Das Käthchen von Heilbronn - Simone Blattner rahmt Kleists Liebesgeschichte parodistisch
Kampf der Liebe gegen die Ritter der Kokosnuss
von Wolfgang Behrens
Berlin, 19. März 2010. Was für ein Plunder! Unter den klassischen Repertoirestücken des deutschen Theaters ist Kleists "Käthchen von Heilbronn" sicherlich eines der allerkrudesten. Von Femerichtern bis zum Rittermummenschanz, von brennenden Burgen bis zu halbkünstlichen Menschen reichen die schauerromantischen Zutaten; und ein als Deus ex Machina auftretender Kaiser macht das Ganze endgültig zum Kaiserschmarren.
Wäre da nicht diese allerwunderlichste Liebesgeschichte zwischen einem 15-jährigen Bürgermädchen und einem Grafen, die unterm Holunderbusch in so traumseliger Schönheit ihre Erfüllung findet, man könnte das Stück getrost vergessen. So aber umschließt der Plunder als gigantisches Ablenkungsmanöver einen poetischen Kern, der seinesgleichen kaum hat.
Anzugträger in den Kulissen
Blickt man auf die formstrenge Bühne, die Alain Rappaport für Simone Blattners Inszenierung des "Käthchen" am Berliner Ensemble entworfen hat, so muss es scheinen, als habe der Plunder an diesem Abend schlechte Karten – eine nach hinten zu sich verjüngende, unregelmäßige Treppenabsätze bildende Stufenflucht, seitlich schwarze Kulissen: das ist alles.
Der Anfang dann lässt das Schlimmste befürchten: Ist mit dem Plunder auch das Leben aus dem Stück gewichen? Wann hat man je das Femegericht so blutleer gesehen? Als gesichtslose Anzugträgermasse lugen die Richter aus den Kulissengängen hervor und üben sich in kunstlosem Chorskandieren, sie sind weder Bedrohung noch Instanz. Und die Streithähne – Axel Werner als Waffenschmied, der den Grafen Wetter (Sabin Tambrea) beschuldigt, seine Tochter behext zu haben – gerieren sich, als hätten sie gar keinen Konflikt, sondern spielten ihn nur schablonenhaft nach. Die große Langeweile droht, ehe die Aufführung richtig begonnen hat.
Burggrafen und ihre Strickmuster
Doch dann kehrt der Plunder zurück. Weniger aus der Requisite kommt er, sondern vielmehr aus dem Spiel: Simone Blattner lässt das Gros ihrer Darsteller als Fleisch gewordene Abziehbilder auftreten. In karikierenden Arrangements und Choreographien tollen die diversen Burggrafen, Knappen und Edelfräuleins über die Bühne, sie tragen Häkelpullover, die wie Kettenhemden aussehen, und hoppeln herum wie Monty Pythons Ritter der Kokosnuss. Kunigunde, des Grafen Wetter (in mehrfachem Sinne) falsche Braut, präsentiert sich in einer Art Nina-Hagen-Outfit, und Ursula Höpfner-Tabori tut ein Übriges, um diesem Zwitterwesen mit den Wangen "aus den Bergwerken in Ungarn" und den Formen "aus schwedischem Eisen" comichafte Züge zu verleihen.
Mitunter bewegen sich die Spieleinfälle hart an der Kante zum Dämlichen, mit ihnen aber gewinnt der Abend den eingangs so dringend vermissten Drive. Und sie geben die parodistische Rahmung für das eigentliche Zentrum der Aufführung ab, für ebenjene allerwunderlichste Liebesgeschichte, die sich schon bei Kleist hinter allerlei unsinnigem Trubel verschanzt – Laura Tratnik als Käthchen und Sabin Tambrea als Graf Wetter stellen so etwas wie den natürlichen Gegenpol zu den Verzerrungen ihrer Umgebung dar: zwei junge Leute, die zwei sehr junge Leute spielen.
