in einem Thread mich aufhalte, zu dem ich die Aufführung noch nicht sehen konnte, derweil die Diskussion Züge annahm, die oft zu vernehmen sind und eben keinem (!!) Stück, keiner (!!) Inszenierung gerecht werden im Grunde.
Auf die Assoziation mit der "Publikumsbeschimpfungsbühne" wurde ich auch geradezu gestoßen, muß dazu nicht aus Leipzig sein, was ich auch nicht bin, und wohl auch nicht "aus-
gebildeter Philosoph", was ich durchaus bin. Erinnern Sie sich noch an die Beiträge des "Neuen Theaters" und des "Ewigen Theaters" (Bühne und Hierarchie ...): Was könnte da näher liegen, als auf Handkes "Publikumsbeschimpfung" zu kommen,
auch ATW aus Gießen nimmt doch gerade Handke zum Ausgang weitergehender Überlegungen (...), die dann wieder in die "Publikumsbeschimpfung" durch S. Hartmann in etwa wieder "zurückgeflossen" sind; Handke liefert allerdings mehr einen Ansatz zu einer "Theaterphänomenologie" meineserachtens als den Anfang vom Ende des "Dramatischen Theaters" (das nebenbei). Und zudem: das Gitter !!! Das die Bühne teilende Gitter !!! Ich gebe zu, beim Überfliegen der Kommentare bzw. Kritiken zu der Lösch-Inszenierung den Aufbau ein wenig mißverstanden zu haben. Ich sah Schauspieler, einen Bürgerchor (wie in Dresden, Stuttgart oder Hamburg) und (!!) hatte irgendwie 4 Panzerknacker (Ex-Knackis, wie es immer wieder heißt) vor Augen, insofern kommt es mir jetzt fast so vor, daß ich hier tatsächlich fast wie ein "Panischer" gelesen haben mag. Das ändert allerdings nur unwesentlich etwas an dem Anlaß zu meinen Einlassungen, zumal mir die Stückanlage jetzt eher noch unattraktiver erscheint als in meiner "falsch zurechtgelesenen" oder gar "taggeträumten" Fassung: Ich kann das Gerede von den Ausgenutzten, den gedemütigten Schauspielern (siehe teilweise im neuen BE-Chat), das ganze Hinterhergeheul nach "Großen Würfen" etc. nicht gut leiden; darin ist ein zutiefst personenabgewandter und arroganter Zug zu bemerken, der leider verschiedene Threads immer wieder mit "Sticheleien" und halbgarer "Theaterpolitik" belastet.
- Liebe Rosa L.!
(ich setze an Sie das fort, was ich unter "64" (vermutlich "64") dem "Sebi" schrieb)
Ich bin in diesem Thread nicht der einzige Teilnehmer, den das befremdet hat, erwachsenen Personen so ohne weiteres zu unterstellen, Sie ließen sich da irgendwie ausnutzen, ausstellen, ausbeuten: Wieso das? Weil Sie für sechs Probenwochen in etwa nur ein "Handgeld" erhalten; weil der "Betrieb" keine Dauereinstellung in Aussicht stellt; weil da nur ein "Berlin Alexanderplatz" mit echten Knackis aufgepeppt werden soll ... für ein Publikum in der schlechtesten Zoo-Hagenbeck-Tradition ???
Ach ja, und dann gibt es in den Threads auch noch so eine "Fraktion" von Leuten, die den Schauspieler, die Schauspielerin eh für das Opfer von Stadttheater-Tätermenschen halten, welche ein veraltetes Theater-Paradigma aufrechterhalten wollen. Dann wird sich heimlich gefreut, wenn eine arglose Zuschauerin oder ein argloser Zuschauer etwa sagen (so ähnlich im derzeitigen BE-Chat) "Wie erniedrigend das für X sein muß, ...".
Mit Verlaub: Das sind Schauspielerinnen und Schauspieler; ... die werden letztlich zu gar nichts gezwungen: "Wenn die Seele schaden nimmt, ... macht es keinen Sinn, an dem jeweiligen Haus zu verbleiben -ist natürlich leichter gesagt als getan...- !"
Und "Bärbel Schäfer" deswegen, weil da ganz sicher nicht so intensiv, aufgeschlossen, ernsthaft und lehrreich gearbeitet wird wie durch Herrn Freytag mit seinen diversen Chören. Wenn das nur "Sozialtherapie" wäre: eine kleine "Schauspielausbildung" ist es, ein intensiver (zwischenmenschlich zumal) Parcours, für den die Chöre nicht draufzahlen (wie bei vergleichbaren Kursangeboten), sondern sogar finanziell ein wenig "entschädigt" werden: so what?: Ausbeutung?? Dass ich nicht lache.
