Oh Angst, oh Dunkelheit!

von Reinhard Kriechbaum

Wien, 6. Februar 2010. "Die Zukunft ist das Business", sagt Charles, der das Leben als Outlaw in den aufgelassenen Hallen eines Werftviertels mehr als über hat. Ausgerechnet hier und ausgerechnet jetzt träumt er vom "Business". Und ausgerechnet im Angesicht des jämmerlichen Maurice: Der Ehrenmann hat Geld veruntreut und wollte ins Wasser gehen. Ist nicht gelungen, einer der Underdogs hier hat ihn wieder herausgezogen. Jetzt humpelt Maurice mit gebrochenem Knöchel herum, ist genau so gefangen in den dunklen Hallen wie die anderen. Hier gibt es keine sozialen Unterschiede mehr, und auch kein Fortkommen. Und eine Flucht in eine bessere Welt, die irgendwo da draußen oder drüben doch existieren muss?

"Quai West" ist das Stück der Zeit, wie der Schwarzmaler Bernard-Marie Koltès eben einer der Autoren der Zeit ist. "Es ist alles Humbug … Geld gibt es nicht, es gibt Geschäfte": Schon in einer der ersten Szenen hat Maurice über die Unterschiede zwischen Kreditkarten und Geld räsoniert, und jetzt spricht er es aus: "Geld – das sind die Überreste, die man den Hunden im Hinterhof vorwirft."

Hochsprache, Gänsehaut und Scham

Da hat ein Autor also die Krise unserer Zeit, ihre Ursachen und die Folgen haarscharf vorausgesehen. Die einen sind mit Geld als Abstraktum umgegangen und haben so alle Logik in der Wirtschaft gekippt. Die anderen haben nicht einmal den "Abfall", Münzen und Scheine – und gierten doch gerade nach diesem handfesten Etwas.

Pointierten Brecht könnte man aus dem Plot machen. Es wäre ein Leichtes, "Quai West" handsam zurecht zu schneiden auf diesen Wirtschafts-Aspekt. Das tut Andrea Breth im Burgtheater natürlich nicht. Sie nimmt den ganzen Koltès ernst, seinen Kosmos, der in den Immigrantenvierteln vor allem ausgeprägt worden ist.

Da stoßen (Klein-)Kriminalität und ethnische Tradition aufeinander, durchdringen einander. Muss man "einen Sohn gezeugt" oder "zwei Menschen umgebracht" haben, wie Charles' Vater, ein Ladino-Kriegskrüppel, dem Schwarzafrikaner Abad weismachen will?

Bei Breth sind und bleiben die Figuren also jene grandiosen (und komplexen) Philosophierer, als die der französische Autor sie angelegt hat. Und das Burgtheater hat nicht nur die Typen dafür, sondern auch die Sprecher. Sie sind von der Regisseurin eingeschworen auf Hochsprache. Wie sie da monologisierend abheben, hebt sie vor allem einmal ab von allzu bequemer Verortung: Wie angenehm, könnten wir uns nur drauf verlassen, dass "Quai West" irgendwo ein Revier in New York oder ein Banlieue in Paris meint. Doch "Quai West" könnte genau so gut in der Wohnung des Nachbarn im Wohnblock liegen. Das schafft Gänsehaut, auch wenn uns Koltès einige Male auflachen lässt über die Bizarrerie von Weltsichten und Formulierungen – wir haben noch nicht zu Ende gelacht, schämen wir uns dafür.

Oberfläche, Schweigen und Seelengrund

Messerscharf analysierte, präzise durchgezeichnete Figuren sind das: Sven-Eric Bechtolf ist Maurice, der es zu bunt getrieben hat als ehrenhafter Vermögensverwalter. Gallig macht er sich jetzt über sich selbst her, über das System, das einen wie ihn hat vertrauenswürdig erscheinen lassen. Und weinerlich vor Selbstmitleid ist er ebenso – solche Mischungen aus Oberfläche und Seelengrund hat Andrea Breth auch aus allen anderen Figuren herausgeschält. Sogar aus dem Schwarzen (Maynard Eziashi).