Und der schöne Wundersinn der Gefühle
Und sie tun das auf das Selbstverständlichste. Mit linkischen Gebärden – ein Kratzen am Kopf, ein Abwischen der Hände, ein verlegenes Lächeln – erspielen sie eine Teenager-Liebe, die sich erst ausprobieren und entdecken muss. Mit klugen Strichen (die das Stück auf schlanke zwei Stunden eindampfen) hat Simone Blattner das Thema Standesunterschied weitgehend aus ihrer Spielfassung herausgehalten: die Wankelmütigkeit des Grafen wird bei Sabin Tambrea vor allem zu der eines nicht ganz der Pubertät entwachsenen Jünglings, der sich seiner Gefühle noch nicht sicher ist. Laura Tratniks Käthchen hingegen bewegt sich im blauen Kleidchen mühelos auf der Grenze not a girl, not yet a woman. Das notorische und heute so provozierende "mein hoher Herr" kommt ihr über die Lippen, als sei es ein Kosename; mit kindlicher Unbeirrtheit stürzt sie sich in ihre Schwärmerei.
Es wäre noch von einigen schönen Momenten zu berichten: beim Einsturz der brennenden Burg beginnt sich die eingenebelte Bühne zu drehen und fährt in Zeitlupe den im Kulissengewirr verborgenen, ein paar sphärische Klavierakkorde anschlagenden Schutzengel Käthchens mit großen weißen Flügeln durchs Bild – der selten gewordene Mut zum Kitsch lässt einem hier kurz den Atem stocken. Schließlich führen Ruth Glöss als gräfliche Haushälterin und Jürgen Holtz als Kaiser in kurzen Einlagen große Sprachkunst alter Schule vor und holen sich Szenenapplaus ab.
Solide gebaute Poesie
Ein großer Wurf ist Simone Blattner gleichwohl nicht gelungen. Dazu schiebt sie vielleicht doch zuviel beiseite: eine wichtige Figur wie die Kunigunde etwa bleibt bei ihr im Grunde ohne tiefere (Be-)Deutung; Käthchens und des Grafen Liebe wiederum geht in ihrer Sicht fast zu plan- und geheimnislos auf. In den besten Augenblicken jedoch hat Simone Blattners Inszenierung so etwas wie eine solide gebaute Poesie. Inmitten all des Plunders, den man in jüngerer Zeit am Berliner Ensemble erleben musste, ist das jedenfalls nicht das Schlechteste.
Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe
von Heinrich von Kleist
Regie: Simone Blattner, Bühne: Alain Rappaport, Kostüme: Sabin Fleck, Licht: Ulrich Eh, Dramaturgie: Viktoria Göke.
Mit: Jürgen Holtz, Sabin Tambrea, Anke Engelsmann, Dejan Bućin, Christopher Nell, Ruth Glöss, Ursula Höpfner-Tabori, Judith Strößenreuter, Axel Werner, Laura Tratnik, Veit Schubert, Boris Jacoby, Marko Schmidt.
www.berliner-ensemble.de
Mehr zu Simone Blattner im nachtkritik-Archiv: Martin Heckmanns' Zukunft für immer, ein Theaterprolog für drei Schauspielerinnen, inszenierte sie im September 2009 zum Start von Wilfried Schulz' Intendanz am Staatsschauspiel Dresden. Heinrich von Kleists Amphitryon nahm sie sich im Sommer 2009 bei den Heidelberger Schlossfestspielen an. Unter der Intendanz von Elisabeth Schweeger war sie Hausregisseurin am Schauspiel Frankfurt, wo sie u.a. im März 2009 Shakespeares Othello, im Dezember 2008 Ödön von Horváths Kasimir und Karoline inszeniert hat.