Frau Rosa: Wie kann der ziemlich ("Form und Function" hat das meineserachtens am Ende seines Beitrages passend geschildert ..., auch derjenige, der nach Mc Pollesch und Herrn Schlingensief in diesem Zusammenhang fragte, war verwundert über den Wirbel um diese Inszenierung), obgleich ich ihn zunächst mißverstand!, überschaubare Rahmen dieser Inszenierung hinsichtlich von "Ausbeutungsverhältnissen" so virulent werden??? Das ist nicht "Ohm Krüger" aus den 40ern mit Emil Jannings und wirklich Mißbrauchten (klingt aber in einigen Beiträgen glatt so), wozu der "Sturm im Wasserglas"??
Das "Volk der Mäuse": Einerseits ist auch das ein Text, der das Thema zwischen dem "Neuen Theater" und dem "Ewigen Theater" (siehe "64"): "Josefine und das Volk der Mäuse" von Franz Kafka, künstlerisch bearbeitet (von diesem Text ist es nicht weit bis zu Dantos "The Transfiguration oft the Common Place") andererseits empfinde ich es alltäglich so, in einem "Volk der Mäuse" zu leben ("Muxmäuschenstill", sage ich nur ...). Und fanden Sie es bei "Rimini Protokoll" nicht außerordentlich verwirrend: Gestand da jemand, im Wallenstein, gerade den Mord an einem Vorgesetzten, für den nur der "Bodycount" zählte??
Liebe Rosa, lieber Sebi :
Guten Rutsch ins Neue!!
"Fanatiker sind oft sehr sarkastisch, und einige von ihnen haben einen sehr scharfsinnigen Sarkasmus, aber keinen Humor. Humor beinhaltet die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen. Humor ist Relativismus, Humor ist die Fähigkeit, zu realisieren, daß, egal wie recht man hat und wie großes Unrecht einem angetan wird, es da dennoch immer eine Seite an der ganzen Angelegenheit gibt, die etwas Komisches an sich hat. Je mehr man im Recht ist, desto komischer wird man." (Amos Oz, "Wie man Fanatiker kuriert")
Sind die Panzerknacker nicht komisch?
Mich persönlich interessiert hier mehr das Thema der (fehlenden Gelder zur) Resozialisierung bzw. des Umgangs mit der Freiheit in einer demokratisch organisierten und zum Teil selbst korrupten Gesellschaft. Interessanterweise beschäftigt sich auch der gerade neu angelaufene Film "Soul Kitchen" von Fatih Akin u.a. mit diesem Thema - als Komödie. Einmal spielsüchtig, immer spielsüchtig? Oder lieber erstmal spielwütig?
Liebe Rosa L. !
Doch, bitte, glauben Sie mir, ich finde die Panzerknacker komisch; das erste Bild von der Löschschen Inszenierung erreichte mich in einer Nachtschichtpause (dort stand eine Kritik in einem Freiexemplar der Lübecker Nachrichten; hiernach wendete ich mich an diesen "Thread", las die Ein-
träge 1-43 und "tagträumte" unter anderem ...), und ich habe auch angedeutet, warum ich sie für komisch halte ("steigen in der Regel garnicht mehr aus den Knastklamotten aus ..."), gerade komisch vor dem garnicht so komischen Hintergrund, der z.B. in Döblins Buch oder Hauffs Film "Endstation Freiheit"
(oder auch in "Die Verrohung des Franz Blum -hieß der, glaube ich-) "verhandelt" wird: Ich lache nicht ungern, und wenn ich von "Sebi" (wie im Wuppertal-Thread von "George Sand") erneut "Rollenangebote" erhalte (warum nicht auch an ihn die Frage, ob der über sich selbst lachen kann ..., schätze ich nicht so ein ..., und ist der nicht bis hier hin fanatischer als ich
???), dann gibt mir das schon zu denken, ob ich das nicht,
relativ ungewollt, absolut humorbereit (ich glaube, Humor ist ironischerweise meine größte Stärke und meine größte Schwäche, und das geht, glaube ich, recht vielen so ...) provoziert habe irgendwie (und mein "Alias II" soll mich ja ein wenig mit auf den Arm nehmen, weil ich mich immer so schnell zerfasele ..., der "Alias I"-Monolog aus Botho Straußens "Trilogie des Wiedersehens" ist schon beim Vorsprechen an Schauspielschulen legendär ...), bitte, glauben Sie mir auch das. Ich lache nicht ungern, lache auch bei "Muxmäuschenstill", bei Kusturicas "Time of the gypsies" oder "Underground", lache auch bei Fellinis "Armacord", gehe geradezu "beglückt" aus dem Kino, ... dabei werden da zT. fürchterliche Geschichten erzählt !! Gut, für mich ist "Humor" eher ähnlich gelagert wie er bei Sören Kierkegaard erscheint (ein sogenanntes Konfinuum zwischen dem Ethischen Stadium und dem Religiösen Stadium), bin mir aber der gewissen "Engführungen" des Stadienschemas SKs bewußt (siehe Hans-Peter Korff "Der komische (!!) Kierkegaard" -das Kierkegaardsche Stadienschema wird dort als "Zwangsschema" behandelt, das der Angst vor der Lächerlichkeit (sic !) geschuldet ist). Mir scheint "Sachlichkeit" eine Art drittes Konfinuum zu sein, das irgendwie an dem "Konvergenzpunkt" von Denken und Handeln ansetzt ... . Ich glaube, sogar gute Bekannte von mir denken, daß ich zum Lachen gelegentlich in den Keller gehe; äußere Befunde erhärten das, ich lache wirklich überdurchschnittlich oft in Kellern, da ich gelegentlich daran erinnert werde, ich könnte da tatsächlich zum Lachen hingegangen sein. Ich lächle auch stets ein wenig zu "Lachen ist gesund", weil ich immer wieder den Beisatz spüre: ... für die Lachenden !! Ein Frohes Neues!!!