Er sitzt meistens nur da als das vielbeschwatzte "Opfer" der hemmungslosen Monologisierer. Wenn Charles’ Mutter Cécile umfassend ihr Ich aufblättert, hat er ein keckes Pfeifen auf den Lippen. Cécile ist eine Bravourrolle für Elisabeth Orth. Hoffnungslos gelebte Männlichkeit Hans-Michael Rehberg ist der alte Rodolfe, der nicht mehr hören, nicht mehr denken und schon gar nicht mehr handeln will. Weitere Spielarten hoffnungslos gelebter Männlichkeit: Philipp Hauß als Charles und Nicholas Ofczarek als dessen Freund Fak. Machogehabe oder Alert-Sein auf Biegen und Brechen – beides nimmt sich äußerst sonderbar aus in diesem Umfeld.

Halbdunkel, stockdunkel und Blackouts

Mit besonderer Liebe hat Andrea Breth die Figur der blutjungen Claire entwickelt. Naivität und Glaube an mögliche Verbesserung der Lebenssituation, allmähliche Einsicht in die Aussichtslosigkeit der Lage – das setzt Merle Wasmuth so quirlig wie im Wesen zerbrechlich um. Und die eigenwillige Monique, die Sekretärin von Maurice, die ihn (weil er selbst nicht fahren kann) zum Ort des geplanten Suicids chauffiert hat? Zwischen den beiden gibt es natürlich auch unbeglichene Rechnungen. In der tristen Umgebung, zwischen den ungehobelten Aussteigern erwacht sogar das Tier in der Frau. Beste Möglichkeiten für Andrea Clausen, die trotzdem immer auch ein wenig Dame bleibt.

Den dunklen Raum, die Finsternis – das hat Erich Wonder ganz erstaunlich realistisch umgesetzt: eine unebene, rabenschwarze Bühnen-"Landschaft" mit Abgründen und Stolpersteinen. Dahinter zwei Ebenen von Glasfronten. Oft agieren die Figuren wie Scherenschnitte. Halbdunkel herrscht vor. Es reden ja auch immer alle vom Stockdunklen. Die Metapher wird umgesetzt, und man wird in dieser Düsternis frontal auf die monologische Struktur von Koltès' Theatersprache geworfen.

Blackouts, jeweils verbunden mit einer Sound-Installation, die an eine Explosion gemahnt, gliedern Text und Episoden einer 2010, genau ein Vierteljahrhundert nach Entstehen des Stücks, allzu realen, Angst machenden Nacht.

 

Quai West
von Bernard-Marie Koltès, Deutsch von Simon Werle
Regie: Andrea Breth, Dramaturgie: Plinio Bachmann, Bühnenbild: Erich Wonder, Kostüme: Francoise Clavel, Sounddesign: Alexander Nefzger.
Mit: Sven-Eric Bechtolf, Andrea Clausen, Elisabeth Orth, Merle Wasmuth, Hans-Michael Rehberg, Philipp Hauß, Nicholas Ofszarek, Maynard Eziashi.

www.burgtheater.at


Mehr von Andrea Breth? Im September 2009 inszenierte sie Kleists Der zerbrochne Krug und davor, im September 2009, die Uraufführung von Blaue Spiegel, einem Stück Albert Ostermaiers. Noch mehr ist im Glossar zu finden.

 

Kritikenrundschau

Der "Tod in der Kloake" trage in Andrea Breths Koltès-Inszenierung "Quai West" am Wiener Burgtheater "den Schmäh des Boulevards", schreibt Gerhard Stadelmaier in der Frankfurter Allgemeinen (8.2.2010). Koltès sei "Poststrukturalist" gewesen und habe "nicht an Menschen von Fleisch und Blut" geglaubt, sondern "an poesieverschraubte Essay-Maschinen aus Papier und Theorie". Die "notorische Schwernehmerin" Breth nehme sein "ja doch zu Recht etwas vergessenes und kaum gespieltes Stück ganz leicht. Und hell". Bei ihr lache der Abgrund und "macht Witze". Zu sehen sei "die Komödie der Kanalratten" und ein "Stimmentheater von Sprechschatten". Unter den "Überspanntheiten im Papiermöglichen" entspanne Breth "die Situation im Menschenmöglichen" und verschaffe "dem Koltès-Papier Körper, Blut, Fleisch, Seele". Auf der dunklen Bühne "strahlen die Menschen auf ihr im hellen Licht einer szenischen Aufklärung, die weiß: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Und wo es nicht ernst ist, kann man selbst noch unter Schrecken lachen. Aber auch lachend sehr ernsthaft sein."