Kritikenrundschau
Simone Blattners erste Berliner Inszenierung betone die parodistischen Seiten von Kleists Ritterschauspiel, schreibt Anne-Dore Krohn in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (21.3.2010) und lasse die Figuren im Laufe der zwei Stunden immer komödiantischer über die Bühne rennen. "Knecht Gottschalk zupft Käthchen das Kleid zurecht, Graf vom Strahl greift sich vor Aufregung in den Schritt, und die Ritter in gehäkelten Kettenhemden reiten wie bei Monty Pythons "Ritter der Kokosnuss" zu Galoppgeräuschen ein. Besonders stark findet die Kritikerin die kurzen Auftritte von Ruth Glöss als Haushälterin und Jürgen Holtz als Kaiser. Wie Holtz sich windend zur Vaterschaft des Käthchens bekennt zeigt ihr klassische Schauspielkunst. Großartig verrucht findet Krohn auch Ursula Höpfner-Tabori als Kunigunde. Die Frauen gehören für sie überhaupt zu den wenigen Farbklecksen auf der Bühne von Alain Rappaport: schwarze Stufen, die sich nach oben verjüngen, seitliche Trennwände, zwischen denen die Figuren auf- und abtreten. "So viel Schlichtheit tut so viel Komödie gut."
Ganz sicher war sich Andreas Schäfer im Berliner Tagesspiegel (21.3.2010) nicht, ob dies nicht am Ende eine Kleist-Parodie oder gar eine Parodie des BE-Theaterstils gewesen ist. Denn wie bei vielen Arbeiten, die an diesem Haus entstehen (egal von welchen Regiseur) erkennt der Kritiker ein dreiteiteiliges Grundprinzip, nach dem der Abend funktioniert. Auch Simone Blattners Berlin-Debut: Ablachnummern (80 Prozent), aus Beeindruckungsnummern (5 Prozent) und aus Nummern, die berühren wollen (rund 15 Prozent). Das Bühnenbild fand Schäfer zwar "gelungen reduziert". Doch grundsätzlich will der Funke besonders bei den zentralen Szenen des Dramas nicht auf den Kritiker überspringen. Mehr als Karikaturen verstehe die Regiseurin speziell aus den Nebenfiguren auch nicht herausholen. "Wie Comic-Figurinen tauchen die Ritter und Edeldamen in klirrenden Gewändern auf und drücken auf die Klamauktube. Die Männer trippeln als tuntige Ritter zur Rampe herunter, während aus Lautsprechern das Klappern von Hufen tönt." Damit das Publikum aber nicht glaube, sich in ein Boulevardtheater verirrt zu haben, gebe es hin und wieder ernst zu nehmende Schauspielkunstauftritte, von denen einer Schäfer in Erinnerung bleiben wird: "Jürgen Holtz als rührend verwunderter Kaiser."
Das Käthchen sei in dieser Inszenierung "auf erst einmal gar nicht unangenehme Weise durchgetrocknet", schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (22.3.2010). Bei Laura Tratnik gebe "es kein Brennen, keinen Furor, kein Flehen, kein Zerfließen in heißen Tränen, auch keine hochwürdige Märtyrermädchenhuld. Käthchen ist - im Gegensatz zu den Hysterikern um sie herum - mit sich im Reinen, normal, ein bisschen langweilig vielleicht. Gott sei Dank." Ansonsten aber werde "die durchlässige Mehrschichtigkeit der Erscheinungen und die Unfassbarkeit der Wahrheit, woran Kleist sich abarbeitet", durch das Spiel nicht erschlossen: "Das ist vor allem polterig und szeneweise zusammengesetzt aus Regieeinfällen, die eher aus hirnschmalzverbrauchenden Problemlösungsvorschlägen hervor gegangen sein mögen als aus Geistesblitzen". Man möchte, so Seidler, "den ganzen Pappladen mal ordentlich durchschütteln und vor allem die jüngeren Schauspieler von ihrem Richtigmacherzwang befreien, mit dem sie ihre Auftritte und Abgänge absolvieren, ihre Blicke werfen und ihre seelischen Zustände anfertigen, von diesem Erfüllungseifer, der ihnen absolut keine Gelegenheit lässt, ihr Dasein auf der Bühne einfach mal zu genießen und der Wirkung zu vertrauen wie Käthchen ihrem Herzen."