Wir kommen aber ganz klar von der Protokoll Seite, also von der richtigen Seite, und uns kann keiner was vor machen, wir finden vormachen überhaupt einen Akt der sinnlosen Verzweiflung: Sabbern und Betteln - da machen wir nicht mit!
Genau, "Sebi" !
Der berühmt-berüchtigte "Stadttheaterintendantenregisseur" Arkadij Horbowsky, der inszeniert und inszeniert und immer mehr inszeniert und verrissen wird, weitergehender verrissen wird noch und auch das immer häufiger...; und für den (mich !) muß das , ich mache schließlich meine Stadt weltbekannt (siehe Kieler Kampagne im "Kölner-Neubau-Thread" (1)), da er (ich) -wiederum immer häufiger- seinen Stammtisch aufzusuchen versteht, eine steile Karriere geradezu bedeuten, na, wer da nicht "Kaiser Peer Gynt, prosit Neujahr", auf den Lippen hat ... .
Spannende Stückanlage, "Sebi", die Sie da der Öffentlichkeit anheim stellen: Schreiben Sie das Stück, vielleicht Ihre Karriereaussicht ?! Angenommen zudem, eine Person A (eine wie ich)
wäre so ein "moderner Karrierist", wäre dann nicht eine Person B (die auch "Sebi" heißen könnte), die hier -bar eines jeden Argumentes !!- ganz verwandt Ihrer offen feindseligen Art -gegenüber einer Ihnen vollkommen fremden Person, ... die ja sogar Opfer oder Opfernachfahre von "Herrenmenschen" sein könnte, ... was ich so nicht bin, gewiß- von "Herrenmenschengerede" und ähnlichen Feinsinnigkeiten paliert, nicht gerade der
geborene "nützliche Idiot", der dem Karrieristen noch die absonderlichste Steilvorlage zu geben versteht !!? Wer weiß, überprüfen Sie es oder überprüfen Sie es nicht, ich fürchte, frei nach "Enten/Eller", Sie werden beides bereuen, möglicherweise haben Sie ja auf diese Art schon Karrieren befördert ??!
Stört Sie meine "Empfindung", in einem "Volk der Mäuse" zu leben ? Habe ich etwas davon gesagt, daß das nicht geradezu "Fleisch von meinem Fleische" ist ??, daß ich anders lebe als so eine "Maus" ???, nur weil ich noch nicht völlig aufgegeben
habe, tatsächlich ein wenig anders leben zu können wohlgar !!
Gott sei`s getrommelt und zu Ihrer Beruhigung sei es gesagt:
Ich bin Theatergefährte, bin Zuschauer, aus dem Publikum, der Steuerzahler (Sie ??!!...) subventioniert mitnichten meine allbekannte steile Karriere ! Nochmals: guten Rutsch !!
Auf Grundlage der Inszenierung könnte man sich doch tatsächlich mal ein paar Fragen stellen, zum Beispiel: Warum betreibt die FDP weiterhin Klientelpolitik? Profitieren nicht nur die Vermögenden von den Steuersenkungen? Oder anders gefragt, könnte es nicht sein, dass die Steuergeschenke nicht doch wieder nur an der Börse landen? Warum keine Finanztransaktionssteuer? Warum nicht Mindestlöhne und mehr sozial versicherte Beschäftigung statt der Zunahme von Mini- und Ein-Euro-Jobs?
Schließlich, wenn es im Theater keinen umhaut, dann vielleicht bald auf der Straße. Das Theater kann immer nur der Experimentierraum für das "draussen vor der Tür" sein. Und das bleibt hoffentlich auch so.
Aber Kunst sollte mehr sein als die Mausefalle, der Spiegel den man der Gesellschaft vorhält. Kunst sollte der Hammer sein, mit dem man sie gestaltet.