Christopher Schmidt von der Süddeutschen Zeitung (8.2.2010) hat weitgehend "Schattentheater" von Scherenschnitt-haften Figuren gesehen. Grisaille-Effekte, harte Schnitte und Schwarzblenden spielten mit der Film-Ästhetik. "Regiekünstlerin" Breth sei sich außerdem natürlich "sehr genau der Unkosten bewusst, die ihr Bilderverbot mit sich bringt". Zum Glück stünden ihr "exzellente Sprecher zur Verfügung", die auch "als Hörspieler noch faszinieren". Koltès' Monologe würden hier zu "Arien einer Sprechoper, während die Dunkelheit polyphone Phantasieräume öffnet". Dennoch sei "das dreistündige Wortmusizieren bei aller Kunstfertigkeit ein mehr strapaziöses als beglückendes Vergnügen", lausche man doch, "wo das Auge darbt, um so genauer der Sprache, und was den Text angeht, hat Andrea Breth zu großes Vertrauen in seine Klassizität". Breth erschließe ihn nicht neu, ihre Inszenierung sei recht eigentlich "Grabpflege", "so deutungsfrei, als wär's die Uraufführung – und als wäre seither die Zeit stehen geblieben". "Mit der Unzeitgemäßheit des Textes hätte sie umgehen müssen, anstatt sie zu umgehen." In der heutigen Krisengesellschaft wirke Koltès' "Gossen-Pathos, dieser veredelte Gangsta-Rap" doch reichlich "abgeschmackt". Und den "Sound der Straße" bringe lediglich Nicholas Ofczarek "authentisch auf die Bühne".

"Koltès hätte, wenn man Andrea Breths grafitschwarze Burgtheater-Inszenierung nicht unbedingt als Maßstab heranzieht, eigentlich das Stück zur Krise geschrieben", meint im Gegensatz dazu Ronald Pohl im Standard (8.2.2010). Es sei "eine betörende Sprechoper aus lauter Dialogen, in denen ein kompletter Kulturumschlag vor-, oder besser: vorweggenommen wird". Seine Erniedrigten und Beleidigten redeten dabei, "als wären sie bei Marivaux und Voltaire in die Sprechausbildung gegangen", da herrsche "ein wunderbarer Karneval der Entgrenzung: Wer nichts hat, dem liegt gleichwohl die ganze Welt auf der Zunge!" Der Zuschauer wohne bei Breth "einem monumentalen Hörspiel" bei, in dem Simon Werles "wunderbare Übersetzung" "als feierliches Hochamt" ertöne. Doch vielleicht sei "Quai West" "nicht halb so ernst gemeint gewesen (...), wie es Breths Buchstabierübung glauben macht"? "Denn kaum nehmen die Schauspieler – selten genug – komödiantische Posen (...) ein, wird das falsche Talmi sichtbar." In der Burg bleibe es Bechtolfs "lebensmüdem Krakeeler vorbehalten, das bürgerliche Trauerspiel seines Untergangs der Lächerlichkeit preiszugeben", doch es hätte "mehrerer solcher Bloßstellungen bedurft: konzentrierter Lichtstrahlen auf Vereinzelte und Verzagte, die sich um Kopf und Kragen reden". Stattdessen bleibe alles "so unsinnlich, so schottergrau".

