Das nächste Kapitel kölscher Baupolitik

von Regine Müller

Köln, 18. Dezember 2009. In einer elfstündigen Marathonsitzung ist am frühen Freitagmorgen in Köln die Entscheidung gefallen: Der Rat der Stadt Köln hat sich für den Neubau des Schauspielhauses und die Sanierung der Oper entschieden und dafür 295 Millionen Euro bewilligt. Der Rat ist damit dann doch treulich dem Vorlagenpapier der Verwaltung gefolgt, in dem die lapidar apodiktische Floskel: "Alternativen: Keine" zu lesen stand.

Nun wird also tatsächlich eine abgespeckte Version des ursprünglichen Siegerentwurfs gebaut. Da in der Light-Version des Neubaus nun längst nicht mehr alles untergebracht werden kann – Optimierung der Abläufe durch die Unterbringung unter einem Dach waren ursprünglich einmal der Grund für die Neuplanung gewesen! – müssen außerdem das externe Produktionszentrum und der externe Orchesterprobensaal saniert werden, der Ballettprobenraum ist ganz vom Tisch.

Enthaltene Stimmen sind keine dagegen

35 Ratsmitglieder stimmten der Vorlage von Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) zu, 31 votierten dagegen oder enthielten sich der Stimme. SPD und FDP waren dafür. Die Grünen, die noch vor kurzem erheblichen Beratungsbedarf angemeldet und für Vertagung plädiert hatten, enthielten sich der Stimme. Die CDU stimmte dagegen mit der Begründung, man präferiere die alte, größere Lösung mit Proberäumen für Ballett und Orchester am Offenbachplatz sowie einem Lichtgraben im Operngarten. Weitere 10 Millionen Euro wären dafür zu veranschlagen gewesen.

Schauspielintendantin Karin Beier ist insbesondere von den sich enthaltenden Grünen enttäuscht, von denen sie nach zuvor deutlich formulierter Skepsis ein klareres Statement erwartet hätte. Sie hätten sich wohl nicht getraut, gegen den OB zu votieren, meint Beier. Aber: "Das ist Demokratie". Beier bedauert den Abriss außerordentlich: "Es wird mir jedes Mal durch den Körper schlagen, wenn ich es sehe", prophezeit sie. "Aber ich werde mich jetzt nicht an das Haus ketten und weiter protestieren. Ich will mich auch nicht in einen permanenten Krieg mit den Architekten begeben, für die ich jetzt natürlich persona non grata bin. Nein, wenn es denn nun sein soll, will ich mich schon einbringen in den Neubau und zur Optimierung beitragen."

Beier: Votum für die Kultur in Köln?

Beier ist pragmatisch genug, um der Entscheidung, durchaus zweckoptimistisch und nicht ohne Süffisanz, auch Gutes abzugewinnen: "Es wird ja in die Kultur eine Menge Geld investiert und da kann ich nur sagen: Ich freue mich, dass Köln so reich ist und sich diese Großinvestition leisten kann! Das ist ein deutliches Votum für die Kultur in Köln." Beier weiß natürlich sehr wohl, dass für den Neubau ein anderer Topf zuständig ist als für ihren künstlerischen Etat. Und dass die investiven Kosten, die nun so locker durchgewunken worden sind, auf dem Papier mit dem, was das Haus an laufenden Kosten zum Arbeiten braucht, nichts zu tun haben. Dem pompösen Neubau mit dem diskreten Charme eines Kaufhauses droht jedoch bei greifenden Sparmaßnahmen nur sehr karger künstlerischer Inhalt zu bleiben.

Um diesem verwaltungstechnischen Irrsinn entgegen zu steuern, hatte Beier das radikale Umsteuern in der Planung angeregt. Vergebens. Dennoch bleibt sie offensiv: "Die Stadt wird sich nicht den Neubau ans Revers stecken und uns zugleich tot sparen. Das wäre lächerlich. Diese Investition ist für mich ein klares Statement für die Kultur und damit für unsere Arbeit. Zumindest vorerst unterstelle ich, dass sie an unseren Etat nicht drangehen." Und wenn doch? "Ich habe dazu noch keine Strategie entwickelt. Aber ich denke, wenn doch, dann machen wir es so, dass es die ganze Stadt merkt."

Der Denkmalschutz schweigt

Trotz des Widerstands in der Stadt wird sich so kurz vor Weihnachten in Köln wohl kaum ein öffentlicher Aufstand erheben. Das Thema ist indes noch längst nicht vom Tisch. So könnte sich durchaus ein Bürgerbegehren formieren. Und der Denkmalschutz könnte aus seinem Winterschlaf erwachen und die eigene, absurde Rolle in dem Szenario nochmals überdenken und sich im Sinne der eigenen Daseinsberechtigung vernehmlich räuspern. Dass Schauspielhaus und Oper jeweils für sich denkmalgeschützt wurden, das Ensemble als Ganzes aber sträflicherweise nicht, ist schon peinlich genug.

Dass aber der Denkmalschutz den Abriss des Schauspielhauses damals nur unter der Prämisse der Synergieeffekte der kassierten großen Lösung genehmigt hat, ist mehr als nur peinlich. Es müsste Grund für einen klaren Einspruch sein. Andernfalls könnte die Behörde sich als Handlanger der Bauindustrie besser gleich selbst abwickeln. "Wir werden um das Haus trauern, da verschwinden Jahrzehnte Kultur einfach so", sagt Beier. Tja, und wer weiß, ob die Kosten nicht doch wieder explodieren, wie es doch eigentlich immer der Fall ist? Und wer weiß schon, was sich auf dem Baugrund der Domstadt an hübschen Antiquitäten findet und die Archäologen nachhaltig beschäftigt? Ein neues Kapitel kölscher Baupolitik: Das ist eigentlich schon Drohung genug.


Mehr zu der Debatte um Neubau oder Sanierung des Opern-Theater-Komplexes am Offenbachplatz lesen Sie in der Presserundschau. Weitere Informationen zu aktuellen Sparplänen in anderen Städten finden Sie außerdem im nachtkritik-krisometer.