Lösch immerhin versuchts.
Aber es gibt nicht für alle alles. Ausser Taktik nix gewesen!
Man kann sich immer nur zwischen diesen zwei Perspektiven bewegen: Entweder man sortiert den "Abfall" aus, oder man lässt lieber alle untergehen. Hegemann hat mal gesagt, dass man sich zwischen diesen beiden Perspektiven den Kopf einrennen müsste. Tja. Zu viele Unfälle.
Auch heute noch mögen all die Franz Biberkopfs nach ihren Vätern suchen, nach "Ordnung und Stabilität", nach der individuellen Verortung in einer Welt des globalisierten Marktes. Dass sie dabei auf neue, gefährlich-banale Schamanen wie zum Beispiel Horst Mahler hereinfallen, das ist nur eine Möglichkeit. Eine andere wäre, den grundlosen Hass konstruktiv, das heisst im Sinne einer ethisch-ästhetischen Gestaltung von Gesellschaft, umzuwandeln. Kommt drauf an. Sein Leben verspielen kann schließlich jeder.
@ martha: Gegen die Vergeblichkeit als plastisches bzw. formbares Rollenmuster könnte das Einschalten des Verstandes helfen. Menschliche Subjekte sind nicht nur Knetmasse der sogenannten "Mächtigen". Jeder Mensch kann denken und sprechen und damit den öffentlichen Diskurs irritieren bzw. eine alternative (Selbst-)Wahrnehmung mobilisieren.
@ martha: Meinen Sie wirklich, dass die Ex-Strafgefangenen hier "zugerichtet" werden? Würde ich nicht denken. Ich würde sagen, die wissen schon ziemlich genau, was sie da tun. Denn es geht doch um ihre individuellen Biographien, welche mit Döblins Text verwoben werden. Wo genau sehen Sie da die Zurichtung und/oder Entfremdung?
b) das muss nicht schade sein, denn das Verstehen ist oft auch ein bröselige Angelegenheit, mir jedoch schmeckt ihr Protokoll.
Berichtigung ! und Namen !!
"Namen" ! Immer wieder ein Thema, natürlich ganz besonders für Menschen, die -ua. beim Zitieren- für urkomische Flüchtigkeitsfehler, flüchte ich ???, geradezu einen Hang haben;
ich glaube, ich darf mich berechtigt dazu zählen: "Der komische Kierkegaard" ist von Wilhelm Korff (Hans-Peter Korff ist, glaube ich, ein Schauspieler, der mir aus der Kindheit einigermaßen
vertraut ist ...) und "folgt" den umfassenderen und lesenswerten Schriften Gerd-Günther Graus über Kierkegaard und Nietzsche , späterhin im Hinblick auf Kant ("Kritik des absoluten Anspruchs").
Namen spielen jetzt in verschiedenen Strängen auch für sich genommen wieder eine gehobene Rolle: siehe "Klarnamen".
Die Verbindung Klarnamen-Nutzung - DEMOKRATIE, wie sie hier manchmal zum Besten gegeben wird, halte ich für problematisch: Es gibt schon mehr oder weniger -mindestens aber "verspielte" und "rollen-figur-hafte"- gute Begründungen für die Verwendung von Nicknames; da irgendwie das Faß "demokratischer-undemokratischer" aufmachen zu wollen, naja, wohl schwerlich plausibel: Vielleicht "herrschen" wir einander ja manchmal an im Chat, aber was soll sonst das "Herrschen" hier noch sein ?? Ein wenig "Ockhams Razor" bei derlei zentralen Begriffen wie "Demokratie", "Neoliberalismus", "Integration" etc. täte dringend not: Beliebigkeit ist allenthalben zu vernehmen !!! Ich persönlich wünsche mir durchaus das 1:1 von Klarnamen, wünsche !!, denn mitunter schätze ich die Lage auch so kompliziert ein, daß wenn z.B. ein "Großintendant X" sich "abfällig" über das vor der Schließung stehende kleinere Theater des Intendanten Y äußerte, das Thema sehr schnell und in ganz anderer Öffentlichkeit heillos
ein anderes wäre ... .
Einige Teilnehmer, ich nenne stellvertretend Tobi Müller, Frank- Patrick Steckel, Thomaspeter Goergen, Christian von Treskow und Susanne Peschina, praktizieren das meineserachtens
Wünschenswerte; der Reiz, sich ebenso zu verhalten, sollte als Argument hinreichen ... : die Demokratie brauche ich da nicht bemühen !!
wer seine orden und hütchen, doktortitel und verdienstorden, sowie die eitlen,selbstgefälligen kunstmarkennamen nicht ablegen will, kann ja weiterhin seinen klarnamen angeben, niemand hindert ihn ja daran...er sollte nur wissen, daß ihn das nicht schützen wird vor der entblößung und neutralen bewertung seiner real vorgebrachten, - je nachdem - gut oder schlecht formulierten äußerungen...