Ja, man könne "Quai West" durchaus für "das Stück der Stunde halten, weil es auch um Gier und Spekulation, um Tausch und den Verlust realer und fiktiver, emotionaler und sachlicher Werte geht", schreibt auch Ulrich Weinzierl in der Welt (8.2.2010). "Im Glücksfall, so wie jetzt, sind Inszenierungen von Andrea Breth veritable Uraufführungen. Denn sie horcht weit besser hin als ihre Kollegen, bringt darum vermeintlich Verstummtes (...) zum Sprechen. Federleicht wird die Last der Tradition unter ihren akribisch arbeitenden Regiehänden." Das "Allerkünstlichste" sei in diesem "rabenschwarzen und trotzdem taghellen Notturno plötzlich das Natürliche. Die Produktion wird zur Hohen Schule des Schauens und Lauschens" in einer "Atmosphäre vibrierender, drei Stunden unvermindert andauernder Spannung". Breth führe vor, dass "Quai West" "keinen Helden, keine Opfer" habe, "alle sind sie in ihrer grausam machenden Not gleichberechtigt und gleich wichtig". "Unvergesslich" Sven-Eric Bechtolf, "hinreißend" Nicholas Ofzarek, und auch "vor der Klangskulpturen formenden Sprachmusikerin Elisabeth Orth (...) möchte man sich nur verneigen". Die "Krone des Abends" gebühre dem Ensemble, das "Musilsche 'Generalsekretariat für Genauigkeit und Seele' sollte ihr einen Orden verleihen".

Auch heute noch gleiche der Koltès-Sound "in besseren Aufführungen einem Überfall; keine Stimme seither klang im Theater so wie seine", meint Michael Laages im Deutschlandfunk (Kultur heute, 7.2.2010). Koltès habe "den Sound des Alltäglichen als Kollektiv von Stimmen" arrangiert in Blues oder Jazz, habe im Grunde stets sich gelegentlich kreuzende Monologe geschrieben – "der Sound entsteht im Nebeneinander". Entsprechend inszeniere Breth zunächst im Dunkeln, "nur mit Stimmen". Aus Wonders "Nicht-Raum" würden "einzelne Personen per Schlaglicht hervor geholt, grell und schnell, bevor sie sich wieder verlieren im Schatten dieser Halbdunkelkammer. Diese Behauptung von An- und Abwesenheit zugleich, diese Geisterbeschwörung ist der zentrale ästhetische Impuls dieser für alle Beteiligten anstrengenden Aufführung". Die Story trete dabei in den Hintergrund, existiere jedoch "ohnehin nur als Fragment", "nichts hat wirklich miteinander zu tun, aber alles hängt irgendwie miteinander zusammen". Das "starke Burgtheater-Ensemble" schlage sich zusammen mit der Regisseurin "mutig und kraftvoll" durch die "Schreckenstexte" und das "Dickicht der Städte, wo sie am verlassensten sind".

Koltès Stück sei "schwierig vermittelbar und nicht leicht zu konsumieren", so wiederum Barbara Villiger Heilig in der Neuen Zürcher Zeitung (8.2.2010). "Seine den Kapriolen des Kapitalismus zu verdankende, immer wieder akute 'Aktualität' ist bloss ein Köder, mit dem es uns (...) hinablockt in die Tiefe des Daseins, wie Koltès es sah". Unnachgiebig halte Breth diesem Text die Treue. "Im Kontext der vorherrschenden jungdramatischen Light-Ironisierungen von Pseudorealitäten wirke Koltès' "zwischen Metapher und Wirklichkeit gelegenes Jenseits (...) freilich unzeitgemäss klassisch". Um Milieustudien gehe es da keinesfalls, auch "wegen der Sprache nicht, die künstlich und kunstvoll, vielleicht sogar poetisch (...) in monologischen Kaskaden über die Bühne flutet". Das Ganze wirke "opulent, zeremoniell, antirealistisch", eine "Sprechoper, ob deren Grandiosität man allerdings bald voll Bewunderung erstarrt. Die Zumutung hebt den Alltag ins Mythische. Und siehe da: Das, woraus sich der banale Alltag zusammensetzt – nicht nur Finanzbetrügereien –, steht plötzlich in seiner existenziellen Dimension da." Wer die Geduld aufbringe, Breths Menschen zu folgen, erfahre, "was das heisst: Katharsis".