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Was bewegt eigentlich junge talentierte Frauen immer noch dazu hohen Herren der Dichtkunst hinterher zu rennen und dann damit noch unbedingt am BE scheitern zu müssen?
Das ganze Ding ist eine Mogelpackung. Das Programmheft gibt einen Hinweis zur Parodie, den greift Frau Blattner aber nicht wirklich auf. Ich glaube etwas anderes als Parodie geht jedoch nicht, wenn man den Zuschauern ein 4-stündiges Ritterspiel aus der Dose ersparen will. Nur Text einkürzen hilft da nicht. So mühen sich nun die Schauspieler alleingelassen mit Text und Treppe ab, beim parodieren von Schauspielern die Kleist spielen sollen. Wenn ich Kleist verarschen will, muss ich das auch konsequent durchziehen. Die Inszenierung schwankt zwischen Komödie und Tragödie hin und her, bis sie zum Vollschwank wird. So stürzt denn das Stück die Treppe hinunter und bricht sich dabei das Genick. Nun liegt es da und auch die wenigen lichten Moment bringen es nicht wieder ins Leben zurück. Nur zweimal stockt einem der Atem, wenn Ruth Glöss als Haushälterin Brigitte den Traum Friedrichs erzählt, da wird es ganz ruhig und der ganze Klamauk fällt mit einem Male ab. Hier wird ja auch das Motiv zum Hass Kunigundes und der Vergiftung Käthchens geprägt. Und dann der vielleicht größte Moment als Käthchen im Traum Friedrich ihre Liebe gesteht und die bevorstehende Hochzeit vorhersagt. Diese Szene zeigt die wirkliche Schönheit dieser Liebesgeschichte und wozu Frau Blattner im Stande wäre, wenn Sie sich trauen würde.
Es ist Ihr zu wünschen, dass sie mit einem Gegenwartsstück nach Berlin zurückkommt, etwas worauf das sonst so verschnarchte BE wirklich wartet.
Kleists Stück ist nicht schwachsinnig. Menno! Das war als Zuspitzung gemeint und will in etwa das besagen, was ich im ersten Absatz der Kritik schrieb: Kleist bedient sich einer hanebüchenen Dramaturgie mit damals modischen Schauer- und Ritterelementen, um in all diesem Firlefanz samt (am BE gestrichenen) alten Tanten etwas Reines und seltsam Unantastbares hervortreten zu lassen: das Käthchen. Und in all diesem Trubel und durchgeknallten Ritterwahnsinn ist halt die Holunderbuschszene der große poetische Ruhepunkt. So sehe ich das. Ich sage nicht, dass ich das Stück insofern verstanden hätte, als dass ich die einzig gültige Lesart anzubieten vermöchte. Haben Sie die? Dann lassen Sie sie uns wissen.
Mir gehts gar nicht um einen sauberen Veriss, sondern darum die Dinge beim Namen zu nennen. Andere Kollegen von Ihnen sind da nicht so zimperlich. Es stehen schon Beispiele davon im Netz. Ich will gar nicht Ihre Kritik in Frage stellen. Das steht mir auch nicht zu. Ich gebe ja hier nur einen Kommentar aus dem sicheren Off ab. Der Einwurf der Unschärfe war auch nur eine scherzhafte Replik, vergessen Sie sie bitte ganz schnell.