Aber die Strukturen müssen offen bleiben. Lasst euch nicht lasch verführen vom schnellen Geld! Wenn die antreibenden Kräfte zur Geschäftsleitung bewegt werden (die Ex-Strafgefangenen in Banker-Anzügen), dann bewegt sich nämlich nichts mehr. Verfolgt lieber die Strategie der radikalen Verführung, welche die Möglichkeit des Spiels mit den hierarchisierten Machtstrukturen und den Regulierungen des Begehrens eröffnen kann. Ergo: Mehr nehmen statt geben. Darin liegt die wahre Herausforderung des Anderen. Verführung als Duell!
Zum Thema der Verführung möchte ich Ihnen noch folgendes Zitat mit auf den Weg geben:
"Diese Form der Verführung, auf die Du da anspielst, nenne ich 'lasche Verführung'; sie ist nur allzu bekannt. Sie ist Teil der Wunschstrategie und kommt wirklich überall vor, nicht nur in der Werbung, sondern auch im Erziehungsbereich, in den Sozial- und sogar in den Liebesbeziehungen. Sie wirkt in Form einer Zuwendung als Antwort auf ein Verlangen, psychologisch gesprochen. Hier in diesem Sinn bedeutet also eine Person verführen: sie in eine Situation bringen, wo man ihr etwas GEBEN statt NEHMEN kann. Es gibt eine Forderung und es gilt sie anzunehmen, d.h. quasi eine Aufnahmebereitscaft zu zeigen. Darauf beruht die psychologische Manipulation der 'laschen' Verführung." (Jean Baudrillard) Die radikale Verführung dagegen besteht nach Baudrillard in der Umkehrung der Spielregeln, also statt Appell an die Moral lieber das herausfordernde Duell.
"Benutze Klarnamen, und Du wirst es bereuen, benutze keine Klarnamen, Du wirst es ebenfalls bereuen, entweder Du benutzt
Klarnamen oder nicht, Du wirst beides bereuen ..." . Aber ernsthaft: Ich halte es, seitdem ich bei nachtkritik de. dabei bin in dem einen oder anderen Strang, so, daß ich hin und wieder von meinem Klarnamenwunsch absehe und "spiele", wenn Sie so wollen: Es ist bei meinem alltäglich üblichen Namen im übrigen auch nicht so, daß der irgendwie dazu verführen könnte, denke ich, dem Geschriebenen anders beizukommen als durch es selbst: nun ist das für erwachsene Leser wohl eh so, daß sie sich wenig um all "Ihre" (ziemlich einseitig "unterstellten") Hütchen, Titel, Eitelkeiten und Selbstgefälligkeiten etc. bekümmern, und wenn hier aus Selbstschutz, aus therapeutischen Motiven, "Arbeitsplatzrücksicht" Nicknames benutzt werden, ist das legitim, in Einzelfällen wohl sogar schwer zu umgehen, aber natürlich lassen sich auch Strukturen wünschen bzw. teilweise befördern, welche die Bedingungen der Möglichkeit zur Klarna-
mennutzung (ohne die von Ihnen ersonnenen bzw. wirklichen Schwierigkeiten, menschlichen Schwächen, "Arschkriecherei" und dergleichen ...) schaffen helfen könnten. Und warum schließlich den unter Nr. 105 aufgeführten Personen, samt dem Verfasser "Bandido" oder "Arkadij Horbowsky" überhaupt das unterstellen, was Sie den Klarnamennutzern nahezu beilegen ?? Haben Sie denen gegenüber konkrete Anlässe, so zu urteilen, dann werden Sie, Klinge um Klinge, konkreter !! Ob am Arbeitsplatz, in persönlichen Beziehungen, hier im Chat, egal:
Eigene Formulierungen, eigene Haltung, eigene Verantwortung ganz allgemein, und dann in besonderen "Fällen" von mir aus auch gerne hin und wieder Maske und/oder Degen !! -(wundern Sie sich also nicht, wenn fernerhin auf "Erich Bahr" stets einige Musketiere und dergleichen "antworten" werden, Sie sind jetzt gewissermaßen jemand für mich, dem ich so verspielt gerne begegnen werde, wenn Gelegenheit dazu besteht)
Ihr Galanter Marquis
der - im übrigen - auch nicht so gaaaanz ernst gemeint war. ja. ironisch auf ein gefecht angespielt, das nunmehr fast ein jahr zurückliegt..
und: seitdem hatte ich dieses "ba(-h-)re" pseudonym nicht mehr benutzt... dafür andere nette namen. naja.
nen schönen abend noch, mein herr
scared - mouche.... ängstliche fliege....