Für Barbara Petsch von der Wiener Presse (8.2.2010) gibt es in der Inszenierung "peinigende Passagen schierer Langeweile. Verwunderlich, bei den Schauspielern". Die Breth-Mimen hätten Mühe, "sich durchzusetzen im grau-schwarzen Ambiente", dessen Bühnenbild-Röhre allerdings hierher passe, "als Symbol für die Verschlingung des Ich". Alles, was im Stück stehe, sei "genauestens ausgeführt". Und trotzdem stimme es nicht so richtig. Denn: "Das Milieu ist unecht." Am schlimmsten habe es Elisabeth Orth getroffen: "Eine betagte Dame mit wohltönendem Burgtheater-Melos als Exhure und Mutter einer minderjährigen Tochter, das geht gar nicht." Andrea Clausen erscheine für Kochs Gefährtin Monique "zu wenig brutal und abgedreht", Philipp Hauß sei "ein zu sanftes Büblein für den Charles". "Der Schwarze Maynard Eziashi schafft mehr authentische Atmosphäre als alle anderen zusammen: Er ist einfach. Die anderen tun." Trotzdem gebe es "einige hinreißende, auch komische Szenen". Und "aktuell bleibt das Stück allemal. Aber im Burgtheater ist es zu sehr zum edlen Hörspiel geraten" und das von Koltès geschilderte "Elend, das wie eine Krankheit um sich greift", gerinne hier teilweise "zur hohlen Kunst".

Für Stephan Hilpold in der Frankfurter Rundschau (10.2.2010) ist "Quai West" "ein Stück wie ein Meteorit, der aus der Dunkelheit kommt. Für einen Moment erleuchtet er die Gesichter der Kreaturen am Einschlagsort. Dann herrscht wieder die große Finsternis." Andrea Breth habe daraus "eine kleine, dunkle Sternstunde" des Theaters gemacht und stelle der "Scherenschnitthaftigkeit des Settings" "feinst ziselierte Charakterstudien gegenüber". Nur am Ende "gleitet das Stück ab", wenn der strumme Abad, gespielt von Maynard Eziashi, zur Lichtgestalt werde. "Er stimmt ein afrikanisches Lied an und richtet die Kalaschnikow auf Maurice und Charles. Die Sentimentalität, gegen die sich Koltès so wehrte, bringt der Autor schlussendlich selbst ins Spiel. Schwarze haben in seinen Stücken immer symbolisch aufgeladene, sich nahe am Kitsch befindliche Rollen. Das ist in 'Quai West' nicht anders. Der Wucht dieser Inszenierung tut das aber keinen Abbruch."

In einer vergleichenden Betrachtung schreibt Peter Kümmel in der Wochenzeitung Die Zeit (11. Februar 2010) über Andrea Breths Burgtheater-Aufführung von "Quai West" und Stephan Kimmigs "Kabale und Liebe" am Deutschen Theater: Beide Inszenierungen ließen den Zuschauer, schreibt Kümmel, "erschöpft und ein wenig leer zurück". "Demonstrativ" werde dem Text "nachgehorcht", doch, weil man nicht wisse, "wie man ihn auf die Schauspieler runterbrechen" solle, wirke das "Bühnengeschehen" bloß wie eine Zutat zum Text. Beide Inszenierungen seien "eher nichtssagend", "interessant" sei der Dialog, den sie miteinander führen. Es gehe dabei um die Frage, wie man Schmerz darstelle. In "Quai West" herrschten "Gewalt und Sex" und dies darzustellen werde auf einer der reichsten Bühnen der Welt ein Problem. Bei Kimmig rüttelten die Figuren "an den Fassaden und wollen hinaus". Bei Breth seien alle schon weit draußen und die Menschen taumelten "durch die Schwärze, als durchsuchten verwirrte Passagiere die Trümmer des Flugzeuges, mit dem sie gerade – völlig unversehrt – abgestürzt sind. Es hat nicht sehr wehgetan." Aus Koltes' "existenziellem Rotwelsch" werde bei Breth ein "höheres Raunen". Andererseits gebe es bei Maurice des Sven Eric Bechtolf und der Monique von Andrea Clausen einen "unternehmungslustigen, herausfordernden Ton", den die Inszenierung nicht mehr verliere.

 

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