Presseschau vom 14. März 2010 – Andrea Breth über den vermessenen Beruf des Kritikers

Geistesumnachtet

Geistesumnachtet

14. März 2010. In der österreichischen Zeitung Die Presse (14.3.) hat die Regisseurin Andrea Breth im Gespräch mit Norbert Mayer denkbar deutlich ihr grundsätzliches Unbehagen an den Kritikern kundgetan: "Kritiker ist ein vermessener Beruf. Man hört und sieht sich eine Sache, die monatelang vorbereitet wurde, einmal an und bildet sich sofort ein Urteil. Da ist man sowieso auf der Verliererseite. Das ist völlig irrational. Die erste Kunst des Kritikers besteht doch in der Beschreibung. Untergriffe finde ich indiskutabel."

Breth konstatiert auch eine um sich greifende Dummheit, die sich ihren Arbeiten nicht gewachsen zeige: "Es mutet oft merkwürdig an, dass die Vielschichtigkeit gar nicht bemerkt wurde, zum Beispiel als Ästhetik überhaupt nicht verstanden wurde. Da werde ich dann trübsinnig, auch wegen der zunehmenden Geistlosigkeit. Daran, dass heute nichts verstanden wird, ist auch die Verblödung durch Medien schuld."

Schlimmer noch – zum Teil werden gar Inszenierungen gelobt, die nicht von Andrea Breth stammen und damit der Vielschichtigkeit entbehren: "Es ist hip, Aufführungen zu favorisieren, die so dilettantisch sind, dass es mir die Schuhe auszieht. Diese Inszenierungen werden aber genau deswegen gekrönt. Das ist nahezu geistesumnachtet."

Und auch das Theatertreffen, das diesmal den Fehler beging, keine Aufführung von Andrea Breth einzuladen, bekommt sein Fett weg: "Die Jury soll die zehn besten deutschsprachigen Aufführungen wählen. Sie wählen aber lieber ein Motto wie Wirtschaftskrise oder Globalisierung. Wenn sich irgendjemand damit beschäftigt hat, ist bereits das Klassenziel erreicht. Über diese Misere schreibt niemand! Eine Inszenierung wie meine vom 'Zerbrochnen Krug' , die im vergangenen Herbst durchwegs hervorragende Kritiken bekam, in der 'Neuen Zürcher Zeitung' und der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' sogar als Aufführung des Jahres bezeichnet wurde, die eine neue Lesart bietet und unglaubliche Schauspieler hat, wird als altmodisch angesehen und deshalb nicht eingeladen." Folgt daraus eigentlich auch, dass die Kritiker der NZZ und der FAZ noch nicht gar so verblödet sind wie die anderen?

Schließlich wendet sich Breth auch noch gegen die "Mini-Castorfs", die "nicht verstanden haben, um was es eigentlich geht. Ein Theaterregisseur ist ein Diener des Werkes und sonst gar nichts." By the way: Gibt es eigentlich auch Mini-Breths? (wb)

 

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