Ich bin von den Beiträgen hier sehr begeistert, zeigen sie doch deutlich das prima Niveau derjenigen, die wirklich am KLARDISKURS über die gesellschaftsbewegende Kraft unserer allseits geliebten Theaters interessiert sind. Nirgends sonst lassen die UNKLARNAMEN derart feurig und gewitzt, getrieben von einer unbestechlich innigen, nach dem Höherem und Besserem strebenden Lust, ihrem moralisch und intellektuell hochstehenden Eifer, freien lauf. Die Theaterwissenschaftlichen Seminare erscheinen als blasse, trockene Hohlräume dagegen - letztlich aber sind auch Gesellschaftswissenschaften und Geisteswissenschaften, besonders auch Philosophie nicht mehr denkbar, ohne einen Blick, hierher, auf die Ansätze der NEUDEMOKRATIE zu werfen, die hier ihre Geburt gefeiert hat und feiert und feiert.
Wer dagegen opponieren möchte, darf in unser aller neuem Lebensraum, sich ein hochauthentisches BLOG einrichten, in dem er nichts als die KLARNAMENGEDECKTE Wahrheit seiner KLARIDENTITÄT zum Besten gibt. Etwa, auf Facebook: habe zu dem Thema alles gesagt, hier der Link usw und so fort.
Nachtkritik hat aus der Welt des Theaters ein zweites SecondLife gezaubert, ein Theaterdorf, das ich nur mit dem guten alten Athen zu vergleichen in der Lage bin. Die Gemüts -und Gedakenbewegungen des deutschen landesweit verbreiteten Theaters tagtäglich zu verfolgen, ist selbst zum schönsten Theater geworden, dem eine übergeordnete Wertschätzung unbedingt zukommen muss.
Volker, dank deiner tollen Aufführung, deines Muts und deiner Leidenschaft, hast du uns nicht nur einen klasse Theaterabend beschert, sondern auch diesen enormen Bandwurm gezeugt, den ich gerne mehre.
@ jörn: Sorry, dass ich dich mit karo verwechselt hab. Und noch eine Frage: Beruht nicht auch und gerade das System auf reiner Spekulation? Hast du dich dann nicht sogar systemkonform verhalten? Das ist schon alles sehr paradox, mm?!
Na, umso besser, daß ich das falsch gelesen habe, warum hätte ich mich auch nach einem Text umsehen sollen, der ein Jahr her ist, bei jemandem, der eigentlich klar, ob ironisch oder nicht, festgestellt hat, daß es im Grunde mit den Nicknames ebenso ist wie mit den "Klarnamen", habe mich da im übrigen nur dem hiesigen "Sprachspiel" angepaßt und das so genannt - wie fast alle es tun-, auch nicht sonderlich naheliegend, da nachzusuchen; und auch ich bezog mich etwas weiter-schweifend auf all die "Klarnamenscharmützel" im Threadumfeld. Wenn Sie "Erich Bahr" so selten benutzen, werden hier halt auch weniger Musketiere und dergleichen rumlaufen, fände ich nicht sonderlich schade. Trotzdem spaßig,
zumindestens an dieser Stelle einmal den "Galanten Marquis" gespielt zu haben, sonst traktiere ich immer meine Mutter damit, sie solle sich den Film mit mir anschauen, wenn er im Fernsehen läuft, um mich ein wenig besser kennenzulernen. Nun gut,
ich schaute mich auch nach einem Mantel- und Degenfilm um, der gewissermaßen so mit einer Art "flämischen Truppe" von Ort zu Ort fortfährt. Vielleicht treffen wir einander einmal bei Perigore von Paris: Fechtstunden nehmen !!
Ihr Scaramouche
masken sind gut, weil sie vorurteile vermeiden und neutralität schaffen, ich liebe das. außerdem befinden wir uns auf einer theaterplattform, die sich unter anderem mit SCHAUSPIEL beschäftigt..und dies hier ist doch alles nur eine großes SPIEL..mit intelligenz natürlich...
Und wie Sie hier gegen die "Selbstbefreiungsapostel mit ihrer dürftigen Zitierrhetorik, ihren dümmlichen Vorstellungen von theatraler Emanzipationslogelei" angehen, liegt das Problem möglicherweise eher bei Ihnen. Kennen Sie Sartres Stück "Die Fliegen"? Sartre geht es um die Selbstverantwortung des Einzelnen gegenüber jeglichem religiösen, ideologischen und politischen Terror. Der "freie" Mensch heisst in diesem Sinne ein Mensch, welcher nicht mehr auf Gott bezogen und von Gott abhängig ist. Denn einen Gott, welcher die Menschen frei erschafft, sie aber im Bund mit der irdischen Macht in Unfreiheit hält, weil er Angst davor hat, dass die Menschen von dieser Freiheit auch Gebrauch machen, den mag und kann man nur noch loswerden wollen. Im Gegensatz dazu zeigt uns das biblische Buch Hiob die absolute göttliche Freiheit, welche sich dem moralisierenden Tun-Ergehen-Zusammenhang entzieht. Denn zum Wesen der Natur, durch welche sich das rational Unfassbare des göttlichen Prinzips zeigt, gehört das Zugleich von Zeugen und Zerstören.
