Die Fab Ten

8. Februar 2010. Florian Fiedler hat es mit seiner Umsetzung des legendären Weißen Albums der Beatles am Schauspiel Frankfurt soeben auf den Punkt gebracht: Wenn im Theater jemand die Gitarre zückt oder die Tonkonserve anwirft, dann kann man sich mit einiger Wahrscheinlichkeit gleich auf den guten alten Klassikpop gefasst machen. Aber was bleibt hängen? Die nachtkritik-Redaktion hat sich zusammengefunden, um die zehn unvergessenen Beatles-Momente im jüngsten (und nicht mehr ganz so jungen) Theater zu versammeln. Take it away, John:

Das Cover des letzten von den Beatles eingespielten Albums: Abbey Road (veröffentlicht 1969).


1. Back In The USSR

In "Anatomie Titus" (Heiner Müller nach Shakespeare) lässt Johan Simons 2003 an den Münchner Kammerspielen eine tschetschenisch-terroristische Theaterübernahme ablaufen. Auf dem Höhepunkt erhebt sich die römisch-moskauerische Bühne und die Beatles-Gitarren röhren.

2. Yesterday ("Gesterntag")

Körper und Liebe sind pfutsch. Aber die Erinnerung an sie klingt nach wie vor wunderbar. So in Fabian Hinrichs' eigenwilliger Beatles-Adaption 2010 in René Polleschs Ich schau Dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang an der Berliner Volksbühne.

3. Das gesamte "Let It Be"-Album

Vom kreativen Geist im Stich gelassen, verlegt sich Stefan Pucher in seinem Beitrag zur Prater-Saga 2005 "Diabolo - Schade, dass er der Teufel ist" an der Berliner Volksbühne auf eine Jam-Session. Immerhin mit im Studio: Alexander Scheer.

4. Your Mother Should Know

Als Beatles-Kenner erweist sich Stefan Pucher auch 2004 in seiner Zürcher Umsetzung von Max Frischs "Homo Faber". Klassiker wie "For No One" und "Because" geleiten einen Trupp von Faber-Klonen um Robert Hunger-Bühler durch eine anämische Romanbesinnung im Ambiente der 50er Jahre.

5. A Hard Day's Night

Gitarren in den Fäusten und Beatlemania im Blut – so sieht eine gelungene Coming-of-Age-Geschichte im finnisch-schwedischen Grenzland in den 1960er Jahren aus. 2008 elektrisiert Regisseurin Katariina Lahti mit Ilpo Tuomarilas Romanadaption Populärmusik aus Vitulla das Rostocker Volkstheater.

6. Blackbird

Stefan Pucher erweist sich als treuster Follower der Beatles. In seiner Fritz-Lang-Adaption M - Eine Stadt sucht einen Mörder am Berliner Maxim Gorki Theater singt Peter Kurth mit brechender Stimme vom "Blackbird": "You were only waiting for this moment to be free". Es bleibt ein unerfülltes Sehnsuchtslied, seinem in den eigenen Trieben gefangenen Kindsmörder wachsen keine Flügel.

7. Woman Is The Nigger Of The World

Die Hängematte ist in diesem Othello von Jan Bosse am Wiener Burgtheater ohnehin das Wichtigste: In einer Hängematte erstickt der schuhcremeschwarze Othello seine Desdemona. Und in der Hängematte schaukeln Katharina Lorenz, Caroline Peters und Adina Vetter, die Damen des Abends, wenn sie "Woman Is The Nigger Of The World" singen. Den (zugegeben post-Beatles) Lennon-Song, den Protest-Song.

8. She Loves You

Eigentlich hält es Simon Solberg eher mit Rapmusik und Rapper-Posen in seiner von Baz Luhrmann inspririerten Romeo und Julia-Inszenierung 2009 am Staatsschauspiel Dresden. Aber den Gassenhauer aus der "Please, Please Me"-Pilzkopfphase hat er trotzdem mit am Start.

9. Yellow Submarine

Unter riesige Kindertotenmasken steckt Andreas Kriegenburg 2006 Tschechows drei Schwestern an den Münchner Kammerspielen. Und um den surrealen Mummenschanz perfekt zu machen, lässt er a capella auch das LSD-betriebene Unterseeboot aus dem legendären Beatles-Zeichentrickfilm losdüsen.

10. Why Don't We Do It In The Road

Und last not least: ein Beatles Song, der deutsche Theatergeschichte schrieb. Zwei Monate vor dem Fall der Mauer im Bayrischen Staatstheater in München, wo Frank Castorf mit Silvia Rieger "Miss Sara Sampson" von und nach Lessing inszenierte und dem bürgerlichen Trauerspiel mit den Beatles die schöne Seele austrieb. Die Premiere endete im Tumult, im Zuschauerraum soll es Ohnmächtige gegeben haben. Dann kam Castorfs erste Einladung zum Theatertreffen 1990 und bald auch schon der Umzug an den Rosa-Luxemburg-Platz.

(Die Redaktion)

 

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Kommentare  
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Dear Nachtkritikredaktion, you're beautiful.
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back in the ussr: frank castorfs puntila am hamburger schauspielhaus.
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back in the ussr und viele mehr: burghart klaußner, marigold, schauspielhaus bochum
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"She is leaving home" in Castorfs grandioser "Frau vom Meer - Fruen fra havet"
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Wieder einmal Superservice!
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