Noch mal zurück zum Käthchen. Es gibt gelungene Stückinterpretationen, die gerade dem Hollerbusch auch eine zentrale Rolle einräumen. Es ist sicher blöd eine Inszenierung gegen die andere aufzuwiegen, aber als häufiger Theatergänger hat man eben diese Möglichkeit. Ich denke da an die Inszenierung von Nicolas Stemann am DT von 2004, in der Inka Friedrich den besagten Strunk die ganze Zeit im Blumentopf mit sich rumträgt. Hier hopsen auch keine albernen Ritter rum, die Kampfszenen werden einfach per Beamertechnik an die Wand geworfen. Im typischen Stemann-Stil wird die Handlung auch mal nur szenisch vorgetragen. Auch wenn hier emotional einiges auf der Strecke bleibt, bekommt das Stück durch den Einsatz des im Publikum stehenden Chores der Mendelssohns "Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen" vorträgt einen gewaltigen Sog. Im BE darf Dejan Bućin auch kurz etwas singen, man versteht es aber gar nicht. Fast alle Szenen plätschern an einem vorbei, ohne das wirklich etwas ernsthaft hängen bleibt. Da wird doch tatsächlich Ritter der Kokosnuss, eine Parodie der Parodie, für neu verkauft. Wenn man keine echten Ideen zu diesem schwierigen Stück hat, sollt man es auch nicht inszenieren.
Kurzum: Weniger Klimbim, weniger halber Wagemut, mehr riskieren, formal überraschen, der Sprache vertrauen, von der Generation Holtz/Glöss/Schubert lernen.
(Liebes Mädchen,
ist es nicht offensichtlich, warum wir das zensiert haben? Oder umgekehrt: Ist es nicht möglich, die Kleist-Lesart eines Kritikers zu kritisieren, ohne den Rezensenten als Person so pauschal zu diffamieren? Es macht einen Unterschied, ob Sie schreiben, "XY ist doof" oder "Was XY da schreibt, ist doof". Jedenfalls nehmen wir uns spießigerweise heraus, diesen Unterschied zu machen.
Mit freundlichen Grüßen,
Anne Peter für die Redaktion)
Ja der Herr Seidler schreibt immer erst so ein lustiges Geschraubsel bevor es die Watschen gibt. Der denkt wahrscheinlich dann tut es nicht so weh. Ich habe eher lachen müssen heute früh in der S-Bahn.
@Stefan: das ist kein "lustiges Geschraubsel" sondern peinliches Bübchengetue, was sie da meinen.
(Liebes Mädchen,
Sie haben Recht damit, dass es sich bei dem zensierten Satz um einen Grenzfall handelt. Wir haben auch tatsächlich kurz gegrübelt, ob wir es wegen des hergestellten Kausalzusammenhangs durchgehen lassen sollten oder nicht. Und haben uns für Letzteres entschieden. Im Zweifelsfall für den Kommentierten.
Beste Grüße,
Anne Peter)
Das ist die beste Inszenierung in Berlin der letzten Monate. Das kleine Theater hat - im Gegensatz zum BE- kein Geld, dafür aber viel Idealismus, Geschmack und Niveau. Also bieten sie jetzt wieder einen spritzigen Theaterabend mit diesem Stück von Oskar Wilde mit tollen Schauspielern und einem wirklich guten Regisseur. Statt dessen reibt man sich leider wieder an halbgaren Produkten im BE.
Der Beifall war riesig (langes Klatschen im Takt) und beim Schlangesthen in der Gaderobe hörte ich nur Positives von den Zuschauern.
Aber heute gilt -leider- nicht mehr die Meinung von den meisten Zuschauern, es gilt nur noch die Meinung von wenigen sogen. "Kritikern" die sich anmaßen, ihre Meinung sei die einzig "Richtige", der andere "Publikumsarsch", auch wenn er weit in der Mehrheit ist ,hat überhaupt keine eigene Meinung zu haben! Das sind die "echten" Demokraten! (So was gabs ja wohl in der DDR).