Das Marat/Sade-Zitat habe ich aus dem Grund gewählt, weil es neben den Verheissungen auch die Schrecken jeder Revolution bzw. totalisierenden Ideologie betont. Soll man nun - wie de Sade - nur an sich selbst und sein eigenes Fleisch glauben und daran zugrunde gehen oder - wie Marat - an die Sache und die Idee glauben und ebenfalls daran zugrundegehen? Vielleicht zählt hier das weder-noch der Charlotte Corday, das heisst der Weg durch die Mitte.
Das heisst, das nur dem Theater eigene Darstellungspotential beruht eben nicht auf diesem falschen Schein der Zugänglichkeit, wie bei der Vorrichtung der Pornographie. Pornographie ist Anti-Verführung. Im Theater dagegen gehts im Grunde genommen um Verführung, welche aber nie durch den finalen Akt abgeschlossen wird. Theater ist die Wieder-Holung der Szene. Das heisst, auch wenn du es könntest, du willst zwar diese delegierten Gefühle und alles, aber du willst deswegen nicht gleich mit dem Schauspieler ins Bett. Sonst kannst du dich auch gleich im smarthouse (nicht arthouse) einrichten. Da musst du nicht mehr selbst denken. "Du bist in diesem Haus und da gibt es denkende Kühlschränke und denkende Plattenspieler, und so was, und Computer, die das Haus reguliern, und ihre software ist sozial orientiert an Männerökonomie und daran, dass Frauen den Haushalt machen." (Pollesch, "Bevor ich lodernd in Bargeld aufing...") +++ Du kannst dir Liebe nicht kaufen, ist dir das eigentlich klar? Du kannst dir auch nicht die Liebe eines Schauspielers kaufen, indem du eine Theaterkarte kaufst. Denn das ist delegierte Liebe. Ist dir das jetzt klar?! +++ Und jetzt gehts weiter mit den Panzerknackern.
Aber ich hab auch noch ne Frage: Sollen wir uns hier jetzt eigentlich in einen vermeintlich gemeinsamen Sinn (Mitleid mit den sogenannten "Randständigen") einfühlen? Oder sollen wir hier jetzt eher Angst haben vor den das harmonische Sozialgefüge der bürgerlichen Mittelschichten irritierenden lauten Stimmen der Ex-Strafgefangenen im Rücken? Davon abgesehen, sind das beides ja bloß Appelle an die Moral und das Gefühl, aber sollte es nicht vielmehr um das Denken bzw. die Frage nach dem Funktionieren zwischen menschlichen Subjekten einer politischen Gemeinschaft gehen? Und wo findet DAS statt? Wird hier also in Bezug auf Realität gedacht und inszeniert?
Ausserdem, wie plakativ und verallgemeinernd polarisierend ist das denn, wenn Sebastian Nakajew als gescheiterter Franz Biberkopf am Ende fordert, dass er die Ausbildung des einen und das Haus am Grunewald des anderen Zuschauers will? Ist denn wirklich allein "die Gesellschaft", sprich immer nur die Anderen, am Elend der Ex-Strafgefangenen schuld? Kapitalismuskritik, die sich immer wieder nur am Gegensatz zwischen arm und reich abarbeitet, hat Marx' Theorien zu den Bewegungsgesetzen des Kapitalismus bloß vulgär interpretiert.
Und jetzt alle auf den Boden! Oder: Fliegeralarm nach Komasaufen und Schunkeln in der Kneipe.
Gutes Theater liefert für mich keine vorgefertigte Denkarbeit, sondern trifft einen Punkt des zuschauenden Individuums der zum ausschweifenden Denken, Erklärungs-und Nichterklärungsversuchen führt. Alles andere ist Boulevard.
Ich kenne von meinen paar Bekannten mit Heimvergangenheit etc. übrigens niemand, der doch lieber normal und wohl behütet aufgewachesn wäre. Und wenn Sie, Herr Helmut R., eine verzweifelte Aussage Franz Biberkopfs als Schuldzuweisung auffassen .... haben Sie das eben für sich so aufgenommen.
Nebenbei bemerkt: Volker Lösch kritisiert (indirekt) die gleichen Missstände wie Alfred Döblin. Was hat er dann an seiner Adaption falsch gemacht?
1. Mauler: "Mit Ochsen hab ich Mitleid, der Mensch ist schlecht. / Die Menschen sind für den Plan nicht reif. / Erst muß, bevor die Welt sich ändern kann / Der Mensch sich ändern. [...] Dann nimm sie mit / Zum Schlachthof und zeig ihr / Ihre armen Leute, wie sie schlecht sind und tierisch, / voll Verrat und Feigheit / Und daß sie selber schuld sind / Vielleicht hilft das."
2. Johanna: "Nicht der Armen Schlechtigkeit / Hast du mir gezeigt, sondern / Der Armen Armut. / Zeigtet ihr mir der Armen Schlechtigkeit / So zeig ich euch der schlechten armen Leid. / Verkommenheit, voreiliges Gerücht! Sei widerlegt durch ihr elend Gesicht!"
Dazwischen muss man sich entscheiden, immer wieder, in jeder Situation und in jedem historischen Kontext neu. Das ist Brecht. Lösch ist das leider nicht. Lösch ist hau drauf. Und das Publikum glotzt romantisch. Und will immer nur das Moralische sehen, das heisst, diese armen armen Ex-Knackis. Aber vielleicht sind die gar nicht so arm, sondern bloß gemein?
Nein, ich bin kein Heimkind und komme aus guten Verhältnissen. Ich kann also auch nur erahnen, wie eine derartige Persönlichkeit konstitutioniert ist. Ich habe einige Bekannte und kann deren Aussagen und Verhalten diesbezüglich in Betracht ziehen.
So wie die obere Klasse, kann man auch diese Gesellschaftsschicht nicht einfach über einen Kamm scheren. Da ist die chorische Umsetzung vielleicht auch nicht so glücklich gewählt.
Das Überthema des Geldes war, so empfinde ich nur deshalb omnipräsent, weil das Bühnenbild und das breit angelegte Bankraub-Zwischenspiel ihr übriges dazu taten.Schuld, Verantwortung und Liebe waren für mich durchaus präsentere Themen. Vielleicht hätten Sie nicht mit der Erwartungshaltung kommen sollen, ein hochdialektisches Stück mit klarer Verortung und Entscheidung für einen historischen Kontext zu sehen.
Da mögen sicherlich Schwächen vorhanden sein. Aber die Inszenierung war meines Erachtens für ein breites, nicht elitäres Publikum gedacht. Schon deshalb weil ein Teil der Akteure naturgemäß bildungsferner waren. Das Problem,Theater an sich einladender und interessant für alle zu machen, ist doch aktuell ein gravierender Punkt in den meisten Schauspielhäusern. Ich höre zu wenn sich Jugendgruppen und nicht-typische Theatergänger in der Pause und anschließend über die Stücke austauschen. Leider ist es mit der Kultur und Fähigkeit des Sprachverstandes nicht weit her, und nur durch immer wieder mal ein bisschen "Hau drauf" entsteht kurzzeitig eine Art Konzentration für das was da eigentlich gesagt wird oder gehört werden möchte.
Falls Sie jetzt meinen"Anfänger"wären im Boulevard besser aufgehoben - dann fehlen die ernstzunehmenden Themen und man kann das mit der kulturellen Bildung gleich sein lassen.
Das war jetzt etwas weg von der kommunistischen Ursprungsdebatte , aber diese Absicht von Lösch, ein breites Publikum zu erreichen setze ich als primären Gedanken.Ohne ihn mit allen Mitteln verteidigen zu wollen.
Ebenso sollte man auch die "oberen Klassen" nicht als amorphe Masse wahrnehmen. Was Lösch aber doch tut, oder etwa nicht? Wie sonst kommt dieser Widerspruch zustande, welcher auch in Ihrer Argumentation auftaucht: Einerseits sprechen Sie davon, dass dieses Theater für ein "breites, nicht elitäres Publikum gedacht" war. Ja. Und wie geht das dann damit zusammen, dass Biberkopf (Nakajew) am Ende genau dieses "nicht elitäre" Publikum auf ebendiesen einen Punkt des asozialen Reichtums jenseits des Leistungsprinzips anspricht? Er wolle deren Villa im Grunewald, deren (generationell weitervererbte) Ausbildung/Beruf, deren Rolex usw. Huch. Aber was will Lösch denn jetzt?
In folgendem Kritikpunkt stimme ich Ihnen zu: Döblin ist nicht Brecht. Das war wohl mein Wunschdenken. Döblins "Berlin Alexanderplatz" bezieht sich mit dem Protagonisten Biberkopf wohl eher auf die Lebensziele des Kleinbürgers, welcher möglicherweise zunächst mal weniger gemeinsam für eine Veränderung der Verhältnisse kämpfen, als vielmehr eine Integration in die bestehende Gesellschaft (Haus, Frau/Familie, Auto, Fernseher usw.) erreichen möchte. Und das ist vielleicht AUCH eine Frage der entfremdeten Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Metropolen, was sich vom Beginn der Moderne bis heute durchzieht.