Ich nehme einfach mal Ihre beiden in Klammern gesetzten Anmerkungen und setze sie geistig zusammen. Fällt Ihnen das was auf? Und jetzt überdenken Sie noch mal die Sache mit der Demokratie und Meinungsfreiheit. Übrigens, ein paar zaghafte Buhs gab es schon, wollten Sie die mit rhythmischem Klatschen übertönen?
Ich habe die Inszenierung noch nicht gesehen, werde das aber irgendwann tun, auch wenn sie nur halb geglückt ist. Im BE weiß man nie.
Was sind 2 Buhs gegen alle anderen klatschenden ,jubelnden Premieengäste? Bei Ihnen wohl die Kritik der Oberen: die 2 Buhs sind dann Maßgebend für alle anderen!
Das ist dann wirklich Demokratie in Ihrem Sinne!
Wenns so weitergeht, dann wissen wir ja, woran wird sind!
Da brauchen wir dann gar keine Kritik, außer Ihrer, die dann jeder ,ob er will oder nicht, anzuerkennen hat.
Na, dann: Prost Mahlzeit!
Sie haben also die Buhs tatsächlich gehört, wollen Sie aber als ewige Nörgler ignorieren. So einfach ist das Leben aber nicht. Ich habe kein endgültiges Urteil über die Inszenierung gesprochen, ich habe auch ihre guten Momente aufgezählt, alles in allem finde ich den Abend aber misslungen. Das ist meine Meinung. Wir sollten uns gegenseitig akzeptieren und nicht mit Erbsen bewerfen. Wenn Sie die Inszenierung toll gefunden haben, freuen Sie sich darüber und erzählen von dieser Freude, Nachtkritik ist ein gutes Medium dafür.
Zu Kleist. Kleist ist natürlich ein ewiger Romantiker und Sucher nach dem Guten im Menschen. In seinen Stücken kompensiert er meiner Meinung nach immer wieder das, was ihm im eigenen Leben verwehrt blieb, Liebe, Glück, Anerkennung.
Ich bin immer noch ein wenig entsetzt. Behrens schreibt über einen der größten deutschen Stilisten, als habe er einen Dreigroschenroman gelesen, der – was für eine Zumutung! – auch noch auf die Bühne gebracht wurde. Es ist dem Kritiker offensichtlich entgangen, dass ein Theaterstück auch von der Sprache lebt und nicht nur von der Plausibilität der Handlung und von kunsthandwerklichen Faktoren. So gesehen könnte ein Roman auch in Micky-Mouse-Sprache geschrieben sein, wenn nur das Handlungsgefüge recht stimmig ist und es nicht von phantastischen Elementen und allzu schrillen Effekten gestört wird. Nun ist aber Kleist nicht Lösch, Schimmelpfennig oder Mayenburg, obwohl auch diese Autoren ihre Qualitäten haben.
Fazit dieser Besprechung: die Theaterkritik schert sich nicht um große Dichtung, hat kein Sensorium dafür. Herr Seidler von der Berliner Zeitung scheint auch keine Empfänglichkeit für die hehre Kraft der Wörter zu besitzen. Bei seinem Kollegen und Kumpel Dr. Pilz gibt es wenigstens eine gewisse geistige Aufnahmebereitschaft, seine Rezeptionsbemühungen lassen darauf schließen.
Dennoch muss man froh sein, dass sich diese Kritiker zu Wort melden, das ohnehin nur vom Fachpublikum gehört wird. Letztlich lebt von der Kritik auch das Theater – und ohne Kritik stirbt ein Bestandteil davon ab.
Nun, ich will offen sein: Ich fühle mich von Flohbär missverstanden. Ich glaube, nirgendwo geschrieben zu haben, dass Kleist dem "Käthchen" unbedacht oder aus Unfähigkeit eine hanebüchene Dramaturgie übergestülpt habe. Dasjenige, was Sie, Monsieur Flohbär, als das Surreale und Fantastische ausmachen, habe ich als "durchgeknallten Ritterwahnsinn" oder als "schauerromantische Zutaten" beschrieben, ja, sogar als "schwachsinnig", aber nicht um es abzukanzeln, sondern um meine Auffassung wiederzugeben, dass es eine knallbunte Folie zu dem abgibt, worum es eigentlich geht: um eine, wie ich schrieb, "allerwunderlichste Liebesgeschichte". Doch der Wahnsinn, das Verrückte, das Plunderige gehören selbstverständlich und notwendigerweise dazu, um einen unantastbaren, einen reinen Kern zum Leuchten zu bringen. Ihrer Reaktion muss ich entnehmen, dass es mir gründlich misslungen ist, diesen Gedanken auszudrücken.
Was Kleists Sprache anbelangt, so habe ich über sie an keiner Stelle etwas gesagt, schon gar nicht, dass ich sie für pathetisch oder antiquiert halte. Pathetisch übrigens ist m.E. ein ganz und gar abwegiger Begriff für Kleist - in seinen Erzählungen zeigt er sich ja sogar als ein Großmeister der Nüchternheit, und auch in den Dramen ist ihm Pathos eher fremd. Sie müssen schon entschuldigen, wenn ich nicht eigens auf die sprachliche Kunst Kleists hinweisen zu müssen glaubte - ich habe sie als gegeben vorausgesetzt. Und, richtig, ein Theaterstück lebt auch von der Sprache, doch die Sprache unterhält auch immer eine komplexe Beziehung zum Inhalt: Ein Stück, das sich nur über seine Sprache definierte, könnte kaum von Dauer sein. Ist die Sprache reich - und Kleists Sprache ist reich -, will sie sich doch auch immer transzendieren, will sie etwas ausdrücken oder benennen (selbst wenn es das Unsagbare ist). Deshalb ist es nicht sinnlos, über die Dramaturgie eines Stückes nachzudenken (das ja immerhin für jemanden wie Goethe eine Provokation darstellte). Wenn ich das "Käthchen" lediglich kanonisiere und heiligspreche und mich bezüglich Kleists hinter Aussagen wie "größter deutscher Stilist" verschanze, komme ich doch der Sache nicht näher. Ich lasse mich lieber von einer "schwachsinnigen" Dramaturgie aus der Reserve locken, um dann auf ganz verquere und seltsame Art empfänglich zu sein für eine großartige Liebesszene, als dass ich jede Wendung des Kleist'schen Dramas mit dem Stempel "ist ja Kleist, wird schon gut sein" versehe, um dann das Ganze als Klassikerberieselung folgenlos an mir vorüberziehen zu lassen.
Möglicherweise täusche ich mich, aber mitunter habe ich den Eindruck, die maßgeblichen Kritiker haben ein gestörtes Verhältnis zu Kleist. Schon beim von Perceval inszenierten Drama "Penthesilea", dem letzten wirklich großen Abend in der Schaubühne, las ich eher negative Kritiken, die in mir das Gefühl hervorriefen, mit mir stimme etwas nicht. Mein psychisches Hochgefühl kontrastierte doch sehr stark zu der abschlägigen Nüchternheit der Experten, die gelegentlich mit dem Impetus eines Spiritus Rectors daherkommen. Doch das mag als verzeihliche Berufskrankheit durchgehen...
Also kritisieren Sie weiter, Herr Behrens, auch wenn Sie ein Stück für ein probates Betäubungsmittel halten und andere darin stimulierende Innovationspotentiale entdecken. Kritik ist, wie gesagt, ein Bestandteil des Theaterlebens.
Mir ist es dennoch schleierhaft, wieso Sie ausgerechnet die Holunderstrauch-Szene so feiern können, war doch Ihr Gemüt – nicht Ihre Aufmerksamkeit! – beim Rest des Stückes wie von Lähmung befallen. Gerade bei dieser Szene hätte sich Kleist etwas mehr einfallen lassen können.
Aber der Rest sei Schweigen!